Pläne zur Errichtung von Hilfsgesellschaften für Verwundete

Bei außerordentlichen Gelegenheiten wie jene, welche in Köln und in Chalons kriegserfahrene Fürsten von so verschiedenen Nationalitäten zusammenbrachten, wäre es da nicht wünschenswert, dass man diese Art von Kongreß benutzte, um irgend einen internationalen, vertragsmäßigen und geheiligten Grundsatz festzustellen, der, einmal angenommen und gegenseitig anerkannt, als Basis zur Errichtung von Hilfsgesellschaften für Verwundete in allen Teilen Europas dienen würde? Es wäre um so notwendiger, sich im Voraus über solche Maßregeln zu Vereinigen und sie festzustellen, da jeweilen mit dem Beginne von Feindseligkeiten die kriegführenden Mächte schon schlecht genug auf einander gestimmt sind, und nur solche Fragen in Berücksichtigung zu ziehen geneigt sein dürften, welche zunächst ihre eigenen Angehörigen betreffen*).

*)Beruft man nicht kleine Kongresse von Gelehrten, Juristen, Astronomen, Statistikern, Ökonomen, welche über weit geringere Fragen sich zu besprechen haben, und gibt es nicht internationale Gesellschaften, welche sich mit Industrie, Wohltätigkeit, öffentlichen Nutzen usw. beschäftigen?


Die Humanität und die Zivilisation verlangen gebieterisch nach dem hier angedeuteten Werke; es scheint uns, dass dessen Vollführung selbst eine Pflicht wäre, zu deren Erfüllung jeder irgend einflußreiche Mann seine Unterstützung und jeder Wohldenkende irgend einen Gedanken beitragen sollte. Welcher Fürst, welcher Monarch konnte diesen Gesellschaften seine Unterstützung versagen, und wer von ihnen wäre nicht glücklich, den Soldaten seiner Armee die volle Sicherheit zu verschaffen, daß sie, sobald sie verwundet sind, alsogleich und in der sorgfältigsten Weise gepflegt werden? Welcher Staat würde denen nicht seinen Schutz gewähren, welche auf diese Weise das Leben brauchbarer Bürger zu erhalten suchen? Ein Krieger, der seinem Vaterlande dient, oder es verteidigt, hat er nicht Anspruch auf die Sorge seines Vaterlandes? Welcher Offizier, welcher General, wenn er seine Soldaten so zu sagen als „seine Kinder“ betrachtet, sollte nicht wünschen, daß die Aufgabe der Krankenwärter erleichtert werde? Welcher Militärintendant, welcher Oberchirurg würde nicht dafür erkenntlich sein, wenn eine Anzahl intelligenter Personen ihm beistehen und unter einer guten Leitung diesem Zwecke dienen wollte?*)

*) Durch die Gesellschaften, wie wir sie im Auge haben, würde man noch den Vorteil haben, daß man alle Verschleuderung und die unrechtmäßige Verteilung der zugesendeten Unterstützungen vermiede. Während des orientalischen Krieges z. B. wurden von St. Petersburg aus bedeutende Ladungen von Charpie, welche, von russischen Damen gesammelt worden waren, nach der Krim geschickt; allein die Ballen, anstatt in die Spitäler zu gelangen, wohin sie adressiert waren, kamen in die Papierfabriken, welche sich ihrer natürlich wie einer Ware für ihre Industrie bemächtigten.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Erinnerung an Solferino (1859)