In der Ebene von Medole

Die unerschütterliche Standhaftigkeit des Generals Riel, der mit den Generälen de Failly, Vinoy und de Luzy in der Ebene von Medole gegen drei große Divisionen der Armee des Grafen Wimpffen Stand hielt, gestattete dem Marschall Mac Mahon mit den Generälen de Ln Motterouge und Decaen und der Garde-Reiterei die den Schlüssel der Positionen von San Cassiano und Cavriana bildenden Höhen zu umgehen und sich auf der Parallel-Hügellinie festzusetzen, woselbst die Truppen der Feldmarschälle Clam-Gallas und Zobel sich in dichten Colonnen aufgestellt hatten; allein der ritterliche Prinz von Hessen, einer der Helden der österreichischen Armee und würdig, sich mit dem berühmten Sieger von Magenta zu messen, verteidigte, indem er mit Kühnheit bei San Cassiano den Kampf engagierte, die drei Mamelons des Fontana Berges. General de Sevelinges ließ unter dem Kugelregen der Österreicher seine gezogenen Kanonen hinausschaffen, welche, da die Pferde die steilen Abhänge nicht zu ersteigen vermochten, die Garde-Grenadiere hinaufziehen mußten, und damit die auf diese eigentümliche Weise auf die Hügel geschafften Batterien rasch ihr Feuer auf den Feind abgeben konnten, bildeten sie dann ruhig und kaltblütig von den in der Ebene gebliebenen Caissons bis hinauf eine Kette und reichten so von Hand zu Hand den Artilleristen die Munition.

General de la Motterouge bemächtigte sich endlich Cavriana's trotz des hartnäckigsten Widerstandes und den sich wiederholenden Offensiv-Versuchen der deutschen Offiziere, welche stets wieder von Neuem ihre Abteilungen vorwärts führten. Die Schützen des Generals Manèque, welche ihre Munition verbraucht hatten, füllten ihre Patrontaschen bei den Grenadieren, allein halb war auch diese Verschossen und nun griffen sie die Höhen von Solferino und Cavriana mit dem Bajonette an und bemächtigten sich, gestützt von General Mellinet, trotz der überlegenen feindlichen Kräfte, dieser Stellungen. Rebecco fiel in die Hände der Alliierten, dann wieder in die der Österreicher, denen es wieder entrissen wurde, worauf sie es abermals nahmen, bis es endlich General Renault schließlich besetzte und behauptete.


Beim Angriffe auf den Fontana-Berg wurden die algierischen Jäger wahrhaft dezimiert, ihre Obristen Laure und Ferment getötet, der größte Teil ihrer Offiziere fiel, was jedoch gerade ihre Wut noch erhöhte; sie feuerten sich gegenseitig an, um den Tod ihrer Offiziere zu rächen und stürzten sich mit der Wut des Afrikaners und dem Fanatismus des Mohammedaners auf ihre Feinde, sie gleich blutgierigen Tigern niederwerfend und mordend. Die Kroaten legten sich zu Boden, versteckten sich in den Gräben, um dann beim Nahekommen der Feinde hervorzuspringen und sie auf Kolbenlänge zu töten. Bei S. Martino wurde ein Bersaglieri-Offizier, Hauptmann Pallavicini, verwundet, seine Soldaten fangen ihn in den Armen auf, tragen ihn hinweg und bringen ihn in eine Kapelle, woselbst er die erste Pflege findet; allein die nur für einen Augenblick zurückgeworfenen Österreicher rücken wieder im Sturme vor und dringen in die Kirche; die Bersaglieri, zu schwach zum Widerstande, müssen ihren Führer verlassen; alsbald bringen die Kroaten herein, und mit großen Steinen, die sie an dem Portale aufgelesen, zerschmettern sie das Haupt des Hauptmanns, dessen Hirn ihre Waffenröcke bespritzt.

Inmitten dieser verschiedenartigen, sich stets wieder erneuernden und unaufhaltsam fortdauernden Kämpfe vernimmt man die fluchenden Ausrufe von Männern von so vielerlei Nationen, und wie viele dieser Leute waren schon mit dem 20. Lebensjahre zum Menschenmorde gezwungen!

Im dichtesten Gedränge, während die Erde zitterte wie von einem tobenden Orkane erschüttert, unter dem Sausen der in Pulverdampf gehüllten Kugeln, welche in ihrem mörderischen Fluge den Boden fegten und mit dem Leuchten des zündenden Blitzes den Hekatomben von Toten immer neue Opfer beigesellten, eilte der Almosenier des Kaisers Napoleon, Abbé Laine, von Ambulance zu Ambulance, um den Sterbenden Worte des Trostes und des Mitgefühls auf den letzten Weg mitzugehen.

Commandant Mennessier, dessen beide Brüder, der eine Oberst und der andere Hauptmann, schon bei Magenta gefallen waren, wurde nun hier bei Solferino vom Tode erreicht. Einem Unterlieutenante der Linie wurde der linke Arm von einer Biskajakugel zerschmettert und das Blut floß in Strömen aus seiner Wunde; unter einem Baum sitzend legte ein ungarischer Soldat auf ihn an, allein dieser wurde von einem seiner Offiziere zurückgehalten, der, indem er sich dem jungen französischen Offiziere näherte, ihm voll Mitgefühl die Hand drückte und den Befehl gab, ihn an einen minder gefährlichen Platz zu bringen. Markedenterinnen drängten sich wie einfache Soldaten unter dem Feuer des Feindes in die Reihen der Kämpfenden, um armen verstümmelten Soldaten beizustehen, welche nach Wasser riefen; und sie selbst werden verwundet, wahrend sie den Unglücklichen zu trinken geben und sie zu verbinden suchen*). Nicht ferne davon suchte sich ein Husarenoffizier unter seinem von einem Bombenstücke getödteten Pferde hervorzuarbeiten, erschöpft von dem Blutverluste, den ihm seine eigenen Wunden verursachten; wieder weiter erblickte man ein davonsprengendes Roß, das den blutigen Leichnam seines Reiters mit sich schleifte; dann auch wieder Pferde, die, menschlicher als ihre Reiter, mit jedem Auftritte sorgsam die Berührung der Opfer dieser furchtbaren Schlacht zu vermeiden suchten. Ein Offizier der Fremden-Legion wurde von einer Kugel getroffen, sein Hund, der eine große Anhänglichkeit an ihn hatte, und den er als Liebling des Bataillons aus Afrika mit herübergenommen, begleitete ihn auch hier, folgte jedoch, von der stürmenden Bewegung mit fortgerissen dem Bataillon, bis auch er etliche Schritte weiter von einer Kugel getroffen fiel, noch aber die Kraft fand, um zu seinem Herrn zu kriechen und auf dem Leichnam desselben zu verenden. Bei einem andern Regimente ist es eine Ziege, die ein Schütze adoptiert hatte und die, von den Soldaten geliebt und ein Kind des Regiments, unerschrocken inmitten dem Kugel- und Kartätschen-Regen diesem zum Sturme auf Solferino folgte.

*) Es sind vielleicht die nämlichen, welche den 9.Juni 1862 von den Mexikanern lebendig an die Pulverwagen gebunden, mit 10 Soldaten in die Luft gesprengt wurden, die einen Konvoi von Lebensmitteln und Munition von Vera-Cruz aus nach dem französischen Lager führten und etwa eine Meile von Tejeria von Guerilla-Banden umzingelt worden waren.

Und wie viele mutige Soldaten ließen sich durch eine erste Verwundung nicht aufhalten, sondern marschierten immer vorwärts, bis sie, von Neuem getroffen und niedergeworfen, nicht länger mehr zu folgen im Stande waren! An anderer Stelle standen ganze Bataillone, dem furchtbarsten Feuer ausgesetzt, und erwarteten unbeweglich den Befehl zum Vormarsche, gezwungen hier ruhige, untätige Zuschauer zu bleiben, während sie von Kampfbegierde brannten und ihre Reihen widerstandslos gelichtet sahen.

Die Sarden waren vom Morgen bis zum Abend fortwährend damit beschäftigt, in kleinen Scharmützeln und durch Sturmangriffe die Mamelons Von San Martino, Roccolo, Madonna della Scoperta bald zu verteidigen, bald dem Feinde zu entreißen, fünf und sechs mal hinter einander wurden diese Mamelons genommen und wieder genommen, bis endlich die Sarden im Besitze von Pozzolengo blieben, obgleich sie nur divisionsweise und ohne allzu viel Übereinstimmung kämpften. Ihre Generale Mollard, de La Marmora, Della Rocca, Durando, Fanti, Cialdini, Cuccchiari, De Sonnaz, sowie die Offiziere aller Waffen und Grade unterstützten die Bemühungen ihres Königs, unter dessen Augen die Generale Perrier, Cerale und Arnoldi verwundet wurden.

Sollten wir bei Erwähnung der französischen Armee nicht auch, nebst den Marschällen und Divisionsgeneralen, des glorreichen Anteils gedenken, den die wackeren Brigadegenerale, alle diese tatkräftigen Obristen, die braven Kommandanten und Hauptleute an dem glücklichen Erfolge dieses großen Tages hatten? Es war wahrlich auch ein Ruhm, Krieger zu bekämpfen und zu besiegen, wie einen Prinzen Alexander von Hessen, einen Stadion, einen Benedek oder einen Karl von Windisch-Grätz*).

,,Es schien, als ob uns der Wind vorwärts geblasen hätte,“ meinte ein einfacher Liniensoldat in seiner eigentümlichen Ausdrucksweise, um mir einen Begriff zu geben von dem Eifer und dem Enthusiasmus seiner Kameraden, mit dem sie sich in's Handgemenge stürzten. „Der Geruch des Pulvers, der Lärm der Kanonen, das Trommeln und das Trompeten, das belebt, das reizt!“ In diesem Kampfe schien sich in der Tat jeder Einzelne so zu schlagen, als ob es sich allein um seinen eigenen Ruhm, um den Sieg seiner Privatangelegenheit handelte. Diese unerschrockenen Unteroffiziere der französischen Armee besitzen in der Tat eine ganz besondere Regsamkeit und einen unvergleichlichen Mut, für sie gibt es keine Hindernisse, sie stürmen gegen die gefährlichsten und ausgesetztesten Stellen, als ob es zu einem Feste ginge.

*) Was den General Forey betrifft, so entlehnen wir über ihn folgende Stelle aus dem hübschen Buche des eidgenössischen Herrn Obrist Edmund Favre: „Die preußische Armee und die Manoevres von Köln im Jahre 1861“:

„Der König ließ uns alle für den gleichen Tag zur Tafel im Schlosse Benrath bei Düsseldorf einladen. ...Ehe sich der König zu Tische setzte, nahm er die Generale Forey und Paumgartten bei der Hand. „Nun Sie Freunde sind“, sagte er lachend zu ihnen, ,,so setzen Sie sich einer neben den andern und plaudern Sie.“ Da nun Forey der Sieger von Monte-Bello und Paumgartten sein Gegner war, so konnten sie nach Herzenslust einander um alle Einzelheiten jenes Tages befragen. Aus dem ehrlichen Lächeln des Österreichers war zu erkennen, daß die Zeit des Grolles vorüber sei, der Franzose hatte, wie wir wissen, ohnehin keinen Grund dazu. So ist der Krieg, so sind die Soldaten! Die beiden diesen Herbst so befreundeten Generale, teilen sich vielleicht nächstes Jahr wieder Hiebe aus, um dann nach zwei Jahren irgendwo wieder zusammen zu speisen.“



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Erinnerung an Solferino (1859)