Erfindung der Tornisterbetten

Bei besseren und vollkommeneren Transportmitteln*) würde man jenem Jäger der Garde die schmerzhafte Amputation in Brescia erspart haben, die allein nur dadurch notwendig geworden war, weil dem Verwundeten während des Weges von dem Feldlazarette seines Regiments bis nach Castiglione auch gar keine ordentliche Pflege gewidmet worden war. Sollte der Anblick dieser jungen Invaliden, welche, nun eines Armes oder eines Beines beraubt, so traurig in ihre Heimat zurückkehren, nicht ein Gefühl der Reue oder des Bedauerns wachrufen, daß man nicht den bedenklichen Folgen der Verwundungen zuvorkam, welche durch schnelle und rechtzeitige Hilfe oft so leicht zu heilen gewesen wären? Und würden diese in den Lazaretten von Castiglione oder in den Spitälern von Brescia verlassenen Sterbenden, von welchen Mehrere sich in ihrer Sprache nicht verständlich machen konnten, ihren letzten Seufzer scheltend und fluchend ausgestoßen haben, wenn Jemand bei ihnen gewesen wäre, um sie anzuhören und zu trösten?**)

*) Sobald man bessere Transportmittel anwendet, so werden auch die so häufigen Verschlimmerungsfälle während der kurzen Strecke vorn Schlachtfelde bis zum Feldlazarette vermieden werden, und dadurch vermindert sich auch die Zahl der Amputationen und selbstverständlich die Ausgaben für jeden Staat, der die Invaliden zu pensionieren gezwungen ist.


Mehrere Chirurgen haben in letzterer Zeit den Transport der Verwundeten zum Gegenstande besonderer Studien gemacht; so erfand Dr. Appia einen weichen, leichten und sehr einfachen Apparat, in Folge dessen die Stöße in den Fällen von Knochenbrüchen vermindert werden, und Dr. Martrès hat auch mit günstigem Erfolge seine Aufmerksamkeit dieser Frage zugewendet.

Herr Louis Joubert, ehemaliger Zögling der Chirurgie in den Spitälern von Paris, und jetzt Premier Attaché des kaiserlichen Hauses, hat seit dem italienischen Kriege eine Tornistertragbare oder ein Tornisterbett mit einem sehr einfachen und sinnreichen Mechanismus erfunden, welches so bedeutende Vorteile darbietet, daß man bereits eine gewisse Anzahl dieser Transportapparate den französischen Expeditionstruppen nach Mexiko und Cochincha mitgab. Mehrere Regierungen, welche bereits die Nützlichkeit dieses Tornisterbettes erkannten, haben dasselbe angenommen, und seine Anwendung ist auch schon in Frankreich bei den Zivilverwaltungen, in großen industriellen Etablissements, wie Hüttenwerken, großen Bauhöfen, Minen usw. ziemlich allgemein. Das Tornisterbett kann zu gleicher Zeit als Schulzeit, Feldbett, provisorisches Spitalbett und als gedeckte Tragbahre mit Kopfkissen dienen . Der Apparat des Herrn Joubert ist durch seine glückliche Zusammensetzung , seine große Leichtigkeit, seine Form und sein geringes Volumen allen früheren und neueren Systemen vorzuziehen, und besteht aus Teilen, welche den Soldaten schon bekannt und auch sonst nützlich sind.

Sollten diese Gesellschaften, welche wir entstehen sehen möchten, nicht in ganz besonderer Weise jene zu ehren suchen, welche, wie Herr Joubert, ihr Talent und ihre Nachtwachen so menschenfreundlichen und wohltätigen Nachforschungen oder Erfindungen widmen!

**) Während dem Kriege in Italien wurden selbst einige Soldaten von einem solchen Heimweh erfaßt, daß sie, ohne andere Krankheit und ohne irgend eine Verwundung, daran starben.


Hätte nicht trotz dem Eifer, den die lombardischen Städte und die Einwohner von Brescia an den Tag legten, noch ungeheuer Vieles getan werden können? In keinem Kriege und in keinem Jahrhunderte hatte man so viele schöne Beweise von Barmherzigkeit gesehen; und doch reichten dieselben durchaus nicht aus bei so vielen Leidenden, welche eine Unterstützung in Anspruch nahmen, und außerdem galt auch die meiste Sorgfalt nur der alliierten Armee und durchaus nicht den Österreichern, und sie war hervorgerufen durch das Gefühl der Erkenntlichkeit eines Volkes, das von einer fremden Unterdrückung befreit wurde, und in der ersten, augenblicklichen Aufwallung von Enthusiasmus und Sympathie zu jedem Opfer sich bereit fand.

Es ist wahr, es gab in Italien mutige Frauen, deren Geduld und Ausdauer kein Ziel kannte, allein ach! ihre Zahl war nicht sehr groß; die ansteckenden Fieber hielten gar viele Personen ab, und die Krankenwärter und sonstigen Bediensteten entsprachen nicht auf lange Zeit den an sie gestellten Anforderungen. Für eine solche Aufgabe kann man keine gedungenen Personen brauchen, welche von Eckel abgeschreckt oder durch die Müdigkeit fühllos, hartherzig und faul gemacht werden. Anderseits bedarf es schneller Hilfe, denn was heute einen Verwundeten retten kann, rettet ihn morgen nicht mehr; oft bei dem geringsten Zeitverluste kann der Brand eintreten, der den Kranken hinwegrafft *).

*) Beim Beginne des italienischen Feldzuges und ehe noch irgend ein Gefecht geliefert wurde, hatte Frau N. . . bei einer Abendgesellschaft in Genf den Vorschlag gemacht, ein Komitee zu bilden, um den Verwundeten Hilfe zu leisten; mehrere Personen, an die sie sich deshalb wandte, fanden diesen Vorschlag etwas verfrüht, und auch ich konnte mich nicht enthalten, darauf mit der Bemerkung zu antworten: „Wie mag man daran denken, Charpie zu bereiten, ehe es nur einen einzigen Verwundeten gegeben hat.“ Und doch wie nützlich wäre schon bei den ersten Gefechten diese Charpie in der Lombardei oder im Venetianischen gewesen! — Es ist somit durch die sich mir darbietenden Tatsachen, die ich hier mitteilte, meine Ansicht in dieser Beziehung geändert worden, und in Folge dessen sah ich mich auch veranlaßt, einige Bemerkungen über diesen Gegenstand mit einstießen zu lassen; der Himmel wolle geben, daß dieselben eine bessere Aufnahme finden, als ich sie den Vorschlägen der Frau N... im Mai 1859 angedeihen ließ!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Erinnerung an Solferino (1859)