Die Truppen des Kaisers Franz Joseph ziehen sich zurück

Die Truppen des Kaisers Franz Joseph hatten sich nun zurückgezogen. Die Wimpffen'sche Armee erhielt Befehl, den Rückzug zuerst anzutreten, noch ehe Marschall Canrobert alle seine Streitkräfte entwickelt hatte; die Armee des Grafen Schlick mußte trotz der Standhaftigkeit des Grafen Stadion, der mit Ausnahme der Division des Prinzen von Hessen von den Feldmarschalllieutenants Clam Gallas und Zobel zu schwach unterstützt wurde, alle ihre Positionen aufgeben, die in den Händen der Österreicher zu ebensoviel Festungen geworden waren.

Der Himmel verdunkelte sich plötzlich durch das Heranziehen dichten Gewölkes, der Sturm tobte und brach Äste von den Bäumen, welche er forttrug durch die Lüfte; ein kalter, vom Sturm gepeitschter Regen oder vielmehr eine wirkliche Wasserhose entlud sich über die Streiter, welche bereits von Hunger und Müdigkeit erschlafft, von den Rauchwolken und dem ausgeworfenen Staube fast erblindet, nun auch gegen die vom Himmel entfesselten Elemente anzukämpfen hatten. Allein trotz diesem Wetter sammelten sich dennoch die Österreicher auf den Kommandoruf ihrer Offiziere; gegen 5 Uhr mußte das kämpfen von beiden Seiten aufgegeben werden, die Regengüsse, die Schloßen, die Blitzschläge, der dumpf rollende Donner und die über das Schlachtfeld sich verbreitende Dunkelheit hinderten jede Fortsetzung des Kampfes.


Während dieser ganzen Schlacht zeigte das Haupt des Habsburgischen Hauses eine bewunderungswürdige Ruhe und Kaltblütigkeit; bei der Einnahme von Cavriana befand er sich mit dem Grafen Schlick und seinem Flügeladjutanten, dem Prinzen von Nassau, auf einer benachbarten Höhe, auf la Madonna della Pieve, zunächst einer mit Zypressen umgebenen Kapelle. Als das österreichische Zentrum weichen mußte und der linke Flügel nicht mehr hoffen konnte, die Stellung der Alliierten zu forcieren, wurde der allgemeine Rückzug beschlossen, und der Kaiser entschloß sich nunmehr, in diesem bedenklichen Augenblicke mit einem kleinen Teile seines Generalstabes sich gegen Volta zu wenden, indessen die Erzherzoge und der Erbgroßherzog von Toskana sich nach Valeggio begaben. Auf mehreren Punkten hatte die deutschen Truppen ein panischer Schrecken erfaßt, bei einigen Regimentern wurde der Rückzug zur wilden Flucht, vergebens suchten ihre Offiziere, welche sich wie Löwen geschlagen, sie zurück zuhalten; die Ermahnungen, die Scheltworte und Säbelhiebe, nichts brachte sie zum Stehen, ihr Schrecken war zu groß, und diese Soldaten, welche bis dahin so heldenkühn ausgehalten, sie ließen sich jetzt lieber beschimpfen und schlagen, als an der Flucht hindern.

Die Verzweiflung des Kaisers von Österreich war unbeschreiblich; er, der wie ein Held Kugeln und Geschosse jeder Art neben sich einschlagen sah, er weinte über diese Niederlage; von Schmerz erfüllt warf er sich den Fliehenden entgegen, ihnen ihre Feigheit vorwerfend. Als diese leidenschaftliche Heftigkeit sich gelegt, betrachtete er stille diesen Schauplatz der Zerstörung, schwere Tränen rannen über seine Wangen und nur die Vorstellungen und Bitten seiner Flügeladjutanten vermochten ihn, Volta zu verlassen und sich nach Valeggio zu begeben.

In der schrecklichen Verwirrung ließen sich österreichische Offiziere voll Verzweiflung und Wut töten, allein sie verkauften ihr Leben teuer; andere töteten sich selbst voll Gram über diese unglückliche Niederlage, welche sie nicht überleben wollten; die meisten erreichten ihre Regimenter, bedeckt mit Blut von ihren eigenen Wunden oder mit dem Blute des Feindes bespritzt.

Lassen wir hier ihrem Mute die wohlverdiente Gerechtigkeit widerfahren.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Erinnerung an Solferino (1859)