Der Kampf kennt keine Gnade

Die Garde gibt Beweise des höchsten Mutes. Die Schützen, die Jäger und die Linientruppen wetteifern mit ihr an Ausdauer und Kühnheit. Die Zuaven stürzen mit dem Bajonett, aufspringend wie wilde Tiere, mit furchtbarem Geschrei voran. Die französische Cavallerie dringt auf die österreichische ein, Ulanen und Husaren durchbohren und zerfleischen sich; die von der Hitze des Kampfes selbst erregten Pferde werfen sich auf die feindlichen und beißen sich, indessen ihre Reiter auf einander einhauen oder sich niederstoßen. Die Kampfeswut ist so groß, daß man auf einigen Punkten, wo die Munition ausgegangen und auch die Gewehre schon zerschmettert worden, zu Steinen seine Zuflucht nimmt und Leib an Leib damit aufeinander losschlägt. Die Kroaten töten Alles, was ihnen begegnet; sie geben den alliierten Verwundeten mit dem Kolben den Gnadenstoß, indessen die algierischen Jäger, deren Führer vergebens ihrer Grausamkeit Einhalt zu tun suchen, mit den österreichischen Verwundeten, gleichviel ob Offiziere oder Soldaten, in gleicher Weise verfahren und bei dem Handgemenge ein wildes Geschrei ausstoßen. Die stärksten Positionen werden genommen, wieder verloren, wieder gewonnen, um von Neuem wieder verloren, wieder erobert zu werden. Überall fallen zu Tausenden Streiter dahin, verstümmelt, von Kugeln durchbohrt oder von Geschossen jeder Art tödtlich getroffen.

Wenn auch der Zuschauer von den dem Städtchen Castiglione zunächst liegenden Höhen nicht die ganze Schlachtlinie zu übersehen im Stande war, so konnte er doch leicht ernennen, daß die Österreicher das Centrum der Alliierten zu sprengen suchten, um Solferino zu decken, das durch seine Lage zum Hauptobjekt, zum Zankapfel der Schlacht wurde; man bemerkte wohl, welche Mühe sich der Kaiser der Franzosen gab, um die verschiedenen Corps seiner Armee zusammenzuhalten, damit sie sich gegenseitig unterstützen könnten.


Sobald Kaiser Napoleon bemerkte, daß es bei den österreichischen Truppen an einer zusammengreifenden umfassenden Leitung fehlte, befahl er den Armee-Corps von Baraguey d'Hillers und Mac Mahon und alsdann ebenfalls der von Marschall Regnaud de St. Jean d'Angely kommandierten Kaisergarde, zu gleicher Zeit die Verschanzungen von Solferino und S. Cassiano anzugreifen und das feindliche Centrum zu sprengen, das die Armee-Corps Stadion, Clam-Gallas und Zobel bildeten, die nur nach und nach zur Verteidigung dieser so wichtigen Stellung in die Linie rückten.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Erinnerung an Solferino (1859)