Der Kampf beginnt

Um 6 Uhr hat der Kampf ernstlich begonnen.

Die Österreicher rücken in vollkommener Schlachtordnung auf den gebahnten Straßen vor. Im Centrum ihrer festgeschlossenen Massen in weißen Waffenröcken sieht man die schwarzgelben Fahnen mit dem kaiserlichen Adler Österreichs flattern.


Unter allen an dem Kampfe Teil nehmenden Corps bietet besonders die französische Garde einen imposanten Anblick dar. Es ist ein herrlicher Tag und der blendende Schein der Sonne Italiens spiegelt sich in dem Waffenschmucke der Dragoner, Guiden, Lanziers und Cuirassiere wieder.

Mit dem Beginne der Action hatte der Kaiser Franz Joseph mit seinem Generalstabe sein Hauptquartier verlassen, um sich nach Volta zu begeben; er war von den Erzherzogen des Hauses Lothringen begleitet, unter denen man besonders den Großherzog Von Toskana und den Herzog von Modena bemerkte.

Inmitten eines den Alliierten vollkommen fremden und ungeheure Schwierigkeiten darbietenden Terrains fand der erste Zusammenstoß statt. Die französische Armee mußte sich vor Allem durch die mit Rebengeflechte verbundenen Maulbeerbaumreihen, die als wirkliche Terrainhindernisse betrachtet werden können, Bahn brechen, außerdem hemmten große ausgetrocknete Gräben, dann zwar niedere, aber mitunter breite und lang hinziehende Mauern jedes rasche Vorrücken; die Pferde mußten die Mauern erklimmen, durch die Gräben traben.

Die auf den Höhen und Hügeln aufgestellten Österreicher ließen ihre Batterien auf die französische Armee spielen, welche mit einem Hagel von Vollkugeln, Kartätschen und Bomben überschüttet wurden. In die dichten Wolken des von den Geschützen aufsteigenden Pulverdampfes mischt sich die durch rikoschetierende Geschosse aufgeworfene Erde und der aufwirbelnde Staub. Die Franzosen, trotzend dem verheerenden Feuer der Batterien, die den Tod in ihre Reihen schleudern, stürzen sich wie ein tobendes Gewitter von der Ebene her im Sturme gegen diese Stellungen, entschlossen sie um jeden Preis zu nehmen.

Während der steigenden Mittagshitze ist auf allen Seiten der Kampf am heftigsten entbrannt.

Geschlossene Colonnen dringen aufeinander ein mit dem Ungestüm zerstörender Ströme, die alles auf ihrem Wege niederreißen; ganze französische Regimenter werfen sich in Plänklerketten auf die immer zahlreicher in Linie rückenden drohenden österreichischen Massen, welche gleich Mauern von Eisen festen Fußes den Angriff erwarten; ganze Divisionen legen die Tornister ab, um sich besser und rascher mit dem Bajonett auf den Feind werfen zu können; wenn ein Bataillon zurückgeworfen ist, rückt ein anderes an seiner Stelle vor. Um jeden Mamelon, um jeden Hügel, um jeden Felsvorsprung werden hartnäckige Kämpfe geliefert, ganze Haufen von Toten sind auf den Hügeln, in den Hohlwegen aufgetürmt. Österreicher und Alliierte tobten einander auf den blutigen Leichnamen, sie morden sich mit Kolbenschlägen, zerschmettern sich das Gehirn, schlitzen sich mit Säbeln und Bajonetten die Leiber auf: kein Pardon wird mehr gegeben, es ist ein Gemetzel, ein Kampf wilder, wütender, blutdürstiger Tiere, und selbst die Verwundeten verteidigen sich bis zum Äußersten; wer keine Waffen mehr besitzt, faßt seinen Gegner an der Gurgel und zerfleischt ihn mit den Zähnen.

Dort findet ein ähnlicher Kampf statt, allein er wird noch schrecklicher durch das Nahen einer Eskadron Cavalerie, welche im Galopp heransprengt; die Pferde zertreten unter ihren Hufen Tote und Sterbende; einem armen Verwundeten wird die Kinnlade zerrissen, einem andern die Hirnschale zerschmettert, einem Dritten, der noch zu retten gewesen wäre, die Brust eingetreten. In das Wiehern der Pferde mischen sich Flüche, Schmerzens- und Verzweiflungsrufe und Wutgeschrei. Dort ist es die Artillerie, die in gestrecktem Laufe der Cavalerie über die umherliegenden Verstümmelten Leichname und Verwundete folgt, und sich wie jene über sie Bahn bricht; auch hier gibt es zertretene Hirnschalen, zerschmetterte Gebeine, der Boden wird mit Blut getränkt, mit menschlichen Überresten bedeckt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine Erinnerung an Solferino (1859)