Sechstes und Siebentes Kapitel

Das sechste Kapitel schildert den Gang der diplomatischen Verhandlungen bis zu der Schlacht von Sinope, welche bekanntlich insbesondere England gegen Russland aufzubringen geeignet war. Das siebente, zweihundert Seiten umfassende, handelt von den Beziehungen Russlands zu den verschiedenen Mächten. Insbesondere wird die französische Politik sehr eingehend geschildert und hier macht der Verfasser auf den Fehler aufmerksam, welcher darin lag, dass Russland die Macht und den Einfluss Napoleons III. unterschätzte. Die Reproduktion von Gesprächen des russischen Gesandten Kisselew mit dem französischen Kaiser wird auch den, in die Einzelheiten dieser Vorgänge Eingeweihten ohne Zweifel viel Neues und Ergänzendes bringen. Wiederholt kommt der Verfasser auf die Pläne Frankreichs in Betreff Polens zu reden, Pläne, welche an dem Widerspruche Palmerstons scheiterten. England, bemerkt der Verfasser (S. 302), wollte die Türkei von dem russischen Einflüsse befreien, Russlands Seemacht auf dem Schwarzen Meere vernichten, nicht aber eine Herstellung Polens. Der Verfasser konstatiert, dass Englands Politik, das Praktische, Naheliegende, Erreichbare ins Auge fassend, größere Erfolge errang, als die „geräuschvolle und unruhige“ Regierung Napoleons. (Vgl. II. S. 369.)

In dem Abschnitt über England wird die Haltung des Ministeriums und der Gesandten, die Wirkung der Schlacht bei Sinope, die Unpopularität des Prinzen Albert und Lord Aberdeens berührt und die Leidenschaft geschildert, mit welcher die Engländer sich in den Krieg stürzten und die Friedensfreunde tadelten. Anziehend ist die Erzählung von der Abreise des Barons Brunnow aus England (S. 364). „Lord Aberdeen gestand, als sich der russische Gesandte von ihm verabschiedete, ein, dass die Absendung der englischen Flotte in die Besikabai der erste Fehler des englischen Kabinetts gewesen sei, der Ausgangspunkt der folgenden Ereignisse. Er erkannte an, dass man besser getan hätte, Lord Granville nach St. Petersburg zu schicken und die Flotte unbeweglich zu halten. Im Übrigen konnte sich Lord Aberdeen noch nicht entschließen, an einen Krieg zwischen England und Russland zu glauben. Ein solcher Krieg erschien als eine Ungeheuerlichkeit, als eine Kalamität für alle geordneten Staaten Europas, als ein Ereignis, aus welchem nur die revolutionären Parteien Nutzen ziehen würden. Es waren traurige Geständnisse: Sie zeugten eben so sehr von Ohnmacht, wie von gutem Willen! Der Abschied von Lord Clarendon war kälter: dieser beschränkte sich darauf, die Hoffnung auszusprechen, dass der Krieg nicht von langer Dauer sein werde“.


Der Abschnitt über die österreichische Politik enthält eine scharfe Kritik der Haltung dieser Macht. Während der Kaiser Franz Joseph persönlich gegen den Krieg war, stand Österreich zu sehr unter dem Einfluss des Kaisers Napoleon III., um sich nicht in der orientalischen Frage von dem französischen Kabinett ins Schlepptau nehmen zu lassen.

Ebenso zeigt der Verfasser in dem Abschnitt über die Haltung der Pforte, dass der Sultan nicht kriegslustig war, dass sich aber der Einfluss des englischen Gesandten besonders stark geltend machte. Der Verfasser bemerkt: „Die Verantwortlichkeit für den orientalischen Krieg lastet ganz allein auf Stratford Canning; trotz aller Anstrengungen der englischen Regierung, diese Verantwortlichkeit von sich abzulehnen, muss diese erstere einen beträchtlichen Teil derselben tragen; um der Schwäche willen, welche sie gegenüber ihrem diplomatischen Agenten an den Tag gelegt hat. Und es ist eine schwere Verantwortlichkeit vor Gott und Menschen, die Verantwortlichkeit für einen Krieg, welcher so viel Unglück nach sich zog, Ströme von Blut fließen ließ, kolossale Summen verschlang, ohne dass der Menschheit daraus ein Vorteil erwachsen wäre“. (I, S. 438—439.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein neues Werk über den Krimkrieg.