Ein gefährlicher Fisch – Der Barrakuda

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1929
Autor: Dr. Kurt Floericke, Erscheinungsjahr: 1929

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Raubfisch, Pfeilhecht, Krokodil, Haifisch, Mittelmeer, Spitzhecht, Karibisches Meer, Panamakanal,
Wenn man gelegentlich von tierischen Angriffen auf badende Menschen liest, so denkt der Laie dabei in der Regel nur an große Krokodilarten oder an die berüchtigten Haifische. Nur die wenigsten wissen, dass es im Meere und an den Küsten noch andere Raubfische gibt, die auch in ungereiztem Zustande vor einem tätlichen Angriff auf den sogenannten Herrn der Schöpfung keineswegs zurückscheuen. Es handelt sich um die Sippe der Pfeilhechte (Sphyraena), die, ihrem Namen entsprechend, nach Gestalt, Leibesbau und Bezahnung in der Tat eine unverkennbare Ähnlichkeit mit unsern bekannten Süßwasserhechten besitzen. Zwar der Pfeilhecht des Mittelmeeres, der wie ein Pfeil mit reißender Schnelligkeit in gerader Linie auf seine Beute losschießt, gilt mit Recht als harmlos, und auch dem riesenhaften Spitzhecht der westafrikanischen Küsten, der sich bei gieriger Verfolgung der Kleinfische oft meterhoch aus dem Wasser emporschnellt, kann man keine Übergriffe gegen den Menschen nachweisen.

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Ganz anders aber liegen die Verhältnisse bei dem Barrakuda des Karibischen Meeres, der von den Eingeborenen gewiss nicht ohne Grund mehr gefürchtet wird als der Hai. Unser Bild mit dem elfjährigen Knaben neben dem hechtähnlichen Fisch zeigt, dass dieser Räuber schon bei normaler Größe ein recht stattlicher Bursche ist. Seine Bezahnung (Abbildung oben) aber muss geradezu fürchterlich genannt werden. Wie man sieht, sind die Kiefer lang und schmal, sehr geeignet, tiefgreifende Wunden zu verursachen und auch größere Opfertiere mörderisch zu umschließen. Sie sind gefüllt mit zusammengedrängt stehenden, langen, spitzigen, lanzettähnlichen, auf beiden Seiten zugeschärften Zähnen. Die größten davon stehen als wahre Reißzähne vorn, während sie nach hinten zu immer kleiner werden. Sie sind pfahlartig in jede Kinnlade eingesetzt, im Oberkiefer in zwei Reihen, im Unterkiefer nur in einer. Was dieses Gebiss einmal gepackt hat, lässt es so leicht nicht wieder los.

Schon 1665 schrieb Rochefort in seiner „Naturgeschichte der Antilleninseln“: „Der Barrakuda ist auf die Menschen, die ins Wasser fallen, wie ein blutdürstiger Hund. Weiter ist er imstande, was er einmal eingefangen hat, ein Stück mit sich fortzuschleppen. Die Bisse sind tödlich, wenn man nicht sofort Hilfe hat.“ Spätere Forscher, die an Ort und Stelle ihre Untersuchungen anstellen konnten, haben dies vollauf bestätigt und hinzugefügt, dass der gewalttätige Fisch manchmal einen Teil des menschlichen Körpers, etwa einen Arm oder ein Bein, glatt abbeiße und fortschleppe; das amputierte Glied sehe dann aus, als sei es mit einem scharfen Messer abgeschnitten. Auch der deutsche Tierforscher Pechuel-Lösche wurde einmal beim Baden von den Fischern mit allen Zeichen des Entsetzens zurückgerufen, weil ein Barrakuda sich in der Nähe zeigte. Trotzdem haben überkritische europäische Gelehrte der Neuzeit die Gefährlichkeit des Barrakudas bestritten und alle solche Berichte auf maßlose Übertreibung oder gar Aberglauben zurückzuführen gesucht. Deshalb erscheint ein wissenschaftlich einwandfrei beglaubigter Fall aus jüngster Zeit nicht ohne Interesse. Ein beim Panamakanal beschäftigter Zimmermannsgeselle ging mit einigen Kameraden zum Baden nach der atlantischen Seite der Landenge, trennte sich von seinen Gefährten, schwamm einige Zeit allein und schlug dann wieder die Richtung nach dem Ufer ein. Als er noch etwa 45 Meter von diesem entfernt war, fühlte er plötzlich, wie sein gebogenes rechtes Bein in der Kniegegend gepackt wurde, während gleichzeitig das Wasser stark plätscherte, als ob ein großer Fisch sich heftig in ihm bewege. Zunächst fühlte der Mann keinen Schmerz, aber nach etwa zwei Minuten hatte er das Gefühl, stark verletzt zu sein, und rief um Hilfe. Mit Aufgebot aller Kräfte vermochte er noch ohne solche den Strand zu erreichen, brach aber dann zusammen. Seine Kameraden trugen ihn sofort nach dem Kolonialspital, wo er in ärztliche Behandlung genommen wurde. Zufällig befand sich in diesem Krankenhause gerade auch, als ein von der Malaria Genesender, der nordamerikanische Zoologe Breder, der die frische Wunde eingehend untersuchen konnte. Es waren eigentlich zwei weit voneinander entfernte Wunden, die eine oberhalb, die andere unterhalb des Knies, beide quer verlaufend und sehr tief. Ein Haifisch konnte der Übeltäter nicht gewesen sein, denn dazu waren die Wunden zu lang und zu schön abgeschnitten, auch zu gerade, während der Haifischbiss gebogen ist, der Beschaffenheit seiner Kiefer entsprechend; aber auch ein Krokodil, das ja einen ganzen Menschen zu verschlingen vermag, kam nicht in Frage, denn dazu waren die Bisse wieder zu klein. Es musste sich also um den Barrakuda handeln, zumal ein zweiter Fall in derselben Gegend ganz ähnlich verlief und die gleichen Wunderscheinungen zeigte. Sicher ist, dass der Fisch nicht jeden Menschen angreift, der in seine Nähe kommt, sondern dass dies nur ab und zu geschieht. Auch pflegen die Barrakudas nur einmal zuzubeißen und lassen dann ihre Opfer ruhig weiterziehen.

Das Fleisch gefangener Barrakudas wird gegessen, obwohl es recht trocken und durchaus nicht besonders wohlschmeckend ist. Dabei zeigt sich noch eine recht merkwürdige Erscheinung. Nicht selten erkranken nämlich Tiere wie Menschen nach dem Genuss dieses Fleisches unter Zittern, Erbrechen und heftigen Gelenkschmerzen. Wenn auch die wenigsten daran sterben, so fallen doch die Haare sowie die Nägel an Händen und Füßen ab, ja diese Erscheinungen wiederholen sich noch mehrere Jahre hintereinander. Worauf diese nur zeitweise auftretende Giftigkeit eigentlich zurückzuführen ist, ist ein noch ungelöstes Rätsel. Möglicherweise rührt sie davon her, dass der Pfeilhecht giftige Fische verschlungen hatte. Fest steht, dass eingesalzenes Barrakudafleisch keinerlei schädliche Wirkung hat.

Das drohende Maul eines Barrakudas, eines der gefährlichsten Fischhechte des Karibischen Meeres, der mit seiner fürchterlichen Bezahnung schwere Wunden verursacht. (American Museum of Natural History)

Ein Barrakuda, der bei normaler Größe die Länge eines elfjährigen Knaben erreicht.

Das drohende Maul eines Barrakudas, eines der gefährlichsten Fischhechte des Karibischen Meeres, der mit seiner fürchterlichen Bezahnung schwere Wunden verursacht. (American Museum of Natural History)

Das drohende Maul eines Barrakudas, eines der gefährlichsten Fischhechte des Karibischen Meeres, der mit seiner fürchterlichen Bezahnung schwere Wunden verursacht. (American Museum of Natural History)

Ein Barrakuda, der bei normaler Größe die Länge eines elfjährigen Knaben erreicht.

Ein Barrakuda, der bei normaler Größe die Länge eines elfjährigen Knaben erreicht.