Ein deutsches Schiffervolk.

Aus: Globus. Illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde. Neunter Band
Autor: Von einem Mecklenburger., Erscheinungsjahr: 1866

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Ostseeküste, Bräuche, Sitten, Fischland, Darß, Zingst, Rostock, Schiffer, Reeder, Matrosen, Schiffe, Wustrow,
Ich habe ihnen hier das Leben und Treiben einer wenig bekannten Gegend geschildert. Um sie getreu darzustellen, konnte ich nicht umhin, mich einer niederländischen Kleinmalerei zu befleißigen und in Einzelne einzugehen. Hoffentlich habe ich dadurch Ihre Leser nicht ermüdet. Ich sehe mit Vergnügen, dass Sie im Globus die landschaftlichen und Stammeseigentümlichkeiten aus Süd und Nord, von Krain bis zu Ost- und Nordsee berücksichtigen, und deshalb findet wohl auch diese anspruchslose Skizze über eine Strecke mecklenburgischen Gestadelandes Raum in Ihrer Zeitschrift und wohlwollende Aufnahme bei den Lesern.

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An der deutschen Ostseeküste, dort wo Pommern und Mecklenburg an einander grenzen, zieht sich von Nordost nach Südwest ein vielfältig gespaltener und mannigfach ausgebuchteter Meerbusen in einer Länge von fast sieben Meilen und in einer Breite, welche von etwa ein Zwanzigstel Meile bis zu zwei Meilen mehrfach wechselt, in das Land hinein. Auf pommerschem Gebiete ist derselbe nach der Ostsee hin durch die langgestreckte Insel Zingst und durch die mit dem mecklenburgischen Gebiete zusammenhängende Halbinsel, den Darß, begrenzt; in Mecklenburg durch das lange, schmale Fischland und durch einen anderweitigen, kleinen Distrikt des Amtes Ribnitz. welcher dem sogenannten Clashahnenorte angehört. Letzterer Distrikt und der pommersche Darß werden durch das Fischland miteinander verbunden.

Dieser Meerbusen trägt in seinen verschiedenen Becken, Buchten, Engen und Armen eine Menge verschiedener Namen. Sein östlicher Teil, der nur mittelst eines mäßigen Armes mit der offenen See zusammenhängt, heißt die Grabow. Dann folgt der Barther Bodden, die Bill, dann der Bootstedener und der Pruchtener Bodden, der Doppelstrom, der Saaler Bodden und endlich der Binnensee, von dem sich wiederum die Permien abzweigt. Alle diese Gewässer, mit Ausnahme der beiden letztgenannten, gehören zu Pommern, und sie mögen hier eine Fläche von drei Quadratmeilen bedecken, während der mecklenburgische Anteil ungefähr drei Viertel einer Quadratmeile misst,

Im gesamten Deutschland, wenn man von den friesischen Inseln an der Küste von Schleswig absieht, gibt es keinen Landstrich, den die Natur so sehr einer Fischer- und Schifferbevölkerung zugedacht zu haben scheint, als eben diesen. Denn der Boden ist hier durchweg ein ziemlich dürftiger, oft sogar ein völlig unfruchtbarer Sand, und selbst dort, wo seine natürliche Beschaffenheit ihn zum Anbau von Kulturgewächsen geeignet macht, werden diesen die heftigen Stürme oftmals gefährlich und Verderben bringend. Auch zur Viehzucht, obschon sie als Nebenerwerb in mehren Dörfern ziemlich im Schwunge ist, erscheint die Gegend nur schlecht geeignet. Einerseits mangelt es in diesem Distrikt fast allenthalben an ausreichenden natürlichen Wiesen, so dass der Winterbedarf an Heu aus der Ferne, meistens über Stettin aus dem Oderbruche beschafft werden muss, andererseits wirkt der Genuss der vielen harten Seestrandpflanzen und das Tränken mit brakigem*) Wasser weder günstig auf die Milch: noch auf die Wollproduktion.

*) Brakig nennt man ein solches Wasser, in dem Süßwasser und Seewasser sich vermischen. Je nach Umständen, die von Stürmen und Fluten, Regen und Schnee abhängen, ist es bald mehr, bald minder salzig.

Dagegen sind hier die Ostsee und im weit höheren Maße noch diese Brakwasser haltenden Meerbusen und Wasserläufe reich an Fischen der verschiedensten Gattungen, und mehre alte, beträchtliche Handelsstädte, wie Stralsund, Greifswald, Wolgast und Rostock, von denen aus seit vielen Jahrhunderten bedeutende Seefahrt getrieben wird. liegen in der Nähe. So weist denn hier Alles den Menschen auf die See, als auf sein eigentliches Element hin, und die Bewohner dieser Gegenden haben denn auch den Fingerzeig der Natur verstanden, allerdings in dem einen Distrikte früher und allgemeiner als in dem andern; fast seltsamer Weise am ersten und am gründlichsten in dem mecklenburgischen Landesteile.

Hier nutzt in der Tat die Bevölkerung das ihr von der Natur Gebotene in einem so reichen Maß aus, wie dergleichen in Bezug auf das Meer in Deutschland nicht wieder vorkommt. Denn wo sonst fänden wir in unserem Vaterlande einen von 2.500 Menschen bewohnten ländlichen Distrikt, der mehr als 200 große Seeschiffe besitzt, welche Schiffe zusammen einen Wert von mindestens drei Millionen Thalern repräsentieren, und deren Tonnengehalt etwa den achten Teil dessen beträgt, den die gesamte preußische Reederei aufweist?

Dieser Landstrich und seine Bewohner verdienen daher eine genauere Beachtung, als mancher weit ausgebreitetere Teil unseres Vaterlandes. wo ohne sonderlichen Aufwand von Intelligenz und Energie mit längst erschlossenen Kulturzweigen der Eingewohnte sein Dasein fristet. Das ist denn auch bereits mehrfach erkannt und Manches hier und dort über dieses Schifferland und über seine Bewohner geschrieben worden; leider aber sehr Weniges, was von der Wirklichkeit ein gutes Bild gewährte. *)

*) Manches Falsche, ja völlig Verkehrte ist in Umlauf gesetzt worden, namentlich von Seiten zweier renommierten Touristen, deren Berichte und Schilderungen über dieses Land und dieses Volk sich nicht viel besser mit der Wahrheit stehen, als Lucians wahrhafte Geschichten, oder des Barons von Münchhausen Reiseabenteuer. Trotzdem jene Herren Touristen es behaupten, muss man doch ernstlich bezweifeln, dass sie jemals einen Fuß in diese Gegenden gesetzt haben, denn so verkehrt sieht selber ein blödes Auge bei einer oberflächlichen Umherschau nicht leicht. Zwei mecklenburgische Schriftsteller haben jedoch bereits sehr wertvolle Arbeiten über Land und Volk geliefert. nämlich Ernst Boll in seinem überhaupt vortrefflichen Buche: „Abriss der mecklenburgischen Landeskunde“, und C. J. F. Peters, Lehrer an der Navigationsschule zu Wustrow, in seiner interessanten Broschüre: „Das Land Swante Wustrow oder das Fischland." Trotzdem aber bleibt einem Dritten, ja auch noch manchem Anderen, noch Allerlei zu berichten übrig, denn die Bollsche Arbeit konnte natürlich nur ein Bild in Umrissen, nicht detaillierte Schilderungen geben. Herrn Peters Schrift aber würde sicherlich noch weitaus interessanter und reichhaltiger, namentlich nach der ethnographischen Seite hingeworden sein, wenn ihn nicht amtliche Stellung und gesellige Verbindungen genötigt oder ihm doch angeraten hätten, Manches zu verschweigen, oder doch nur so obenhin zu berühren.

Der Kleinstädter hat bekanntlich die Eigenschaft, in jeder Zeile, welche über seine Heimat geschrieben wird. Satiren zu fürchten oder zu wittern; der Dorfbewohner hat aber diese Eigenschaft in einem noch weitaus höheren Maße, und namentlich wenn er obendrein, wie es in diesen Gegenden der Fall ist, zu drei Vierteln des Jahres fast nur aus Frauenzimmern besteht.

Zunähst werde ich eine Beschreibung von dem mecklenburgischen Anteile dieses Schifferlandes geben, also von dem Distrikt, der das Fischland und die beiden Dörfer Dierhagen und Dänendorf begreist. Späterhin gedenke ich auch den Darß und Zingst zu beschreiben, von denen in größeren Kreisen noch weniger bekannt ist. Als von den vorhin genannten Distrikten, und doch beruhen Preußens Marine-Hoffnungen hauptsächlich auf diesen kleinen, öden Seeländern, von deren Existenz eine große Anzahl deutscher Binnenländer kaum eine Ahnung hat.

        Dänendorf, Dierhagen und das Fischland.

Die beiden erstgenannten Dörfer und das Fischland mit seinen vier Dörfern erstrecken sich in der Richtung von Süd nach Nordnordost zwischen dem Binnensee und der Ostsee, in einer Länge von etwa anderthalb Meilen und in einer Breite, welche nirgendwo eine volle Viertelmeile erreicht, an mehren Stellen aber nur 50 bis 60 Ruthen beträgt. Zur Winterzeit, namentlich bei anhaltenden Nordweststürmen, kommt es manchmal vor, dass das Meer einige dieser schmaleren Landengen völlig überflutet und sich mit dem Binnensee wieder in direkte Verbindung setzt, wie denn eine solche hier ehedem durch einen Durchstich, der aber seit Jahrhunderten völlig versandet ist, bestanden hat. Der Flächeninhalt dieses ganzen Distriktes beträgt, einschließlich einer mitten darin gelegenen, der Stadt Ribnitz zugehörigen Wiese, ungefähr drei Achtel einer Quadratmeile.

Dieses ganze Areal ist, vom ökonomischen Standpunkt aus betrachtet, sehr wenig ergiebig. Ein Drittel desselben besteht aus Meerstrand und Dünen, doch sind letztere nur an einzelnen, kleinen Stellen von aller Vegetation entblößt und bieten hier und dort sogar eine ziemlich gute Weide, sowohl dem Rindvieh als den Schafen. An einigen Stellen sind aber dem Lande fast gar keine Dünen vorgelagert, und hier zeigt sich dann oft hinter der Düne ein sumpfiges Gelände mit nur sehr dürftigen Pflanzenwuchs. Nur an wenigen Stellen sind bereits aus diesen Sümpfen im Laufe der Zeiten Wiesen geworden, aber auch diese zeichnen sich nicht durch einen üppigen Graswuchs aus, wie es sonst doch gewöhnlich die am Meere gelegenen und zeitweiligen Überflutungen ausgesetzten Grasungen zu tun pflegen. Der Boden, welcher als Acker- und Gartenland genutzt wird, ist gleichfalls sandig, und wenn ihm auch an manchen Stellen einiger Ton und Lehm zugemischt ist, so wird doch auch hier seine Ertragsfähigkeit sehr in Frage gestellt, dadurch, dass wenige Fuß, oft nur wenige Zoll unter der Oberfläche, der sogenannte Ur oder Fuchs, hier auch Clas Hahn genannt, sich befindet. Der Ur ist ein sehr eisenhaltiger Sand, welcher oft in so steinharten Schichten lagert, dass er der Durchbrechung oder der Zertrümmerung durch die gewöhnlichen Ackerinstrumente erfolgreich spottet, und der nicht allein dadurch schädlich wird, dass er den Pflanzen es unmöglich macht, ihre Wurzeln tief in die Erde zu treiben, sondern noch mehr dadurch, dass er das Absickern der überschüssigen Nässe verhindert.

Der ganze Landstrich erhebt sich in seinem südlicheren Teile nur wenig über die ihn begrenzenden Wasserflächen; nah Norden hin steigt er allmählich an und hier erheben sich auch die Dünen steil aus dem Meere, oft in einer Höhe von 50, ja. 60 und 70 Fuß. Nur in ihrer oberen Schichtung bestehen sie aus Sand; darunter befindet sich Lehm, welcher wieder einen festen, mit Kreidestücken untermengten blauen Ton als Unterlage hat. Das Meer nagt aber beständig an ihnen, und man kann annehmen, dass jährlich dem Lande 30 bis 40 Quadratruten entrissen werden.

Torf und Holz fehlen diesem Distrikte gänzlich. Doch liegen Dänendorf und Dierhagen dem Großen Stibnitzer Forst nicht fern, und es findet sich auch nördlich vom Fischlande. auf dem pommerschen Darß, eine bedeutende, wohlbestandene Laub und Nadelwaldung. Auf dem Fischlande selber, das wegen seiner geringen Breite und seiner Lage den Stürmen mehr ausgesetzt ist, als irgend ein anderer Teil dieses Distriktes, kommen jedoch Bäume nur an geschützten Orten fort, wie man denn in den Dörfern selber recht große Exemplare von Birnbäumen findet. Wo aber der Schuss gegen Nord und Nordwesten fehlt, da wollen selber Schwarzpappeln und Kiefern nicht gedeihen, wie denn eine Anpflanzung von letzteren, die mit sechsjährigen Bäumchen in dem Dünenreviere, auf sonst geeignetem Boden, vor fast 20 Jahren gemacht worden ist. augenblicklich noch keinen einzigen Stamm aufweist, der eine Dicke von zwei Zoll und eine Höhe von sechs Fuß hätte. Auch die hin und wieder in den Dorfstraßen angepflanzten Alleen von Schwarz- und Silberpappeln siechen und krüppeln, doch ist dieses nicht allein den Stürmen zuzuschreiben, sondern zum großen Teile auch den Menschen, denn wenn der Seemann zu Hause ist und ihn nicht andere Beschäftigungen in Anspruch nehmen, hat er sein Messer stets in der Hand und schneidet und schält damit an Allem herum, was er in seiner Nähe findet. Da müssen nun neben den Sitzbänken, die sich hier und dort in den Straßen finden, und deren Bretter man oft bis zur Breite von einem Zoll zerkerbt und ausgeschnitten sieht, hauptsächlich die Bäume des Gemeinwesens herhalten.

Dierhagen und Dänendorf zählen zusammen etwa 800, das ganze Fischland aber hat in seinen vier Dörfern gegen 1.800 Einwohner. Die beiden erstgenannten Ortschaften gehören zur Parochie der Stadt Ribnitz, während das Fischland eine eigene Gemeinde bildet, deren Kirche und Pastorat sich zu Wustrow befindet. Die Einwohner sind ein kräftiger Menschenschlag, die Männer meistens über Mittelgröße, die Frauen oft, selbst in jüngeren Jahren, reichlich derbe gebaut. Der Abstammung nach scheinen sie Germanen zu sein, wie sich denn auch bei ihnen weit weniger, als dieses sonst in abgelegenen Dörfern des östlichen Mecklenburgs der Fall ist, fast nur deutsche Familiennamen finden. Einige wendische Namen, wie Permin, Zegelin, Dilwitz, Kleinow, kommen freilich vor, meistens aber haben die Namen einen echt niedersächsischen Klang. wie: Fretwurst, Bradhering, Vaß, Niemann, Maaß, Andreis und Dade. Letztere Namen sind auch die am meisten verbreiteten im Lande, und ihre Glieder bilden hauptsächlich die Aristokratie des Schifferstandes.

Aus welchem germanischen Lande die Urväter der jetzigen Bewohner gekommen sind, möchte sich jetzt wohl kaum mehr genau erweisen lassen. Nicht unmöglich, ja sogar wahrscheinlich ist es, dass sie teilweise aus Dänemark kamen. zu jener Zeit (1300), als diese Gegenden und die ganze Herrschaft Rostock unter die Gewalt des Königs Erich von Dänemark gerieten. Dänendorf und das nahe Dänschenburg sind jedenfalls durch Dänen gegründet worden, und Manches in den Gebräuchen und namentlich in den landwirtschaftlichen Gewohnheiten des Schiffervolks weicht stark von dem ab, was sonst im nordöstlichen Mecklenburg Sitte ist. So z. B. sieht man nirgendwo sonst noch in Mecklenburg, so wie hier, den Acker in schmale, runde Beete aufgewölbt, noch die Schafe paarweise an einen Land und auch auf einigen der dänischen Inseln in Gebrauch.
Auch derselbe Aberglaube hier und dort. Holt Jemand von einer Fischländerin Milch, so wird letztere es fast nie unterlassen darauf zu dringen, dass das Gefäß mit der
Milch, wenn es über die Straße getragen werden soll, bedeckt werde. Die Kuh, welche die Milch geliefert hat, würde nämlich ihren „Dägt"*) verlieren, wenn eine abgünstige Person einen bösen Blick in den Topf hinein würfe.
So viel ich weiß, ist dieser Aberglaube im Übrigen Mecklenburg nicht im Schwange, wohl aber im westlichen Jütland und auf Fühnen.

Die Bewohner des Landes sind, vom administrativen Standpunkt aus betrachtet, entweder Bauern oder Büdner. Bauern, hier nur Achtelhufener, gibt es auf dem Fischlande 32. In Dänendorf wohnen sechs Viertelhufener und in Dierhagen wiederum 13 Achtelhufener. Büdnereien finden sich in dem ganzen Distrikte etwas mehr als 500. Wie überall im fürstlichen Domanio sind die Bauern nicht Eigentümer der von ihnen bewirtschafteten Hufen, sondern nur deren Pächter, und werden ihre Pachtgelder und anderen Leistungen alle 12 oder 14 Jahre durch einen neuen Kontrakt genau reguliert. Dennoch steht ihnen observanzmäßig eine Art Erbrecht an den von ihnen bewirtschafteten Hufen zu. Sobald nämlich nicht die allerreiflichsten Beweggründe dem entgegentreten, folgt der älteste Sohn, oder falls dieser sich nicht eignet, ein anderer Sohn dem Vater in dem Pachtrecht auf die Hufe, ja, auch Töchter können diese bei dem Abgang von Söhnen erben und sich einen Mann auf die Hufe hinauf heiraten.**)

Die Viehzucht befindet sich in einem besseren Zustande als der Ackerbau, und die hier gezogenen Starken werden gern im übrigen Mecklenburg gekauft, da sie für äußerst abgehärtet gelten und sie sich auf besseren Weiden gewöhnlich zu guten Milchgebern ausbilden. Ob aber bei dieser Aufzucht von Starken, bei dem sich benötigenden Ankauf von Winterfutter, wirklich etwas von den Züchtern profitiert wird, möchte sehr zu bezweifeln sein. Auch bei der Aufzucht von Enten und Hühnern, die in einem ziemlich ausgedehnten Maße betrieben wird, stellt sich gleichfalls schwerlich ein Reingewinnst für die Produzenten heraus.

Die Büdner besitzen den von ihnen genutzten Grund und Boden unter allerlei Beschränkungen als Eigentum. Sie können ihn und die darauf errichteten Gebäude bis zu einem gewissen Grade mit Hypotheken belasten, ihn auch verkaufen, aber nicht parzellieren.

In unseren anderen Domanialdörfern bilden allgemein die Bauern den ersten Stand und sehen auf die Büdner, als sogenannte kleine Leute, herab; hier findet das Entgegengesetzte statt. Der Schiffer, und dieser ist vorwiegend der Eigentümer der Büdnereien, ist nämlich hier weitaus die Hauptperson, und auch der Steuermann und Matrose verdienen weit mehr, als der Ackerknecht. So gehen denn alle jüngeren Männer und selber die Söhne der Bauern, ja sogar der künftige Gehöftserbe zur See, und wenn letzteren der Tod des Vaters zum Ackerbau ruft, versteht er meist nur Wenig von der Sache. Während die eigenen Söhne auf See sind, wirtschaftet der Bauer mit fremden Knechten, die fast ausnahmslos dem pommerschen Darß entstammen. Seit neuerdings aber die Heuer (Lohn) der Seeleute sich so sehr erhöht hat, pflegen nun auch diese Eingewanderten nach einem ein- oder zweijährigen Dienste den Pflngsterz und die Sense mit der Ruderpinne und dem Schiffsdweil zu vertauschen, wobei sie gewöhnlich Dienste auf Mecklenburgischen Schiffen nehmen, da diese in dem Rufe stehen, dass die Beköstigung auf ihnen besser und reichlicher sei, als auf preußischen Fahrzeugen.
Die Büdnereien sind fast sämtlich im Besitz von Schiffern („Kapitänen“) oder Steuerleuten, oder von solchen Personen, welche dieses ehedem waren und sich nunmehr zur Ruhe gesetzt haben.

Durchschnittlich fahren die hiesigen Seeleute bis zu ihrem 50. Jahre. In der Dorfschaft Althagen aber, welche der preußischen Grenze am nächsten liegt, und wo die jenseitigen Gewohnheiten manchen Einfluss üben, pflegen die Seeleute schon weit eher zu Hause zu bleiben, und dass in jenem Dorfe sich weit weniger Wohlhabenheit findet, als in den übrigen, wird hauptsächlich diesem Umstande zugemessen. In Althagen sehen wir denn auch bei weitem die wenigsten Schiffer und die meisten Matrosen, noch mehr aber Fischer. Dorthin sind auch in den letzten Jahren manche preußische Seeleute gezogen, hauptsächlich um den hohen Abgaben und Zollplackereien ihrer Heimat zu entgehen.
Mit dem vollendeten 14. oder 15. Jahre geht der Knabe zur See, nachdem er sich schon vorher, so weit dieses nur irgend tunlich war, auf sein künftiges Gewerbe vorbereitet hat; teils durch gelegentliche kleinere Seefahrten. Schwimmen und Klettern, teils durch einen entsprechenden Schulunterricht, der, namentlich in Wustrow, dem Hauptort dieses ganzen Bezirkes, seit 15 bis 16 Jahren als ein wirklich mustergültiger betrachtet werden kann. Die erste Fahrt macht er als Kajütswächter; dann rückt der junge Mann zum Schiffsjungen, später zum Jungmann und Matrosen auf und besucht nun die Navigationsschule. Der Lehrkursus dauert ein volles Jahr, und wenn der junge Mann bei der Prüfung besteht, so empfängt er sein von der Navigationsbehörde ausgestelltes Patent, von den Seeleuten selber Examensbrief genannt. Nachdem der Steuermann dann mindestens 18 Monate als solcher gefahren ist und das 24. Jahr erreicht hat, besucht er wiederum den etwa vier Monate dauernden Schifferkursus der Navigationsschule, und nachdem er dann wiederum ein Examen bestanden hat, ist er, vermöge des ihm erteilten Prüfungsattestes, zur Führung eines Schiffes ermächtigt.

Während sich das Steuermannsexamen fast nur auf rein nautische Gegenstände erstreckt, werden beim Schifferexamen auch viele in das Gebiet des Handels- und Seerechts gehörende Fragen gestellt, namentlich über Assekuranz und Bodmereiwesen, über das bei erlittener Havarie einzuhaltende Verfahren etc. Namentlich muss auch die Befähigung dargetan werden, sich über alle dergleichen Fragen schristlich klar und bündig aussprechen zu können.

Der junge Schiffer sucht nunmehr ein Schiff oder wenigstens doch die Führung eines Schiffes zu erlangen. Letzteres macht sich nur selten, da es in Mecklenburg, ganz entgegengesetzt wie in den deutschen Nordseestaaten, nur wenige Schiffe gibt, die Nichtschiffern gehören. Meistens wird zum Bau eines neuen Schiffes geschritten, oder der junge Schiffer sucht ein bereits im Bau begriffenes Fahrzeug zu erwerben. In letzteren beiden Fällen wird folgender Weg eingeschlagen,

Der Schiffer lässt sich von einem Kaufmann, den er zum künftigen Korrespondenten seines Schiffes bestimmt hat, eine Missive geben, in welcher die Größe, die Bauart und die veranschlagte Bausumme des Fahrzeugs verzeichnet sind. Letztere wird in beliebige Teile, in Achtel, Vierundsechzigstel, Hundertachtundzwanzigstel etc. zerlegt, und nun sucht der Schiffer, meistens mit Beihilfe des künftigen Korrespondenten, diese Anteile, welche in der Geschäftssprache Parten genannt werden, an den Mann zu bringen.
Meistens beteiligt sich der Baumeister mit einem Achtelpart; auch der Korrespondentreeder nimmt gewöhnlich einen gleichen, oft noch einen größeren Teil, und auch die am Schiffe beschäftigten Handwerker, namentlich der Segelmacher, der Blockmacher und der Reifer, zeichnen ein Neunzigstel oder dem ähnliches. Die anderen Parte sucht man an Bekannte und Gönner, oft aber auch an wohlhabende Privatleute abzusetzen. Als in den Jahren 1854 bis 1856 die Schiffsparte mehrfach Jahresdividenden von 20 bis 30 Prozent abwarfen, begann alle Welt zu Reedern, d. h. Schiffsparte zu zeichnen. Namentlich beteiligten sich die mecklenburgischen Landleute, die in den damaligen guten Jahren ihre Gelder oft gar nicht unterzubringen wussten, sehr stark in Schiffsparten. Oft aus Spekulation; öfter wohl noch aus Eitelkeit. Die Schiffer fingen nämlich an, ihre Schiffe nach demjenigen zu nennen, der den bedeutendsten Part darin gezeichnet hatte, und manchem ehrlichen Landjunker oder Pächter erschien es nun als eine Art Ehrensache, dass auch sein Name am Spiegel oder unter der Gallion eines mecklenburgischen Schiffes prange und hin und wieder von seinen Bekannten in den Schiffsberichten der Rostocker Zeitung gelesen wurde.

Was endlich an Schiffsparten nicht unterzubringen gewesen ist, das wird vom Schiffer selber und von seiner Familie übernommen. Dieses pflegt ein Drittel oder ein Viertel der ganzen Bausumme zu betragen.

Nachdem das Schiff fertig geworden ist, erhalten die einzelnen Reeder Eigentumsakten, die vom Schiffer und vom Korrespondenten unterzeichnet sind; der Schiffer mustert dann seine Mannschaft und beginnt seine Fahrten. Der Korrespondent hat die Verwaltung der Schiffsintraden. Er verteilt diese an die einzelnen Reeder, und auf ihn zieht der Schiffer auch Gelder, wenn Havarie große oder andere Unfälle die Beschaffung von solchen in fremden Hafenplätzen erforderlich machen. Bei Beschließung wichtiger Schiffsangelegenheiten ist die Stimmenmehrheit der Reeder entscheidend. Bilden sich trotzdem einander nicht nachgeben wollende Parteien, so setzt die eine Partei der andern das Schiff, d. h. sie schätzt das Fahrzeug ab und überlässt dann den Gegnern, ob diese es ihnen zu dieser Taxe lassen und darnach ihre Parte ausgezahlt erhalten, oder ob sie bezüglich ihrer dieses selbe Verfahren einhalten wollen. Setzung eines Schiffes kommt namentlich dann wohl vor, wenn ein Kapitän fortwährend unergiebige Reisen gemacht hat und die Reeder, statt Dividenden zu empfangen, wohl gar noch Gelder haben nachzahlen müssen. Bei einem solchen Vorkommnis verliert denn auch meist immer der bisherige Kapitän das Schiff.

Augenblicklich besitzen die fünf Dorfschaften: Wustrow, Althagen, Neuhagen, Dierhagen und Dänendorf zusammen 203 Schiffe; davon kommt mehr als die Hälfte aller Schiffe auf Wustrow. Das größte von diesen Schiffen misst über 300 Rostocker Lasten (à drei Tons englisch), jede zu 6.000 Pfund, die kleinsten Schiffe tragen von 50 bis 80 Lasten. Durchschnittlich stellt sich der Wert eines jeden Schiffes mindestens auf 18.000 Thlr., wovon wenigstens ein Drittel Eigentum der Schiffer und anderer im Schifferdistrikte ansässigen Personen ist. Darnach würde sich ergeben, dass die Bewohner dieser fünf Dörfer ein Kapital von etwa einer Million Thaler in Schiffen angelegt haben. Rechnet man hinzu, dass der Jahresverdienst eines jeden Schiffers im Durchschnitt sich auf 800 Thlr. stellt, und dass die 400 hier zu Hause gehörenden Steuerleute, Matrosen und Jungen meistens alljährlich auch sämtlich etwas von ihrer Heuer erübrigen, so wird man zu dem Resultat kommen, dass vielleicht von keiner gleich zahlreichen Einwohnerschaft einer deutschen Ortschaft ein vorteilhafteres Geschäft betrieben wird, als es hier geschieht.

Natürlich findet nur ein sehr kleiner Teil der hiesigen Reederei in den Landeshäfen Beschäftigung. Hauptsächlich fahren daher die Schiffe für englische, belgische und holländische Rechnung von den entsprechenden Häfen nach dem Mittelmeer und neuerdings auch viel nach Ostindien und Australien. Man wird denn auch kaum einen mecklenburgischen Schiffer finden, der nicht in Konstantinopel oder in Alexandria gewesen ist.

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