Erste Fortsetzung

Der bejahrte Matrose und Steuermann, welcher sich, wie er es nennt, zur Ruhe gesetzt hat, pflegt dann häufig Fischer zu werden. Namentlich wird von Althagen aus auf der Binnensee, mittelst eigentümlich gebauter Boote, Zesenboote genannt, eine ziemlich starke Fischerei geübt. Hin und wieder wird auch die Fischerei, namentlich die Heringsfischerei in der Ostsee, in ähnlicher Weise wie die Schifferei betrieben, d. h. mehre Personen, gewöhnlich ehemalige Schiffer, schaffen zusammen das nötige Geräte an Netzen, Booten etc. an und lassen durch Andere für ihre Rechnung fischen. Die dabei direkt beschäftigten Fischer pflegen mit bestimmten Prozenten am Gewinn Teil zu nehmen, auch werden ihnen von den Reedern die großen Stiefel und die Lederschürz en gehalten. Die Heringsfischerei wird hauptsächlich in den Nächten der Frühjahrsmonate betrieben. mittelst großer „Waden". die am Strande ausgezogen werden. Es soll aber der Fischerei-Ertrag sich von Jahr zu Jahr vermindern. - Vielfach wird jedoch gemeint, dass die Art und Weise, wie hier die Fischerei betrieben wird, eine völlig veraltete sei. Ehedem wurden die Heringe hier auch eingesalzen und noch mehre geräuchert und so in den Handel gebracht. Jetzt findet beides nur noch für den eigenen Gebrauch statt. Außer den Heringen werden hauptsächlich Lachse, Dorsche, Hornfische, Maischollen, Aale, Brachsen, Zander und Hechte gefischt, letztere vier Arten in der Binnenfee und im Saaler Bodden, worin nach einem alten Vertrage die Mecklenburger auch fischen dürfen. Die gefangenen Fische werden größtenteils nach Rostock, Stralsund, Stettin und in die benachbarten kleinen Landstädte abgesetzt. Der feinste und geschätzteste aller hier gefangenen Fische ist der Zander. (luciopercar sanetra) doch wird er von Jahr zu Jahr seltener, besonders dadurch, dass man die jungen Fische, hier Döllinge genannt, mit engmaschigen Netzen wegfängt.

Der Seemann ist gewöhnlich auch ein Freund der Jagd, und so wird denn auch diese fleißig betrieben, doch ist nur jene auf Federwild ergiebig. Eisenten, Schwäne und wilde Gänse finden sich während des Winters hier zahlreich ein; sonst kommen auch vielerlei Schnepfenarten vor, die samt und sonders einen vorzüglichen Braten liefern. Ehedem würden auch Falken gefangen. Jährlich kamen deshalb aus dem jetzigen Belgien Vogelsteller nach dem Fischlande, welche die abgerichteten Tiere zu hohen Preisen hauptsächlich nach Frankreich und England hin verkauften.


Mit Geschäften in Feld und Garten befasst der Seemann sich niemals gern, sie bleiben zumeist dem weiblichen Geschlecht überlassen. Doch führen die eingeborenen Frauen zwar ein sehr tätiges, aber doch kein unbequemes Leben, da sie größtenteils sich Dienstmädchen halten, die samt und sonders dem Darß entstammen, denn dass ein hier geborenes Mädchen in Dienst zu fremden Leuten geht, kommt niemals vor.

Obschon die Bewohner des ganzen Distriktes sich in ihrem Sein und Wesen sehr ähneln. so findet dennoch unter den verschiedenen Dörfern nur eine sehr lose Verbindung statt. Es kommt selten vor, dass ein Mädchen in ein anderes Dorf hinein heiratet, und die Einwohner von Dänendorf und Dierhagen nehmen es übel, wenn man sie für Fischländer hält, ebenso wie diese letzteren es ungern vermerken, wenn man ihre Abstammung verkennt. So sind denn alle Einwohner eines Dorfes mit einander verwandt, und dass hier sehr zahlreiche Geisteskrankheiten vorkommen, mag mit von den vielfältigen Wechselheiraten herrühren. - Wie stark der Sondergeist in diesen Menschen steckt, zeigt sich recht klar in dem größten Dorfe, in Wustrow. Hier läuft eine breite Straße mitten durch den Ort und scheidet ihn in einen Wester- und in einen Osterteil. Nicht bloß die Jugend der beiden Dorfteile entnimmt aus diesem Umstande eine Ursache zu Befehdungen, sondern auch die erwachsenen Personen sehen darin einen Grund, sich gegen einander zu isolieren. Selten kommen Heiraten zwischen Personen vor, welche den verschiedenen Dorfteilen entstammen. obschon es hüben und drüben in den Häusern gleich wohlhabend und stattlich ist.

Es sind nur wenige verschiedene Familiennamen in den einzelnen Dörfern vorhanden. Deshalb hat sich der Gebrauch herausgestellt, die Personen nach ihren Schiffen zu nennen. So heißt es denn: Hier wohnt Marie-Voß, Arial-Zögelin, oder auch wohl nur: Polarstern, Baron von Donnerstrunkshausen etc. Außerdem sind manche Scherznamen gang und gäbe, und zwar so sehr, dass der eigentliche Name fast darüber in Vergessenheit gerät.

Die Dörfer sind meistenteils in langen Reihen hingebaut; nur das größte, Wustrow, macht hiervon eine Ausnahme. Die Bauernhäuser sind noch fast allenthalben die gewöhnlichen alten Rauchhäuser, in welchen, auf dem der Straße abgewandten Ende, die Wohnungen für die Menschen liegen, während das Übrige durch eine Scheunentenne und durch die Ställe für das große Vieh in Beschlag genommen ist. Die Häuser der Büdnereien zerfallen ihrer Bauart nach in zwei Hauptklassen. Die ältere hat Fachwerk mit überstehendem Giebel und ist gewöhnlich noch mit Stroh gedeckt. Die so gebauten Häuser liegen bunt und unregelmäßig durcheinander. Türen und Fensterläden sind mit grellem Grün bemalt, das übrige Holzwerk ist geteert. Dasselbe gilt von den Staketen an der Straßenseite, hier „Sutters“ genannt, durch die eine Pforte auf einen gepflasterten Damm führt, welcher bis an die Haustüre reicht. Dieser Damm wird an Sonn- und Festtagen mit weißem Sande bestreut, und ein Gleiches geschieht mit feuert Steindämmen, welche den hoch gelegenen Kirchhof durchziehen. Die neuen Häuser sind fast sämtlich massiv und einstöckig, haben einen Vordergiebel und bedecken jedes einen Raum von etwa 1.800 Quadratfuß. Die Fenster bestehen aus englischem Glase; in der Mitte befindet sich die doppelschlägige mit Fenstern versehene Haustür. Durch diese gelangt man zunächst auf eine sauber vermalte Flur, von der links und rechts ab Türen zu den tapezierten Wohn- und Schlafgemächern führen. Eines dieser Gemächer dient als Staatsstube, und es enthält außer mehr oder minder eleganten Mahagonimöbeln fast immer eine Stutzuhr und über dem Sofa ein in Öl gemaltes Bild des Schiffes des Hausvaters. Auf Kommoden und Schränken sieht man fremdländische Conchylien und dazwischen allerlei levantinische und chinesische Raritäten aufgestellt. Neben der Tür hängt ein in Indien verfertigter Staubwedel aus Pfauenfedern, und oft sieht in einem an der Wand befestigten Glaskasten das zierlich geschnitzte Modell eines Schiffes. Alles ist äußerst rein und sauber gehalten, fast zu sauber. Neben der Staatsstube befindet sich ein Schlafgemach, in dem mehre hoch aufgestapelte Betten prunken.

Über die Flur gelangt man in die Staatsküche. Dort strahlt ein englischer Kochherd in reichem, blank: poliertem Messingbeschlag. Alle Schränke, Börte und Holzgeschirre sind sauber angemalt und überreichlich mit blau bedrucktem englischen Steingut besetzt. Eisen-, Kupfer- und Messinggeschirre glänzen, als wenn sie niemals in Gebrauch genommen würden, und wirklich geschieht dies auch nur bei festlichen Gelegenheiten, namentlich dann, wenn der Hausherr heimgekehrt ist. Für gewöhnlich wird in einer Nebenküche gekocht, die sich in einem Anbau des Hanfes befindet, wie denn auch während der Abwesenheit des Hausvaters die Vorderzimmer nicht bewohnt werden, sondern während dessen die Strohwitwe samt ihren Kindern in einem kleinen Hinterstübchen, oder wohl gar in der sogenannten Kellerkammer haust. Auch ungemein einfach wird während der Abwesenheit des Vaters gespeist und getrunken. Es befindet sich hier überhaupt noch die Küche, wie sonst nirgendwo in Mecklenburg, in einem Zustande der Barbarei. Nur Fische weiß man schmackhaft zu bereiten; vom übrigen Teil kulinarischer Wissenschaft weiß man nicht viel mehr als Neger und Indianer. Von Gemüsen kennt man nur den Kohl, und ich habe es als eine Verschwendung bezeichnen hören, grüne Erbsen und Bohnen zu essen, da ja letztere die Schweine so gern fräßen!! Hätten nicht die Väter die löbliche Gewohnheit angenommen, von ihren Fahrten einige holländische Käse, Porter und süße Weine mitzubringen, mit denen Besuchende bewirtet werden, so würde es für den Fremden hier wirklich schlimm in Bezug auf seine Kost aussehen.

Frauen und Kinder leben, wenn der Vater nicht zu Hause ist, oft Tage lang nur von Kaffee und Butterbrot. Eine andere Hauptspeise bildet dicke Milch, in die man Kartoffeln tunkt. Auch „Schellheringe“ gesalzene Hornfische und in der Luft gedörrte Maischollen werden vielfach gegessen. Gerichte, vor denen die Nase eines hier nicht geborenen Menschen sich fast noch mehr entsetzt, als der Gaumen. Von demjenigen aber, dem diese Speisen nicht munden wollen, sagt man wohl: „oll freten God, et Stuten in Botter bradt.“*)

*) Alt fressendes Volk, ist Semmel in Butter gebraten.

In Kleidung wird dagegen ein desto üppigerer Aufwand getrieben. Dass die Schifferfrau mehre seidene Kleider besitzt, die das Stück 50 bis 60 Rthlr. und noch mehr gekostet haben, ist etwas ganz Gewöhnliches. Bei gerichtlicher Aufnahme des Nachlasses einer unlängst verstorbenen Frau kamen allein 15 verschiedene Shawls, Longshawls und große wertvolle Umschlagetücher zum Vorschein. Bei der Verlobung schenkt der Bräutigam der Braut ein Gesangbuch, dann eine goldene Brosche, dergleichen Armbänder, Uhrkette, auch einige Ringe und einen Longshawl oder dergleichen, während er von der Verlobten ein Gesangbuch und eine Uhrkette erhält. Eine goldene Uhr schenkt der Mann der jungen Frau bei der Geburt des ersten Kindes. Dennoch wird auf einen Teil des Körpers bei der Garderobe wenig Rücksicht genommen, nämlich auf die Füße. Bei den schwersten Atlaskleidern sieht man oft schlechtes, gänzlich vertragenes Schuhwerk. „Ob de fäut wardt bei uns nich röckt. (d. h) auf die Füße wird bei uns keine Rücksicht genommen; nicht gerechnet)“ ist die Antwort, wenn ein Fremder darüber seine Verwunderung zu erkennen gibt.

Bei Leichenbegängnissen folgen nicht bloß Männer, sondern auch Frauen und Mädchen dem Sarge. Alle tragen dann schwarze Kleider, über welche man große, weiße Tücher schlägt, die so weit über die Köpfe gezogen werden, dass die Gesichter nur eben herausschauen. Für zur See Verunglückte wird ein feierlicher Trauergottesdienst unter Glockengeläute abgehalten.

Aber so stattlich sich die Frauen und Mädchen bei diesen und anderen festlichen Gelegenheiten kleiden, so wenig tun sie dieses täglich, ja sie vernachlässigen dann sogar oft gröblich die schickliche Sauberkeit. Ehemals war dieses auch bezüglich der die Schule besuchenden Kinder der Fall, doch hat sich das durch die ernsten Anstrengungen der Lehrer jetzt völlig geändert, und schwerlich möchte man irgendwo in Dorfschulen eine durchschnittlich größere Sauberkeit und Reinlichkeit antreffen, Ana) die Schulgebäude sind sämtlich musterhaft eingerichtet, und vielleicht findet man in keinem andern deutschen Dorfe ein gleich stattliches, ja so prächtiges Schulhaus wie in Wustrow.

Die einzige Pfarrkirche in diesen Ortschaften, jene zu Wustrow, macht dagegen keinen sonderlich sauberen und stattlichen Eindruck. Ein paar kleine Bilder von Schiffen, aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts, sind in einigen Kirchenfenstern zu sehen, und zwei sehr sauber geschnitzte Schiffe. Geschenke von Seefahrern, hängen im mittleren Kirchengange von der Decke herunter. So hängt auch ein großer hölzerner Taufengel, der bei allen Eingebornen in hoher Achtung steht, weil die Richtung seiner Nase stets anzeigt, wohin der Wind weht.

Wie in den meisten abgelegenen Schifferörtern, so ist auch hier noch viel kirchlicher Sinn anzutreffen. Der Seemann, welcher zu Hause kommt, besucht ganz gewiss am nächsten Sonntag mit seinen sämtlichen Angehörigen den Gottesdienst, und nicht selten findet man dann eine Guine, einen Napoleonsdor oder dergleichen im Klingelbeutel. Für Arme und auch für Verwandte wird nach besten Kräften gesorgt.

Neben dem kirchlichen Sinn fehlt auch der Aberglaube nicht. „He verköfft wohl sien Veih, öbers den Dägt behöllt he vör sik". („Er verkauft wohl sein Vieh, aber den Ertrag desselben behält er zurück") wird oft geäußert, und an Behexen, bösen Blick etc. wird fest geglaubt. Ein auf dem Darß wohnender Wunderdoktor hält hier noch immer reiche Ernten, trotzdem vor wenigen Jahren das sämtliche Silberzeug eines Schifferhauses, etwa 400 Rthlr. an Wert, durch ihn in Sand und Steine verwandelt worden ist! Wie es einem Wundermann zukommt, erscheint der pfiffige und geriebene Preuße immer nur des Nachts. Trotzdem aber hat er schon die Bekanntschaft mecklenburgischer Gefängnisse machen müssen.

Alle Einwohner des Landes, Männer und Frauen, sind ernsten Sinnes, geben sich selten einer lauten Lustigkeit hin, sie bleiben äußerst wortkarg, ja, gegen Nichteinheimische sogar im hohen Grade „maulfaul". Hierin unterscheiden sie sich wiederum gänzlich von den Einwohnern des Darßes und der Zingst, die luftig und geschwätzig sind, und wo auch das Wirtshausleben, das hier in Mecklenburg sehr wenig vorkommt, in hoher Blüte sieht. Dennoch sind die Männer, namentlich die jüngeren, leicht mit der Faust und auch mit Schimpfwörtern bei der Hand. Es herrscht auch auf den hiesigen Schiffen durchschnittlich ein viel urwüchsigerer Ton, als auf den deutschen Schiffen der Nordseehäfen. Der Kapitän stellt sich gewöhnlich sofort mit seiner Mannschaft auf den Kriegsfuß und spricht zu derselben oft gar nicht anders als durch Schimpfwörter und Tätlichkeiten. Mehrfach ist es noch neuerdings vorgekommen, dass Kajütswächter und Schiffsjungen mit den Ohren an den Mast oder aus Deck festgenagelt worden sind, und Fußtritte und Faustschläge kommen auf einzelnen Schiffen täglich vor. Trotzdem soll sich aber auch hierin schon eine Wandelung zum Besseren zeigen und im Allgemeinen herausgestellt haben, dass diese alten biderben Kapitäne weit schlechtere Fahrten machen, als ihre jungen gebildeteren Kollegen. - Unter den älteren Kapitänen findet man auch noch einzelne, die kaum ihren Namen zu schreiben vermögen, und die nicht im entferntesten im Stande wären, das heutige Steuermannsexamen zu machen.

Dem Fremden, namentlich dem Binnenländer, fällt es sofort auf, dass so Vieles nach den Himmelsrichtungen benannt wird. Da sind Norder- und Süderstuben, Wester- und Osterbörsen*), Süder- und Norderlauben, Bänke etc. Eine alte Frau, welche eine Wunde am Bein hatte, sagte zu dem Arzte: „Kummt se dat nich ok so vör, Herr Dokter, dat dat doar in der Nordwesteck nu an to helen fangt?“ (Kommt es ihnen nicht auch so vor, als ob das da in der Nordwestecke zu heilen anfängt?) Auch in der Bildersprache wird dieses und Ähnliches vielfältig angewendet. „Ik käm em (kam ihm) ganz südlich, öbers he käm mi gliek (aber er kam mir gleich) so nördlich“, hört man häufig, wenn von früheren Streitigkeiten die Rede ist. – Auch beim Fahren im Wagen wird von Luv und Leeseiten geredet. Eben so hört man: „He is wiet öber Stüer“, (weit über Steuer) das Heißt: er ist weit zurück in etwas. –

*) Börsen nennen die Schiffer diejenigen Plätze, wo sie sich zum Rauchen, Tabakkauen und zu Gesprächen zusammen zu finden pflegen.

Das größte Fest für eine Familie ist, wenn die Nachricht einläuft, dass der Hausherr und sein Schiff wohlbehalten in einem benachbarten Hafen eingelaufen sind. Ist dies in Hamburg, Holland oder England, so reist nicht selten die Frau dem Mann entgegen, um ihm entweder eine kurze Zeit auf dem Schiffe Gesellschaft zu leisten, oder ihn in die Heimat abzuholen. – „Ja et is en grot Freud,“ sagte mir eine junge Fischländerin, „wenn in Harwst (Herbst) uns Mannen to Hus kamen, öbers se kamen nicht all to Hus! (Vêr) vier Bröder hec ik had to See; wo sünd se nu? De letzt söll verleden (vergangenen) Winter to Rostock ut de Mast. Acht Dag läg he noch in’t Klinikum, denn bröchten wi em to Iêr (Erde).“ – Wenn der Mann oder die die Brüder auf See sind, forschen die Frauen sorgfältig nach allen betreffenden Wind- und Wetterberichten, und jede weiß auch genau, welche Winde günstig und welche ungünstig für die Reise sind, welche Strömungen und welche Passate dabei benutzt werden können.

Ehemals wurden die Hochzeiten, immer nur zur Winterzeit, großartig gefeiert; jetzt nur noch selten. Doch ist es Gebrauch, dass sich außer den geladenen Gästen viele junge Leute, namentlich aber alle näheren Bekannten des Brautpaars, am Hochzeitabend vor dem Hochzeithause versammeln und dort allerlei Lärm und Mutwillen treiben. Namentlich erschallt dann der Ruf: Proppen los! worauf aus dem Hochzeithause Weinflaschen gebracht werden. Auf der Hinterdiele, oder in der Nebenküche steht auch an diesem Abend eine große Schüssel mit einem dickgekochten süßen Reißbrei, von dem Jedermann sich nach Gefallen nehmen mag. Die Mädchen tragen bei dieser Gelegenheit die Kopftücher weit über das Gesicht gezogen, gleichsam, als möchten sie nicht gerne erkannt werden. Geschieht dies aber bei der einen oder der andern dennoch Seitens der Braut oder deren Mutter, so wird sie ins Haus genötigt und muss Teil am Fest nehmen. Es wird einem jungen Mädchen sehr übel genommen, wenn sie es unterlässt, die befreundete Braut am Ehrentage derartig zu besuchen.

Um die Mitte des Sommers wird das sogenannte Tonnenfest abgehalten. In der großen Dorfstraße in Wustrow sieht man eine mit Laub umwundene Tonne an zwei Stangen schweben. Die Bauernknechte jagen zu Pferde im Galopp unter dieser Tonne durch und bemühen sich, dieselbe vermittelst eines dicken Knittels herabzuschlagen. Wer die Stäbe zum Fallen bringt, heißt Stäbenkönig, und wer das letzte Stück herunterschlägt: Bodenkönig. Beide erhalten aus der großherzoglichen Kasse ein Geschenk. Spiel und Schenkbuden, Musik und Tanz sorgen für weiteres Vergnügen.

In Dierhagen und in Wustrow pflegen Sommers sich auch einzelne Fremde zum Baden einzufinden. Der Strand eignet sich auch ganz vorzüglich dazu, vielleicht in einem so hohen Grade, wie an keinem andern Flecke deutscher Ostseelande. Dennoch aber werden diese Dörfer nie stark besuchte Badeorte werden, besonders deshalb, weil die Bevölkerung durchschnittlich viel zu wohlhabend ist, als sie sich ihre Häuslichkeit durch die Aufnahme von Fremden stören lassen möchte. In Wustrow pflegen sich im Juli und August 20 bis 30 Badegäste zu versammeln, welche teils in dem geräumigen Wirtshause, teils bei einzelnen Witwen etc. ihr Unterkommen finden. – Vom Festlande aus gelangt man nach Wustrow über die mecklenburgische Stadt Ribnitz, von wo täglich mehrmals große mit Verdeck versehene Segelbote dorthin fahren. –
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein deutsches Schiffervolk.