Siebentes Kapitel - Ein Stiergefecht.

Einrichtung des Stierplatzes. - Die Arena. - Das Spital. - Eigenschaften der Stiere. - Der Leitochse. - Die Quadrilla. - Der große Montes. - Das Publikum des Stierplatzes. - Der feige Canario. - Unglück eines Chulo. - Salto sobre testuz. - Stierhetze auf portugiesische Art. - Ein glänzendes Gefecht.




Turniere und Stiergefechte, – zwei Namen, die schon in der Jugend die Phantasie reizen und beschäftigen; Schauspiele, die wir um so sehnlicher zu sehen wünschen, als es uns in der Regel nicht möglich ist, denselben beizuwohnen. Was die Turniere anbelangt, so sind wir ja in einem Zeitalter geboren, wo die eiserne Rüstung und das aufgezäumte Schlachtroß nur noch in Waffensammlungen zu sehen sind, oder die edlen Ritter selbst in ihrem ganzen Waffenschmucke, lang ausgestreckt auf staubigen Grabsteinen, unter welchen sie ruhen und vielleicht träumen von einer anderen, gewaltigen, schöneren Zeit. Sind wir, wie Leporello sagt, im kälteren Deutschland geboren, so bleibt unsere Sehnsucht nach einem Stiergefechte ebenfalls ungestillt; denn wenn auch dieses echte Nationalvergnügen der Spanier an den nördlichen Abhängen der Pyrenäen, in Nimes, Montpellier und einigen anderen Städten des südlichen Frankreichs versuchsweise eingeführt wurde, so blieb es doch bei den ersten Anfängen, und wer es sehen will, wie man mit dem Stiere nach allen Regeln der Kunst kämpft, muß sich schon entschließen, eine Reise nach Spanien zu machen.

Da die gewöhnlichen Stiergefechte – sie werden in den größten Städten Spaniens am Montag gehalten – mit Ende September aufzuhören pflegen, so kann man von Glück sagen, wenn man in den Wintermonaten ein erträgliches Stiergefecht zu sehen bekommt. Wenige Tage nach meiner Ankunft in Barcelona traf ich es übrigens hierin ganz vorzüglich; denn am Donnerstag den achten December klebte man in der ganzen Stadt große Zettel an, auf denen zu lesen war, daß mit hoher Erlaubniß am nächstfolgenden Sonntag den elften Dezember auf der Plaza de Toros ein Stiergefecht, statt finden werde und zwar: por una sociedad de aficionados, d. h.: Dilettanten aus der Einwohnerschaft von Barcelona wollten sich das Vergnügen machen, an der Stelle der gewöhnlichen Kämpfer nach den Regeln der Kunst mit dem Stiere zu fechten. Wenn auch hiedurch das Schauspiel weniger blutig zu werden versprach, so rechnete ich doch anderentheils auf eine größere Theilnahme des hiesigen Publikums. Die Unternehmer sagten übrigens in dem Programme: Sin pretensiones de ninguna especie, ofrece la Sociedad esta funcion à los Sres. convivados. Si la buena voluntad con que lo hace, llega à suplir su falta de conocimientos en el arte, quedará recomponsada con usura. Was ungefähr so viel heißt, als man bitte bei vorkommenden Fehlern um Nachsicht und wünsche, man möge überhaupt den guten Willen für die That nehmen. Ich muß gestehen, mir war es schon recht, zum ersten Male, wenn ich mich so ausdrücken darf, ein Liebhaber-Stiergefecht zu sehen; denn ich hatte ja dann später immerhin eine Steigerung zu erwarten.

Der Stierplatz von Barcelona liegt neben dem Eisenbahnhofe der Bahn, die nach Matarò führt, und ist ein großes, rundes Gebäude von vielleicht sechshundert Schritten im Umfange, das circa zwölftausend Personen faßt. Die Einrichtung fast aller Stierplätze hier zu Lande ist die gleiche, ähnlich der alten römischen Amphitheater, nur daß diese gewöhnlich prächtige Bauwerke waren, aus mächtigen Quadern aufgeführt, von innen und außen reich verziert, wogegen die Stierplätze, selbst der größten Städte, wie Madrid, Barcelona, nur provisorisch dazustehen scheinen – der untere Stock von Backsteinen aufgeführt, oben aber Alles leicht und leichtfertig von Holz zusammengenagelt. Einzig der Stierplatz von Sevilla macht hier eine rühmliche Ausnahme; er ist über die Hälfte ebenfalls von schönen Quadern zusammengefügt und rings von Marmorsäulen umgeben, welche die darüber gesprengten Bogen tragen.

Statt der Eiform des alten Circus stellt der spanische Stierplatz einen vollkommenen Kreis dar. Die Arena ist mit einer über sechs Fuß hohen Bretterwand umgeben, um welche ein Gang von vielleicht sechs bis acht Schuh herumläuft, hinter dem die Zuschauerplätze anfangen. Diese steigen sechszehn bis achtzehn Stufenreihen nach hinten in die Höhe, wo der größere Theil des Publikums einen Platz findet; diese Sitzreihen sind einfach von Holz, ohne Rücklehne und so dicht hinter einander, daß nach alter, guter Weise der Vordermann zwischen Füßen und Knieen des Hintermannes seinen Platz findet. Wo diese Sitze aufhören kommen noch drei bedeckte Stufenreihen und über diesen die bequemer eingerichteten Logen – bevorzugtere und theurere Plätze; wo sich auch der Sitz des Ayuntamiento, des commandirenden Generals und der übrigen Behörden befindet. Auf der Seite dieser Logen sind die gesuchtesten Plätze; von hier aus zur Linken hat man das Musikcorps, von der rechten Seite kommt die Quadrilla, und gerade gegenüber sieht man das kleine Thor, durch welches die Stiere eingelassen werden.

Ehe ich den Gang des heutigen Stiergefechtes den Lesern vor Augen führe, wird es vielleicht für manchen derselben nicht uninteressant sein, einige kleine Aufklärungen über das Gebäude selbst, sowie über die Vorbereitungen zum Stiergefechte und die Zusammensetzung und das Wesen der Quadrilla zu erfahren. Das Gebäude des Stierplatzes ist meistens städtisches Eigenthum und wird, wie z. B. die großen italienischen Theater, einem Unternehmer (Empressario) für den ganzen Sommer oder für einzelne Vorstellungen mit dem dazu gehörigen Inventarium zur Verfügung gestellt. Dieses Inventarium besteht aus den Waffen und Sätteln für die Picadores, den buntfarbigen seidenen Mänteln der Chulos, den Banderillas und dergleichen mehr. Die Räume zur Aufbewahrung dieser Sachen befinden sich in der Nähe des Stierzwingers und unter Aufsicht eines Angestellten, der zugleich Hausmeister ist und die Fremden bei Besichtigung des Stierplatzes herumführt. Hier in Barcelona war dieß ein ehemaliger Picador, welcher bei einem bösen Sturze von dem Pferde den Fuß gebrochen hatte und uns nun hinkend herumführte, wobei er uns seine Herrlichkeiten zeigte und mit großer Redseligkeit interessante Einzelheiten über Manches der edeln Stierfechterkunst mittheilte. Nahe seiner Wohnung, am Haupteingange, befand sich ein kleines Gebäude, wenige Schritte von dem Stierplatze, aber durch einen Hof von diesem getrennt – das Spital für verunglückte Fechter. Hier waren ein paar breite Betten, sowie in einem Wandschranke Bandagen, Schienen und die nöthigen Medicamente, um einem Verunglückten augenblicklich Hülfe leisten zu können. Dieß ist die ernste, ja traurige Seite dieses so beliebten Nationalschauspiels, und hier befindet sich auch bei jeder Vorstellung ein Geistlicher, der sich bereit hält, im Nothfalle den Verunglückten mit den Sterbesacramenten zu versehen. Wie unser alter Picador erzählte, ist es der Geistlichkeit aufs strengste verboten, den Stierplatz selbst zu betreten, weßhalb das oben erwähnte kleine Lazareth denn auch getrennt von diesem besteht und einen besonderen Eingang von der Straße hat. Der Empressario ist zuweilen ein Besitzer von großen Viehheerden, zuweilen ein einfacher Speculant bei diesem Geschäfte, öfter aber auch einer der großen Espadas selbst, wie z. B. der berühmte Montes, Redondo, der eine Reihe von Stiergefechten oder ein einzelnes unternimmt. Er kauft die nöthigen Pferde und Stiere. Die ersteren sind meistens arme alte Thiere, die oftmals eine glänzende Laufbahn hinter sich haben und nun dazu bestimmt sind, unter den Hörnern des Stieres zu verenden. Begreiflicherweise würde ein junges, kräftiges Pferd diesen eben sowenig widerstehen können und nur die Kosten bedeutend vergrößern; deßhalb nimmt man langgediente, meistens ausrangirte Reitpferde, die gewöhnlich mit nicht mehr als fünfzehn bis zwanzig Duros das Stück bezahlt werden. Bei den Stieren herrscht gerade das umgekehrte Verhältniß: je kräftiger, wilder und unzähmbarer ein solcher ist, um so besser für den Kampf, umso theurer wird er bezahlt. Der Preis eines vorzüglichen Stieres ist bis zu zweihundert Duros (ein Duro ist 3 Fl. 30 Kr.). Der Heerdenbesitzer kennt natürlich seine Zöglinge, und je nachdem das Stiergefecht glänzend ausfallen soll, werden die Thiere ausgesucht. Ein echter Toro, ein Stier von guter Race, de buen trapio, wie der Spanier sagt, ist nicht über sieben und nicht unter fünf Jahre alt, hat feines glänzendes Haar, einen langen elastischen Schweif, gelenke Kniee, kleine Hufe, starke, schwarze und nicht zu lange Hörner, bewegliche, runde Ohren und feurige, dunkle Augen. Wie sich von selbst versteht, will das Publikum eine Abwechslung oder Steigerung, und einem der wildesten und tollsten Burschen werden immer ein paar fügsamere Collegen beigegeben, damit die Quadrilla ihren Tollheiten und Neckereien zuweilen den vollen Lauf lassen kann, ohne ihr Leben gerade sehr in Gefahr zu bringen, was bei einem Stiere, wie er sein soll, fast jedesmal der Fall ist. Daß die Tauromaquia in alten Zeiten als eine edle und ritterliche Passion galt, liegt in den Regeln derselben, welche dem Toreador gebieten, seinem Feinde offen entgegenzutreten, ihn mit ehrlichen Waffen, ohne Hinterlist und mit der größten Ritterlichkeit zu bekämpfen; und nicht bloß tapfer soll der Toreador sein, man verlangt auch, daß all seine Bewegungen graziös seien, und daß keine linkische Wendung, kein übereiltes Zurücktreten oder Vorgehen die geringste Unsicherheit verrathe. Hiezu aber gehört ein außerordentliches Studium und eine Herrschaft über seinen eigenen Körper, die nur durch langjährige Übung erworben wird. Diese Herrschaft über sich selbst ist es aber auch fast allein, welche den Stierkämpfer vor den Hörnern des wüthenden Thieres zu retten vermag; der geringste Fehler ist verhängnißvoll; denn faßt ihn der Toro mit dem Horne, so geht es nicht mit einer leichten Verwundung ab, sein gräßlicher Tod ist dann fast jedes Mal gewiß. Und obendrein ist es unbegreiflich aber wahr, daß bei solchen Unglücksfällen das grausame Publikum die Partei des Siegers nimmt und der gestürzte Toreador noch obendrein lächerlich erscheint. Natürlicherweise gehören, wie bei jeder Kunst, so auch bei dieser, Talent und angeborene Anlagen dazu, um ein großer Espada zu werden, und neben der Geschicklichkeit, dem Thiere auszuweichen und ihm dann zur rechten Zeit den Todesstoß beizubringen, muß der Torero ein Auge dafür haben, um die Eigenschaften des Stieres, wenn ihm derselbe im Circus zum ersten Male entgegentritt, sogleich zu erkennen; deßhalb beobachtet der Espada hinter der Schranke, wie sich das Thier gegen die Picadores und Banderilleros benimmt und erkennt aus der Art des Angriffs, ob es boyante und claro (naiv und offen), revoltoso (rührig), celoso (mißtrauisch und mordlustig), gana terreno (schnellfüßig), sentido (listig) oder abanto (feige) ist. Jede dieser Eigenheiten erfordert eine besondere Taktik und vom kleinsten Versehen hängt der Ruf und nicht selten das Leben des Toreadors ab. In seinem Lehrbuche der Stierfechtkunst sagt Francisco Montes: »Ein Toreador muß muthig und leicht gebaut, aber nicht tollkühn sein, er muß zudem die Kunst gründlich studirt und geübt haben. Wer nicht kaltblütig und rasch wie der Blitz den rechten Augenblick zu benutzen weiß, endet früher oder später sein Leben auf den Hörnern des Stieres. Wem aber das Herz beim Kampfe nicht schneller schlägt, als beim Billardspiele, wessen Auge rasch und ruhig die kleinsten Bewegungen des Thieres verfolgen und voraus errathen gelernt hat, der spielt noch im hohen Alter mit dem wüthendsten und gefährlichsten Stiere, wie die Katze mit der Maus.«

Der alte Picador, der mir diese Einzelnheiten erzählte, versicherte mir seufzend: wie so oft in dieser Welt das wahre Verdienst nicht anerkannt werde, so ergehe es namentlich dem Aufseher des Stierplatzes, der das höchst undankbare und gefährliche Geschäft habe, die wilden Stiere in der dem Feste vorhergehenden Nacht in ihre Zwinger einzusperren. Diese Zwinger haben die Gestalt von kolossalen Mäusefallen, sie sind kaum so lang, breit und hoch, daß das Thier darin Platz hat. Nach Art der Fallgitter kann die vordere und hintere Wand aufgezogen und herabgelassen werden, und alle correspondiren durch eben diese Fallgitter mit dem Thore, durch welches die Thiere den Kampfplatz betreten.

Herab von ihren freien Bergen werden diese nun, sobald es Nacht wird, meistens den Tag vor dem Feste, von Reitern mit langen Piken nach der Stadt und dem Stierplatze getrieben. Doch geht dieß nicht ohne einen Leitochsen, der vorausmarschirt und auf diese Art seine Brüder auf heimtückische Weise dem blutigen Spiele überliefert. Das Schwierigste ist, die Erwählten von der großen Heerde abzusondern; ist dieß einmal geschehen, so wird der Leitochse an die Spitze gestellt, die Reiter umgeben den Schwarm und bringen ihn im Dunkel der Nacht meistens glücklich zwischen die Mauern des Stierplatzes. Hier werden die Thiere einzeln aus einem größeren Hofe in einen kleineren gebracht, auf den die Zwinger mit ihren Fallthüren münden; die betreffende wird aufgezogen, und auch hier spaziert der Leitochse voran in den dunklen Käfig hinein. Häufig folgt ihm bereitwillig der wilde Stier; oftmals stutzt er aber auch an der engen Thür: vielleicht warnen ihn gespenstige Schatten der Vorangegangenen, vielleicht verkündet ihm ein Blutgeruch sein kommendes Geschick; kurz, hier an der Schwelle des Zwingers erfolgt, wie uns der Picador sagte, schon ein heftiger Vorkampf, der oft um so gefährlicher wird, da der Aufseher mit seinen Knechten dem wilden Thiere unbewaffnet entgegentritt.

O, es ist nicht selten, versicherte uns der alte Picador, daß das Einsperren von acht Stieren nicht nur eine ganze Nacht gedauert hat, sondern auch den anderen Vormittag, und ich habe Fälle erlebt, wo wir erst fertig geworden sind, nachdem schon die ersten Zuschauer ihre Sitze eingenommen. Bei ruhigen Thieren geht also der Leitochse voran, natürlich vorn wieder zum Kasten hinaus, während vor der Nase und dem Hintertheile seines unglücklichen Nachfolgers nun beide Fallthüren rasch herabgelassen werden. Daß bei allen dieser enge Käfig nicht zur Beruhigung der Nerven beiträgt, im Gegentheil das eingesperrte, ungeduldige Thier so toll und wild als möglich wird, kann man sich denken. Obendrein muß der Stier in seinem dunkeln Gefängniß Hunger und Durst leiden, und wenn die Stunde gekommen ist, wo er auf den Platz hinausgelassen wird, so sind die Knechte kaum im Stande, ihn gehörig herauszuputzen, d. h. auf seinen Rücken die lange, flatternde Banddevise zu befestigen, die ihm vermittelst eines kleinen Eisens mit Widerhaken in die Haut gestoßen wird. So gereizt und im höchsten Grade unmuthig gemacht, öffnet sich ihm die Thüre seines finsteren Käfigs; in tollen Sprüngen rast er hinaus, und statt sich nun, wie er wohl geglaubt, wieder in der stillen Einsamkeit seines Waldes zu befinden, steht er plötzlich in einem von der Sonne hell bestrahlten Kreise, eingehegt mit einer sechs Fuß hohen Schranke und umgeben von Tausenden von Zuschauern in glänzenden Toiletten; grelle Tücher wehen um ihn her, lauter Zuruf empfängt ihn, Musik schallt in seine Ohren, und vor seinen halbgeblendeten Augen spielen unzählige Fächer in der Hand der Zuschauerinnen und Zuschauer; denn auch der Spanier bringt seinen Abanico mit auf den Stierplatz, – ein kleines, zwei Fuß langes Stöckchen mit einer buntbemalten Fahne von starkem Papier, das er hin und her bewegt und sich so frische Luft zufächelt. Der Stier bleibt überrascht in der Mitte stehen, betrachtet murrend die ungewohnte Umgebung, dreht sich mit funkelnden Augen im Kreise umher, fängt an den Boden aufzuscharren, senkt den Kopf und sucht sich einen Kämpfer aus.

Der Unternehmer sorgt nun ebenfalls für die Zusammenstellung einer guten Quadrilla, zu der zuerst mehrere gute Espada, »Degen« (so werden die Matadore in Spanien genannt, und dieser Name, welchen man bei uns dem ersten Helden der Quadrilla zu geben pflegt, scheint hier ganz außer Gebrauch gekommen zu sein) gehören, und die ferner aus einem halben Dutzend »Picadores«, so wie einem Dutzend »Chulos« und eben so vielen »Banderilleros« besteht.

Die Picadores sind zu Pferde und reiten auf jenen alten, armen Thieren, von denen ich vorhin sprach. Die Kleidung der Reiter, in den buntesten Farben, wie alle Costüme, die beim Stiergefechte vorkommen, besteht aus einer verschnürten Jacke, darunter eine mit zahllosen Knöpfen besetzten Weste, um welche eine lange, wollene Binde mehrfach gewickelt ist; hieran schließen sich kurze Beinkleider, so wie andalusische Ledergamaschen. All diese Kleidungsstücke sind aus sehr schwerem Zeuge gemacht und dabei so stark wattirt, daß die Gestalt des Picadors sehr unbehülflich aussieht. Und das ist er auch in der That; denn wenn das Pferd unter ihm stürzt und er dabei nicht zufällig auf seine Beine zu stehen kommt, so ist es ihm nicht wohl möglich, sich ohne Hülfe aus dem Sattel zu schwingen. Ja, wenn er zufällig auf den Rücken fällt, so geht es ihm wie einer Schildkröte, und es ist ihm ohne fremden Beistand nicht möglich, sich wieder zu erheben. Diese wattirte Rüstung ist jedoch sehr nothwendig, da fast bei jedem Zusammentreffen des Stiers mit dem Pferde letzteres zu Boden gerannt wird, und ohne die weiche Unterlage gewiß jedes Mal ein paar dieser Reiter ihre Knochen zerbrechen müßten. Ebenfalls zum Schutze gegen die Hörner des Stiers ist der Sattel des Reiters vorn und hinten schuhhoch aufgepolstert; die Augen des Pferdes sind mit einem Tuche verbunden; denn ungeblendet würde wohl keines zum zweiten Angriffe zu bringen sein. Die Bewaffnung des Picadors besteht in einer fünfzehn bis achtzehn Schuh langen Lanze mit einer sehr kurzen Spitze, welche noch obendrein mit starkem weichen Bindfaden umwickelt, so, daß das Eisen kaum mehr als einen halben Zoll sichtbar bleibt. Die Picadores sind die Ersten auf dem Platze, sie müssen den Kampf beginnen und haben meiner Ansicht nach die schwierigste Rolle; sie müssen dem Stiere entgegenreiten, ihre alten, steifen Pferde sind zu ungelenk und zu schwach, um dem wüthenden Thiere ausweichen zu können oder vor ihm zu fliehen. Es kommt also Alles darauf an, daß der Picador kaltes Blut und Geistesgegenwart genug hat, den Stier mit eingelegter Lanze ruhig zu erwarten, um, wenn er ihm nahe genug ist, demselben mit Concentrirung aller seiner Kraft einen tüchtigen Stoß mit der Pike beizubringen. In vielen Fällen läßt sich der Stier hiedurch abtreiben, weicht zurück, um sein Heil bei einem anderen Picador zu versuchen. Ist aber das Thier sehr kräftig und wild und macht sich aus der leichten Verwundung, die es erhalten hat, nichts, dringt vielmehr noch wüthender vor, so bricht das Pferd des Picadors unter dem gewaltigen Stoße zusammen, und nachdem der Reiter oftmals weit aus dem Sattel geschleudert wird, sucht er sich so schnell als möglich der Aufmerksamkeit des Stiers zu entziehen. Glücklicherweise beschäftigt sich das wüthende Thier fast immer mit dem gestürzten Pferde und stößt mit seinen gewaltigen Hörnern so lange auf dasselbe hinein, bis es regungslos liegen bleibt oder bis der Stier einen anderen Gegner findet. Es ist das ein Glück für die Picadores; denn sonst würden bei ihrer Unbeholfenheit stets einige den Kampf mit ihrem Leben bezahlen müssen. Zuweilen auch wirft der Stier das Pferd nicht beim ersten Anlaufe nieder, sondern reißt ihm mit seinen Hörnern den Leib auf, wo es alsdann ein wahrhaft häßlicher Anblick ist, wenn man das unglückliche Pferd im Ring umhergaloppiren sieht, die Eingeweide auf dem Boden nachschleppend. Im Süden Spaniens, in Sevilla, Granada, wird übrigens jedes schwerverwundete Pferd augenblicklich abgeführt, wogegen es in den Städten des Nordens meistens auf dem Platze verenden muß.

Während sich die Picadores mit dem Stiere beschäftigen, sind die Chulos meistens müßige Zuschauer. Diese kräftigen, schön gewachsenen Burschen erscheinen fast im gleichen Costüme, wie auf unseren Theatern Figaro. Ihr volles, dunkles Haar ist zurückgestrichen und hinten an demselben ein kleiner schwarzer Haarbeutel befestigt, der mit schwarzen Bändern und meistens einer großen Masche verziert ist. Um diesen Haarbeutel anbringen zu können, lassen sich die Stierfechter ein Zöpfchen wachsen, woran man sie im gewöhnlichen Leben auch erkennt. Über einer enganliegenden Atlasweste, die reich mit Knöpfen und Goldstickereien verziert ist, tragen sie die rund geschnittene andalusische Jacke, ebenfalls von Seide oder von feinem Tuche. In beiden Taschen derselben befinden sich weiße und bunte Sacktücher, deren Spitzen herausflattern. Um den Leib haben sie eine dünne, seidene Schärpe, welche das eng anliegende kurze Beinkleid festhält; ein weißer oder fleischfarbener seidener Strumpf vollendet den Anzug, und dazu steht der Stierfechter in feinen, untadelhaften Schuhen.

Die Chulos und Banderilleros, welche, wie schon gesagt, zu Anfang des Gefechtes zuschauen und innerhalb oder außerhalb des Ringes müßig an der Schranke lehnen, bilden in den beschriebenen Costümen eine buntfarbige und glänzende Schaar. Auch ihre Beinkleider sind meistens von Atlas, und der ganze Anzug ist in den auffallendsten Farben: Weiß, Himmelblau, Dunkelroth, Violet, und wenn man dazu nimmt, daß alle Nähte reichlich mit Stickereien und Flitter besetzt sind, Jacke und Weste mit unzähligen blanken Knöpfchen, daß dabei die Chulos in ihren Händen lange bunte seidene Tücher von allen Farben haben, so kann man sich denken, wie alles das im Sonnenlichte glänzt und flimmert. Die Bestimmung der Chulos ist übrigens, den Stier mit ihren farbigen Tüchern zu reizen und seine Aufmerksamkeit von einem gestürzten Picador oder von einem Collegen abzulenken, der in Gefahr ist, in gar zu nahe Berührung mit den Hörnern des Stiers zu kommen.

Die Banderilleros haben schon ein schwierigeres und gefährlicheres Geschäft als die Chulos. Sie müssen dem wüthenden Stiere entgegentreten, um ihm die Banderillas einzustoßen. Dieß sind über zwei Schuh lange Pfeile mit eisernen Spitzen und Widerhaken, welche mit buntem, flatterndem Papier umgeben sind; nach den Regeln der Kunst dürfen sie dem Stiere nur im Angriffe und von vorn beigebracht werden, weßhalb der Banderillero dem Stier mit ausgebreiteten Armen entgegen geht, in jeder Hand einen dieser Pfeile tragend, und nun den Moment abpassen muß, wo das wüthende Thier ihm gerade entgegenstürzt, um alsdann auf die Seite zu springen und demselben im Sprunge den Pfeil in den Nacken zu stoßen. Daß dabei die Hörner des Thieres oft wenige Zoll an seiner Brust vorbeifahren, kann man häufig genug sehen.

Nachdem nun Chulos und Banderilleros ihr Wesen mit dem Stiere lange genug getrieben und ihn entweder so wüthend gemacht haben, daß sich Niemand mehr in seine Nähe wagt, oder ihn so lange gehetzt, daß er, wenn es ein schlechter Stier ist, anfängt Zeichen der Müdigkeit zu geben, so erscheint auf einen Trompetenstoß der Espada, bei schwachen Stieren gewöhnlich ein Anfänger, ein Neuling in der Kunst, der dann ein »halber Degen« genannt wird, bei wilden und gefährlichen Thieren aber einer der vorhandenen Virtuosen. Der Espada ist wie der Banderillero gekleidet und trägt in der linken Hand einen kleinen Stock, um welchen ein blutrother Lappen, Mantel genannt, befestigt ist, um durch diese Farbe die Wuth des Stiers noch mehr zu reizen. In der Rechten hat er einen Degen mit drei Fuß langer und zollbreiter Klinge, dessen sehr kleiner Griff und Bügel mit rothem Tuche umwickelt ist, wodurch er ihn fester halten kann.

Zu den Eigenschaften eines Espada gehört natürlich viel persönlicher Muth, eine große Gewandtheit, ein sicherer Blick und unbedingte Herrschaft über den eigenen Körper, denn er tritt dem oftmals rasenden Thiere Aug in Auge gegenüber, ganz allein, und alles, was er zu seiner Rettung thun darf, ist eine blitzschnelle Bewegung nach rechts und links, um dem furchtbaren Stoße auszuweichen; er muß das Thier von vorn durch einen Stoß zwischen die Hörner tödten, muß also genau berechnen, wie er diesen Stoß anbringen kann, ohne sich selbst den gewaltigen Hörnern Preis zu geben. Dem Stiere den Rücken zu wenden oder gar zu fliehen, wäre ein Schimpf, den sich ein guter Degen niemals anthun würde. Er beschäftigt sich nun mit dem Stiere so lange, neckt ihn auf alle Weise und fordert ihn heraus, bis das Thier den Kopf tief herabsenkt zum tödtlichen Stoße ansetzend »sich demüthigt.« Diesen Moment benutzt der Espada und stößt ihm den Degen in die Wurzel des Nackens; zuweilen gelingt es ihm, jene kleine Stelle zu treffen, »cruz« nennen sie die Kenner, wo der Stier alsdann, wie vom Blitze getroffen, todt zu Boden stürzt. Stößt er aber fehl, so fährt das Eisen oft dem Thiere bis an das Heft in den Nacken, das Blut spritzt heraus, der Espada muß den Griff fahren lassen, und der Stier rast brüllend, mit der Waffe im Leibe, toller als früher, im Kreise umher. Da im Winter die Stiergefechte in Spanien selten und nicht glänzend sind, so hatte ich nicht das Glück, einen der großen Matadore zu sehen, weder Francisco Montes, noch Redondo, noch Cuccero. Was den ersten anbelangt, so ist er überhaupt für immer vom kleinen Schauplatze des Stiergefechts, so wie vom großen der Welt abgetreten. Er, der sein Leben tausend Mal den Hörnern des Stiers Preis gab, starb im Bette an einem hitzigen Fieber. Unser Picador hatte früher in Andalusien mehrmals mit ihm zusammen gearbeitet, wie er uns sagte, und meinte seufzend, ein Stern wie Montes würde nicht so bald wieder erscheinen. Und wie schade, daß er auf so stille Art endigen mußte! Als er damals in Madrid schwer verwundet wurde, war ich dicht dabei, erzählte der ehemalige Picador. Es mußte im Sandboden ein Stein gewesen sein; denn als er den Stier niederstoßen wollte, glitt sein linker Fuß aus, sein Körper, der sich einen Zoll zu viel rechts wandte, wurde vom Horne des Stiers erfaßt, das ihm so tief in den Leib und in die Lunge drang, daß ein Licht, welches man vor die Wunde hielt, ausgelöscht wurde. Überhaupt war der große Montes ein braver Mann, gutmüthig wie ein Kind, der immer für sich lebte und mit den anderen wenig Gemeinschaft hielt. Nur hatte er Einen Fehler, er trank nämlich gern eine gute Flasche Wein und auch mehrere, wie es gerade kam. Das geschah aber nur, wenn er nichts zu thun hatte; alsdann nahm er sich in irgend einer Posada ein Zimmer, kaufte sich eine Anzahl Flaschen und trank so lange, bis sie leer waren. Wenn er gerade keine Kneipe fand, die ihm behagte, so sperrte er sich auch wohl zu demselben Zwecke in seine eigene Stube ein. Ja, ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er seinen Wein selbst trug und dann das Haus hinter sich abschloß. Hatte er dagegen ein Stiergefecht vor sich, so war niemand nüchterner als er, und dann kam schon längere Zeit vorher kein Tropfen Wein über seine Zunge. – Das ist überhaupt der Feind, vor dem wir uns in Acht nehmen müssen, versicherte lachend der Picador, denn zu anderen Geschäften ist es wohl erlaubt, sich damit ein bischen Courage zu machen, aber hier im Ringe ist der kleinste Nebel vor den Augen so gut wie der leibhaftige Tod. Montes hatte den Beinamen Chiclanero; doch heißt auch Redondo so, weil Beide aus Chiclana stammen, einem Städtchen in Andalusien, aus dem schon viele wackere Stierkämpfer hervorgegangen.

Cuccero, der noch existirt, ebenfalls ein Andalusier, ist jetzt wohl unstreitig der größte unter den spanischen Matadoren oder Degen. Er zeichnet sich namentlich durch seine sprichwörtlich gewordene Kaltblütigkeit aus, so wie durch die Gewandtheit, mit welcher er das lebensgefährlichste Spiel mit den tollsten Stieren treibt. Wenn er dem Stiere mit vorgehaltenem rothem Mantel und Degen entgegentrat, und dieser gereizt auf ihn zustürzte, so stieß er oft wenige Zoll vor dem schäumenden Thiere seinen Degen in den Sand, warf sich in diesem Augenblicke selbst den rothen Mantel über, stemmte einen Arm auf die Hüfte und ließ nun den Stier an sich vorbeispringen, wobei er ihm verächtlich über die Achsel nachschaute.

Schon oben wurde bemerkt, daß zur grande tenue des andalusischen Costümes zwei Sacktücher gehören, welche in beiden Taschen des Oberjäckchens stecken. So gekleidet, trat Cuccero dem Stiere entgegen, der, den Sand mit den Füßen aufscharrend, den Kopf tief gesenkt, mit boshaft funkelnden Augen auf ihn zukam. Das rothe Tuch, dicht vor dem Kopfe des Thieres geschwenkt, versetzte es in noch größere Wuth, und wenn es nun vorwärts stürzte, vor den kühnen Stierkämpfer hin, dann blieb dieser nach einer kaum merklichen Wendung so unbeweglich stehen, daß ein Gemurmel des Entsetzens durch die Reihen lief. Der Stier war indessen vorbeigeschossen und hatte dann oben an seinen Hörnern eines der Schnupftücher, welches er dem Espada aus der Brusttasche gerissen. Mit welch donnerndem und enthusiastischem Beifallsrufe übrigens eine solche That von dem Publikum belohnt wird, davon kann sich nur der einen Begriff machen, welcher die Spanier, namentlich aber die lebhaften Spanierinnen, bei den Stiergefechten gesehen hat.

Es war ein herrlicher Tag, der elfte December, klar und mild wie ein schöner Maitag bei uns; die Rambla war mit Tausenden von Spaziergängern aller Stände bedeckt, deren Hauptstrom sich nach der Puerta del Mar zu wälzte. Zahlreiche Omnibus standen in den Fahrwegen des öffentlichen Spazierganges, alle mit der Bezeichnung, daß sie die Person für einen Real nach dem Stierplatze hinausfahren würden. Das Schauspiel sollte um halb zwei Uhr beginnen und nach zwölf Uhr schon machten wir uns auf den Weg, um langsam durch die geputzten Menschenmassen hinaus vor das Thor zu schlendern; er führte uns über den breiten Spaziergang der Hafenmauern, der sonst ziemlich einsam, heute aber ebenfalls mit einer lachenden und plaudernden Menge dicht besetzt war; namentlich das weibliche Geschlecht war an diesem Nachmittage zahlreich und schön vertreten. Daß man übrigens oft verwundert stehen bleibt, um einer schönen Spanierin nachzublicken, die stolz, aber nicht unfreundlich an uns vorbeischreitet, daran ist viel das vortheilhafte Costüme schuld. Haare, Augen und Zähne sind meistens schön und dadurch macht sich das ganze Gesicht, von der schwarzen Mantilla eingerahmt, auch wenn es nicht gerade bemerkenswerth ist, interessant, ja reizend. Und mit der Mantilla um den Kopf, sowie mit dem Fächer in der Hand wissen die Spanierinnen umzugehen. Die Mantilla ist unseren Leserinnen wohl bekannt, man könnte sagen: es ist nichts als ein großer schwarzer Spitzenschleier, der oben am Kopfe befestigt ist, durch den Kamm gehalten wird, zu beiden Seiten des Kopfes herabfällt und vorn über der Brust von einer meistens sehr kleinen Hand zusammengehalten wird.

Hier in Barcelona, wo die Mantillen dritter und vierter Qualität gemacht werden – Nummer Eins und Zwei kommen, wie fast alle Mode- und Luxus-Artikel, aus Paris –, sieht man sie auch häufig von schwarzem Seidenzeuge, mit fußbreiten Spitzen. Zuweilen ist auch der Kopf ganz von Spitzengeweben umgeben, an welchen, erst auf den Schultern anliegend, eine Mantilla in der Form, wie man sie bei uns trägt, von schwarzer Seide, auch wohl von Sammt, befestigt ist. Im Aufheften des Schleiers an dem dunklen Haare haben alle Spanierinnen eine merkwürdige Gewandtheit und es gibt nichts Coquetteres, als wenn die Mantilla, die vorn an der Stirn flach aufliegt, auf beiden Seiten des Kopfes von einer Granatblüthe oder Camellia aufgehoben und getragen wird.

Der übrige Anzug der Barceloneserinnen ist ähnlich dem unserer Damen; man sieht viele Anzüge von schwarzer Seide, daneben aber auch oft die buntesten Farben: Gelb, Blau, Grün, Roth. Spenser oder kleine Jacken von Seide oder Sammt, und alsdann meistens in anderen Farben als die Röcke, werden viel getragen. Auffallend war es mir, daß hier in Barcelona die meisten Damen aller Stände schiefe Scheitel hatten; bei einem sehr edeln und sehr schönen Gesichte macht sich das nicht übel; gewöhnlich aber bekommt hiedurch der Kopf etwas sehr Herausforderndes, ja Leichtfertiges. Das gefährliche Fächerspiel beginnt hier ebenfalls und die hiesigen Damen, wenn sie dasselbe auch nicht mit der unglaublichen Gewandtheit, wie die Andalusierinnen zu handhaben verstehen, machen doch einen recht zweckmäßigen Gebrauch davon. Die eleganten jungen Männer von Barcelona hatten heute auch das Mögliche an sich gethan; namentlich waren Halsbinden in den schreiendsten Farben und Handschuhe à la Laubfrosch, d. h. grasgrün, oder auch welche von kuhrother Farbe, sehr gewöhnlich.

Zu unserer Rechten hatten wir den Hafen und das Meer. Letzteres war tiefblau und sehr ruhig; nur zuweilen wogte eine kleine Welle von draußen herein, die aber hier im Hafen immer kleiner und kleiner wurde und zuletzt nur unmerklich und ohne Schaum auf den Sand hinaufspritzte, oder eines der kleinen Fischerboote, die halb im Wasser lagen, leicht in die Höhe hob. Draußen sah man hier und da weiße Segel, blendend im Sonnenlichte, und am Horizonte zog ein Dampfer, eine Rauchwolke hinter sich, in kurzer Zeit hinter den steilen Felsen des Monjuich verschwindend.

Unter uns auf dem Strande war das gewöhnliche Sonntagsleben; kleinere und größere Schiffe hatten geflaggt, hier und da ihre Netze zum Trocknen ausgespannt; neben den großen Fischerbooten, die ans Land gezogen worden waren, stieg gekräuselt der Rauch in die Höhe, und da saß die Familie des Fischers in Erwartung des Mittagessens, welches aus Fischen bestehend, in der Pfanne schmorte. Die Weiber wandten die dampfenden Stücke herum, die Kinder balgten sich im Sande, während die Männer in ihren rothen und gestreiften Mänteln, die weiße oder bunte Mütze auf dem Kopfe, auf Fässern und großen Ankern saßen und die Papiercigarre rauchten. Aus den nachbarlichen Schenken hört man hier und da das Geklimper einer Guitarre, den Schall von ein Paar Castagnetten und dann ein spanisches Lied, in dem bekannten näselnden Tone tremulirend vorgetragen.

So war es drunten am Strande, während oben auf der prächtigen, massiven Mauer der bunte Strom der Spaziergänger lachend, plaudernd, Cigarren rauchend, nach der Puerta del Mar zog, um auf diese hinaus nach dem Stierplatze zu wogen, dessen Thore eben geöffnet wurden. Vor uns her schritt eine halbe Compagnie der berüchtigten Mozos de la Escuadra, die bekannten Diebsfänger, vertraut mit den Schlupfwinkeln der Ladrones und Ratteros, da die meisten dieser Sicherheits-Polizei einstens selbst das Räuber- oder Diebshandwerk getrieben haben. Sämmtliche Thüren des Stierplatzes, die um das ganze Gebäude herum vertheilt sind, sind numerirt, mit oder ohne Sonne, und die gelöste Eintrittskarte gilt nur für die betreffende Nummer. Der Stierplatz war schon ziemlich besetzt, doch gelang es uns, unter der Loge des Ahuntamiento noch recht gute Sitze zu erhalten. Die Gesellschaft um uns her war freilich sehr gemischt, aber wer macht sich aus dergleichen Sachen in Spanien etwas! Vor und hinter uns befanden sich junge Leute der unteren und mittleren Stände, die neben ihren Damen saßen und sich aufs lebhafteste über das bevorstehende Schauspiel unterhielten. So viel wir aus den Gesprächen entnahmen, hatten Manche ihre Bekannten unter den Aficionados, und nun wurde hin und her gestritten, ob Der oder Jener sich recht brav benehmen würde. Daß dazu viele Orangen verspeist, auch Cigarren von allen Qualitäten geraucht wurden, versteht sich von selbst.

Nach und nach füllte sich übrigens das Haus, und wenn man auch hie und da in den Sitzreihen noch kleine Lücken bemerkte, so war es doch im Ganzen recht gut besetzt. Etwas Lebhafteres indeß, als so ein spanisches Publikum, den Anfang des Stiergefechtes erwartend, ist kaum denkbar. Es mochten vielleicht achttausend Menschen zugegen sein, und die Spannung und Aufregung dieser Versammlung, dieses Gähren der ungeduldigen Volksmassen machte sich vor Anfang des Schauspiels auf alle möglichen Arten Luft. Hier wurde geplaudert oder gepfiffen, dort laut gesungen oder gebrüllt und dazu der Tact mit den Füßen getrommelt. Von oben nach unten, oder auch umgekehrt, flogen Orangenschalen, und wenn man statt des Bekannten einen Fremden getroffen, so erhoben sich beide Theile zu gleicher Zeit, sagten sich unter heftigen Pantomimen einige passende Worte, ohne daß man übrigens nur ein einziges rohes Schimpfwort gehört hätte. Und dieser Wortwechsel dauerte meistens so lange, bis ein paar von unbekannter Hand geschleuderte Orangenschalen die streitenden Parteien nachdrücklich trafen, worauf sich dann gewöhnlich Beide unter wüthendem Halloh der Umhersitzenden zur Ruhe begaben. Äußerst komisch war es, wenn einer, der hoch oben saß, zufällig tief unten einen Bekannten entdeckte und nun über Sitze und Sitzende hinweg herabstieg, oder eigentlich herabfiel; denn jeder, in dessen Nähe er kam, erleichterte ihm unter schallendem Gelächter das Herabkommen, was denn auf solche Art eigentlich mehr ein Herabrutschen zu nennen war. Meistens ging das übrigens in Liebe und Freundschaft vor sich; nur erzürnte sich hier und da eine Schöne, deren Mantilla etwas stark gestreift worden war, wurde aber auf die komischste Art von der Welt von dem Herabfallenden besänftigt, indem er ihr versicherte, ihr gutes Aussehen habe durchaus nichts gelitten, er mache sein Kompliment, denn sie sähe immer noch reizender aus, als tausend Mädchen seiner Bekanntschaft, deren Namen ihm im gegenwärtigen Augenblicke nicht einfielen.

Auf allen Seiten des gewaltigen Kreises gab es dergleichen Scenen, und wenn es hier einen Augenblick ruhig war, so fing es drüben um so toller wieder an. Dabei war das Auge geblendet von der bunten Menschenmenge, von den lebhaften Farben der Damenanzüge und von dem brennenden Roth der vielen Manta's, namentlich aber von dem strahlenden Sonnenlichte, das einen Theil des Kreises glänzend beleuchtete. Dort hielt man denn auch die Fächer in immerwährender Bewegung, theils um sich vor den Strahlen der Sonne zu schützen, theils um sich affectirt Kühlung zuzuwehen, oder um sich mit entfernter Sitzenden durch Zeichen zu unterhalten.

Wir mochten so eine starke Viertelstunde dagewesen sein, als die Menschenmasse auf einmal in eine allgemeine Bewegung kam. Man steckte die Köpfe zusammen, man hob sich halb in die Höhe, man blickte nach den Logen, die über unseren Sitzen befindlich waren, und als auch wir uns umwandten, sahen wir, daß ein Theil derselben mit reichgeputzten Damen angefüllt war, sowie mit Herren in schwarzen Frackröcken, die sich an die Brüstung begaben und einige Augenblicke in das Haus hinab schauten – die Mitglieder des Ayuntamiento, des Magistrats von Barcelona. Fast zu gleicher Zeit erschienen nebenan in glänzenden Uniformen der Generalcapitän und sein Gefolge. Seine Excellenz Don Ramon de la Rocha, presidira a la Plaza, d. h. wird als oberste Behörde die Function leiten. In diesem Augenblicke war auch die zahlreiche Militärmusik auf ihre Tribüne getreten und wenige Secunden nachher brauste ein prächtiger Marsch zum großen Ergötzen des Publikums durch die weiten Räume.

Um bei der Lebhaftigkeit des spanischen Publikums, dieser heißblütigen Bevölkerung, keine Ursache zur Unzufriedenheit zu geben, beginnen überall die Stiergefechte pünktlich zur angegebenen Zeit; selbst in Madrid fügt sich die Königin mit ihrem Hofe aufs genaueste dieser Sitte und es sollen hier, im Gegensatze zu anderen Hauptstädten, die allerhöchsten Personen nie daran schuld sein, daß sich der Anfang des Volksschauspiels auch nur um eine Minute verzögert. Punkt zwei Uhr erschien denn auch hier eine Abtheilung der obenerwähnten Mozos de la Escuadra, um allenfallsige unbefugte Eindringlinge aus der Arena zu vertreiben; doch hätte sie sich diese Mühe ersparen können, denn Alles hatte sich erwartungsvoll auf seine Sitze zurückgezogen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Winter in Spanien