Neunzehntes Kapitel - Nach Cordova.

Abschied von Granada. - Der Hombre valiente. - Räuber und Räuberleben. - Die Sierra Elvira. - Alcalà la real. - Der Lieblingsplatz des Räubers Jose Maria. - Baena. - Castro del rio. - Anblick von Cordova. - Wanderung durch die Straßen. - Phantasieen. - Die große Moschee. - Der Alcazar. - Eine Tertulla in Cordova.




Die letzte Nacht, die ich und wohl für immer in Granada zubringen sollte, ließ mich vielleicht gerade deßhalb zu keinem Ruhen und erquicklichen Schlummer kommen. Häufig zündete ich Licht an, um zu sehen, wie weit die Zeit vorgerückt sei, und als die Zeiger meiner Uhr endlich auf vier wiesen, stand ich auf und kleidete mich an; Horschelt folgte meinem Beispiele und bald war auch unser Baumeister munter. Um fünf Uhr sollten die Pferde kommen, und es war besser, daß wir auf sie warteten, als sie auf uns. Ich trat auf den Balkon vor dem Fenster, ganz Granada schien noch zu schlafen, in den benachbarten Straßen, sowie auf der Carrera herrschte tiefe Stille, die nur gleichförmig unterbrochen wurde durch das Plätschern der Springbrunnen und den Ruf eines Sereno, Nachtwächters, der schlaftrunken an einem Baume lehnte und die Witterung verkündigte. Glücklicherweise für uns konnte der Wächter sein Sereno, schönes Wetter, wovon er auch seinen Beinamen hat, mit vollem Recht erschallen lassen, denn der Himmel war klar und sternhell und versprach einen prächtigen Morgen. Von der Sierra Nevada her, deren schneebedeckte Spitzen blendend zu uns herüber blickten, vielleicht schon vom Lichte der für uns noch unsichtbaren Sonne beglänzt, wehte ein kalter Morgenwind; da wir aber im Februar waren, so konnten wir eine warme duftige Nacht nicht verlangen; doch war die Temperatur so angenehm, daß wir bei den offenen Balkonthüren unsern Anzug beendigen konnten, und wir blieben gerne so lange wie thunlich an dem Fenster, um auf die schöne Stadt bis zum Augenblick der Abreise hinabzublicken. Ja Granada ist herrlich, das Paradies der Erde, und man gewinnt es lieb, wenn man, wie wir, auch nur ein paar Wochen und noch dazu in der ungünstigen Jahreszeit hier verweilt. Auf dem Berge vor unsern Augen, der die Alhambra trägt, wird es heller und immer heller, so daß wir die Bergformen, die Bäume und endlich die stolzen rothen Thürme erkennen, und die alten prächtigen Mauern, zwischen denen wir so gerne umhergewandelt und wo wir manche kostbare Stunde verbrachten.

Lebe wohl, Granada!

Unten auf der Straße klirrten jetzt Pferdehufe auf dem Pflaster und gleich darauf öffnete unser getreuer ben Saken die Thüre, um von uns Abschied zu nehmen. Er brachte Jedem noch eine Portion Papiercigarren, die wir zu seinem Andenken rauchen sollten. Dann übergaben wir ihm die zurückbleibenden Koffer, die er pünktlich zu besorgen versprach, und traten vor das Haus, um nach unsern Thieren zu sehen. Alles schien hier in Ordnung zu sein bis auf den Schimmel, den ich mir ausgesucht, und statt dessen man mir einen Falben gebracht, von dem der Pferdevermiether und unser Begleiter, der uns in der Dunkelheit vorgestellt wurde, versicherte, es sei das erste Pferd der Christenheit, und gegen den Schimmel ausgetauscht worden, weil dieser heute Morgen etwas gelahmt. Am Ende war das auch gleichgültig und der Falbe sah ganz respektabel aus, doch hatte man ihm noch einen andern Sattel aufgelegt, als den ich mir gestern ausgesucht, ein kleines Ding, ungefähr die Mitte haltend zwischen einem türkischen Sattel und einem ungarischen Bocke und dabei so enge, daß ich mich auch mit dem besten Willen nicht hineinzwängen konnte. Glücklicher Weise lag der Stall des Vermiethers auf unserem Wege, weßhalb wir ohne Zeitverlust einen Umtausch bewerkstelligen konnten. Ben Saken gab uns bis hieher das Geleit und schaute noch einmal nach, ob unsere Provision, bestehend in hartgesottenen Eiern, Schinkenschnitten, Würsten, Brod und einem Kruge Wein, auch gehörig auf unseren Packthieren befestigt sei; dann reichte er uns schweigend die Hand und wir werden ihn wohl nie wieder sehen.

Es ist auf den Landreisen in Spanien äußerst nothwendig, sich mit einigem Proviant zu versehen, wenn man nicht von Morgens früh bis Abends spät, d. h. von einem Nachtquartier zum andern fasten will. Auf unserem Ritte durch die Mancha hatten wir schon die über alle Beschreibung ärmlichen Venta's kennen gelernt, und da wir hier ebenso große Tagereisen hatten, so sahen wir uns vor.

So ritten wir durch die noch immer stillen Straßen Granada's, nur hier und da bemerkten wir einen der Bewohner in Mantel und Hut an der Hausthüre stehend und aufmerksam den Himmel betrachtend. Nur wenige kleine Laden, Kaffeeschenken oder Barbierstuben waren geöffnet, und man sah durch die offenstehende Thüre das Herdfeuer brennen oder die Leute ihr Tagewerk beginnen. Von einer Mantille oder von blitzenden Augen u. dergl. war noch keine Spur zu entdecken und so war es uns unmöglich, eine der schönen Andalusierinnen mit einem Gruß an das ganze reizende Geschlecht zu beauftragen.

Durch die uralte maurische Puerta Elvira zogen wir in's Freie; durch dasselbe Thor, zu welchem auch meistens die Mauren hinauszogen, um entweder im Zweikampfe oder in größern Gefechten den christlichen Rittern zu begegnen. Durch dieses Thor zog auch zuletzt der König von Granada, der schwache unglückliche Muley Boabdil, als das Volk bei seiner Unthätigkeit sich fast empörte und ihn so zwang, den Versuch zu machen, um Lucena wieder zu erobern, welches die Christen den Mauren abgenommen. Ja er zog hinaus, aber nicht um zu siegen, wurde vielmehr geschlagen, von Alonzo de Aguilar gefangen und vor den König Ferdinand gebracht, der ihn wohl wieder frei nach Granada entließ, aber unter Bedingungen, die später den Untergang des Königreichs herbeiführten.

Damals zogen die tapferen glänzenden Mauren durch dieselbe Puerta Elvira, unter der auch wir in diesem Augenblick ritten. Ich konnte mich nicht enthalten, aufwärts an das Gewölbe zu schauen, wo sich ein hervorragender Stein befand, gegen den die Lanze des Königs so heftig anstieß, daß sie abbrach, – eine schlimme Vorbedeutung, die sich auch durch den unglücklichen Ausgang des Kampfes erfüllte.

Das war vor so viel hundert Jahren und jetzt klirrten die Hufeisen unserer Pferde auf demselben Pflaster und es hallte der Thorbogen, wie er damals gethan. So gibt jeder Schritt in Granada, jede Straße, fast jedes Haus der Phantasie den reichsten Stoff, um sich lebendig in die alte gewaltige Zeit zurück zu versetzen.

Als wir in die Ebene hinaus kamen, die sich auf dieser Seite Granada's vielleicht eine Stunde weit erstreckt, war es bereits Tag geworden, und wir konnten nun unsere Cavalcade bei Tageslicht betrachten, vor allem unseren Begleiter, mit dem wir die dreitägige Reise nach Cordova machen sollten. Es war das ein junger hübscher Bursche, fein und schlank gebaut, wie fast alle Andalusier, auch trug er die malerische Majotracht, gestickte Ledergamaschen, verschnürte Jacke und auf dem Kopf den andalusischen Hut mit der breiten aufrecht stehenden Krempe. Alles das war freilich durch den Gebrauch ein bischen unscheinbar geworden, sah aber nichtsdestoweniger malerisch aus. Unser Begleiter hieß Alonzo und hatte die vortreffliche Eigenschaft, daß er den ganzen Tag lustig und guter Dinge war. Meistens saß er nach der Quere auf seinem Maulthier, rauchte den ganzen Tag Papiercigarren und hielt auf die komischste Art an alle Leute, die uns begegneten, namentlich an die Weiber und Mädchen manchmal sehr eindringliche Reden, von denen wir aber leider nicht viel verstanden; dabei nahm er meistens seinen Hut in die Hand und machte mit demselben die lächerlichsten Pantomimen. Zur Abwechslung schien er sich dann wieder zu erinnern, daß er sich wohl vor uns eines gesetzteren Betragens befleißigen müsse, und dann nahm er die Zügel in die Hand, setzte sich ernsthaft auf seinem Maulthier zurecht und versicherte uns, wenn schon jeder Andalusier natürlicher Weise ein ganz famoser Kerl sei, so wäre er selbst der Inbegriff aller menschlichen Tugenden, stolz, galant und tapfer wie ein Spanier, lebhaft wie ein Maure, kurz ein Hombre valiente, ein Hombre de Corazon, ja, wenn man ihn reize, ein Hombre tigre, d. h. ein Kerl wie ein Tiger. So sah er nun gerade nicht aus, und was den Muth anbelangte, so zeigte es sich später, daß er von dieser Tugend seiner Vorfahren gerade nicht zu viel geerbt.

Der Weg, auf dem wir ritten, war, um ihn mit einem Worte zu bezeichnen – spanisch – was könnte dieses herrliche Land bei guten Straßen sein. Die Vega von Granada ist eine der fruchtbarsten Ebenen, die es gibt, sie hat einen dankbaren Boden, auf dem die Vegetation in selten gesehener Üppigkeit gedeiht, was hauptsächlich dem Überfluß an vortrefflichem Wasser zuzuschreiben ist, mit dem die schneebedeckte Sierra Nevada das Land aufs Freigebigste tränkt. Die nächste Umgebung der Stadt bilden herrliche Gärten, fast wie die aus der Huerta von Valencia, nur daß die wasserreichen Flüsse Darro und Xenil hier das künstliche Wässerungssystem unnöthig machen. Von Baum zu Baum ziehen sich die kräftigen Ranken von Reben und Melonen und die ersten in einer solchen Üppigkeit, daß es Stellen gibt, wo sie einen Seitenarm des Xenil förmlich mit ihren Gewinden und Schößlingen überwölbt haben, so daß das klare Wasser unter einem natürlichen Laubdache dahinfließt.

Nachdem wir eine kleine Stunde in der Ebene fortgeritten waren, sahen wir links die Wiesen und Wälder des Soto de Roma, jenes unermeßlichen Landgutes, das Spanien als Nationalbelohnung dem Herzoge von Wellington gegeben. In der That, es sind wirkliche Wälder, die wir dort weit ausgestreckt liegen sehen, während wir langsam an den Abhängen der grauen Felsgebirge hinaufreiten, die Granada in einem weiten Halbkreise umgeben. Die ersten Wälder, die wir seit unserem Eintritt in Spanien gesehen, nicht lichte Anpflanzungen von Oliven, vielleicht mit Platanen und Johannisbrodbäumen vermischt, nein, Wälder nach unsern Begriffen mit gewaltigen Eichen, mit Ulmen, Kastanien und einzelnen Gruppen von Alparobenbäumen mit ihren dunkeln, lederartigen Blättern. Ja, Granada hat Alles, was ein Menschenherz nur erfreuen kann, im Sommer Wärme genug, um Orangen und Limonen hervorzubringen, sogar einzelne Palmen, um namentlich in den engen Seitenthälern Granatbäume wachsen zu lassen mit dem saftigen Laube und der glühend rothen Blüthe, die sich so schön am Baume ausnimmt, aber auch nicht minder reizend im dichten schwarzen Haare der schönen Andalusiena, und dazu hat Granada wieder ein gemäßigtes Klima. Die sonst alles versengende Hitze wird abgekühlt durch die frischen Lüfte, welche von der Sierra Nevada herabwehen. Der durstige Boden wird angenehm getränkt durch die klaren Bergwasser, und läßt so neben Orangen und Palmen auch die königliche Eiche gedeihen – ja, Granada, du bist glücklich, und glücklich ist, wer in deinem Schoße verweilen darf.

Wir haben die ersten Anhöhen erstiegen, halten an und senden die fast traurigen Blicke noch einmal zurück über die Vega hin, nach der herrlichen Stadt, die mit ihren Thürmen und stolzen Schlössern sanft ruhend am Fuße des erhabenen zackigen Schneegebirges im rosigen Morgenlichte langsam aufzublühen scheint. Dort liegt die Alhambra, ihre trotzigen Thürme heben sich ab von der dahinter liegenden Wand des Gebirges, doch nicht so klar und deutlich, als die kleine reizende Xeneralife mit ihren weißen Säulen und Bogengängen auf dem fast schwarzen Hintergrunde der Cypressen. – Das ist ein verkörperter Traum, eine verwirklichte Phantasie. – Waren wir wirklich dort, haben wir wirklich gesehen den Löwenhof und den lieben Garten der Sultanin, haben wir wirklich gewandelt unter den Säulenhallen der Xeneralife und dort sinnend hinabgestaunt auf das prachtvolle Granada zu unsern Füßen, haben wir wirklich die Hand gelegt an den Stamm der uralten Ceder, unter welcher die schöne Königin ihre Liebesnacht gefeiert in den Armen des kühnen Abencerragen, haben wir wirklich von dem klaren Quell getrunken, der, ein toller Felsbach, durch die Gärten und den Hof der Xeneralife dahinschießt, über Treppen herab und unter dichten Lorbeerlauben hinweg, jetzt als ächter Sohn des Gebirges, jetzt eingeengt in grünen glänzenden Rinnen oder in einer Wasserleitung von weißem Marmor, was er sich aber gerne gefallen ließ, denn in ihm spiegelten sich zwischen blühenden Rosen schwarze, unaussprechlich sehnsuchtsvolle maurische Augen? –

Ja wir waren dort, wir haben all das Schöne gesehen und genossen und müssen nun diesem Paradiese den Rücken kehren und gewiß auf Nimmerwiedersehen; aber etwas Köstliches nehmen wir mit uns, die Erinnerung, sie soll uns nicht verlassen, vielmehr erfrischend in unsern Herzen walten, wenn der Frost des gewöhnlichen Lebens dasselbe kältend zu überziehen droht.

Alonzo drängt zum Fortreiten, aber wir können uns noch nicht trennen von diesem zauberischen Platze. Von Granada klingen die Glocken zu uns herüber; rechts zu unsern Füßen liegt Soto de Roma, dessen Wälder damals schon waren, als noch maurische Fahnen von den Zinnen der Alhambra wehten, und welch wichtige Rolle spielten jene Wälder in jener Zeit, wo sie den Christen zum Versteck und Sammelplatz dienten, ehe sie zum Kampf in die Ebene zogen. Vielleicht ist noch eine uralte Eiche vorhanden, die uns erzählen könnte von Ponce de Leon und andern christlichen Rittern, die sich unter ihren Zweigen gewaffnet, nachdem sie Botschaft gesandt an den König von Granada, er möge heraussenden seine Tapfersten zum Zweikampf.

Und dort weiter in der Ebene bei jenem verfallenen Thurm, wo jetzt der Staub aufwirbelt, da auf jener Stelle vielleicht krachten die Lanzen und blitzten die Klingen, während von den Zinnen der Alhambra der König und sein Gefolge niedersah und während sich ein paar schwarze Augen ohnmächtig schloßen, wenn der Maure dem Christen unterlag, nachdem der Schild zersplittert, der Schild mit Halbmond und Devise.

Sie sind vorüber, jene Zeiten, wie auch die Tage, die wir in den prachtvollen Überbleibseln jener alten gewaltigen Zeit zubringen durften. Unser Führer mahnt zum Fortreiten, und wenn wir auch den widerstrebenden Pferden den Zügel lassen, so blicken wir doch im Sattel gewendet noch immer rückwärts auf die Ebene und die mit leichtem Morgennebel umkränzte Stadt. Dort, weit hinter derselben, auf dem letzten Ausläufer des Alpujarras, blickt wieder jener eigenthümlich geformte Hügel hervor, den wir schon von der Alhambra sahen, el sospiro del Moro, und hatten wir nicht fast das gleiche Schicksal wie der unglückliche König Boabdil? auch wir sehen ja diese göttlichen Gefilde zum letztenmal.

Ja, zum letztenmal. Sanft klingen die Glocken von Granada herüber und der leise Wind trägt den Schall an unser Ohr. Dieselben Klänge, welche der Pilger, der hier oben überrascht von der herrlichen Ebene betrachtend stehen blieb, schon vor so viel hundert Jahren hörte. Drunten liegen die Wälder der Soto de Roma, grade wie ehedem, und der Xenil rauscht durch die Ebene mit demselben Flüstern, mit dem er manchen verwundeten Mauren und Christen einschläferte; und über alles das hinaus blicken die leuchtenden, schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada und stehen da in alter Pracht und Herrlichkeit, während die Geschlechter zu ihren Füßen beständig wechseln. Ja, die ernsten Berge sahen Römer, Gothen, Mauren und Christen durch diese Ebenen ziehen und werden noch manchen Wanderer erblicken, der, wie wir, hier oben stehend einen letzten traurigen Blick auf die liebe Stadt wirft – Lebewohl, Granada!

Alonzo hatte uns im Stiche gelassen und war auf seinem starken Maulthiere weiter geritten. Wir folgten ihm in scharfem Trabe und holten ihn erst in einer starken halben Stunde wieder ein. Die Aussicht auf die Vega von Granada hatten wir gleich hinter der Berghöhe verloren und um den Contrast recht fühlbar zu machen, umgab uns jetzt eine wilde Felsgegend mit der dürftigsten Vegetation. Einige magere Buxbaumsträuche standen hie und da und wir ritten abwechselnd auf Sand und rauhem Gestein. Zuweilen sahen wir etwas wie eine Straße, auch Fahrgeleise in derselben, doch lief sie meistens so steil auf und ab und war so holperig, daß man nicht begreifen konnte, wie sich ein Fuhrwerk hieher verirren möge. Unbegreiflich bleibt es freilich, daß von irgend einer Wagenverbindung zwischen Granada und Cordova, zwei Städten, die zusammen mindestens 100,000 Einwohner haben, nicht die Rede ist. Natürlich müßte, um eine Diligence befördern zu können, erst eine Straße gebaut werden, und davon ist, wie schon bemerkt, keine Rede. Geleise, die wir zuweilen in Sand eingeschnitten sahen, führten vielleicht von irgend einem alleinstehenden Hause zu urbar gemachten Feldern oder nach dürrem Strauchwerk, hier Wald genannt, um das Holz zu holen.

Die Wagenverbindung zwischen Granada, Cordova, Sevilla u. s. w. geht über Jaen und erreicht bei Baylen die große Straße von Madrid nach Sevilla. Auf dem direkten Weg zwischen Granada und Cordova, den wir jetzt zogen, gibt es nicht einmal einen ordentlichen Pfad für die Reitthiere und Jeder sucht sich den besten Weg nach seinem Belieben aus; der Begegnenden sind auch hier sehr wenige, vielleicht ein Mann zu Esel, der in der Nachbarschaft ein Geschäft hat, oder ein paar Leute, die mit Hacke und Art aufs Feld und in den Wald ziehen, höchst selten irgend ein Corsar aus Cordova, der mit seinen Maulthieren eine Ladung Waaren nach Granada gebracht oder von dort geholt. Ein Grund mit für die Einsamkeit dieses Weges mag wohl darin liegen, daß die Gebirge zwischen Granada und Cordova von jeher zu den verrufensten von ganz Spanien gehörten. Hier trieb der bekannte und berüchtigte Jose Maria, einer der renommirtesten Räuber sein Wesen; wenigstens hatte er in diesen unwegsamen Einöden sein Hauptquartier, von wo er die große Straße nach Andalusien und die Ebene von Granada unsicher machte und wohin er sich zurückzog, wenn er von den Truppen Ferdinands VII. angegriffen wurde. Auch behauptete er sich Jahrelang gegen dieselben, wurde auch niemals bezwungen, sondern machte später seine förmliche Kapitulation mit der Regierung, die ihm nicht nur völlige Straflosigkeit zusicherte, sondern sogar eine einträgliche Anstellung gab. Seine Gesellen wurden ebenfalls amnestirt und zu ehrbaren Salinenwächtern, Förstern und Feldschützen gemacht, welche indessen das alte Handwerk nur mit dem Unterschied forttrieben, daß sie am Wege herumlungernd die vorübergehenden Reisenden nicht nur überfielen, sondern sie mit vorgehaltenem weitschlündigem Trabuco um ein Almosen baten.

Da wir gerade bergan zogen auf einem Pfade, der so mit Rollsteinen bedeckt war, daß die Pferde keinen sichern Tritt hatten, so ritten wir langsam und befragten unsern Hombre valiente über die Thaten des großen Jose Maria. Nun hat aber ein ächter Andalusier von dem Schlage Alonzo's nur dreierlei im Kopfe, das sind: schöne Mädchen, Stiergefechte und Räubergeschichten. In letzteren war nun unser Führer außerordentlich zu Hause, und schien in seiner Jugend die Geschichte der berühmten Räuberchefs ungefähr so auswendig gelernt zu haben, wie wir in der Schule das Leben der berühmten Generale aus den Befreiungskriegen. Der Hombre tigre setzte sich quer in seinen Sattel, schielte nach der Bota, die auf dem Maulthier hing, und in welcher unser Wein befindlich war, nachdem wir ihm die Erlaubniß zu einem tüchtigen Schlucke gegeben, von der er gründlichen Gebrauch machte, drehte er sich eine Papiercigarre und gab uns eine Menge Räubergeschichten zum Besten. Übrigens war Jose Maria nicht sein Mann. Er war zu grausam, sagte er und brauchte seine Navaja ohne daß es immer gerade nothwendig war; auch mochte er die Weiber nicht leiden und das ist in den Augen eines Spaniers ein großes Verbrechen. Der Liebling Alonzo's war dagegen ein anderer Räuberchef der damaligen Zeit, der zwischen Valencia und Orihuela, namentlich in den Gebirgen bei Elche sein Wesen trieb, Jayme Alfonso der Bärtige, mit dem langen, vollen Barte, der ihm bis zum Gürtel herabreichte. El Barbudo ist überhaupt ein Liebling des niederen spanischen Volkes, ein zweiter Rinaldo Rinaldini. Wie gesagt, unser Führer schwärmte für ihn und wußte die merkwürdigsten seiner Thaten. Der Barbudo ging in der Majotracht, das Haar nach Art der Stierfechter hinten in einem Netz von grüner Seide tragend; natürlicherweise war er ein Mann von ungeheurer Kraft und trieb das Räuberhandwerk auf eine sehr noble und anständige Art. Er legte den Kaufleuten, die ihre Waaren mittelst Galeeren und Corsaren über Land schafften, einen gewissen Zoll auf, und wenn sie den bezahlt hatten, erhielten sie von dem Barbudo ein Stück Papier, worauf mit Dinte ein einfaches Kreuz verzeichnet war, und wehe dem Mann der eigenen Bande oder einem Ratero, der solches nicht respektirte. Namentlich auf die Buschklepper, die das Geschäft auf eigene Faust trieben, die Räuber-Dilettanten, Rateros genannt, hatte Jayme Alfonso ein wachsames Auge. Wirklich lebendig und schön erzählte unser Führer, wie der Barbudo eines Tags drei dieser Rateros gefangen, die auf seinen Namen gesündigt und wie er ihnen, da sie flehentlich um ihr Leben baten, großmüthigerweise einen Kampf vorschlug, den er allein mit allen Dreien zu gleicher Zeit eingehen wolle. Dabei zog unser Hombre tigre die eigene Navaja hervor und während er wie toll auf dem Sattel seines Maulthiers herumfuhr, zeigte er, wie der Barbudo mit den Dreien gefochten und Einen nach dem Andern niedergestreckt. Don Jayme ist übrigens eine geschichtliche Person. In den Befreiungskriegen gegen die Franzosen nahm er seine Bande zusammen und überfiel von seinen Bergen aus die durchziehenden Feinde, denen er große Verluste beifügte. Dafür wurde er später amnestirt, erhielt eine Pension, und lebte im Dorfe Sax. Doch war das Ende seiner Tage des berühmten Räuberchefs würdig. Er hatte einen Bruder, der in Valencia studirte, der wegen eines Vergehens ins Gefängniß geworfen wurde, und den er gewaltsam befreite. Später commandirte dieser Bruder unter ihm unter dem Beinamen Estudiantillo, das Studentlein. Dieser setzte das Räuberhandwerk fort und bereitete dem Barbudo manche Verlegenheiten. Er sollte behülflich sein, den Bruder den Gerichten zu überliefern, konnte und wollte es aber nicht, und als eines Tages ein Escribano, den er lange gehaßt und der ihm viel Übles zugefügt, sich mit Schmähworten gegen das Studentlein vergaß, überkam den Bärtigen der Zorn: er faßte den Schreiber und warf ihn so nachdrücklich die Treppe hinunter, daß er das Aufstehen für immer vergaß. Dafür wurde der Barbudo ins Gefängniß geworfen und nun beginnt wieder eine recht romantische Geschichte, als der Estudiantillo viele vergebliche Versuche gemacht, seinen Bruder zu befreien und als dieses nicht gelang, den Sohn des Gerichtspräsidenten entführte, der sich in einem Landhause bei Orihuela befand. Schon war Jayme Alfonso zum Tode verurtheilt, da drohte das Studentlein für jeden Tropfen Blut seines Bruders den Sohn irgend eines vornehmen Geschlechts erschießen zu wollen. Man unterhandelte hin und her, und schickte auch wohl Truppen von Alicante aus gegen die Räuber in den Gebirgen; und nach einem solchen Gefechte fand des andern Tages eine Streifpatrouille in den höchsten und rauhesten Bergen den Körper des Studentleins. Schwer verwundet hatte er sich noch die Höhen hinaufgeschleppt und war einsam und verlassen gestorben. In einem Schlupfwinkel fand man fast zu gleicher Zeit den Sohn des Präsidenten wohlerhalten, aber nur mit einem Ohre. Das andere hatte der Estudiantillo nach Murcia geschickt, zum Beweis, daß er blutigen Ernst machen würde. Jayme Alfonso wurde bald nachher erschossen.

So erzählte unser Führer und beim tragischen Ende des Barbudo schien er schmerzlich berührt. Bei ihm zählte das Räuberhandwerk mit unter die nobeln Passionen und schien ihm ein sehr ehrenvolles Geschäft, was leider jetzt ziemlich eingegangen sei, doch aber wieder einmal schwunghaft betrieben werden würde. Mit pfiffigem Lächeln meinte er, die Schlupfwinkel des Jose Maria und des Barbudo ließen sich leicht wieder herstellen. Wie für die Person des Letzteren, so schwärmte er auch für den damaligen Aufenthaltsort des Bärtigen: »Ich hab' ihn gesehen,« sagte er, »als ich einmal von Granada nach Murcia und Alicante zog. Da ist bei Elche eine wunderbare Schlucht, Puerto de la Cochera und wenn man da ein Bischen rechts in die Gebirge hineinklettert, kommt man zu dem einsamen Thurm von Carus. Wer da hinauf will, muß Flügel haben und wie der Barbudo und seine Gesellen hineinkamen, wußte lange Niemand.«

»Aber Ihr wißt es, Alonzo?«

Ehe er uns antwortete, drehte er sich schmunzelnd eine neue Cigarre, dann sagte er: – »Ob wir es wissen? das will ich meinen. – Nun, er hatte eine Fallbrücke, die von einem benachbarten Felsen bis auf die Zinne des Domes reichte und die war so sorgfältig versteckt, daß sie lange, lange nicht von den Alguazils gefunden wurde. – O! sie sind zuweilen sehr dumm, die Alguazils,« meinte er, pfiffig lachend. Und da wir jetzt etwas besseren Boden vor uns hatten, so hieb er auf sein Maulthier und trabte lustig singend vor uns hin.

So zogen wir durch die Berge, plaudernd und Cigarren rauchend in einer beständigen Abwechslung von öder Haide und felsigen Schluchten. Gegen Mittag trafen wir die unvermeidliche Halbwegsventa, die sich auf jedem spanischen Tagmarsche befindet. Mir war es interessant, weil auch Rochau in seinem Reiseleben ihrer erwähnt und dabei einiger jungen Damen gedenkt, mit denen er und sein Reisebegleiter damals geplaudert. Freilich waren zwischen seiner Reise und der unsrigen fast zehn Jahre vergangen und das ist Zeit genug, um namentlich eine Südländerin alt zu machen. Die Venta hatte ihre damalige Gestalt vollkommen erhalten. Vielleicht war die Lehmhütte nur etwas baufälliger geworden; aber von den jungen Mädchen fanden wir keine Spur mehr. Eine sehr alte Frau saß vor der Thür und ließ sich von der Sonne bescheinen, war auch sehr gleichgültig, als wir anritten und uns aus dem Sattel schwangen. Achselzuckend meinte sie auf unsere Fragen nach Brod und Wasser, wenn wir ersteres nicht mitgebracht hätten, so würden wir hungrig wieder ziehen müssen, und was das Wasser anbelange, so habe sie keines im Hause, ihr Mann, der auf dem Felde sei, werde später einen Krug voll mitbringen. Glücklicherweise waren wir außerordentlich verproviantirt. Unser Hombre packte die Vorräthe von einem Maulthiere ab und bald lagen wir königlich tafelnd unter einer verkümmerten Platane an der Erde. Unser Tischtuch war eine alte Zeitung, von der übrigens Würste, Eier und Brod, die wir mitgebracht, so vortrefflich schmeckten, als sei es von feinstem Damast gewesen. Auch die Bota ging fleißig in die Runde und wir tranken auf das Wohlergehen der schönen Stadt Granada, welche uns diesen vortrefflichen Trunk gespendet.

Nach unserem Diner zäumten wir die Thiere, die unterdessen an dem dürren Grase und kleinen Gesträuchen genagt, wieder auf und da der Weg hinter der Venta stark bergauf ging, uns auch nach dem langen Ritte eine Bewegung recht angenehm war, so gingen wir zu Fuße und zogen die Pferde am Zügel hinter uns drein. Das Terrain, durch welches wir zogen, blieb sich im Allgemeinen immer gleich; bald ging es bergauf, bald bergab durch eine öde, unfruchtbare Gegend. Die einzige Abwechslung machte hie und da ein kleines Wasser, das zwischen den Felsen rieselte und in dem wir unsere durstigen Thiere tränkten und ein Bergabhang, der so steil und knüppelhaft war, daß wir vom Sattel stiegen und zu Fuße hinabgingen. Gegen vier Uhr trafen wir auf ein größeres Gehöfte mit ganz stattlichem Hause an einem breiten Thorweg, der so gastlich aufstand und uns einen so angenehm kühlen Stall zeigte, daß mein Pferd die entschiedenste Neigung kund gab, dort einzukehren. Ich ließ ihm diese Grille und wir thaten wohl daran. Draußen brannte die Sonne wirklich unausstehlich und unter dem Thorweg war's nicht nur schattig und kühl, sondern die freundliche Wirthin brachte uns auch einen Krug ganz vortrefflichen Weins und sehr gutes, weißes Brod. Es ist erstaunlich, welchen Hunger man auf Reisen, namentlich beim Reiten entwickelt. Wir thaten diesem Gouter alle Ehre an und Horschelt verband hier noch das Nützliche mit dem Angenehmen und fröhnte dabei einer entschiedenen Leidenschaft, indem er einen stattlichen Maulesel abconterfeite, der mit gesenktem Haupte vor dem Thorwege stand.

Unser erstes Nachtquartier sollte Alcalà la Real sein, nicht jenes Alcalà, auf dem Marquis Posa seinen Freund gefunden, dagegen aber hatte unser Alcalà den Beinamen »das Königliche,« und wenn wir nicht in Spanien gewesen wären, hätte das schon etwas Günstiges versprochen. Hier aber ist man gewöhnt, selbst den unbedeutendsten Dingen die stolzesten Namen zu geben; und deßhalb erwarteten wir nicht anders, als in dem königlichen Alcalà ein elendes Nest zu finden, wie vielleicht Villarrobledo in der Mancha oder etwas Ähnliches. Dießmal aber hatten wir uns auf angenehme Weise getäuscht. Die Sonne stand schon sehr tief, als wir aus den Felswegen, auf denen wir den ganzen Tag herumgeklettert, in ein schönes fruchtbares Thal kamen und darin auf eine so schöne breite Straße stießen, daß wir kaum unsern Augen trauen mochten. Es war das wie eine heimathliche Chaussee mit Bäumen besetzt, mit Wassergräben versehen, kurz ein Weg wie er sein sollte. Ich möchte fast sagen, leider! hatten wir nur noch eine halbe Legua bis zu unserem Nachtquartier. Wir hätten uns wahrhaftig auf dieser Straße nichts daraus gemacht, noch mehrere Stunden weiter zu reisen. Auch die Pferde fühlten den Unterschied gegen die früheren Rollkiesel so außerordentlich, daß sie fast ohne Nachhülfe zu einem tüchtigen Trabe ansetzten, der uns auch in ganz kurzer Zeit in die Stadt brachte.

Alcalà la Real sah wirklich ganz stattlich aus. Statt eines kleinen Dorfes stellte sich uns eine ziemlich große Stadt dar, malerisch am Abhang des Berges gelegen, auf dessen breitem Gipfel sich die stattlichen Ruinen eines mächtigen alten Schlosses befanden. Wir erreichten Alcalà unter dem Alles verschönernden Lichte der sinkenden Sonne, die das Thal, durch welches wir ritten, mit glühendem Lichte erfüllte und die Schloßruinen droben, sowie den aus den Häusern aufsteigenden Rauch golden beglänzte. Die Straße von Alcalà, zu welcher wir hereinpassirten, hat ein stattliches Gitterthor, das von den Bäumen beschattet war, und hinter demselben fing sogleich die Alameda an, an deren Ende unsere Herberge lag. Ich muß gestehen, es war die beste, die wir bisher auf unsern Reittouren durch das Land gefunden. Unten natürlich der unentbehrliche Raum für Küche, Wohnzimmer und Aufenthalt sämmtlicher Gäste, doch erhielten wir oben ein besonderes Speisezimmer, recht gut eingerichtet, sowie zum Schlafen Betten, die über unsere Erwartung gut waren. Während drunten am Herdfeuer unser Nachtessen zubereitet wurde, welches durch unsern Baumeister, der vom langen Ritte bedeutend ermüdet war, überwacht wurde, machten Horschelt und ich einen Spaziergang durch die Stadt, kauften Cigarren und Feuerzeug und stiegen über eine sehr breite Straße den Schloßberg hinauf, zu der alten Ruine, die wir so gut als möglich beim Mondschein betrachteten, auch kletterten wir auf eine der Mauerzinnen, und blickten lange in die milde, mondbeglänzte Nacht hinaus. So lieb und freundlich flimmerten die Sterne über uns und einzelne bekannte Gruppen derselben betrachteten wir lange und träumend, denn es waren dieselben Sterne, die im gleichen Augenblicke auch über den Häuptern unserer Lieben funkelten, von denen wir so weit, weit entfernt waren.

Über solche fast traurige Gedanken siegte glücklicherweise baldigst unsere lustige Reiternatur, und als wir zum lodernden Herde zurückgekehrt waren, wo Leins inmitten einiger Bewohner aus dem Städtchen denselben die orientalischen Wirren erklärte, hatte sich unser guter Humor wieder eingestellt, und wir gingen fröhlich zu Tische. Während desselben kam indessen noch einmal etwas Wehmüthiges über uns, besonders aber über mich. Der Wirth hatte nämlich zwei kleine Buben, genau von der Größe der meinigen und mit denselben glänzenden Augen und treuherzigen Gesichtern. Die Kinder hatten uns lieb gewonnen und schmeichelten zutraulich um uns herum, sie waren für mich eine liebe und doch fast traurige Anmahnung.

Am andern Morgen ritten wir bei Tagesanbruch weiter. Wir hatten gehofft, auf der schönen Straße, die uns nach Alcalà geführt, weiter reiten zu können, aber diese, sowie die hübsche Stadt mit ihren freundlichen Umgebungen, schien eine Oase in der Wüste zu sein. Kaum hatten wir das jenseitige Thor erreicht, so fielen wir in einen so wahnsinnigen Knüppeldamm, daß man Augen und Hand übermäßig anstrengen mußte, um die Thiere einigermaßen zu leiten und vor dem Stürzen zu bewahren. Es dämmerte kaum und da ein Nebel aufgestiegen war, so konnte man nicht drei Schritte deutlich vor sich sehen. Dabei ritten wir an einem jähen Felsabhang, an welchem unten ein Wasser rauschte. Es ist das ein kleiner Fluß, der sich reizend um Alcalà windet und zwischen üppigen Granatgärten dahinfließt. So, unten im Thale, wo die Orangen blühen, hier oben dagegen war es fürchterlich und die Straße glich vollkommen einem Bauplatze. Anfangs mühte ich mich ab, mein Pferd rechts und links durch die Felsblöcke zu führen, dann aber dachte ich an unsere Ritte in Syrien, namentlich auf dem Libanon, und machte es wie damals, d. h. ich ließ meinem Gaule den Zügel und so ging es augenscheinlich besser und rascher vorwärts. Wir waren aufwärts gestiegen und dann wieder schnell abwärts bis zu jenem kleinen Flüßchen, das wir vermittelst einer Furt durchritten. Hinter demselben ging es lange, lange auf einem steinigten Wege und ziemlich steil bergan. Angenehmerweise wurde es indessen heller und immer heller, die kahlen Berge vor uns, die bisher in einen kalten, grauen Ton gehüllt waren, färbten sich violett, dann röthlich, dann glänzend gelb, und hinter uns war mittlerweile die Sonne aufgestiegen. Wenn wir auch jetzt den Pfad, auf dem wir ritten, vollkommen deutlich sahen, so war doch die Gegend vor uns jetzt im Tageslichte entsetzlich öde und trübselig. Ein vollkommen kahler Berg reihte sich an den andern, zuweilen stiegen wir bis zur Spitze hinauf, um drüben wieder ebenso hinab zu reiten, zuweilen auch wandte sich der Weg am Abhange hin; nicht selten am Rande einer tiefen steilen Schlucht; oben mit einem schmalen Wege versehen, unten aber voll zackiger, wild zerrissener Felsen. Man hätte auf die Idee kommen können, hier befinde sich ein ausgebrannter Krater an dem andern, wie vulkanisch zerrissen war das ganze Terrain. Nach Beobachtungen, über welche man liest, muß es so ungefähr auf dem Monde aussehen. Ringsum nichts wie Sand und Felsen, die auf der Höhe bald gelb, bald röthlich waren und sich abwärts in die Schluchten hinab bis zu tiefdunklem Blau färbten. Dabei wurde der Blick höchst selten erfreut durch etwas Grünes, ein paar magere Buchsbaumsträuche oder einige von den feingezackten Palmito's. Ein freundliches Wasser sahen wir nirgends in der Tiefe; nur einmal kamen wir an einem Brunnen vorbei, der in den Felsen gehauen war, und sich in der Nähe einiger elenden Lehmhütten befand.

Unser Hombre tigre war heute nicht so lustig und redselig als gestern; besonders war seine gute Laune gleich schon in der Frühe dadurch gestört worden, daß sein Maulthier einen Fehltritt that, und obgleich es nicht selbst hinstürzte, doch unsere Nachtsäcke sammt Alonzo, der oben darauf saß, herabwarf. Von da an ging der tapfere Andalusier häufig zu Fuß und spähte sorgsam auf den kahlen Berghöhen und in den tiefen Schluchten umher. Hier, zwischen Alcalà und Baena sei ein absonderlich verrufenes Stück Weges. In ein paar Stunden, erzählte er, kommen wir an die Stelle, wo sich Jose Maria häufig aufhielt, und wo noch vor ein paar Jahren Caparota sein Wesen trieb. Das war auch ein famoser Kerl, meinte er. Den habe ich gesehen; aber nur, als er todt war, setzte er hinzu, da er unsere verwunderten Blicke sah. Er wurde von einem seiner Buben in einem kleinen Landhause bei Cordova im Schlafe erschossen. Ich war mit meinem Vater dort, und da alles Volk hinlief, so haben wir ihn uns auch betrachtet. Auf meine Fragen gab er freilich zu, daß letztere Zeit hier in den Bergen kein berühmter Name mehr aufgetaucht sei; doch erwiderte er mir achselzuckend: »Ihr habt allerdings Flinten und Messer bei Euch. Aber was wollt Ihr machen, wenn plötzlich so ein paar elende Rateros dort hinter jenem großen Stein hervorschauten und uns zuriefen: ›faz en tierra!‹« – »Und was würdet Ihr thun, Alonzo?« – »Meiner Seel, erwiderte der Hombre tigre, »ich würde mich nicht einen Augenblick besinnen, ihrem Wunsche zu willfahren; denn ehe Ihr das Gewehr vom Sattelhaken losreißt, hätte ich, der das Gepäck führt, schon ein paar Loth Blei im Leibe. Nein, mit den Kerlen ist nicht zu spassen.«

Und er hatte nicht ganz Unrecht, der gute Alonzo. Bei einem Terrain, wie das, durch welches wir ritten, wo man öfters nicht einmal sein Pferd wenden konnte, wäre es für ein paar Kerle ein Leichtes gewesen, uns vollständig auszurauben. Doch erlebten wir dieses Abenteuer nicht, wogegen sich unsere Straße jetzt mit jedem Schritte verschlimmerte. Zuweilen kamen wir an Schluchten, wo es Wahnsinn gewesen wäre, auf den Pferden sitzen zu bleiben, wo sich ein fast staffelförmiger Weg hier an der steilen Felsenwand hinab und gegenüber ebenso wieder hinaufzog. Einmal mußten wir am Rande eines solchen Défilé's warten, bis eine Eselheerde, die uns entgegenkam, zu uns hinaufgeklettert war. An ein Ausweichen war nicht zu denken.

Gegen Mittag erreichten wir auf der Höhe ein kleines Dörfchen, wo wir vom mitgenommenen Proviant unser Diner halten wollten. Doch ersuchte uns Alonzo, noch eine kleine Stunde weiter zu reiten, bis zum Ufer des Pliego, der unten in der Tiefe in einer schattigen Schlucht fließe, wo es angenehm kühl sei und vortreffliches Wasser für die Thiere gebe. Wir ritten also weiter, und dort hinab führte der Weg im wahren Sinn des Wortes dachjähe. Ich ritt voraus und als ich an den wirklich sehr klaren und in einer schattigen Schlucht dahin ziehenden Fluß kam, trat mein Pferd so sicher hinein, daß ich ihm unbedingt den Zügel ließ. Obgleich ihm das Wasser bis an die Satteltaschen ging, so hatte es doch eine Furt gefunden, und ich wäre ohne allen Anstand hinüber gekommen, wenn nicht das Thier in der Mitte des Flusses, angelockt von dem frischen fließenden Wasser, von welchem ich es saufen ließ, plötzlich den tollen Versuch gemacht hätte, sich niederzulegen. Glücklicherweise riß ich es noch empor und kam mit durchnäßten Stiefeln davon. Unser Baumeister hatte aber ein anderes, eigentlich komisches Unglück. Horschelt, Alonzo und ich waren schon auf der andern Seite des Flusses, als Leins am Ufer ankam, neben seinem Pferde gehend. Auch hatte er den Zügel desselben nicht erfaßt und so lief das durstige Thier eilig in den Strom hinein, seinen unglücklichen Reiter am Ufer stehen lassend. Horschelt, der noch im Sattel war, ritt wieder zurück, fing das Pferd auf, und brachte den Reiter nach einigen kleinen Schwierigkeiten mit herüber.

Alonzo hatte unterdessen am aufsteigenden Ufer unsere kleinen Vorräthe ausgepackt, und so tafelten wir in angenehmer Kühle bei dem murmelnden Wasser, in welchem der vortreffliche Andalusier die Bota abgekühlt hatte. Hier gab er uns auch wieder Räubergeschichten zum Besten, und meinte, vor so und so viel Jahren würde es Niemand gewagt haben, sich an dieser Stelle ruhig nieder zu lassen. Hier nämlich sei der Lieblingsplatz Jose Maria's gewesen und hier hätte er die Maulthiertreiber ausgeraubt, die ohne großes Geleite des Weges zogen. Vom Ufer des Guadajoz wurde die Gegend etwas freundlicher. Eine Zeit lang ritten wir auf einer Hochebene und sahen rechts und links grüne Wiesen, vor uns ebenso, dort auch nach einiger Zeit Olivenpflanzungen, umgepflügte Äcker, und endlich, nachdem wir uns auf einen sanften grünen Hügel stark östlich gewandt, die Stadt Baena vor uns liegen. Hier wurde König Boabdil nach seinem verunglückten Angriff auf Lucena 1483 gefangen genommen. Baena nahm sich nicht minder stattlich aus, wie Alcalà, war ebenfalls an den Berg hinan gebaut, und auf der Höhe, über den Häusern empor, ragte eine stattliche Kirche. Gern hätte unser Führer hier Nachtquartier gemacht, doch war es erst vier Uhr Nachmittags, die Sonne stand noch ziemlich hoch, und so konnten wir hoffen, nicht gar zu spät nach dem noch drei Leguas weiter entfernten Castro del rio zu gelangen, von wo dann unsere morgige Tagreise nach Cordova nicht gar zu lange und ermüdend wäre. In Baena hielten wir nur einen Augenblick, und zwar so lange, bis die Bota wieder mit Wein gefüllt war, denn das hatte sich der Hombre valiente, weil er nicht hier bleiben solle, ausbedungen.

Hinter Baena behielt die Gegend den freundlichen Charakter bei, den sie auch schon vor diesem Orte hatte. Fruchtfelder, Wiesen, Olivenpflanzungen und lange Streifen saftiger grüner Gesträuche, die Stelle anzeigend, wo irgend in der Tiefe ein kleines Wasser floß, wechselten mit einander ab. Da wir auf der Hochebene ritten, auf welcher Baena lag, so konnten wir Alles das auf dem sanft und lange, lange abfallenden Terrain weit hinaus übersehen. Ja, dort links vor uns in der Tiefe, wo sich die blauen Berge auseinander schoben, machte uns Alonzo auf die mit dem Hintergrunde fast verschwimmende Silhouette eines Schlosses oder einer Stadt, die auf einem vereinzelten Bergkegel lag, aufmerksam. Es war wirklich eine Stadt und zwar unser Nachtquartier, Castro del rio. Das sah von Weitem recht malerisch aus, hatte aber von hier aus gesehen eine Ähnlichkeit mit Toledo und wir konnten hoffen, dort gut aufgehoben zu sein. Aber weit war es noch dorthin, recht weit. Wir kannten die trügerischen Entfernungen hier in Spanien und die Berghalde, auf der wir abwärts ritten, dehnt sich gewiß viele Stunden lang aus, denn sie zeigte in unzähligen Abstufungen unendlich viel Gegenstände hinter einander. Die Wiesen, die Äcker, die Waldungen, die grünen Streifen, kleinen Thäler und kleinen Hügel, mit dem sie bedeckt war, sowie die Olivenwaldungen und Buchsbaumgehölze, Alles das wiederholte sich abwechselnd immer fort und fort. Wenigstens konnte man diese Gegenstände ziemlich weit hinaus erkennen. Dann aber verblaßten die Farben und die Gränzen wurden undeutlicher. Feld und Wald floßen in einander und gaben Anfangs eine unbestimmte grünliche Farbe; dann aber färbten sich dieselben violett, dann dunkelgrau, und nahmen weit, weit am Horizonte da erst eine tiefblaue Farbe an, wo sich der Bergkegel erhob, auf dem sich die ebenfalls dunkelblaue Silhouette von Castro del rio erhob, in prächtiger satter Farbe, die aber nur darum so erschien, weil der den Horizont begränzende Gebirgszug fast hell schieferfarbig war.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Winter in Spanien