Fortsetzung - Ein Stiergefecht.

Jetzt schmetterten die Trompeten, und es erschienen in alter Amtstracht, schwarzem Sammtkleide mit der weißen Halskrause, zwei Alguacils zu Pferde, welche mit einem ungeheuren Halloh empfangen wurden, das aber weniger ihren eigenen werthen Personen, als einem dritten Collegen galt, einem Knaben nämlich, ebenfalls als Alguacil gekleidet, der auf einem Pony in ihrer Mitte ritt. Es war dieß ein Scherz oder eine Freiheit, welche sich die Aficionados erlaubt hatten und der von der Menge beifällig aufgenommen wurde. Doch verstummte plötzlich aller Lärm, als nun hinter den Alguacils die Quadrilla ihren feierlichen Einzug hielt. Es waren sechs Picadores, auf dürren hochbeinigen Kleppern, die lange Lanze in der Faust und hoch erhoben; ihnen folgte ein Duzend Chulos, Banderilleros, zwei »Degen«, das bloße Schwert in der Hand, den rothen Mantel auf dem rechten Arm tragend, und hinter diesen schritt ein Cachetero, d. i. der Mann, der dazu bestimmt ist, mit einem kurzen, dolchartigen Messer in gewissen Fällen dem Stiere den Gnadenstoß zu geben. Der Zug wurde beschlossen durch ein Gespann von drei Maulthieren mit bunten Geschirren, welche voll Messingzierrathen, kleiner Glocken und rother Quasten hingen. Auf dem Kopfgestelle und auf dem Rücken befanden sich kleine gelbe Fähnchen. Diese Maulthiere sind dazu bestimmt, die getödteten Stiere aus der Arena zu schleifen, was immer in vollem Galopp geschieht; jetzt aber gingen sie natürlicherweise im Schritt; doch waren es feurige Thiere, welche kaum gehalten werden konnten und so oft sie einen Seitensprung machten oder vorwärts schossen, bewegten sich lustig die Fähnchen, an dem Geschirre klirrten die Messingstücke und klingelten die Schellen, was sich gar nicht übel ausnahm.

In gemessenem Schritt und mit stolz erhobenen Köpfen gingen die Mitglieder der Quadrilla bis vor die Loge des Ayuntamiento und des commandirenden Generals und machten beiden Behörden eine feierliche Verbeugung; darauf ritten die Alguacils ein paar Schritte vor, entblößten ihr Haupt, und einer bat um die Erlaubniß zum Beginne des Gefechts – eine Ceremonie, welche vor jedem Stiergefechte bald mit mehr, bald mit weniger Förmlichkeit vor sich geht. Zur Antwort hierauf wird von dem Alcalden der Schlüssel zum Thierzwinger hinabgeworfen. Es ist dieß wie die Ouvertüre vor einer Oper, und die Aufmerksamkeit des Publikums während derselben vielleicht mit anderen Gegenständen beschäftigt. Kaum aber hat die Behörde durch Hinabwerfen des Schlüssels erlaubt, daß das Gefecht beginne, so sinkt das Lachen und Sprechen der Zuschauer zum leisesten Geflüster und gleich darauf zur tiefsten Stille herab. Die Alguacils haben den Ring verlassen, die Maulthiere sind ihnen klingelnd und rasselnd im Galopp gefolgt, vier Picadores haben sich in der Arena vertheilt, während sie sich im Sattel etwas in die Höhe heben und die Lanze fester fassen. Die bunte Schaar der Chulos und Banderilleros vertheilt sich an der Schranke: hier stehen zwei und drei bei einander, dort ein einzelner; ein paar hüpfen auch, wie zur Probe, über den Bretterzaun hinüber in den Gang; alle aber affectiren oder fühlen wirklich die größte Gleichgültigkeit.


In diesem Augenblicke schmettert von der Musiktribune herab eine Trompetenfanfare; in höchster Erwartung klopfen die Herzen von zehntausend Zuschauern, vielleicht eine Sekunde lang herrscht Todtenstille im ganzen Hause – dann öffnet sich langsam die Thür des Zwingers, und der Stier stürzt hervor.

Gemäß dem ausgegebenen Programme führte dieser erste Kämpfer den Namen Canario. Er war ziemlich groß und stark, von schwarzgrauer Farbe, mit mächtigen, über anderthalb Schuh aus einander stehenden Hörnern. Aus dem dunkeln Zwinger in den hellen und glänzenden Ring tretend, schien das Thier geblendet zu sein und blieb nach kurzem Laufe plötzlich stehen, wobei es nach allen Seiten wie verwundert umschaute. Die Picadores faßten ihre Lanzen fester, sahen nach den Tüchern, mit welchen die Augen ihrer Pferde verbunden waren, und rüsteten sich zum Angriffe. Doch schien der Stier durchaus keine Lust zu haben, mit einem von ihnen anzubinden; vielmehr wandte er sich, nachdem er einige Schritte vorwärts gethan, gemächlich um und schien dahin zurückkehren zu wollen, wo er hergekommen, – eine Bewegung, welche unter den Zuschauern tausendstimmiges Hohngeschrei und Pfeifen hervorrief. Einer der Picadores galoppirte ihm entgegen, stellte sich vor dem Zwinger auf, und der Stier, dem auf diese Art der Rückzug abgeschnitten war und der sich von einer langen Lanze bedroht sah, mußte sich nothgedrungen zur Wehr setzen. Er senkte den Kopf, scharrte ein paar Mal mit den Vorderfüßen im Sande und ging, aber ohne große Energie, auf den Picador los. Dieser legte seine Lanze ein, ritt ihm entgegen und brachte ihm einen tüchtigen Stoß in das rechte Schulterblatt bei, wodurch sich Canario veranlaßt sah, abermals umzukehren und schleuniger als vorhin seinen Rückzug anzutreten. Um seine Reputation war es aber jetzt schon vollständig geschehen, er wurde als Feigling verschrieen, und an den Benennungen, die mit lauter Stimme auf das arme Thier herabgeschleudert wurden, hätte man eine schöne Auswahl spanischer Schimpfwörter studiren können. Der Stier aber schien in der That nicht das geringste Ehrgefühl zu haben; denn er wich den Picadores aus, und nur mit Mühe und Noth wurden ihm noch ein paar Lanzenstiche beigebracht. Auch die Chulos bemühten sich umsonst, seine Kampflust aufzustacheln: Canario blieb unbeweglich für Alles. Vergeblich flatterten ihm die buntfarbigen Tücher dutzendweise um die Augen; ja, vergeblich faßte einer der Kühnsten sein Horn und ließ sich eine Strecke von ihm fortreißen. Der Stier erregte nur Zeichen des Mißfallens und gab keinem der Toreros Gelegenheit, sich einige Bravos zu erwerben. Nur ein einzigesmal lachte das Publikum laut hinaus, aber die Veranlassung hierzu war verletzend für den armen Canario. Der Cachetero hatte sich nämlich seines Schweifes bemächtigt und ließ sich so eine Zeit lang von dem ängstlich hin und her galoppirenden Thiere durch den Ring schleppen.

Als man aus allem dem ersah, daß so gar nichts mit Canario anzufangen sei, erschienen die Banderilleros mit ihren kurzen Pfeilen, und in wenigen Augenblicken staken wenigstens ein Dutzend in seiner Haut. Jetzt fing mir das Schauspiel an kläglich und unangenehm zu werden; denn Canario, der so gar keine Veranlassung zu der schlechten Behandlung gab, die man ihm angedeihen ließ, erregte vollständig mein Mitleiden. Ungestraft und ohne Mühe wurden ihm die Banderillos eingestoßen, und bei jedem neuen Eisen, das in seine Haut drang, spritzte das Blut heraus und brüllte das Thier vor Schmerzen. Aber alle Pein, die ihm angethan wurde, war nicht im Stande, seinen Muth zu entflammen und ihn zu einem neuen Angriffe zu bewegen. Das Hohngeschrei des Volkes verwandelte sich jetzt in wahres Toben; hier und dort sprang einer mit funkelnden Augen in die Höhe, ballte die Fäuste und drohte gegen den unglücklichen Stier hinab; auch das weibliche Geschlecht schonte ihn nicht, und von sehr schönen Lippen ertönten unschöne Worte genug. Endlich schrieen ein paar Stimmen von oben herab: »Feuer! Feuer!« und gleich darauf wiederholten Tausende diesen Ruf.

Schon oft hatte ich sagen hören, daß das erste Stiergefecht, welchem man beiwohne, einen widerwärtigen Eindruck hervorrufe. Und ich fand dieß vollkommen bestätigt. Doch mochte wohl die Wehrlosigkeit des armen Opfers da unten viel hierzu beitragen, und ich bin überzeugt, wenn der Stier ein tüchtiger Kerl gewesen wäre, zu Anfang ein paar Picadores überrannt, sowie einige Pferde ausgeweidet hätte, so würde auf uns sein Brüllen und das Blut, welches von seinem Körper herabtropfte, viel weniger Eindruck gemacht haben. Der Ruf des Publikums: »Feuer! Feuer!« verlangt, daß statt der gewöhnlichen Banderillos dem Thiere sogenannte Feuerpfeile eingestoßen werden. Diese haben ebenfalls Widerhaken, damit sie in der Haut stecken bleiben, sind aber statt des flatternden Papieres mit Schwärmern, kleinen Kanonenschlägen und dergleichen schönen Sachen umgeben, die durch eine Pulverleitung verbunden sind und sich entzünden, sobald der Pfeil dem Thiere eingestoßen ist. Wie das Thier von dem Knallen auf allen Seiten, sowie von den Brandwunden toll gemacht wird, kann man sich leicht denken. Einen Augenblick blieb Canario wie betäubt stehen, als die ersten Schwärmer auf seine Haut losplatzten, dann aber fing er an kläglich zu brüllen, weißer Schaum drang aus seinem weit geöffneten Maule, und mit hoch erhobenem Schweife raste er in tollen Sprüngen durch den Ring. Man hätte glauben können, jetzt werde endlich ein verzweifelter Kampf beginnen; aber weit entfernt: nachdem die letzte Hülse geplatzt war und das letzte Pulver verpufft, legte sich auch seine Angst wieder, denn nur diese hatte ihn umhergetrieben, und er stand da mit gesenktem Kopf und Schweif, – ein trauriger Anblick. Uns, die wir zum ersten Mal einem Stiergefechte beiwohnten, hatte dieser Anfang noch weniger gefallen, als den Spaniern; namentlich machten auf uns die Feuerpfeile einen widerwärtigen Eindruck, sie versengten Haar und Haut und erregten einen unangenehmen Brandgeruch. Ein Trompetenstoß rief einen der »Degen« in den Ring, und auf die schon oben beschriebene Art trat er von der Seite herein. Es war ein hübscher wohlgewachsener Mann mit kräftigem Körperbau und sehr energischem Gesichtsausdrucke; er schritt auf die Loge des kommandirenden Generals zu, grüßte denselben, sowie das Ayuntamiento zierlich mit seinem Degen und wandte sich darauf gegen den Stier. Dieser stand da vor Ermattung und Angst unfähig, sich zu rühren. Achselzuckend versuchte es der Espada seinen Widerstand zu entflammen, indem er ihm den rothen Mantel zu wiederholten Malen um die Augen schlug. Alles vergebens! Der Stier wandte kaum seinen Kopf herum, worauf der Espada langsam den Arm ausstreckte, mit der Degenspitze ruhig zwischen den Hörnern die tödliche Stelle suchte, eine kleine Handbewegung machte, und dann stürzte das Thier, wie vom Blitze erschlagen, auf der Stelle todt nieder. Jetzt öffneten sich die Thore auf unserer rechten Seite, das Maulthiergespann trabte herein, der todte Stier wurde mit den Hinterfüßen an eine Bracke befestigt, dann ging es im vollen Galopp einmal im Kreise herum und zum Thore hinaus. Während dessen fiel die Musik mit einer lustigen Polka ein, und die rauschenden Klänge übertönten die lauten Beschimpfungen, die dem unglücklichen Canario immer noch nachgerufen wurden. Auch die Quadrilla schien es zu bedauern, daß sie so wenig Widerstand gefunden und deßhalb ihre Gewandtheit nicht hatte zeigen können. Die Stelle, auf welcher der Stier gefallen, wurde mit Sand bedeckt, um die Blutflecken zu vertilgen, und nach einer kleinen Pause betrat der zweite Stier den Kampfplatz. Er hieß Coracero, und sein erstes Auftreten war ein vielversprechendes und trug ihm ein gelindes Händeklatschen ein. Ich muß hier vorausschicken, daß bei den Stiergefechten der Dilettanten meistens sogenannte Novillos den Kampfplatz betreten; das sind nämlich Stiere, die erst im nächsten Jahre zu den anderen Stiergefechten tüchtig sein würden; obgleich ein guter und kräftiger Novillo kein zu verachtender Gegner ist, so haben sie doch begreiflicher Weise noch nicht die Wildheit und Unbändigkeit der älteren Stiere.

Durch den Vorgang mit dem unglücklichen Canario schienen die Chulos über alle Maßen sicher geworden zu sein; denn statt, wie es beim Erscheinen eines neuen Stiers Regel ist, sich beobachtend möglichst an die Schranken zu halten, standen sie unbekümmert plaudernd in Gruppen bei einander, einige sogar in der Nähe des Zwingers. Coracero, dem in diesem Augenblicke das Thor geöffnet wurde, war zwar kleiner, aber auch untersetzter, als sein Vorgänger, und bezeigte sich sogleich bei Anfang des Gefechtes als ein heimtückischer Bursche. Harmlos und ruhig ging er einige Schritte vorwärts, und ich hielt ihn daher für nicht besser als Canario; doch sagte mir mein Nachbar, ein alter Habitué des Stierplatzes: »Der ist gut; sehen Sie, wie seine kleinen Augen funkeln.« Und der Mann hatte Recht; denn Coracero, der sich, wie gesagt, mit größter Ruhe einer der Gruppen genähert hatte, stürzte nun mit Einem Male wie toll und wüthend gegen die Chulos hin, was eine allgemeine und höchst ergötzliche Flucht zur Folge hatte. Nach allen Richtungen stoben seine leichtfüßigen Gegner aus einander, und die meisten übersprangen die Schranken mit einer außerordentlichen Behendigkeit. Hier und da überschlug sich auch Einer und fiel, statt auf die Füße, auf einen anderen Theil des Körpers, – ein Mangel an Gewandtheit, der jedesmal ein lautes Hohngelächter zur Folge hatte.

Der Stier hatte unterdessen die drei Chulos aufs Korn genommen, welche vorhin so dicht vor seinem Zwinger gestanden, und verfolgte sie mit solcher Hast und drohender Geberde, daß Viele aus dem Publikum sich halb von ihren Sitzen erhoben und dem interessanten Anfange athemlos zuschauten. Die drei stoben natürlicher Weise in voller Flucht aus einander, doch besann sich Coracero keinen Augenblick und verfolgte Einen in so tollem Laufe, daß dieser sich nur retten konnte, indem er nicht ohne Geistesgegenwart dem Stier seinen Mantel zwischen die Füße warf. Dessen ungeachtet langte aber das Thier mit dem Chulo fast zu gleicher Zeit an der Schranke an, und es war kein Zoll breit Raum mehr zwischen den Hörnern Coraceros und den seidenen Beinen des Chulo, als dieser erschreckt und athemlos über die Schranken flog. Mancher der Zuschauer und auch ich glaubte, der Stoß des Thieres habe ihm nachgeholfen, doch war dem zum Glücke nicht so; der Mann war unverletzt, doch schien mir sein Lachen einigermaßen erkünstelt zu sein. Mein Nachbar sagte mir: »Hätte der Stier zwei Jahre mehr, so würde das ein sehr schönes, ernsthaftes Gefecht werden: so aber werden die Dilettanten schon mit ihm fertig werden.«

Coracero, der mitten in der Bahn stand, betrachtete sich seine Feinde rings umher. Schon mehreremale hatte er einen Sprung rechts oder links gethan, so oft sich einer der Chulos blicken ließ und ihm, freilich auf sehr weite Entfernung, eines der langen bunten Tücher entgegenwarf, sich auch langsam gegen die Picadores gewandt. Der, welcher ihm zunächst stand, ritt nun dem Thiere entgegen und legte seine Lanze ein. Der Stier nahm die Herausforderung an, senkte die Hörner und rannte in vollem Laufe gegen den Picador an. Ein tüchtiger Stoß mit der Lanze, den das Thier beim Zusammenstoß erhielt, machte es einen Augenblick stutzen; doch erneuerte es im nächsten Moment seinen Angriff um so heftiger, und wahrscheinlich hätte derselbe mit dem Tode des Pferdes geendigt, wenn nicht mehrere Chulos dem Picador zu Hülfe gekommen wären und die Aufmerksamkeit des Stieres von ihm abgelenkt hätten. Bei einem gewöhnlichen Stiergefechte hätte man den Stier seinen Kampf mit dem Picador ruhig ausfechten lassen, und es wäre wider die Regel gewesen, dem Picador zu Hülfe zu kommen, ehe Roß und Reiter im Sande gelegen. Aber die Aficionados schonten begreiflicher Weise ihre Pferde. So außerordentlich verwegen dieselben bei dem ersten Stier umhergaloppirt waren und ihm Stiche nach allen Seiten beigebracht hatten, um so mehr nahmen sie sich jetzt in Acht; doch mußten alle vier nach einander wenigstens einmal ein Rencontre mit ihm bestehen, und drei waren auch so glücklich, ihm einen tüchtigen Lanzenstoß beizubringen, der ihn für den Augenblick zurücktrieb. Auch waren die Chulos und Banderilleros gleich bei der Hand. Bei dem vierten ging es übrigens nicht so gut, eigentlich für die Zuschauer besser, denn es floß Blut, was bei einem Stiergefecht immer die Hauptsache ist. Der vierte Picador schien mir ein schwächeres Pferd zu haben als die anderen, er selbst aber war ein untersetzter, dicker Kerl, der, wenn er in dem Ringe galoppirte, beständig so komische Bewegungen machte, daß viele aus dem Publikum in lautes Gelächter ausbrachen und ihn mit allerlei freundschaftlichen Benennungen belegten. Endlich ritt auch er gegen Coracero an, und dabei wiegte sich der Picador so komisch im Sattel hin und her, daß er durch allgemeine Heiterkeit und einiges Händeklatschen belohnt wurde. Doch wäre es für ihn viel besser gewesen, wenn er genau auf seinen Feind Achtung gegeben hätte, kaum hatte der Picador nämlich seine Lanze eingelegt, so war der Stier auch schon dicht bei ihm, indem er die Lanze unterlief und nun mit einem kräftigen Anlaufe seine Hörner dem armen Pferde in die Seite bohrte, so daß es sich hoch aufbäumte, dann aber zusammenbrach und mit seinem Reiter in den Sand rollte. Wie immer, zum Glück für den Picador, ließ nun der Stier seine ganze Wuth an dem unglücklichen gefallenen Pferde aus, ohne den Reiter weiter zu beachten, wodurch dieser Zeit bekam, aus dem Sattel zu klettern und mit Beihülfe einiger Banderilleros langsam davon zu hinken.

Der Stier zerfleischte unterdessen das Pferd so lange, als dieses noch ein Lebenszeichen von sich gab; dann wandte er sich abermals gegen die übrigen drei Picadores und schien ihnen einen Kampf anzubieten. Doch hatte keiner der Aficionados, durch den Vorgang mit dem Kameraden gewitzigt, besondere Lust, sich mit ihm ferner in einen ernstlichen Kampf einzulassen. Sie umritten ihn im Galopp, brachten ihm auch hier und da einen leichten Lanzenstich bei, waren aber dabei so glücklich, seinen Hörnern zu entgehen. Es war kein rechter Ernst bei der Sache, und wäre das Stiergefecht nicht von Dilettanten unternommen worden, so hätte man vom Publikum ein schönes Gepfeife vernommen.

Endlich rief die Trompete die Banderilleros herbei und hiedurch wurde das Schauspiel etwas belebter. Wie schon bemerkt, schienen die Picadores ihre Pferde geschont zu haben und hatten sich somit eine kleine Blöße gegeben, was nun die Banderilleros durch ihr ziemlich tollkühnes Spiel mit dem Stier wieder gut machen zu wollen schienen. Es war nicht leicht, dem wilden Thiere beizukommen, und Coracero hatte die schlimme Gewohnheit, sich immer einen Einzelnen aus seinen Angreifern herauszulesen und denselben, ohne sich durch Mantelschwenken irre machen zu lassen, bis an die Schranke zu verfolgen. Ein paar entkamen nur mit genauer Noth, und einer, der vor dem Thiere niederstürzte, schien verloren zu sein, wäre es auch wahrscheinlich gewesen, wenn nicht in diesem Augenblick ein Banderillo tief in den Hals des Thieres gedrungen wäre, wodurch es sich wüthend auf die Seite wandte und dem Niedergestürzten Zeit ließ, auf seine Füße zu springen und davon zu laufen.

Unterdessen war die Zeit schon ziemlich vorgerückt; der helle Sonnenstreifen, der auf dem Hause lag, hatte sich schon sehr emporgehoben, weßhalb denn auch, um das Schauspiel nicht zu sehr in die Länge zu ziehen, ehe noch der Stier Zeichen von Müdigkeit gegeben, der Espada in die Schranke trat. Es war das ein anderer, als der, welcher den ersten Stier gefällt hatte; doch kam er nicht allein, sondern gegen alle Regeln in Begleitung von drei bis vier Chulos und Banderilleros, – eine Vorsichtsmaßregel, die ihm übrigens sehr wenig half; denn der Stier war seiner nicht so bald ansichtig geworden, als er mit den Vorderfüßen zu scharren begann, den Kopf senkend ein paar Schritte rückwärts trat und dann so wüthend auf die Gruppe losstürzte, daß diese aus einander stob und sich in schönen Sätzen über die Schranken rettete, wobei der Espada selbst einer der Leichtfüßigsten war und noch dabei das Unglück hatte, jenseits der Schranken mit Schwert und Mantel wie ein Mehlsack niederzustürzen. Dieses Mal sparte das Publikum weder Pfeifen noch Zischen, was den Degen so empörte, daß er auf derselben Stelle in den Ring zurücksprang und nun allein dem Stiere gegenüber trat, wofür er denn auch mit einem tausendstimmigen Bravo belohnt wurde. Die Chulos erschienen übrigens auch gleich wieder im Ring und einer, der sich bei allen Kämpfen durch seine Verwegenheit hervorgethan hatte, lenkte die Aufmerksamkeit des Thieres auf sich, wodurch es dem Espada möglich wurde, sich dem Stiere zu nähern und ihm den Degen bis an das Heft in den Nacken zu stoßen. Zum ersten Male brüllte das Thier laut auf, und da es zu gleicher Zeit heftig auf die Seite sprang, so mußte der Espada Degen und Griff fahren lassen, mit welchen denn auch das Thier wie toll im Kreise umherraste.

Es war dieß ein häßlicher Anblick: das Blut rann stromweise aus der Wunde, und zuweilen blieb der Stier, wie von furchtbarem Schmerz gepeinigt, plötzlich stehen, scharrte mit den Füßen und wandte sich dann um, seinen Lauf aufs Neue beginnend. Unterdessen hatte sich der Espada ein neues Schwert reichen lassen, und jetzt war es ihm leicht, dem Stiere nahe zu kommen, der schon durch Schmerz und Blutverlust ziemlich erschöpft war. Obgleich Coracero noch immer seinen Angreifern bereitwillig entgegenstürzte, so hatten doch seine Bewegungen sehr an Schnelligkeit verloren, weßhalb es dem Espada leichter gelang, auch den zweiten Degen bis an das Heft in den Nacken des Thieres zu stoßen. Aber auch dieser Stoß war nicht glücklicher als der erste; der Stier stürzte nicht zusammen, vielmehr wandte er sich kläglich brüllend um, machte ein paar rasende Sätze und umkreiste noch einmal den ganzen Ring, ehe er, wie betäubt, dicht unter unsern Sitzen stehen blieb. Jetzt erst fing er an zu wanken, das Blut schoß ihm stromweise aus dem Maule, und lange noch schwankte er hin und her, ehe er zusammenbrach. Der Cachetero mußte hinzutreten und ihm mit seinem kurzen Messer den eigentlichen Todesstoß geben.

Mir war es hierauf recht angenehm, daß das darauf folgende Gefecht ein unblutiges sein sollte. Der dritte Stier, Soldado, sollte nach portugiesischer Weise bekämpft werden, die darin besteht, daß das Thier in den Ring gelassen, von den Chulos gereizt und geneckt, und dann von diesen und den Banderilleros mit den Händen eingefangen, gestellt und nach dem Zwinger zurückgebracht wird. Da aber der Stier bei seiner Kraft und Wildheit und mit seinen langen und spitzen Hörnern ohne Vorsichtsmaßregeln ein zu ungleicher Kämpfer sein würde, so befestigte man auf den Spitzen seiner Hörner ausgepolsterte lederne Kugeln, wodurch allerdings die Gefährlichkeit des Stoßes vermindert wird; doch erfordert diese Art des Kampfes immer noch große Vorsicht, Gewandtheit und Kraft. Soldado war ein ziemlich kräftiger Bursche, mit langen Hörnern, welche aber sorgfältig umwickelt und oben mit großen Knöpfen versehen waren. Die Chulos und Banderilleros befanden sich ohne die Picadores im Ringe, umgaben den Stier sogleich und neckten ihn auf die verwegenste Art. Das Thier schien indessen ebenso wenig zum Spaß aufgelegt zu sein als sein Vorgänger, und da sich seine leichtfüßigen Gegner noch weniger in Acht nahmen und nicht so häufig die rettende Schranke aufsuchten, so kamen einige in sehr unangenehme Berührung mit den Hörnern des Soldado. Einen faßte das Thier in der Nähe des Hosengurtes und schleuderte ihn mehrere Schritte weit so nachdrücklich in den Sand, daß der Chulo ein paar Secunden lang unbeweglich liegen blieb. Einem andern ging es noch schlimmer. Dieser hatte den Stier über alle Gebühr geneckt und wurde nun, ohne daß sich das Thier von den übrigen irre machen ließ, so hartnäckig an die Schranken verfolgt, daß er nicht mehr Zeit hatte, sich hinüberzuschwingen. Hier und da hörte man schon einen Angstschrei unter den Zuschauern, und es war ein unbehaglicher Anblick, als man sah, wie der Stier mit voller Kraft gegen den Chulo und die Bretterschranke anrannte. Obgleich die Hörner umwickelt waren, hätte doch der Stoß den Chulo unfehlbar zerquetschen müssen, wenn er nicht das Glück gehabt hätte, von dem Stiere zwischen die Hörner gefaßt zu werden. Aber er verdiente dieses Glück durch seine Geistesgegenwart; denn da er wohl wußte, der Stier würde sich nicht mit dem einzigen Stoße begnügen, so faßte er mit fast übermenschlicher Kraft die Hörner, nicht um den Stier zurückzuhalten, was unmöglich gewesen wäre, sondern um sich von demselben in die Höhe schleudern zu lassen und so dem sicheren Tode zu entgehen. Dieß geschah denn auch, und gleich darauf flog der Chulo rückwärts über den Stier in den Ring zurück, wo er übrigens auf dem Sande liegen blieb und weggetragen werden mußte. So viel wir später hörten, kam er mit einer zerbrochenen Rippe davon.

Eine Variante dieses gewagten Experimentes, welches der Chulo ausführte, kommt in den Annalen der Tauromachia zuweilen, aber sehr selten vor, heißt dann Salto sobre testuz (der Sprung über den Kopf des Gegners), wo nämlich der an die Wand gedrängte Toreador in dem Augenblicke, wo der Stier den Kopf senkt, um ihn zu spießen, seinen Fuß zwischen die Hörner des Thieres setzt, und, von der Todesangst getrieben, über ihn hinwegspringt. Ein Vorgänger von Montes, ich glaube, der eben so berühmte Francisco Romero, kam übrigens dabei auf eine schreckliche Art ums Leben. Cuendias in seinem Buche über Spanien erzählt diese traurige Katastrophe auf folgende Weise:

»Es war nach einer glänzenden Corrida, die der Hof mit seiner Gegenwart beehrte, als der tapfere Espada zwischen den Toro und las Tablas gerieth. Las Tablas nennt man die Brettereinfassung des Circus, über welche der Torero manchmal mit einem Sprunge setzen muß, um sein Leben zu retten. Montes Vorgänger war in der höchsten Gefahr; zu nahe an den Tablas, um einen Anlauf zu nehmen, vielleicht auch zu stolz, um die Flucht zu ergreifen, entschließt er sich kaltblütig zum Salto sobre testuz. In dem Augenblicke nämlich, wo der Stier sich demüthigte und die Hörner senkte, um ihn zu spießen, setzte er zwischen diese Hörner an die Stirn des Thieres seinen Fuß und führte mit unglaublicher Gewandtheit und haarsträubender Kühnheit den gefährlichen Sprung aus. Das unbarmherzige, aber gerechte Publikum erfüllte den Circus sogleich mit einem Schrei der Bewunderung. Unglücklicherweise litt der König an Zerstreutheit und hatte daher von der merkwürdigen Scene nichts sehen können. Seine Majestät hört aber das Beifallsgeschrei des Volks und will die Ursache wissen. Darauf erzählt man ihr die Heldenthat des Torero.

» Da capo! sagte der König; er mach' es noch einmal.«

»Wahrscheinlich glaubte Seine Majestät damit dem Torero eine große Ehre zu erweisen.

»Der Torero gehorchte! . . .

»Was er einmal, getrieben von der Todesgefahr und in einem Augenblicke rasender Begeisterung, glücklich gewagt hatte, das wollte er jetzt aus übertriebenem Gehorsam gegen den König und aus verblendetem Ehrgeiz noch einmal improvisiren. Auch hielt er sich nicht an die Regeln der Kunst. Der Stier stellte sich nicht wie das erste Mal. Statt den Kopf zum Stoße zu senken und in dieser Haltung anzurennen – eine Bewegung, auf die der Kopfsprung berechnet ist, der in diesem Falle den Toreador hinter den Stier zur Erde sendet, wo er, Dank seiner Geschicklichkeit mit geraden Beinen den Boden erreicht – statt dessen hatte die Bestie Halt gemacht und in dem Augenblicke, wo der Fuß ihre Stirn berührte, den Kopf emporgeworfen, so daß der Toreador das Gleichgewicht verlor und – fiel.

»Ein Angstschrei erschallt, die Versammlung überläuft ein Todesschauer! Der Stier rennt nicht mehr; er trabt langsam, mit erhobenem Haupt, das Auge in Flammen, rings um die Arena, als wollte er den entsetzten Zuschauern seinen Siegeskranz zeigen, den blutigen Kranz, den er sich aus den Eingeweiden seines Feindes gewunden hatte. Der unglückliche Toreador lag gespießt auf den Hörnern und zappelte vergebens, um sich loszumachen, und wand und krümmte sich im Krampf und in den Ängsten des Todes. Er war mit ganzem schwerem Leibe auf die Spitzen gefallen und daran hängen geblieben. Das Übrige that die Wuth des gereizten Thieres.«

Der unangenehme Vorfall, von welchem wir vorhin erzählt, verminderte indessen durchaus nicht den Übermuth der Anderen, und der bunte, glänzende Schwarm war dem Stiere nun so dicht auf dem Leibe, daß er sich ihrer kaum zu erwehren im Stande war. Freilich purzelten bald rechts, bald links Einige über einander hin, denen der Stier mit einer raschen Seitenbewegung zu nahe kam; doch sprangen sie lachend wieder auf, um ihre kindische Neckerei mit dem Thiere – anders kann man es wahrhaftig nicht nennen – fortzusetzen. Schon lange hatten ein Paar darnach gestrebt, ihm die bunte Schleife zu entreißen, die auf seinem Rücken befestigt war; doch hatte Soldado bis jetzt alle dergleichen vertrauliche Annäherungen sehr übel aufgenommen, und bald flog Der rechts, Jener links in den Sand. Endlich gelang es Einem, die Schleife zu erhaschen, wofür er von den Zuschauern durch ein unendliches Bravo belohnt wurde. Ein Anderer hatte unterdessen sein Sacktuch aus der Tasche gezogen und ließ es sich von dem wild daherstürzenden Thiere vermittelst des Hornes aus der Hand reißen, lief aber gleich wieder hintendrein und war so glücklich, es nun seinerseits dem Thiere wieder abzunehmen. Schon vorhin erwähnte ich eines Chulo, der sich durch seine Kühnheit auszeichnete. Dieser erschien mit einer langen Springstange im Ringe und wir wußten lange nicht, was er damit wolle; endlich aber erspähte er einen günstigen Augenblick, wo das Thier gerade eine Secunde still stand, stützte seine Stange auf den Boden und schwang sich in gewaltigem Sprunge über den Stier hinüber. An einem Male hatte er übrigens nicht genug; doch wäre es besser gewesen, wenn er sich damit begnügt hätte; denn beim zweiten Mal, als er gerade sprang, machte Soldado eine Seitenbewegung, stieß an die Stange, und der Chulo, der gerade in der Luft schwebte, fiel genau auf den Rücken und zwischen die Hörner des Stiers. Daß ihm dieser zu einem neuen und kräftigeren Aufschwung verhalf, brauchen wir eigentlich nicht zu sagen: bei zehn Fuß hoch warf ihn Soldado in die Luft und es war ein Glück, daß er inmitten einer Gruppe seiner Kameraden niederfiel, die ihn auffingen und so einigermaßen den Sturz schwächten.

Dieses ganze Schauspiel an sich war übrigens komisch genug und auch interessant. Die gewandten Leute in ihren bunten Costümen in immerwährender Bewegung, bald auseinanderfahrend, bald sich wieder zusammendrängend, dazwischen den dunkeln, fast schwarzen Stier, der sich jetzt links wandte, dann geradeaus stürzte, um sich an der anderen Seite des Ringes, aufs Neue von den grellfarbigen Tüchern geneckt, wieder zu wenden, – es war eine Scene voll Leben und Bewegung. Hauptsächlich nahm es sich recht gut aus, wenn ein einzelner Chulo vor dem Stiere fliehend, demselben den langen Mantel zwischen die Vorderfüße schleuderte, was den Stier meistens einen Augenblick aufhielt, indem er gewöhnlich das Zeug mit den Hörnern zerzauste, ehe er aufs Neue seine Verfolgung begann.

Alles Bisherige war indessen nur Vorspiel gewesen. Jetzt warfen die Kämpfer ihre Mäntel über die Schranke und fingen an, den Stier ernstlich zu stellen, was damit begann, daß sich Zwei nach längeren fruchtlosen Versuchen endlich an den Schweif des Thieres hängten. Soldado nahm dieß jedoch sehr übel auf und raste mit seinen Anhängseln in so tollem Lauf durch den Ring, daß sie im wahren Sinne des Wortes geschleift wurden und am Ende wieder loslassen mußten. Ein paar Anderen erging es nicht besser, und einem dritten Paar gelang es nur dadurch, den wüthenden Lauf des Thiers zu hemmen, daß sich zugleich vier ihrer Kameraden je Zwei und Zwei zu gleicher Zeit an die Hörner des Stiers hängten. Dieß machte Soldado einen Augenblick stutzig, und nun hatte er sein Spiel verloren. Wie toll stürzten alle übrigen Chulos und Banderilleros auf ihn zu, faßten Schweif, Ohren, Hörner, Füße und nachdem sich der Stier noch einige Minuten mit aller Kraft gewehrt, wobei mancher seiner Angreifer tüchtig zusammengeprellt wurde, stand er wie ein Lamm und mußte es geschehen lassen, daß ihn seine Sieger triumphirend im Schritt durch den ganzen Ring führten unter schallendem Händeklatschen und tausendstimmigem Freudenruf der Zuschauer.

Von dem vierten Kampfe, in welchem der Stier Ligero auftrat, ist nichts zu sagen, als daß dieses Thier noch schlechter war, als der unglückliche Canario. Er fiel unrühmlich, ohne einem Pferde auch nur die Haut geritzt zu haben, unter dem Messer des Cachetero. Damit war das Stiergefecht zu Ende, und wenn es auch kein glänzendes, d. h. blutiges genannt werden konnte, so hatte es doch für uns den Vortheil, daß wir den Gang und das Wesen eines solchen Kampfes in diesen paar Stunden besser kennenlernten, als durch eine Menge Beschreibungen, die wir früher gelesen.

Das Stiergefecht, für welches heutzutage alle Classen des spanischen Volkes die größte Leidenschaft zeigen, gehörte schon seit uralten Zeiten mit zum Ruhm und Glanz des Landes. Man ist ungewiß darüber, woher diese Volksbelustigung eigentlich stammt; Einige wollen dieselbe von den Circusspielen der Römer herleiten, Andere aus der Gothenzeit oder erklären sie für eine uralte iberische Sitte; gewiß ist, daß sie schon zur Maurenzeit ein ritterliches Vergnügen war, dem sich damals die Vornehmsten des Landes hingaben. Auf der Vivarrambla in Granada sah man schon die Ritter Zegris wie Abbenceragen, unter der Regierung Muley Hassans, des Vaters des letzten Königs Boabdil, gegen den Stier in die Schranken treten. Am späteren christlichen Hofe Spaniens thaten die größten Helden damaliger Zeit dasselbe, und Don Guzman, der Cid, Don Sebastian, König von Portugal, und Karl V. gehörten zu den kühnsten Toreros. Dagegen suchten auch manche Herrscher die Stiergefechte zu unterdrücken, so Isabella I., welche nie einen Stierplatz besuchte und während deren Regierungszeit die Hörner des Thieres mit Kugeln versehen sein mußten, um die Kraft des Stoßes zu brechen; und während Philipp IV. noch in höchst eigener Person den Stierplatz betrat, zeigte sich Philipp V. als entschiedenster Gegner dieses spanischen Nationalvergnügens. Obgleich er es nicht zu verbieten wagte, so gerieth doch die Tauromaquia während seiner Regierungszeit so in Verfall, daß sie aus einer »noblen Passion« ein besoldetes Handwerk wurde. Damit änderte sich auch das ganze Wesen des Stierkampfes, und statt daß früher ein einzelner Reiter auf gutem starkem Pferde dem Thiere mit Jagdspieß und Schwert entgegentrat, erschien jetzt die Quadrilla in ihrer heutigen Zusammensetzung: die Picadores, Banderilleros und zuletzt der Espada, welcher dem Stiere zu Fuß entgegentritt, um ihn Auge gegen Auge mit einem Degenstoß zu tödten. Nur zuweilen noch traten vornehme Liebhaber mit den »Leuten vom Handwerk« in die Schranken oder wurden Stiergefechte, wie das eben beschriebene in Barcelona, von Aficionados puros (eifrigen Dilettanten) in Scene gesetzt.

Wie ich schon Eingangs dieses Kapitels bemerkte, werden die Stiergefechte in Spanien nur in den Frühjahrs- und Sommermonaten, von Mai bis Ende September, abgehalten, weßhalb wir denn leider auf unserer Reise durch Spanien keines der glänzenden, d. h. blutigen, zu sehen bekamen; man hoffte auf ein Stiergefecht in Madrid zur Zeit der Geburt der Prinzessin am 10. Januar, doch wurde es durch den gleich darauf erfolgten Tod derselben verhindert. Obgleich sich alle Stiergefechte mehr oder minder gleichen, so kommen doch durch die Wildheit eines Stiers, selbst durch Zufälligkeiten oft die interessantesten Abwechselungen vor. So erzählt Rochau in seinem vortrefflichen »Reiseleben in Spanien« von der Episode eines Stiergefechts zu Madrid, welche mir interessant genug erscheint, um es im Auszuge mitzutheilen. Ein schlechter, feiger Stier, in der Art wie der oben beschriebene Canario, auf den sogar Feuerpfeile nicht die geringste Wirkung ausübten, wurde mit Hunden gehetzt und dann durch einen schlächtermäßigen Degenstoß in die Weichen schimpflich getödtet.

»Das Publikum war noch immer mit der Hundshatz, einem sehr seltenen Schauspiele, beschäftigt«, so erzählt Rochau, »als, fast ohne bemerkt zu werden, langsamen, aber sicheren Ganges der neue Stier in den Ring schritt, schwarzbraun von Farbe, klein, hinten niedriger gebaut als vorn, die Hörner kurz, aber auf den Treffer gestellt, um mich eines Ausdrucks vom Fechtboden her zu bedienen. Mit aufgereckten Ohren und mit raschem Schweifschlagen wandte der Stier den Kopf rechts und links, als ob er sich der Stellung und Stärke seiner Feinde vergewissern wolle, und dann wie der Blitz rannte er mit gesenkten Hörnern auf den zunächststehenden Picador los, der von dem gewaltigen Stoße sammt seinem Pferde rücküber stürzte. Ohne sich bei dem in den Sand gestreckten Gegner aufzuhalten, hatte der Stier den zweiten Picador gefällt, ehe dieser auch nur Zeit gehabt, seine Lanze einzulegen, und in ein paar mächtigen Sprüngen war auch der dritte erreicht und zu Boden gestreckt. Das alles geschah so rasch, daß man die größte Mühe hatte, dem Gange des Kampfes mit den Augen zu folgen. Das Volk war außer sich vor Jubel über diesen Anfang des neuen Rennens. Alle Welt stand von den Sitzen auf, die Hüte zu schwenken und ein donnerndes bravo toro auf die Bühne hinauszurufen. Wären Blumen zur Hand gewesen, man hätte den Stier ohne Zweifel gekrönt wie eine Opernsängerin nach der Bravourarie. Der Stier inzwischen, als ob er wüßte, daß ihm noch ein Picador fehle, suchte mit den Augen im Kreise herum, und da er keinen Reiter mehr sah – der vierte Picador war zufällig abwesend –, so ließ er sich herab, einen der Chulos des Angriffs zu würdigen. Festen Auges, und ohne sich durch das Mantelschwenken der übrigen irre machen zu lassen, verfolgte er seinen Mann in windschnellem Laufe, und es war kein Zoll breit Raum mehr zwischen dem Horne des Stiers und der Hüfte des Chulo, als dieser sich athemlos über die Schranken schwang. Furcht und Schrecken herrschten in dem ganzen Ringe. Die Picadores hatten sich unter ihren Pferden hervorgearbeitet und waren fortgehinkt, und sie übereilten sich nicht, von Neuem zu erscheinen. Die Chulos hielten sich in ehrerbietiger Entfernung; der Stier war Meister des Platzes, den er lautschnaubend durchschritt, und wohin er sich wandte, da wich man ihm eilends schon von Weitem aus. Endlich ritt der vierte Picador auf einem ungewöhnlich starken und guten Pferde in die Schranken. Der Stier wurde seiner nicht so bald ansichtig, als er in gestrecktem Laufe auf ihn losstürzte. Der kräftige Lanzenstoß, mit welchem er empfangen wurde, hielt ihn einen Augenblick auf, aber im Nu nahm er den zweiten Anlauf und bohrte beide Hörner bis an die Wurzel in die Brust des Pferdes, das sich wild aufbäumte und den Picador aus dem Sattel geschleudert haben würde, wäre dieser nicht ein vortrefflicher Reiter gewesen. Mit seltener Geistesgegenwart holte der Picador zum zweiten Male mit der Lanze aus, während der Gaul kerzengerade auf den Hinterbeinen stand, und der Stier, durch die neue Wunde noch wüthender geworden, führte Stoß auf Stoß gegen den Bauch und gegen die Seite des Pferdes, bis es am Boden lag, und auch dann noch wühlte er mit grimmiger Wollust in seinen Eingeweiden. Der Enthusiasmus des Publikums, der bei diesem Anblicke losbrach, läßt sich nicht beschreiben. Barbaro! barbaro! rief man von allen Seiten im Tone der Begeisterung und mit verklärtem Gesichte. Dieses Wort, weit entfernt, ein Vorwurf zu sein, ist bei solchen Gelegenheiten der höchste Ausdruck des Beifalls, es ist der Superlativ von bravo. Que barbaridad! ruft man bewundernd, wenn der Degen dem Stiere das Eisen bis an das Heft zwischen die Schultern stößt.

Der Picador war in der augenscheinlichsten Gefahr. Er lag einen Schritt weit von dem Pferde auf dem Sande, seine mit Baumwolle steif ausgefütterten Lederhosen machten es ihm unmöglich, rasch aufzuspringen und davon zu laufen, und er wagte nicht, sich zu rühren, um die Aufmerksamkeit des Stiers nicht auf sich zu ziehen. Nach einer langen, peinlichen Minute – peinlich für den Picador, nicht für die Zuschauer, im Gegentheil – wagten sich endlich ein paar Chulos ihrem Kameraden zur Hülfe heran, und der Stier ließ das zerfetzte und regungslose Pferd liegen, um auf jene schnellfüßigen Gegner Jagd zu machen. Erst auf das stürmische Verlangen des Publikum erschienen neue Pferde in dem Ringe, von denen der Stier in wenigen Augenblicken noch drei ausweidete, ohne daß seine Kraft und seine Kampflust deßhalb abnahm. Ich glaube, er würde den ganzen Stall des Empressario geleert haben, wenn den Picadores, von denen übrigens auch zwei im schweren Falle Schaden genommen hatten, nicht der Muth ausgegangen wäre. Gegen alle Regel des Spiels rief die Trompete die Banderilleros, ehe der Stier das mindeste Zeichen der Mattigkeit oder der Flauheit gegeben hatte. Mit Mühe und Noth wurde ihm ein einziges Paar Banderillas beigebracht, und dann erschien der Espada, den der Stier bald als seinen Hauptfeind aus den übrigen herauserkannte. Ohne die Herausforderungen des Degens abzuwarten, lief er aus freien Stücken gegen denselben an, und zwar mit so drohender Miene, daß der Espada, statt den Feind stehenden Fußes zu erwarten, wie ein Windspiel davon rannte, Mantel und Schwert wegwarf und in angstvoller Hast über die Schranken sprang. Gellendes Pfeifen, Zischen und Hohngeschrei begleiteten ihn auf seiner schimpflichen Flucht. Sei es Furcht oder Scham, der entflohene Degen kam nicht wieder zum Vorschein, und statt seiner trat der »Chiclanero« auf die Bühne, nicht der große D. Francisco Montes, der gleichfalls aus Chiclana ist, aber ein würdiger Landsmann und Nebenbuhler des großen Montes, Redondo geheißen. In kurzem Tanzmeisterschritt ging er quer durch die Bahn, ohne auch nur einen Seitenblick auf den Stier zu werfen, um mit zierlicher Verbeugung den Alcalden und das Ayuntamiento zu grüßen. Dann wandte er sich gelassen gegen den Stier, der ihn inzwischen schon auf das Korn genommen hatte. Die beiden Gegner kamen sich auf halbem Wege entgegen, der Stier dieses Mal mit verhaltener, berechnender Bosheit, und der Degen, trotz seiner affectirten Gelassenheit, mit unverkennbarer Spannung aller seiner moralischen Kräfte. Als er dem Stiere Aug in Auge auf drei Schritte gegenüberstand, warf Chiclanero seine Mütze ab, um freier zu sein, nahm den Degen, den er bis dahin nachlässig in der linken Hand getragen hatte, stoßfertig in die Rechte, und fing an, mit der Linken den rothen Mantel (oder vielmehr das rothe Tuch, das von dem Mantel nur noch den Namen hat, und das an einem kurzen Schafte wie eine Fahne befestigt ist) vor dem Gesichte des Stiers hin und her zu bewegen. Dieser zielte einige Sekunden mit den Augen, bog dann den Körper etwas zurück, und erreichte mit einem Satze das rothe Tuch; der Mann war mit einer leichten Seitenbewegung dem Stoße ausgewichen. Beide Kämpfer, als ob sie beide auf dieses Fechterstück eingeübt wären, wandten sich gleichzeitig um, und dasselbe Spiel begann zum zweiten und zum dritten Male. Als sie sich zum vierten Gange anschickten, sah man leicht aus der veränderten Haltung des Espada, daß dieß der letzte sein sollte. Der Chiclanero war um eine Spanne größer geworden, er trug den Kopf mit einem unglaublichen Ausdrucke von Stolz, sein Auge flammte, und er legte die Hand fester an den Griff des Degens. Jetzt nahm der Stier seinen Anlauf, und im Sprunge selbst fuhr ihm das Eisen wie ein Blitzstrahl in die Wurzel des Nackens. Er brach unter diesem Meisterstoße zu den Füßen des Siegers zusammen, und nach einem einzigen Zucken lag er todt auf dem Boden. Auf den jauchzenden Zuruf, mit dem das Publikum diesen Schwertstreich belohnte, würden Liszt und Rubini eifersüchtig sein. Viele der Zuschauer, nicht zufrieden ihre Hüte zu schwenken, schleuderten sie weit in den Ring hinein. Ein solcher Ausgang des Kampfes ist in der That äußerst selten. Von vierzig bis fünfzig Stieren habe ich nur diesen einzigen auf den ersten Stoß fallen sehen. Die erste Wunde ist allerdings zuweilen tödtlich, aber der Stier läuft gewöhnlich noch mehrere Minuten oder auch Viertelstunden lang mit dem Degen im Nacken umher. Der Stoß zwischen die Hörner, der wie ein elektrischer Schlag tödtet, läßt sich nur dann anbringen, wenn der Stier bereits so weit erschöpft ist, daß der Espada ganz nahe vor ihn hintreten und mit aller Muße zielen darf. Deßhalb ist dieser Stoß niemals der erste. In Sevilla sah ich von Montes zwei Stiere auf diese Weise tödten, denen er zuvor den Degen eine Elle tief in den Leib gerannt hatte. Der Stier stand vor ihm, fast unfähig, sich zu rühren, Montes bog sich mit lang ausgestrecktem Arm nach ihm hinüber, suchte mit der Degenspitze die tödtliche Stelle, und auf eine kleine Handbewegung nach vorn fiel der Stier zur Erde, wie vom Blitze erschlagen. In Madrid ist dieser Stoß ausschließlich dem Knechte vorbehalten, der dem Stiere mit dem Messer den Garaus macht, wenn er halbtodt am Boden liegt. Ein Espada, der Miene machte, einen schwer verwundeten, aber noch aufrechtstehenden Stier nach »der Weise von Sevilla« zu tödten, mußte dem protestirenden Geschrei des Publikums weichen. Der Beweggrund zu dieser leidenschaftlichen Einrede konnte kein anderer sein, als die Lust an der Verlängerung des Todeskampfes des armen Thieres, das wahrhaftig nichts Dramatisches hatte. Der Stier fühlt den Tod in den Eingeweiden, er ist unfähig zum Angriff, unfähig zur Vertheidigung, einer der Chulos darf ihn ungestraft am Horne fassen, ein anderer zerrt ihn am Schwanze. Mit Mühe hat er sich bis jetzt aufrecht erhalten, er fängt an zu taumeln wie ein Betrunkener, das Blut schießt ihm armdick aus dem Maule, die Beine versagen ihm den Dienst, er sinkt in die Knie, rafft sich wieder auf, macht noch ein paar Schritte und stürzt von Neuem zu Boden. Und während der Stier diesen Todeskampf kämpft, spielt die Militärmusik die lustige Polka auf, das Publikum jubelt, und die Quadrilla tanzt um ihr Schlachtopfer einen Cannibalenreigen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Winter in Spanien