Ein Sommerspaziergang nach Syrien.

Aus: Zeitung für die elegante Welt. 36ter Jahrgang. 1836 (Karl Spazier)
Autor: Redaktion: Zeitung .f.d.e.W., Erscheinungsjahr: 1836
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Syrien, Reisen, Abenteuer, Reisebeschreibung, Ägypten
Pater Monro, ein englischer Geistlicher, hat zu London ein Buch herausgegeben, worin er seinen Ausflug nach Syrien beschreibt. Man verstehe darunter nicht etwa eine wissenschaftliche Entdeckungsreise, oder eine poetisch-romantische Wanderung, oder eine Mission. Nichts von alle dem. Herr Monro ist es nur müde geworden, Roastbeef und Plumpudding in Altengland zu essen, er hat sich aufgemacht, und ist zur Abwechslung nach Syrien spazieren gegangen.

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Groß, das muss man sagen, sind die Engländer in solchen Expeditionen. Sie gehen hin, den Sommer tausend Meilen weit von London zuzubringen, gerade wie wir in die Bäder gehen. Dieser Monro hatte gar keinen Zweck, nach Syrien zu gehen. Er ging dahin, weil es ihm eben einfiel. Er ist kein Geistlicher gewöhnlichen Schlages. Es ist einer von denen, die Meister in allen gymnastischen Übungen sind. Er ist ein erfahrener Fuchsjäger, ein gewaltiger Trinker, ein gründlicher Stallmeister, ein unerschrockener Boxer, und vielleicht der größte Wagehals in der Christenheit. Seine Reise ist ein wahres Wettrennen. In vier Tagen hat er auf der Straße von Aleppo nach Stambul 400 Meilen zurückgelegt. Sein Styl ist eben so belustigend wie die Reise selbst. Wir wollen uns zu dem galoppierenden Diener Gottes auf die Croupe setzen und ihn begleiten, mit verhängtem Zügel, so schnell, aber nicht so schauerlich, wie Wilhelm und Lenore.

Zu Kairo beginnt das Tagebuch unsers Touristen. Hier gesellt sich ein Pole zu ihm, der durchaus sein treuer Achates werden will, und ihn auf alle mögliche Weise belästigt. Hierauf schließt er einen Vertrag mit einem Eingebornen, Namens Hamed der Gerechte, der ihn auf den Berg Sinai geleiten soll. Nach zwei Tagereisen stiehlt ihm Hamed der Gerechte sein bestes Dromedar, worauf Monro, der ein rüstiger Kämpe ist, sich auf einige Zeit seiner christlichen Sanftmut und der zivilisierten Empfindungen entschlägt, und Hamed den Gerechten tüchtig durchprügelt. Überhaupt handelt der geistliche Herr bei jeder Gelegenheit nach dem Grundsätze: Aide-toi, le ciel t’aidera.

Zu Damiette empfängt ihn der englische Konsul sehr gut. In Gegenwart eines Türken kommt das Gespräch auf die europäische Zivilisation. Der Konsul voll vaterländischem Enthusiasmus erzählt dem Türken, dass in England die Dampfwagen fünfzehn Meilen in der Stunde zurücklegen. Der Türke lächelt zweifelhaft ob dieser gräulichen Übertreibung. Der Konsul nimmt unseren Geistlichen zum Zeugen. Aber Monro will nicht dran. Da ruft der Konsul: Und kurz! ich hab' es in den Zeitungen gelesen, es muss wahr sein! — Beim Abendessen berauschen sich alle Gäste, ausgenommen Monro, aber nicht etwa, weil er weniger trinkt, sondern weil er mehr vertragen kann. Der Türke beweist sich als aufgeklärter Muhammedaner, der unserer Zivilisation würdig ist, denn er liegt bereits, des edlen Rebensaftes voll, unter dem Tische.

Monro zieht weitet durch Acre, Caiffa, besucht im Vorbeigehen den Berg Carmel, kommt nach Lantourna, und macht einen Sprung nach den Ruinen von Acheet. Diese Stadt, meint er, müsse vor ungefähr 30.000 Jahren erbaut worden sein. Eine kühne Behauptung für einen Geistlichen, der doch von Amtswegen glauben sollte, dass die Welt erst vor 6.000 Jahren erschaffen worden sei.Monro reitet auf einem Esel in Jerusalem ein. Am Tore von Bethlehem, zur Linken, liegt ein Kornfeld, in dessen Mitte eine längliche Höhlung ausgegraben und mit kleinen Steinen plump ausgepflastert ist. „Was ist das für eine Grube?“ fragte Monro seinen Führer. „Das ist das Bad, in welchem Bethsabe sich befand, als König David sie erblickte“, antwortete der Führer. — „Und wo lauschte David?“ fragte Monro. „Dort hinter jenem Fenster“, erwiderte mit unerschütterlicher Ruhe der Führer, und deutete auf ein vergittertes Loch an einem der viereckigen Turme nahe am Stadttor.

Eine Gasse weiter deutet der Cicerone auf ein Haus. „In diesem Hause“, sagte er, „hat der Kaiser Napoleon gewohnt.“ — „Zu welcher Zeit war Napoleon hier?“ fragt Monro. „Zur Zeit unseres Heilandes“, antwortet der Führer mit dem Ernst der innigsten Überzeugung.

Nachdem Monro auf diese Weise die historischen Erinnerungen an den Denkmälern Jerusalems gesammelt, macht er sich das Vergnügen, eine Schar Pilger und Pilgerinnen die zweite Taufe im Jordan empfangen zu sehen. Diese besteht im Untertauchen, und unseren Geistlichen belustigt es nicht wenig, die schwarzen Cophten von Kairo in voller Kleidung neben den schneeweißen Russinnen im Fluss andächtig herumwaten zu sehen. (D. B. f.)

Pilger

Pilger

Handwerker auf dem Bazar

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098. Der Bosporus mit Rumeli Hissar von Kandili aus

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083. Blick in den großen Bazar

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