Unsere Kenntnis antiker Kunstwerke bis zum Schluss des 18. Jahrhunderts

Wenn sich auch am Schluss des vergangenen Jahrhunderts die Gunst des weiteren Publikums, wenigstens in Deutschland, mehr und mehr den Altertumsstudien entfremdet hat, so trifft doch dieser Wandel des Interesses in geringerem Maße die Archäologie, da auf dem Gebiete der antiken Kunst Jahrzehnte hindurch eine bedeutende Entdeckung der anderen gefolgt ist und auch weitere Kreise zu fesseln vermocht hat In der Tat darf man die Archäologie zu den Eroberungswissenschaften des 19. Jahrhunderts zahlen, denn nie vorher ist mit solchem Eifer und so zielbewusst dahin gestrebt worden der Erde ihre Schätze alter Kunst wieder abzugewinnen, und nie vorher hat ein so reicher und so mannigfacher Ertrag die Arbeit des Spatens belohnt Die letzten Phasen dieser Tätigkeit stehen dem heutigen Geschlecht noch in lebendiger Erinnerung, aber es wäre unrecht darüber die Mühen und Erfolge früherer Generationen zu vergessen, die bis an den Anfang des Jahrhunderts zurückreichen. Diese ganze Forscherarbeit den Lesern vor Augen zu stellen ist der Zweck der folgenden Blätter. Es sollen darin wenn auch nicht alle, so doch alle erheblichen Entdeckungen des 19. Jahrhunderts auf diesem Gebiet an ihren Platz gestellt werden. Aber nicht auf die Einzelentdeckungen soll das Hauptgewicht fallen, sondern es gilt den an ihrer Hand gemachten Fortschritt in unserer Kenntnis der gesamten antiken Kunst aufzuzeigen und klar zu machen, wie jede Entdeckung die Wissenschaft nicht bloß mit neuen Kenntnissen bereichert und gefördert, sondern auch ihr beständig neue Probleme gestellt hat.

Um den ebenso dem Umfang wie der Art des Stoffes nach völlig veränderten Zustand unserer Kenntnisse und Anschauungen, wie sie sich im Laufe des vorigen Jahrhunderts entwickelt haben, deutlich zu machen, wird es am geeignetsten sein kurz zu schildern, wie es damit bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts bestellt war. Wir müssen bis in die ersten Zeiten der Wiederentdeckung der antiken Kunst, bis in die Zeit der Renaissance zurückgehen. Dabei liegt es in den gegebenen Verhältnissen, dass zunächst Rom im Mittelpunkte der Betrachtung steht
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen