Unsere Antikenkenntnis vor 1800

Aus den Überresten einer alten Beschreibung der Stadt Rom, die bis in Kaiser Konstantins Zeit zurückreicht, erfahren wir, dass bald nach Beginn des 4. Jahrhunderts, ehe Rom zugunsten Konstantinopels geplündert und in den Wirren und Nachwehen der Völkerwanderung wieder und wieder verwüstet ward, die Stadt noch eine schier unglaubliche Masse öffentlich aufgestellter Statuen besaß. Zwei Kolosse von ungewöhnlicher Größe (der eine maß 34 Meter) und 22 große Reiterstatuen werden aufgezahlt, ferner 80 vergoldete und 73 goldelfenbeinerne Götterbilder, dazu 3785 eherne Bildnisstatuen (die marmornen werden gar nicht einmal genannt) — wo bleiben da unsere Siegesalleen und unsere denkmalfreudigsten Städte! Wenn wir nun aber am Ausgange des Mittelalters, um die Mitte des 15. Jahrhunderts, einen Hauptvertreter der Renaissance, Poggio Bracciolini, befragen, so vernehmen wir die laute Klage, dass von allen den zahllosen Herrlichkeiten nur noch fünf Marmorstatuen, vier auf dem Monte Cavallo und eine am Forum, und die eine eherne Reiterstatue übrig seien, in der man damals meistens Konstantin, der gelehrte Poggio dagegen richtig einen älteren römischen Kaiser (mit Unrecht freilich Septimius Severus statt Marcaurels) erblickte. Dazu kamen die gewaltigen Baureste, die für die Renaissance vorbildlich werden sollten, vor allem das Pantheon, das Colosseum und das Marcellustheater, die mächtigen Gewölbe der Thermen Caracallas, Diocletians und Konstantins, Reste von Tempeln, Säulen, Ehrenbögen usw.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen