Roms Antiken im Mittelalter und im Cinquecento

Erst in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts erwachte in Rom der Sammeleifer, der in Florenz schon etwas früher, wenn auch mit geringerem Erfolg, aufgekommen war. Die Überweisung der lateranischen Erzwerke an das Kapitol durch Papst Sixtus IV. legte 1471 den Grund zu der dortigen Sammlung, die allmählich wuchs und namentlich den öffentlichen historischen Bildwerken des alten Rom Unterkunft bot. 1506 richtete Sixtus Neffe, Julius II., den Statuenhof im belvederischen Lusthause des vatikanischen Palastes ein; die berühmten Meisterwerke, der Apoll, der Laokoon, die Ariadne, wenig später Nil und Tiber, der Torso, rückten hier den künstlerischen Gesichtspunkt in den Vordergrund. Dem Beispiele der Päpste folgten zunächst die Kardinäle (Valle, Cesi, Grimani, Carpi usw.), später auch andere Große. Um den kostbaren Besitz zu mehren, wurden vielfach eigene Ausgrabungen angestellt; in den Caracallathermen traten zur Zeit Pauls III. die große Stiergruppe und der kolossale ausruhende Herakles ans Licht und kamen in den Besitz der päpstlichen Familie Farnese. Julius III. war der letzte Papst, der seinen humanistisch-antiquarischen Neigungen in der Villa Papagiulio ein Denkmal setzte. Dann trat die kirchliche Reaktion ein. Der belvederische Statuenhof ward geschlossen. Seltener fanden sich Kardinäle, die, wie Ferdinando de' Medici, Ippolito d'Este, der Kardinal Montalto (Sixtus V.), ihre Villen zu Schatzkästen antiker Kunst ausgestalteten (der Mediceer erwarb unter anderem die Niobegruppe). Dafür erwachte in bürgerlichen Kreisen der Wetteifer; verschiedene Mitglieder der Familie Mattei ragen darunter hervor. Aber nicht bloß in großen Sammlungen fanden sich die Antiken zusammen, sondern ein großer Teil der immer frischen Ausbeute des Bodens verteilte sich in dekorativer Verwendung durch die Stadt: Fassaden, Höfe, Treppen, Galerien, Säle, Brunnen schmückten sich mit Statuen, Büsten, Reliefs, Sarkophagen, die durch die Art, wie sie angebracht waren, sich der zeitgenössischen Kunst anschmiegten und so erneutes Leben gewannen.

Auch das 17. Jahrhundert ist noch eine Zeit eifrigen Suchens und Sammelns. Bleibt auch der belvederische Statuenhof nach wie vor in einen Dornröschenschlaf versunken, seine kostbaren Statuen hinter hölzernen Stalltüren verborgen, so entbehrt doch keine Papstregierung der Sammellust eines Kardinalnepoten, und in ununterbrochener Folge füllen sich die Paläste und Villen der Aldobrandini, Borghese, Ludovisi, Barberini, Pamfili, Chigi usw. mit Antiken. Über welche Einflüsse ein Kardinalnepot verfügte, davon gibt Kardinal Ludovico Ludovisi ein erstaunliches Beispiel, indem er binnen Jahresfrist (1622/23) eine Sammlung von mehr als 300 Antiken zu bilden wusste — und was für eine Sammlung! Vielleicht die vornehmste, die Rom je gesehen hat, die griechische Originalwerke wie den sterbenden Gallier und die zugehörige Galliergruppe umfasste! Es war schwer, mit den allmächtigen Papstfamilien zu wetteifern, und doch gelang es beispielsweise den Giustiniani aus Genua, binnen kurzer Zeit drei bedeutende Sammlungen anzulegen, in ihrem städtischen Palaste beim Pantheon und in ihren beiden Villen am Lateran und vor Porta del Popolo. Auch gründete Papst Innocenz X., dessen Züge Velasquez in seinem meisterhaften Bilde festgehalten hat, um die Mitte des Jahrhunderts das neue kapitolinische Museum, und der gelehrte Jesuitenpater Athanasius Kircher aus Fulda legte den Grund zu der kostbaren Sammlung italischer Altertümer im Palaste seines Ordens, dem Collegium Romanum.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen