Erste Fortsetzung
Weit weniger gleichen Schritt hielt die Judenemanzipation mit der allgemeinen politischen Bewegung in Ungarn. Nach langem Stillstand eröffnete Alexander Fenyes die Besserung in seinem 1847 erschienenen Werke, „Beschreibung Ungarns", wo er, entgegen seinen früheren Ansichten, die Nation zur Achtung der Gleichberechtigung der Juden in der staatlichen Sphäre aufforderte. Vor allen aber trat nunmehr Kossuth in Wort und Schrift für diese Glaubensgenossen auf, allerdings zuerst noch kleinlaut, zweifellos, mit Rücksicht auf die, in dieser wie in anderer Weise, noch wenig geläuterte Volksstimmung. Leider war es vorzüglich das verspätete Nützlichkeitsprinzip, welchem er noch im Dezember 1847 auf dem Presburger Landtage das Wort redete, in dem er nur den gebildeten und durch Patriotismus sich auszeichnenden Israeliten das volle Bürgerrecht einräumte. In gleichem Sinne sprachen Szentkiralyi und Asztalos aus Marmarosch, wogegen eine bedeutende Mehrheit sich so judenfeindlich betrug — ein Abgeordneter verschmähte es nicht, ironisch die Geldbörse zu ziehen, als Symbol jüdischer Macht — dass selbst die Gewährung des aktiven Wahlrechts zu Gemeinde- und Abgeordnetenstellen verweigert wurde. Um jedoch etwas zu tun, verlieh man, nach damaligem Brauche, dem jüdischen Kultus die Ehre, indem nach Beschluss beider Tafeln vom 29. März 1848 alle Kirchendiener, ohne Unterschied des Glaubens, vom Staate besoldet werden sollten. Und doch vergalten die Juden nicht Gleiches mit Gleichem. Freiheitskämpfer um jeden Preis, nahmen sie von nun an Teil an dem großen, nunmehr eröffneten, später so blutigen Drama und traten in die Reihen der Nationalgarden und des Heeres. Umsonst! das Volk in seiner Masse, wozu auch ein großer Teil der Gebildeten gezählt werden muss, begriff die Freiheit doch nicht, wie das französische 1789 und das deutsche 1848. Die Aufstände, um nicht zu sagen Judenhetzen, mehrten sich dergestalt im Lande, zuerst in Presburg, später gar in Pesth, dass man lieber um Leben und Eigentum, zumal auch brav geplündert wurde, als um seine staatlichen Rechte besorgt sein musste. Allerdings raffte sich die Mehrheit der Abgeordneten jetzt um so mehr auf, da die ausländische, später auch die inländische Presse, diese Schandtaten nach Gebühr züchtigten. Zu spät! Es ward Abend im Lande Ungarn — und als auf Toths Antrag auf dem Landtage zu Debreczyn die Emanzipation als Grundsatz, ohne dass jedoch ein formales Gesetz darüber erschienen wäre, ausgesprochen wurde, tauchte bereits die Freiheitsgöttin ihre Fackel nieder. Die österreichische Okkupation begann; Gefängnisse und Kontributionen erwarteten die Juden als Lohn für ihre Teilnahme am Kampfe für ein undankbares Vaterland.
Traurige Zeiten folgten; aber als ein Jahrzehnt später in dem Februarpatent des Kaisers Franz Joseph dem unterdrückten Lande wieder ein Lichtstrahl winkte, da zeigte sich die Frucht der früheren Lauheit. Denn da die Verfassung im Punkte der Emanzipation nicht geändert worden war, so glaubte man auch die Juden zu den Wahlen für den im März 1861 zusammentretenden Landtage nicht zulassen zu können. Die letzteren schlugen Lärm, und nicht bloß ein Teil der ungarischen und österreichischen Presse trat für sie in die Schranken, sondern die Pariser Blätter waren es vor allen, die auf das eigentümliche Schauspiel eines Volkes hinwiesen, welches die Freiheit nur in Stücken zu erringen strebte. Diesen üblen Eindruck zu verwischen, bemühten sich Klapka und Pulszky. Ersterer in einem Briefe an die Journale der Hauptstadt Frankreichs, worin er sich für seine Landsleute verbürgte, dass der nächste Landtag die längst verschobene Maßregel dekretieren würde; letzterer in einem offenen Brief aus Turin an seine Wähler, der sie an die endliche Tilgung der großen Schuld des Vaterlandes an seine jüdischen Söhne mahnte. In der Tat wurde auch wacker gekämpft. In der Landtagssitzung vom 31. Mai 1861 gebührte, als die konfessionelle Frage in die Adressdebatte gezogen wurde, dem Grafen Bela Széchenyi die Palme. Er war es, der die Gleichstellung der Juden zuerst betonte, ihre großen Talente und Fähigkeiten auf so manchem Gebiete, besonders auch in der Finanz, hervorhob und die Entziehung der staatsbürgerlichen Rechte einen politischen Meuchelmord nannte. Ihn unterstützten die Führer aller Parteien und ihre vorzüglichsten Mitglieder, namentlich Deak, Tisza, Szaley, Trefort, Jokai und Podmaniczly. Dass hiergegen die schwachen Gegner, zumal diejenigen, welche von geringer Bildung der Israeliten in Ungarn faselten, nicht aufkommen konnten, war um so natürlicher, als öffentlich nachgewiesen wurde, dass bereits 1858 auf je 270 Juden ein Gymnasialschüler gerechnet wurde, bei den Christen aber einer auf je 500. Selbst die Volkswirtschaft hatte von dem kleinen Fortschritt, dass der Grundbesitz auf dem Lande den Juden gewährt wurde, den Vorteil gehabt, dass der Wert des selben um 20 Prozent gestiegen war. Nichtsdestoweniger schien man Ausnahmegesetze nicht scheuen zu wollen. Selbst Deak redete der vollen Emanzipation nicht das Wort, als wiederum diesmal zum Glück der guten Sache eine Katastrophe erfolgte: der Schluss des Landtags durch die Regierung. Endlich musste man sich, nachdem so wenig oder nichts geschehen war und die Juden zu früh sich vermagyarisiert hatten, im Jahre 1867 ermannen. Kaum aber war die Angelegenheit wieder zur Sprache gebracht, als die Selbständigkeit der Komitate gegenüber der allgemeinen Gesetzgebung einen Riss in das neue System zu bringen drohte — ein eigentümlicher Begriff von der Selbstregierung der Landesteile, wie ihn selbst England nie gekannt hat.
Da kam diesmal der österreichische Aufschwung Ungarn zu Hilfe. Längst waren die Mühlfeld'schen konfessionellen Gesetz dort in Arbeit, und die Verfassung selbst, so jubelte die Wiener Presse, sollte als Weihnachtsgeschenk erscheinen. Diesen Vorsprung jenseits der Leitha konnte man in Pesth unmöglich ertragen; und was der Liberalismus nicht gekonnt, brachte das — Ehrgefühl zu Stande. Die Clubs murrten und drängten. Die Linke verlangte in ihren Organen eine gleiche Art konfessioneller Bestimmungen. Da endlich brachte die neugeschaffene ungarische Regierung die Gleichstellung der Juden in allen bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechten unter Aufhebung aller bisher erlassenen entgegenstehenden Verordnungen als Gesetz auf die Tagesordnung. Dieses wurde einstimmig ohne Debatte von der Abgeordnetentafel am 20. Dezember 1867, von der Magnatentafel nach Bevorwortung durch Graf Cziraky, Gabriel Proney und Szechenyi, am 23. Dez. gegen 4 Stimmen angenommen. An der Verwaltung und an den Juden selbst ist es nun das Gesetz allenthalben in die Praxis einzuführen, die sich allerdings Anfangs hier und da ziemlich widerhaarig bewies. So verweigerten einige Zünfte in Pesth den Juden die Mitgliedschaft; und das Unghvarer Komitat beschloss sogar die eingewanderten russischen Juden auszuweisen: ein Beschluss, den der Minister des Innern, v. Wenkheim, sofort annullieren musste.
Hatte hiernach in Österreich wie in Ungarn die Not beten gelehrt und durch eine eigentümliche Verkettung der Umstände, gerade die politische Trennung des Kaiserstaates von Deutschland den Juden zu ihrem Rechte verholfen, so geschieht dasselbe naturgemäß durch die Neubildung des Norddeutschen Bundes in den ihm ungehörigen Teilen. Auch in diesen war die Reaktion seit 1850 und 1851 so tätig gewesen, dass die Gesetzgebung auf diesem Gebiete bald den Fortschritt hemmte, bald den Rückschritt beförderte; vor allen in Preußen.
Eine ganz ungerechtfertigte Scheu hatte hier die Regierung bisher in Betreff der obrigkeitlichen Ämter, ganz im Sinne des Gesetzes von 1847. Gegen das Richteramt des Juden erhebt man dort den Scheineinwurf, dass der Eid des Christen die Beteuerungsformel bei „Jesus Christus" enthalte, an welchen doch der Jude nicht glaube. Nun wäre es zwar überhaupt eine Wohltat für die Einheit des Rechts, wenn eine gleichmäßige für alle Staatsangehörigen passende Eidesformel in die Zivil- und Strafgesetzgebung eingeführt würde, was um so leichter geschehen kann, als ja auch der Eid auf die Verfassung, der höchste und wichtigste im Staate, nur die Bekräftigungsformel „bei Gott" enthält. Aber auch der bestehende Unterschied der Eidesschlussformel darf auf die gleichmäßige Abnahme durch den Richter, welchem religiösen Bekenntnis er auch angehören mag, keinen Einfluss üben. Nimmt ja auch der Protestant als Richter dem Katholiken den Eid ab „bei allen Heiligen", an welche er selbst nicht glaubt! Bisher waren jedoch alle Bemühungen, diesen Zustand zu ändern, sowie die Bestrebungen, den Israeliten die Lehrämter an den allgemeinen Schulen zu eröffnen, vergebens, ungeachtet dieselben schon im Edikt von 1812 gestattet waren und mithin durch die deutsche Bundesakte auch für Preußen garantiert sind, selbst abgesehen von der Verfassung von 1850.
Nicht minder traurig und das Edikt von 1812 wie die Verfassung verletzend, war die Preußische Regierungspraxis, die Juden nur zu außerordentlichen, nicht zu ordentlichen Professuren zu berufen. Es scheint, als stehe man hier vor einem Rätsel. Das Schlimmste jedoch dürfte wohl die eiserne Konsequenz sein, mit der man, mindestens bis 1866, die Ernennung zum Offizier im preußischen Heere dem Juden abschnitt. Unerhört aber wahr, am Tage von Sadowa durfte noch kein Jude sein Vaterland als Premierlieutenant verteidigen, obschon die Schlachtfelder Militärärzte jüdischen Glaubens zu Dutzenden sahen. Den Wegfall dieser Ausnahmegesetze hatte zwar das preußische Abgeordnetenhaus seit dem Jahre 1860 wiederholt beschlossen, ohne jedoch den vom Herrenhaus ihm entgegengesetzten Widerstand besiegen zu können.
Die Bedeutung dieser Rückschritte fiel nun seit der Neugestaltung der Dinge in Deutschland zu sehr ins Gewicht, um nicht schleunige Abhilfe erwarten zu können. Nötigen musste hierzu zuvörderst die heutige Zusammensetzung des vergrößerten Preußens, da einige neue Landesteile, wie Frankfurt — welches seit 1864 die alte Schuld gesühnt und die Gleichstellung der Konfessionen zum Grundsatz erhoben — Nassau und besonders Kurhessen den bisherigen preußischen Verwaltungsmaximen den Rang abgelaufen haben.
Traurige Zeiten folgten; aber als ein Jahrzehnt später in dem Februarpatent des Kaisers Franz Joseph dem unterdrückten Lande wieder ein Lichtstrahl winkte, da zeigte sich die Frucht der früheren Lauheit. Denn da die Verfassung im Punkte der Emanzipation nicht geändert worden war, so glaubte man auch die Juden zu den Wahlen für den im März 1861 zusammentretenden Landtage nicht zulassen zu können. Die letzteren schlugen Lärm, und nicht bloß ein Teil der ungarischen und österreichischen Presse trat für sie in die Schranken, sondern die Pariser Blätter waren es vor allen, die auf das eigentümliche Schauspiel eines Volkes hinwiesen, welches die Freiheit nur in Stücken zu erringen strebte. Diesen üblen Eindruck zu verwischen, bemühten sich Klapka und Pulszky. Ersterer in einem Briefe an die Journale der Hauptstadt Frankreichs, worin er sich für seine Landsleute verbürgte, dass der nächste Landtag die längst verschobene Maßregel dekretieren würde; letzterer in einem offenen Brief aus Turin an seine Wähler, der sie an die endliche Tilgung der großen Schuld des Vaterlandes an seine jüdischen Söhne mahnte. In der Tat wurde auch wacker gekämpft. In der Landtagssitzung vom 31. Mai 1861 gebührte, als die konfessionelle Frage in die Adressdebatte gezogen wurde, dem Grafen Bela Széchenyi die Palme. Er war es, der die Gleichstellung der Juden zuerst betonte, ihre großen Talente und Fähigkeiten auf so manchem Gebiete, besonders auch in der Finanz, hervorhob und die Entziehung der staatsbürgerlichen Rechte einen politischen Meuchelmord nannte. Ihn unterstützten die Führer aller Parteien und ihre vorzüglichsten Mitglieder, namentlich Deak, Tisza, Szaley, Trefort, Jokai und Podmaniczly. Dass hiergegen die schwachen Gegner, zumal diejenigen, welche von geringer Bildung der Israeliten in Ungarn faselten, nicht aufkommen konnten, war um so natürlicher, als öffentlich nachgewiesen wurde, dass bereits 1858 auf je 270 Juden ein Gymnasialschüler gerechnet wurde, bei den Christen aber einer auf je 500. Selbst die Volkswirtschaft hatte von dem kleinen Fortschritt, dass der Grundbesitz auf dem Lande den Juden gewährt wurde, den Vorteil gehabt, dass der Wert des selben um 20 Prozent gestiegen war. Nichtsdestoweniger schien man Ausnahmegesetze nicht scheuen zu wollen. Selbst Deak redete der vollen Emanzipation nicht das Wort, als wiederum diesmal zum Glück der guten Sache eine Katastrophe erfolgte: der Schluss des Landtags durch die Regierung. Endlich musste man sich, nachdem so wenig oder nichts geschehen war und die Juden zu früh sich vermagyarisiert hatten, im Jahre 1867 ermannen. Kaum aber war die Angelegenheit wieder zur Sprache gebracht, als die Selbständigkeit der Komitate gegenüber der allgemeinen Gesetzgebung einen Riss in das neue System zu bringen drohte — ein eigentümlicher Begriff von der Selbstregierung der Landesteile, wie ihn selbst England nie gekannt hat.
Da kam diesmal der österreichische Aufschwung Ungarn zu Hilfe. Längst waren die Mühlfeld'schen konfessionellen Gesetz dort in Arbeit, und die Verfassung selbst, so jubelte die Wiener Presse, sollte als Weihnachtsgeschenk erscheinen. Diesen Vorsprung jenseits der Leitha konnte man in Pesth unmöglich ertragen; und was der Liberalismus nicht gekonnt, brachte das — Ehrgefühl zu Stande. Die Clubs murrten und drängten. Die Linke verlangte in ihren Organen eine gleiche Art konfessioneller Bestimmungen. Da endlich brachte die neugeschaffene ungarische Regierung die Gleichstellung der Juden in allen bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechten unter Aufhebung aller bisher erlassenen entgegenstehenden Verordnungen als Gesetz auf die Tagesordnung. Dieses wurde einstimmig ohne Debatte von der Abgeordnetentafel am 20. Dezember 1867, von der Magnatentafel nach Bevorwortung durch Graf Cziraky, Gabriel Proney und Szechenyi, am 23. Dez. gegen 4 Stimmen angenommen. An der Verwaltung und an den Juden selbst ist es nun das Gesetz allenthalben in die Praxis einzuführen, die sich allerdings Anfangs hier und da ziemlich widerhaarig bewies. So verweigerten einige Zünfte in Pesth den Juden die Mitgliedschaft; und das Unghvarer Komitat beschloss sogar die eingewanderten russischen Juden auszuweisen: ein Beschluss, den der Minister des Innern, v. Wenkheim, sofort annullieren musste.
Hatte hiernach in Österreich wie in Ungarn die Not beten gelehrt und durch eine eigentümliche Verkettung der Umstände, gerade die politische Trennung des Kaiserstaates von Deutschland den Juden zu ihrem Rechte verholfen, so geschieht dasselbe naturgemäß durch die Neubildung des Norddeutschen Bundes in den ihm ungehörigen Teilen. Auch in diesen war die Reaktion seit 1850 und 1851 so tätig gewesen, dass die Gesetzgebung auf diesem Gebiete bald den Fortschritt hemmte, bald den Rückschritt beförderte; vor allen in Preußen.
Eine ganz ungerechtfertigte Scheu hatte hier die Regierung bisher in Betreff der obrigkeitlichen Ämter, ganz im Sinne des Gesetzes von 1847. Gegen das Richteramt des Juden erhebt man dort den Scheineinwurf, dass der Eid des Christen die Beteuerungsformel bei „Jesus Christus" enthalte, an welchen doch der Jude nicht glaube. Nun wäre es zwar überhaupt eine Wohltat für die Einheit des Rechts, wenn eine gleichmäßige für alle Staatsangehörigen passende Eidesformel in die Zivil- und Strafgesetzgebung eingeführt würde, was um so leichter geschehen kann, als ja auch der Eid auf die Verfassung, der höchste und wichtigste im Staate, nur die Bekräftigungsformel „bei Gott" enthält. Aber auch der bestehende Unterschied der Eidesschlussformel darf auf die gleichmäßige Abnahme durch den Richter, welchem religiösen Bekenntnis er auch angehören mag, keinen Einfluss üben. Nimmt ja auch der Protestant als Richter dem Katholiken den Eid ab „bei allen Heiligen", an welche er selbst nicht glaubt! Bisher waren jedoch alle Bemühungen, diesen Zustand zu ändern, sowie die Bestrebungen, den Israeliten die Lehrämter an den allgemeinen Schulen zu eröffnen, vergebens, ungeachtet dieselben schon im Edikt von 1812 gestattet waren und mithin durch die deutsche Bundesakte auch für Preußen garantiert sind, selbst abgesehen von der Verfassung von 1850.
Nicht minder traurig und das Edikt von 1812 wie die Verfassung verletzend, war die Preußische Regierungspraxis, die Juden nur zu außerordentlichen, nicht zu ordentlichen Professuren zu berufen. Es scheint, als stehe man hier vor einem Rätsel. Das Schlimmste jedoch dürfte wohl die eiserne Konsequenz sein, mit der man, mindestens bis 1866, die Ernennung zum Offizier im preußischen Heere dem Juden abschnitt. Unerhört aber wahr, am Tage von Sadowa durfte noch kein Jude sein Vaterland als Premierlieutenant verteidigen, obschon die Schlachtfelder Militärärzte jüdischen Glaubens zu Dutzenden sahen. Den Wegfall dieser Ausnahmegesetze hatte zwar das preußische Abgeordnetenhaus seit dem Jahre 1860 wiederholt beschlossen, ohne jedoch den vom Herrenhaus ihm entgegengesetzten Widerstand besiegen zu können.
Die Bedeutung dieser Rückschritte fiel nun seit der Neugestaltung der Dinge in Deutschland zu sehr ins Gewicht, um nicht schleunige Abhilfe erwarten zu können. Nötigen musste hierzu zuvörderst die heutige Zusammensetzung des vergrößerten Preußens, da einige neue Landesteile, wie Frankfurt — welches seit 1864 die alte Schuld gesühnt und die Gleichstellung der Konfessionen zum Grundsatz erhoben — Nassau und besonders Kurhessen den bisherigen preußischen Verwaltungsmaximen den Rang abgelaufen haben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Jahrhundert der Judenemanzipation und deren christliche Verteidiger.