Protestanten. Von Lorenz von Westenrieder.

Der sonst durchaus aufgeklärte Westenrieder vertraut seinem Tagebuch folgenden Erguß an:

1809. Den 11.Januar paradierten die hiesigen Protestanten bei dem Leichenbegängnis des .....*) durch die Kaufingergasse: Voraus gingen die Begleiter; dann folgte die Leiche auf dem neuen, dem Polizeidiener Swobata gehörigen Wagen, neben welchem die gewöhnlichen sechs Träger mit Windlichtern gingen, und dann folgten zwei Kutschen. (Wiewohl seit 1800 schon sehr viele Leichenzüge der Protestanten gesehen wurden, so hatte doch dieser Zug etwas besonders Neues und Besitzergreifendes. Es war diesmal kein katholischer Priester mehr dabei, der sonst als Zeuge dabei sein mußte.)


*) Der Name ist im Tagebuch fortgelassen.

Es bekam der hiesige Magistrat von der Generallandesdirektion einen Protestanten, der eines hiesigen Weinwirts-Gerechtigkeit gekauft hatte, als Bürger anzunehmen. Die Bürgerschaft berichtete den Fall an die hiesigen Landschaftsdeputierten, welche aber eine nichts entscheidende Antwort gaben.

Den 29. Juli schickte der Kurfürst an den Magistrat ein Handbillet, worin dem Magistrat mit vielen Drohungen ans den Weigerungsfall befohlen wurde, den Protestanten allsogleich als Bürger anzunehmen.

Der ,,erste Protestant Münchens“, d. h. der erste, der als Bürger und eine Gerechtsamkeit Ausübender aufgenommen werden mußte, war der Weinwirt und Pfälzer Michel. Niemand in München wollte damals einen Protestanten beherbergen aus Angst, der Blitz möchte in das Haus einschlagen, in dem man einem Ketzer Gastfreundschaft gewähre.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Jahrhundert München 1800-1900