Ein Blick auf die Geschichte der Juden in Würzburg

Autor: Bamberger, Moses Löb Dr. (1869-1924) Rabbiner Seminarlehrer., Erscheinungsjahr: 1905

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Jüdische Geschichte, Würzburg, Stadtgeschichte, Leidensgeschichte, Kreuzfahrer, Kreuzzüge, Fanatismus, Kreuzfahrerheer, Schutzjuden, Synagogen, Opfer, Beschützer, Schutzgeld, Pöbel, Judengassen, Münzjuden, Leibarzt, Heilkunst,
Vorwort.

Am 13. Februar sprach ich im Verein für jüdische Geschichte und Literatur dahier über das Thema „ein Blick auf die Geschichte der Juden in Würzburg". Von vielen Seiten wurde der Wunsch ausgesprochen, den Vortrag gedruckt zu sehen, ein Wunsch, dem ich gerne entspreche. Das Material des Vortrags entnahm ich meiner in nicht allzuferner Zeit zu veröffentlichenden Arbeit: „Geschichte der Juden in der Stadt und im Hochstifte Würzburg". Dort werde ich den Quellennachweis führen und die Urkunden, soweit sie noch nicht veröffentlicht sind, mitteilen. Mögen diese Blätter einer freundlichen Aufnahme sich zu erfreuen haben!

      Würzburg, im Februar 1905.
                  Dr. M. L. Bamberger.



Die Spuren der Gründung der Stadt Würzburg führen zurück bis ins graue Altertum. Schon in der Römer Tagen hatten Menschen sich hier angesiedelt, wie dies mit Evidenz nachgewiesen ist durch die Pfahlbautenreste, welche man im Jahre 1867 auf dem sogenannten grünen Markte dahier in einer Tiefe von 16 — 18 Fuß zu Tage gefördert hat. Und bereits im Jahre 704 ist die Marienburg das „Castellum Virteburch" die Residenz der fränkisch-thüringischen Herzöge. Im Jahre 741 muss Würzburg bereits Stadt gewesen sein, da es Sitz des Bistums wird und nach dem kanonischen Rechte nur in Städten Bischofssitze errichtet werden durften. Wann zum ersten Male Juden in unserer alten Herbipolensis sich ansiedelten ist mit Bestimmtheit nicht nachzuweisen. Soviel aber steht fest, dass bereits zu Ausgang des 11. Jahrhunderts Juden hier wohnten. Wahrscheinlich hat das Jahr 1096 , das durch die blutigen Judenverfolgungen in der Rheingegend die Juden aus der dortigen Gegend verscheucht, sie in die Main- und Taubergegend geführt, woselbst damals ein milderer Geist gegen die Juden herrschte. Aus dem Jahre 1119 ist uns eine Urkunde erhalten, mittels deren der Jude Jacob und seine Gattin Guta vom Stifte Neumünster in Würzburg einen Hof mit einem Hause erwerben, wofür sie dem Stifte alljährlich im Herbste eine Abgabe zu leisten haben. Es ist dies ein Beweis für den Geist der Duldung, der hier herrschte, denn anderwärts durften Juden Grundbesitz damals grundsätzlich nicht erwerben. Auch war die Abgabe dieselbe, welche der frühere Besitzer, die Witwe Wiemanns und ihre Erben, an das Stift zu leisten hatte. Es dauerte allerdings nicht lange und auch hier in Würzburg entfachte der Fanatismus der Kreuzzügler, jenes furchtbare Feuermeer, in dessen Fluten so zahlreiche unserer Glaubensgenossen den Untergang fanden. Ein Kreuzfahrerheer hatte sich im Jahre 1147 in Würzburg gesammelt. Das Unglück wollte es, dass man damals im Maine den Leichnam eines Christen fand. Wer anders als die ungläubigen Juden konnten die Mörder sein? Eines Beweises bedurfte es natürlich nicht! Die Kreuzfahrer und der Pöbel fallen über die Juden her und am 24. Februar 1147 = d. i. der 22 Adar 4907 a. m. werden 21 Personen Männer, Frauen und Kinder erbarmungslos hingeschlachtet, die übrigen flüchteten sich auf die Feste Marienberg, wo sie in dem Bischof Siegfried Graf von Truhendingen einen kräftigen Beschützer fanden. Unter den Ermordeten waren auch der Rabbiner Rabbi Isak, Sohn des Rabbi Eljakim, der Rabbiner Rabbi Mose und seine Frau Bei et und deren Sohn Rabbi Isak und der Gesetzrollenschreiber Rabbi Isak. Die verstümmelten Leichen wurden am sogenannten Judengarten zu Pleichach begraben. Dieses Grundstück wurde von einem Bruder des ermordeten Rabbiners Rabbi Isak mit Namen Rabbi Chiskia, Sohn des Rabbi Eljakim, und seiner Gattin Judith vom Bischof käuflich erworben und zum Gemeindefriedhof bestimmt. Die Poesie hat diese bemitleidenswerten Opfer des Fanatismus poetisch verklärt in synagogalen Klageliedern und Bittgebeten, von denen ich nur auf jene wundervolle Selicha hinweise, die wir in der Minchaordnung am Versöhnungstage sprechen, die mit den Worten beginnet: „Der Eid, dem Abraham geschworen, ging seinen Kindern nie verloren."

Verfasser dieser Akeda ist Rabbi Elieser ben Natan, der unter dem Namen Raben bekannte und berühmte Mainzer Rabbiner. Nur kurze Zeit schäumten hier in Würzburg die Wogen des blutigen Hasses, dem Mönch Bernhard von Clairvaux gelang es durch die Macht seiner Beredsamkeit, die aufgeregten Massen zu beruhigen und zur Besonnenheit zurückzurufen. So entwickelt sich hier in Würzburg, nachdem die Flüchtigen bald wieder zurückgekehrt waren , ein reges Gemeindeleben. Es entsteht eine Synagoge, und an der Spitze der Gemeinde leben und wirken Männer , die zu den hervorragendsten Erscheinungen der jüdischen Gelehrtenwelt zählen, so der bekannte Rabbi Elieser ben Joel Halevy, der Verfasser von Abiosof und Abiesri, zahlreicher Tosafot und anderer selbständiger religionsgesetzlich bedeutsamer Werke. Auch der später berühmte Wiener Rabbiner R. Isak ben Mose Or sorua und sein Schüler Rabbi Mair aus Rothenburg amtierten gleichfalls in Würzburg als Rabbiner. Letzterer erzählt uns von einer Vorrichtung, die er hier getroffen, mit Rücksicht auf das Verbot am Sabbat von einem Besitzkreis in den andern zu tragen .

Von einer Beschränkung der Freiheit, des Handels oder des Wohnrechts erfahren wir nichts. Wohl kommen bereits im 12. Jahrhundert zwei Judengassen in Würzburg vor, die gegenwärtige Schustergasse und wahrscheinlich die ehemalige Jörgengasse, die gleichfalls in den grünen Markt, dem sogenannten „Theatrum judeorum" einmündete. Doch waren die Juden keineswegs von Polizeiwegen gezwungen, sich ausschließlich hier anzusiedeln, sie durften auch in anderen Teilen der Stadt Wohnung nehmen, sie zogen es aber vor in der Nähe der Synagoge, welche sich am Markte befand, Wohnung zu nehmen.

Auch zu den verschiedensten Berufsarten hatten die Juden Zutritt. So versah der jüdische Minnesänger Süsskind von Trimberg. dessen Lieder in der Manesse'schen Liederhandschrift in Heidelberg sich finden, den Posten eines Spitalarztes am St. Egid und Dietrichsspital dahier. Später lernen wir auch die Judenärzte Dr. Heilmann und den Leibarzt des Bischofs Dr. Seligmann kennen, sogar eine Judenärztin namens Sarah begegnet uns. Während der Regierung des Bischofs Otto von Lobdeburg 1207 — 1221 war ein Jude namens Jechiel Münzmeister des Bischofs. Münzen mit seinem in hebräischer Schrift aufgeprägten Namen befinden sich in den Sammlungen des historischen Vereins dahier. Auch andere Münzen, aus gleicher Zeit stammend, zeigen rückläufige Schriftprägung, was darauf hindeutet, dass der Münzmeister ein Jude und die Schrift von rechts nach links auftragen ließ, wie dies beim Hebräisch-Schreiben geschieht.

Allerdings mussten die Juden in Würzburg ebenso wie anderswo die Liebe der regierenden Herren durch wertvolle Gegenliebe, in Form von bedeutenden Schutzgeldern, erkaufen. So erhebt beispielsweise Bischof Iring im Jahre 1261 von den Juden in Würzburg 1000 Pfund Heller an Schutzgeld, außerdem hatten die Juden jährlich an den Rat der Stadt Würzburg 5 Pfund Heller als Wachtlohn für die Türmer zu entrichten. Für diese letztere Abgabe fand im Jahre 1324 eine Ablösung statt, indem die Juden 50 Pfund Heller zahlten, als Ausgleich für die rückständigen jährlichen Abgaben und weitere 50 Pfund als ein zu 5% anzulegendes Kapital, aus dessen Zinsen künftighin die Türmer bezahlt werden sollten.

Selbstredend bildeten diese hohen Schutzgelder doch noch keinen Freiheitsbrief, der den Juden es möglich machte, in ungestörter Ruhe zu leben. Jeden Augenblick hatten sie irgend eine neue, teils größere, teils kleinere Chikane zu verzeichnen. So wird den Juden z. B. im Jahre 1342 vom Bischof Otto von Wolfskehlen es untersagt, an christlichen Festtagen, bei einer Strafe von 60 Pfennigen, Fische zu kaufen. Oder Bischof Johann Philipp bestimmt, dass jeder Jude jährlich nur 2 Stück Vieh für koscher schlachten lassen dürfe, sollte er mehr brauchen, so an Feiertagen oder bei Hochzeiten, so ist jedesmalige Erlaubnis anzustreben. Selbstredend wurde diese gegen Bezahlung erteilt. Auch die alljährlich in der Herbstordnung zu erteilende Erlaubnis „vier bis fünf Fuder gekoscherten Wein herzustellen und mit ungekoschertem frei handeln zu dürfen", kostete 20 Dukaten. Die Würzburger Diözesansynoden von den Jahren 1407 und 1446 verbieten es allen christlichen Dienstboten bei Juden in Dienst zu treten.

Das alles ist jedoch unbedeutend und kaum nennenswert im Vergleich mit jener furchtbaren Judenverfolgung vom Jahre 1298, die nicht nur über die Juden Würzburgs, sondern auch über sämtliche Juden im Maintal und Taubergrunde unsäglich Elend herbeiführte. Ein schwäbischer Edelmann namens Rindfleisch, durchzog Städte und Dörfer, und gab vor, von Gott den Auftrag erhalten zu haben, die ungläubigen Juden zu vernichten. Die Aussicht auf den an den Juden zu verübenden Raub lockte viele. Von Tag zu Tag wuchs sein Anhang. In gewaltigen Horden wälzten sich die Räuber und Mörder von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf, Blut auf ihren Spuren zurücklassend. Am 13 Ab 5058 d. i. der 23. Juli 1298 langten die Wüteriche in Würzburg an, mehrere Hundert Männer, Frauen und Kinder wurden mit dem Schwerte erschlagen oder im Wasser ertränkt u. a. auch der Rabbiner Rabbi Efraim und seine Gattin Rachel, die im Gemeindebade, Mikwe, den Tod fanden. Unter den Ermordeten befanden sich auch die beiden Gelehrten R. David b. Menachem und sein Bruder R. Natronai, die häufig in den R. G. A. des Rabbi Mair von Rothenburg, den Hagoath Maimuni und im Mordochai zitiert werden. Die Namen der Unglücklichen, welche der Wut der Rasenden zum Opfer fielen, hat das Nürnberger Martyralogium uns aufbewahrt.

Auch das Jahr 1336 brachte die Würzburger Juden in große Gefahr. Die Ursache war folgende. Papst Benedikt XII. wurde vom Bischof Otto von Wolfskehlen (1335 — 1345) darum angegangen, dass er ihn entbinde von seinem den Juden geleisteten Eide, mittelst dessen er sich verpflichtet hatte, die ihnen schuldigen Kapitalien zurückzuzahlen. Der Papst entsprach dem Wunsche des Bischofs. Otto fordert die Juden nun auf, ihre Schuldbriefe zurück zu geben. Den Juden blieb nichts anderes übrig als zu gehorchen. Das Beispiel, das der Landesfürst gegeben, gefiel den Bürgern. Auch sie verlangten die Zurückgabe der Schuldurkunden. Dabei kam es zu blutigen Verfolgungen in Aub, Röttingen, Mergentheim, Krautheim, Uffenheim und hauptsächlich in Kitzingen. Von Kitzingen wandte sich der Pöbel nach Würzburg mit der gleichen Absicht. Die Würzburger Bürger hatten aber in aller Ruhe bereits das Geschäft des Judenplünderns übernommen, fürchteten mit den von Kitzingen kommenden Banden teilen zu müssen, sie zogen ihnen deshalb entgegen und zersprengten sie. Die Juden waren, behufs größeren Erfolges der Plünderung, von den Würzburger Bürgern gefangen genommen worden und mussten sich durch ein hohes Lösegeld loskaufen.

Hier wie dort war es begreiflicherweise um nichts anderes als nur Beraubung der Juden zu tun. Noch interessanter ist die Art und Weise, wie Bischof Johann II. (1413 — 1440) sich in den Besitz von Geld zu bringen verstanden hat. Johann, ein gutmütiger Fürst, und keineswegs ein Feind der Juden, hatte wie so mancher andere seiner Kollegen auf den Thronen das Missgeschick stets eine leere Kasse und eine bedenkliche Schuldenlast zu besitzen. Um seine Kasse zu füllen und sich auf bequeme Weise seiner Schulden zu entledigen, ließ er an einem bestimmten, geheim gehaltenen Tage sämtliche Juden in der Stadt und im Hochstift Würzburg einfangen und nach ihrem Vermögensstande schätzen oder richtiger gesagt, brandschatzen. Auf diese Weise erhielt er 60.000 Gulden, circa 100.000 Mark, eine für damalige Verhältnisse geradezu horrende Summe. Nur die Hälfte behielt er für sich, die andere Hälfte überließ er den Jägern, welche ihm das edle Wild zugetrieben hatten.

Diese Episode hat wenigstens eine heitere Seite. Weit trauriger wirkt auf uns ein Ereignis, das gleichfalls in der Habsucht und der Bosheit der Nicht-Juden in damaliger Zeit seine Begründung findet, ein Ereignis, an das wir täglich erinnert werden, wenn wir über den hiesigen Markt gehen und unsern Blick richten auf jenes sich dort befindliche herrliche Baudenkmal im gotischen Stil. An jener Stelle, an der heute andächtige Christen sich zu ihren religiösen Übungen versammeln, sandten bis zum Jahre 1349 unsere Glaubensbrüder und Schwestern ihre frommen Gebete empor zum König aller Könige.

An jener Stelle, an der heute die Marienkirche sich stolz erhebt, prangte ehedem ein herrliches jüdisches Gotteshaus. Es war im Jahre 1349; eine furchtbare Pest, der schwarze Tod, raffte Hunderttausende von Menschen hinweg, verhältnismäßig wenige Juden wurden als Opfer gefordert. Das gab der abergläubischen Menge Veranlassung, Gehör zu schenken den Worten einiger Übelwollenden, welche sagten, „die Juden haben die Brunnen vergiftet und dadurch das große Sterben veranlasst". Dies genügte dem Pöbel, um über die Juden herzufallen und sie schonungs- und mitleidslos zu töten. Vom 28. März bis zum 30. September wütete das Morden im Hochstift Würzburg. Als die Verfolgung sich auch in die Stadt Würzburg fortsetzte, beschlossen sämtliche Juden sich samt ihren Frauen und Kindern nebst ihrer Habe und ihrem Gut in ihren Häusern zu verbrennen. Am Dienstag, den 20. April, am frühen Morgen stand der große Judenplatz mit der Synagoge und sämtlichen auf demselben befindlichen Häusern in hellen Flammen. Unter den Verbrannten waren auch die Rabbiner Rabbi Güldenknauf, Rabbi David und Rabbi Moses Hadarschan. Was vom Feuer nicht ganz zerstört worden war, wurde von des Pöbels Wut noch vollendet und auf dem Platze, auf dem die Synagoge stand, wurde zuerst die Liebfrauenkapelle und später die Marienkirche errichtet. Gleich traurige Erinnerungen wie die Marienkirche erwecket in uns die Betrachtung eines Gebäudes, das berufen ist, leidenden Menschen Linderung zu verschaffen , dessen Entstehung aber vielen Menschen bitteres Leid gebracht hat, ich meine das Juliusspital.

Um das Jahr 1446 hatten die Juden von dem Bischof Gottfried Schenk von Limburg um den Preis von 300 Goldgulden und einen jährlichen Zins von 35 Gulden einen am Pleichach gelegenen Platz, den sogenannten Tanzflecken, erworben. Auf diesem Platze errichteten sie eine Synagoge und einen Friedhof. Es war dies derselbe Platz, auf dem der 1147 von Rabbi Chiskia ben Eliakim und seiner Gattin Judith angelegte Friedhof sich befunden hatte. Dieser war jedoch bereits früher vom Bischof Johann an den Metzger Hans Wentzel und seinen Erben übertragen worden, als Aequivalent für eine Fleischrechnung im Betrag von 900 Gulden! Wentzel legte auf demselben einen Weinberg an. Bischof Gottfried, ein milder, gerechter Fürst, der diesen Schandfleck an seinem Bischofmantel nicht tragen mochte, löste den Friedhof wieder ein und übergab ihn, laut Urkunde vom 12. Mai 1446, den Juden, mit dem Rechte, ihre Toten dort zu bestatten. Als nun Bischof Julius Echter von Mespelbrunn (1573—1617) das nach ihm benannte Spital erbauen wollte, eignete er sich, ohne weitere Verhandlungen, den Judenfriedhof an, um dort sein Krankenhaus zu errichten. Alle Bitten und Vorstellungen von Seiten der Juden blieben erfolglos, selbst die Aufforderung des Kaisers, seinen jüdischen Untertanen gerecht zu werden, hatte keinen Erfolg, nicht einmal dazu verstand er sich, den Juden den an den Bischof Gottfried gezahlten Kaufpreis zurück zu erstatten. Damals wohnten nur wenige Juden in Würzburg, denn im Jahre 1565 am 2. September mussten sämtliche Juden auf Grund eines von Bischof Friedrich erteilten Befehls, die Stadt verlassen. Der Rat der Stadt Würzburg ließ die Judengassen durch Ketten abschließen, die Schlösser und Schlüssel zu denselben ließ er ehrsamen und vertrauten Personen einhändigen. Von nun ab durften Juden nur mit besonderer Erlaubnis sich in Würzburg niederlassen, und in den meisten Fällen wurde diese verweigert. Erlaubnis zur Niederlassung in Würzburg erhielten in der Regel nur jene Juden, die dem Bischof durch ihren Reichtum oder ihr Finanzgenie zu nützen imstande waren, so der Vorsteher der Würzburger Landjudenschaft Cossmann und sein Schwiegersohn Schimmel, welche sich um das Münzwesen des Bischofs große Verdienste erworben hatten. Auch der Münzpächter Marx von Eibelstadt hatte in Würzburg Wohnrecht. Ebenso war es dem Heidingsfelder Schutzjuden Samuel Isaak gestattet in Würzburg eine Garküche zu betreiben. Als jedoch 1746 auch Wolf Salomon aus Heidingsfeld darum nachsuchte, eine zweite Garküche errichten zu dürfen , wurde dessen Gesuch abgelehnt. Andere Juden, die zu Handelszwecken nach Würzburg kommen wollten, mussten einen gelben Ring auf der Brust tragen und mit dem üblichen Leitzollzeichen . das natürlich von den bischöflichen Beamten erkauft werden musste, versehen sein. Welche Summen dieses Leibzollzeichen einbrachte, können wir daran ermessen, dass allein die reichsritterschaftlichen Juden für dessen Ablösung jährlich 3000 Gulden zahlten.

Mit der Ausweisung der Juden aus den bischöflichen Gebieten hatte begreiflicherweise der Bestand einer jüdischen Gemeinde in Würzburg sein Ende erreicht. Das jüdische Gemeindeleben in unserer Nachbarstadt Heidingsfeld gewann dadurch an Bedeutung, denn die dortigen Juden standen nicht unter der Botmäßigkeit des Bischofs, sondern unter der der freien Reichsritter. Infolge dessen war auch Heidingsfeld der Sitz des Landoberrabbiners, der sowohl für die bischöflichen als die reichsritterschaftlichen Juden eingesetzt war und vom Bischof bestätigt sein musste, Heidingsfeld war auch Sitz des jüdischen Gerichtes. Das dortige Rabbinat hatte auch in weltlichen Angelegenheiten als erste Instanz die Jurisdiktion.

Ich möchte es nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit auch von einem in Heidingsfeld stattgefundenen Haubenkrieg zu erzählen, der allerdings auf rasche Weise durch ein bischöfliches Dekret entschieden wurde. Am 28. Juli 1778 hatten sich die Judenvorgänger zu Heidingsfeld beschwert, dass einige „Judenweiber in der Schule englische Hüte und geheftete Hauben tragen", worauf am 7. September 1775 der Bischof „gnädigst bestätigt, dass sämtliche Judenweiber bei ihrer von jeher bräuchlichen Tracht noch ferner bleiben sollen".

Heidingsfeld hatte sich um das Jahr 1469, wie Rabbi Moses Minz in seinen R. G. A. schreibt, von der Würzburger Gemeinde losgerissen, und blieb bis zu Ausgang des 18. Jahrhunderts „der erste Judenplatz des Hochstifts". (Bericht des Judenamtmanns Röthlein.)

Erst zu Anfang des vorigen Jahrhunderts siedelten sich wiederum Juden in Würzburg an. Die ersten Juden, die sich in Würzburg wieder ansiedelten, waren die Ahnen der noch jetzt hier lebenden Familien Mayer und von Hirsch. Im Jahre 1813 befanden sich hier folgende 14 jüdische Familien:

      Jacob Hirsch, Hofbankier
      Salomon Hirsch
      Samuel Jeidels
      Mayer Fälklein
      Feist Aron
      Nehm Aron
      Abraham Hirsch Mayer
      Jacob Mayer
      Jacob Mayer Joseph
      Samuel Aron Koppel
      Moses Hirsch Fleischmann
      Aron K o h n
      Moses Jeidels
      Low Coppel.

Am 23. September 1813 suchte Oberrabbiner Abraham Bing um die Erlaubnis nach, den Sitz des Rabbinats nach Würzburg verlegen zu dürfen, was auch in der Sitzung des Staatsrats vom 14. Oktober 1813 genehmigt wurde. 1814 siedelte Oberrabbiner Bing nach Würzburg über, wo er bis zu seiner erfolgten Pensionierung eine segensreiche Tätigkeit entfaltete. Oberrabbiner Bing, ein Schüler von R. Natan Adler in Frankfurt am Main, war am 12 Ab 5558 als Landoberrabbiner für die hochfürstlichen bischöflichen und den reichsritterschaftlichen Juden mit einem festen Gehalt von 163 fl. angestellt worden, wovon die bischöflichen Juden 100 fl., die reichsritterschaftlichen 63 fl. zu zahlen hatten; außerdem hatte er die üblichen Nebeneinnahmen, wobei ganz besonders die Gerichtssporteln sehr bedeutend ins Gewicht fielen.

Als im Jahre 1839 (31. Dez.) Bing in den Ruhestand trat, erhielt er eine Pension von 300 fl. p. a.

Das bisherige Oberrabbinat wurde aufgehoben und sechs Distrikts Rabbinate in Unterfranken geschaffen und zwar „Aschaffenburg, Burgpreppach, Kissingen, Marktsteft, dann Mainbernheim, später Kitzingen, Obbach, später Niederwerrn, dann Schweinfurt und Würzburg.

Der erste Distriktsrabbiner in Würzburg war Rabbi Seligmann Bär Bamberger aus Wiesenbronn (gestorben am 13. Oktober 1878). Die wiedererstandene Gemeinde hatte bald nach ihrer Neugründung schwere Kämpfe zu bestehen. Die Bürgerschaft war den Juden nicht wohlgesinnt, man hatte sich in den Gedanken hineingelebt, dass in der alten Bischofstadt Juden Wohnrecht nicht erhalten sollten. Und so gelang es im August 1819 einigen Hetzern, den Pöbel auf die Juden zu hetzen und sie mit dem Rufe „Hepp, Hepp" zu verfolgen. Die Stimmen der gutgesinnten, insbesondere des Professors Brendels, wurden übertönt von dem lauten Geschrei der aufgeregten Massen. Nur dem entschiedenen Auftreten der Regierung und den energischen Maßregeln des Ministeriums gelang es Blutvergießen zurückzuhalten und in verhältnismäßig kurzer Zeit die Ruhe wieder herzustellen.

Die Juden hatten bei dem Tumulte bedeutende Vermögensverluste erfahren, und da sie sich auch in ihrer persönlichen Sicherheit gefährdet fühlten, flüchteten sie außer Landes. Erst nach und nach kehrten sie nach Würzburg zurück. Eine Gemeinde im eigentlichen Sinne des Wortes bildete sich jedoch erst im Jahre 1828 und zwar infolge einer von der kgl. Regierung erlassenen Verfügung, welche auf Grund des Judenedikts von 1813*) die Gründung einer solchen und vor allem die Errichtung einer Synagoge forderte. Lange Zeit dauerte es, bis die Synagoge in Würzburg vollendet wurde. Damals bestanden hier sechs Privatsynagogen. Die Regierung beauftragte den Magistrat, sämtliche sechs Synagogen zu schließen und Sorge zu tragen, dass eine für alle Israeliten ausreichende Synagoge erbaut werde. Endlich erwarb man den Hof zum Fresser, legte die Baupläne der kgl. Regierung und dem Ministerium zur Bestätigung vor, und am 10. September 1841 fand die Einweihung der neuen Synagoge, in Gegenwart der Vertreter der königlichen und städtischen Behörden statt. Das Recht, sich beliebig in Würzburg anzusiedeln, wurde den Juden aber um diese Zeit noch nicht erteilt. Dieses erhielten sie erst im Jahre 1861. Aus diesem Anlasse fand, verbunden mit der Geburtstagsfeier des Königs, am 28. November 1861 eine Dankfeier statt, „wegen Aufhebung der Ansässigmachung und des Gewerbebetriebs".

Seit dieser Zeit nimmt die jüdische Gemeinde in Würzburg von Jahr zu Jahr immer mehr an Größe und Bedeutung zu, wofür nächst Gott, wir in erster Linie zu danken haben dem allezeit milden und gerechten Sinne unseres erhabenen Herrscherhauses Wittelsbach.

*) Das Judenedikt von 1813 erlangte erst im Jahre 1817 im Würzburgischen Rechtskraft.

001. Würzburg: Fürstbischöfliche Residenz

001. Würzburg: Fürstbischöfliche Residenz

002. Würzburg: Mittelbau der Residenz mit Frankoniabrunnen

002. Würzburg: Mittelbau der Residenz mit Frankoniabrunnen

003. Würzburg: Hofgarten mit Seitenflügel der Residenz

003. Würzburg: Hofgarten mit Seitenflügel der Residenz

004. Würzburg: Tor mit Gitterkrönung an der Residenz

004. Würzburg: Tor mit Gitterkrönung an der Residenz

005. Würzburg: Die Domstraße mit Rathaus und Dom

005. Würzburg: Die Domstraße mit Rathaus und Dom

006. Würzburg: Die Osttürme des Domes St. Kilian

006. Würzburg: Die Osttürme des Domes St. Kilian

Der greise Jude

Der greise Jude

Bärtiger Jude

Bärtiger Jude

Lesender Jude

Lesender Jude

Meditierender Ostjude

Meditierender Ostjude

Jude bei der Arbeit

Jude bei der Arbeit

Jüdin mit Kopftuch

Jüdin mit Kopftuch

Jüdischer Mädchenkopf

Jüdischer Mädchenkopf

Jugendliche Jüdin

Jugendliche Jüdin

Seitenansicht einer schönen Jüdin

Seitenansicht einer schönen Jüdin

Jüdischer Lockenkopf

Jüdischer Lockenkopf

Traurige Augen eines Judenkindes

Traurige Augen eines Judenkindes

01 Flüchtlinge aus Palästina

01 Flüchtlinge aus Palästina

02 Pogromflüchtlinge

02 Pogromflüchtlinge

14 Jüdische Proletarierwohnung

14 Jüdische Proletarierwohnung

21 Vor der Volksküche

21 Vor der Volksküche

22 Bettelndes Ehepaar

22 Bettelndes Ehepaar

24 Mittagessen auf der Straße

24 Mittagessen auf der Straße

26 Im Massen Quartier

26 Im Massen Quartier

27 Tempelbettlerinnen

27 Tempelbettlerinnen

28 Im Massenquartier

28 Im Massenquartier

Kreuzritter

Kreuzritter

Einzug in Jerusalem

Einzug in Jerusalem

Geschichte der Kreuzzüge, Cover

Geschichte der Kreuzzüge, Cover