Ein Berliner Kaufhaus

Aus: Ueber Land und Meer
Autor: Redaktion, Erscheinungsjahr: 1881

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Berlin, Hauptstadt, Großstadt, Kaufhaus, Handel, Warenhaus, Damenmode, Großhandel,
Reizend war die Agenda, die uns Rudolph Herzog ins Haus geschickt hatte – interessant aber war der Katalog, der wenige Tage später in unseren Besitz gelangte. Lange, viel zu lange Zeit schier verwandten wir auf das Durchlesen dieses stattlichen Bandes, aber endlich waren wir schlüssig geworden, dem Frühling, der in diesem Jahr so früh schon an unsere Fenster pochte, Rechnung zu tragen, d. h. Für unsere Frühjahrsgarderobe zu sorgen. Ist man erst einmal über das Wo im Klaren, das Was ergibt sich schon an Ort und Stelle rasch genug. Am nächsten Tag lenkten wir unsere Schritte nach dem wohlbekannten Hause, Breitestraße 14 und 15.

Reich mit Marmorschildern geschmückt erscheint die Fassade. Vornehm präsentieren sich die Gebäude, in welchen das größte Berliner Kaufhaus untergebracht ist. Blendende Helle verbreiten die vier kolossalen dreiarmigen Kandelaber, nach neuestem Pariser System konstruiert, weithin über die ganze Breitestraße.

Wir treten in das Vestibül. In den Fußboden aus weißem Marmor ist die Firma und Jahreszahl der Gründung des Geschäfts (1839) mosaikartig eingelegt. Die Seitenwände sind mit pompejanisch rotem Marmor in einer Einfassung von grünlichem Marmor bedeckt. Zwei Bronzereliefs, modelliert von Professor Blaeser, und ebenso ausgezeichnet durch die Komposition wie durch die Ausführung, stellen links den Abschied des Jünglings vom Hause, rechts die Rückkehr in dasselbe, die Lehr- und Wanderjahre dar. Der Eindruck, den man empfängt, sobald man eines der hohen, von granitenen Säulen getragenen Portale passiert hat, ist ein überwältigender. Die imposante Größe des Raums, der prächtige architektonische Schmuck, die echt bürgerlich vornehme Eleganz, das Alles weicht so sehr von dem sonst in Berlin gewohnten ab, dass Niemand sich der Überraschung erwehren kann. Kaum, dass wir, womit zuerst anfangen, um das richtige Bild dessen zu geben, was zu beschreiben wir unternommen haben. Es ist gut, dass wir unserer Mehrere sind, allein wäre wohl keine von uns zurecht gekommen. Unsere Ida St. hat ein gutes Gedächtnis, sie kennt das Geschäftshaus Hertzog schon länger und so hilft sie ergänzend und berichtend nach.

Vor allem ist Eins auffällig und zwar sehr angenehm auffällig, sobald man die Verkaufshalle betritt: man fühlt, dass Alles, was da geschaffen ist, für die Damenwelt geschaffen wurde. Elegante Blumenständer, deren feine Ziselierung auf Pariser Arbeit hindeutet, tragen frische Blumen, ein kleiner Goldfischteich, der durch einen plätschernden Strahl in Bewegung gehalten wird, ist mit den Kindern des Frühlings umsäumt, an den Treppenabsätzen sehen wir Blumen, - und doch drängen sie sich nicht auf. Es waren eben die Gasflammen angezündet worden, als wir eintraten, und der weite, mächtige Raum schwamm in einem Meer von Licht. Freundlich, zuvorkommend sind die Verkäufer daselbst; es wirkt wohltuend, von jener geschwätzigen Aufdringlichkeit verschont zu sein, die man sonst hier und da antrifft. - Wir haben die Detailhalle betreten und wenden uns nach der linken Seite, dem Lager der besseren Phantasieartikel. Im Handumdrehen haben wir die reichste Auswahl geschmackvoller Stoffe vor uns und beginnen zu wählen. Leicht ist dies nicht, aber wir beeilen uns, denn wir haben noch Großes vor; wir wollen – wenn der Chef es gestattet – einen kleinen, ganz winzigen Einblick in die Mysterien dieses Kaufhauses tun; das kann recht viel Zeit in Anspruch nehmen. Unsere Bitte wurde gewährt – wir konnten die weiten Räume durchwandern, mit raschen Blicken von der Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit der Artikel und endlich von der mustergültigen Ordnung Kenntnis nehmen.

Die Detailhalle des Erdgeschosses hat drei: links die schon erwähnte, zuerst von uns besuchte, ferner eine Mittelabteilung für allerhand kleinere Artikel und Gelegenheitskäufe, und rechts davon ein Lager für wohlfeile und zurückgesetzte Stoffe. Diese Abteilung ist gerade sehr in Anspruch genommen. Da wogt es und rauscht es, und in dem Gewühl bemächtigt sich der Käufer eine fast fieberhafte Aufregung, wie wenn sie fürchteten, es könnte ausverkauft sein, ehe sie befriedigt wären. Sie brauchen sich nicht zu fürchten, Was hier liegt, sind eigentlich nur die Proben von den unerschöpflichen Vorräten in den Grosräumen des Hauses. Ein Druck am Telegraphendraht, und die Bresche ist sofort wieder ausgefüllt. Rudolph Hertzog kann wohl einmal ausverkaufen, aber er lässt sich nicht auskaufen. Wir haben Mühe zu passieren, um zu dem sich anschließenden Tücher- und Châleslager zu gelangen, das, in weiter Linie sich hinstreckend, auch reiche Vorräte an Reise- und Schlafdecken, auch reiche Vorräte an Reise- und Schlafdecken aufweist. Hier ist für jede Bequemlichkeit zur Besichtigung der größten Stücke gesorgt; der Raum hat prächtige Seitenbeleuchtung für den Tag und glänzendes Gaslicht für den Abend. Unmittelbar daran stößt das Leger der Seidenstoffe und Sammte für den Detailverkauf. In unendlicher Länge fast dehnen sich die Repositorien aus, in welchen, wohl verpackt und durch dünne Zwischenbrettchen gegen jeden Druck geschützt, sich die einzelnen Stücke befinden; hier stoßen Engros- und Detaillager zusammen, das erstere schließt sich nämlich dem letzteren unmittelbar an. International ist die Gesellschaft dieser Warengattung, aber tatsächlich befindet sich viel deutsches Fabrikat hier, welches in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht hat. -

Wir haben plötzlich, bei einen Biegung nach links, die imposanten Pack- und Schauräume vor uns. Ein hier mündender langer, scheinbar unbenutzter Gang veranlasst uns zu der Frage nach seiner Bestimmung, und unser dienstwilliger Cicerone erklärt uns, dass hier ein Schienengeleise, von den Schauräumen nach dem hydraulischen Aufzug führen, in Kurzem gelegt werden soll. Dies erst gemahnt uns, zurückzublicken, ob denn der Weg so weit sei, dass Herr Hertzog für den Transport der Waren des Schienenwegs bedarf. In der Tau, wir hatten die Länge des Raumes übersehen, als wir nach Interessanterem zu blicken hatten: wir sind eigentlich gar nicht mehr in der Breitestrße, - wir sind nach der Brüderstraße gelangt, in welcher die Häuser 27 und 28, die sich an 15 und 14 der Breitestraße anschließen, von der Firma zu Engroslagern eingerichtet sind. Von der Brüderstraße her kamen eben die Wagenladungen mit neuen Vorräten von Waren, die zunächst in die Schauräume geschafft werden, in welchen Stück für Stück genau nachgesehen wird. Der Aufzug befördert den kleinen Eisenbahnwagen in die verschiedenen Etagen, wo die Waren in die Lager gebracht werden. Uns rückwärts wendend, begeben wir uns zur großen Freitreppe, die uns in die oberen Räume führt. Entsprechend den übrigen Dimensionen des ganzen Hauses, ist auch diese Treppe in großem Stil angelegt, - breit und bequem, ohne Verschwendung und ohne Beschränkung des Raumes. Es führt diese Treppe durch alle Etagen des Hauses. Reich dekoriert sind die Wände mit Gardinen, die effektvoll genug angebracht sind, um uns auf diese Spezialität neugierig zu machen. Jardinièren aus feiner Bronze tragen prächtig blühende und duftende Blumen, die Geländer sind aus Bronze von jener Ornamentik, die in ihrer einfachen Form am meisten anspricht. Doch nicht lange dürfen wir uns bei solchen Details aufhalten, - unsere Aufgabe geht ja weiter, viel weiter. Wir sind in die erste Etage gelangt: die kolossalen Detaillager der Leinenwaren, der Elsasser Baumwollwaren, der Gardinen und der schwarzen Stoffe eröffnen sich unseren Blicken. Wir durchschreiten dieselben, uns mühsam Bahn brechend durch das jahrmarktartige Treiben, das hier wie in dem eben verlassenen Erdgeschoss herrscht. Die Tische sind von Kauflustiger Menge belagert, Diener sind beschäftigt, den Käufern jeden erdenklichen Komfort zu bieten, oder sie in andere Abteilungen dieses Warenlabyrintes zu geleiten. - Nunmehr gelangen wir in die Engroslager. Die Vorratskammern ziehen sich schier endlos hin; baumwollene Bettdecken, weiße Baumwollwaren und Batiste, und schließlich – der Stolz der Hausfrauen – das schneeige Linnen, dessen Vorräte das ganze Haus Brüderstraße 27 allein in Anspruch nehmen, reihen sich in den einzelnen Abteilungen, jedes Genre für sich natürlich, einander an. Eine eigene Abteilung ist den leinenen Taschentüchern gewidmet, von denen 50.000 Dutzend gesäumt und jedes Dutzend in elegantem Karton gepackt sich vorfinden.

Ein Berliner Kaufhaus (01)

Ein Berliner Kaufhaus (01)

Ein Berliner Kaufhaus, Die Herzogschen Häuser, Breitestraße 12, 13, 14, 15

Ein Berliner Kaufhaus, Die Herzogschen Häuser, Breitestraße 12, 13, 14, 15

Ein Berliner Kaufhaus, Die Herzogschen Häuser, Brüderstraße 26, 27, 28

Ein Berliner Kaufhaus, Die Herzogschen Häuser, Brüderstraße 26, 27, 28

Ein Berliner Kaufhaus (02)

Ein Berliner Kaufhaus (02)

Ein Berliner Kaufhaus (02) Die Eingangshalle in der Breitestraße (1)

Ein Berliner Kaufhaus (02) Die Eingangshalle in der Breitestraße (1)

Ein Berliner Kaufhaus (02) Die Eingangshalle in der Breitestraße (2)

Ein Berliner Kaufhaus (02) Die Eingangshalle in der Breitestraße (2)

Ein Berliner Kaufhaus (02) Die Eingangshalle in der Breitestraße (3)

Ein Berliner Kaufhaus (02) Die Eingangshalle in der Breitestraße (3)

Ein Berliner Kaufhaus (03)

Ein Berliner Kaufhaus (03)

Ein Berliner Kaufhaus (03) Erdgeschoss. Lichtsalon am Fuße der großen Freitreppe

Ein Berliner Kaufhaus (03) Erdgeschoss. Lichtsalon am Fuße der großen Freitreppe

Ein Berliner Kaufhaus (03) Erdgeschoss. Lichtsalon am Fuße der großen Freitreppe (1)

Ein Berliner Kaufhaus (03) Erdgeschoss. Lichtsalon am Fuße der großen Freitreppe (1)

Ein Berliner Kaufhaus (03) Erdgeschoss. Lichtsalon am Fuße der großen Freitreppe (2)

Ein Berliner Kaufhaus (03) Erdgeschoss. Lichtsalon am Fuße der großen Freitreppe (2)

Ein Berliner Kaufhaus (03) Erdgeschoss. Lichtsalon am Fuße der großen Freitreppe (3)

Ein Berliner Kaufhaus (03) Erdgeschoss. Lichtsalon am Fuße der großen Freitreppe (3)

Ein Berliner Kaufhaus (04)

Ein Berliner Kaufhaus (04)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (01)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (01)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (02)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (02)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (03)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (03)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (1)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (1)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (2)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (2)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (3)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland (3)

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Effektuierungssaal für das Detailgeschäft nach den Provinzen, dem Reich und dem Ausland

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Mustersaal für das Detailgeschäft mit den Provinzen, dem Reich und dem Ausland

Ein Berliner Kaufhaus (04) Der große Mustersaal für das Detailgeschäft mit den Provinzen, dem Reich und dem Ausland