ERFURT. Fr. Sachsen.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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ERFURT. Fr. Sachsen.

Die Stadt besaß am Schluß des Ma. über 90 Kirchen und Kapellen, darunter 36 klösterliche Ansiedlungen. Der Stiftung nach vielleicht am ältesten die kleine Bonifaziuskap. auf dem Domhügel, neben S. Severi, ein schlichter kleiner Steinbau, im sp. Ma. umgebaut.

Stifts-K. S. Marien (»Dom«). Gegr. angeblich 741. Neubau seit 1154. Erster Umbau des Lhs. im A. 13. Jh. Erweiterung des Chors 1349-70. Zweiter Umbau des Lhs. 1452 ff. und [pg 103] Hinzufügung der dritten Turmspitze durch Meister Hans von Straßburg. Ausbesserung nach Brand 1472 durch Hans Pfau. Im 19. Jh. mehrfach rest., zuletzt 1912. — Vom rom. Bau des 12. Jh. haben sich erhalten die Mauern des Qsch. im nördl. und südl. Flügel bis zum Kranzgesims; die 2 zu Seiten des Chors angeordneten Türme im 1. und 2. Geschoß; im Innern die Kämpfer der Vierungsbgg., soweit sie an die Türme anstoßen. Die auf den quadr. Unterbau folgenden 8eck. Turmgeschosse sprom. 13. Jh. (der südl. soll 1201, der nördl. 1235 vollendet worden sein). Den rom. Bau haben diese Türme stattlich überragt, durch die späterhin eingetretene Erhöhung und Massenvermehrung des Chors und Lhs., namentlich als dieses sich in eine Hallenkirche mit hohem Dach verwandelte, wurden sie außer Wirkung gesetzt; um so bedauerlicher, als die unvergleichlich günstige Lage am Bergrande zur Schaffung einer kräftigen Silhouette die Aufforderung gab. Dieser folgte Hans v. Straßburg in der Weise, daß er die wohl schon vor ihm got. überhöhten Türme durch einen Zwischenbau verband und über diesem einen 8eckigen Aufsatz errichtete. Der Helm brannte seither zweimal, 1493 und 1717, ab; seine Erneuerung 1850 folgt den durch alte Ansichten überlieferten Umrißlinien. — Der zwischen den Türmen liegende rom. Chor war nur 7 m breit gewesen; jetzt bildet er den Durchgang zu dem fast als selbständiges Gebäude auftretenden viel breiteren Chor des 14. Jh. Dieser ist 1sch., hat 5 Langjoche, das letzte im Schlußstein mit dem als 1/2 10Eck konstruierten Haupt zusammengezogen (34 m lang, bei 88 m Länge der ganzen K., 13,5 m br., 25 m H.). Der Aufbau des Chors zeigt den völlig systematisch durchgebildeten Stil der späteren Hochgotik und ist durch schöne Raumverhältnisse ausgezeichnet. Mit dem Chorbau ging die künstliche Verschiebung des Bergrandes durch eine auf gewaltigen offenen Bgg. ruhende Terrasse (»Cavaten«) und der majestätische Treppenaufgang (»Greten« aus »gradus«) zusammen. Und die notwendig gewordene Tiefe der Grundmauern führte zur Anlage einer Krypta (inschriftl. voll. 1353), dergleichen sonst nicht in den got. Baugewohnheiten liegt. — Die im 15. Jh. geforderte Erweiterung des Langhauses als Hallenkirche mußte wesentlich in der Breitenrichtung erfolgen; da jedoch auch die bestehenden Pfll. weiter benutzt werden sollten, wurden die Ssch. breiter (9,4 m) als das Msch. (7,2 m) angelegt, was keine günstigen Raumverhältnisse ergeben konnte. Einfache Sterngwbb. — Am Äußern ist vor allem die Massenverteilung und Silhouette der Ostansicht eigentümlich und bedeutend. In Verbindung mit der Severi-K. eine der [pg 104] schönsten Baugruppen Mitteldeutschlands. Hier wie öfters zeigt sich die Phantasie des Ma. noch glücklicher in der sukzessiven Ausnutzung zufälliger Gelegenheiten durch wechselnde Geschlechter, als in der folgerichtigen Entfaltung einer einheitlichen Idee. Die mit dem Chor nicht parallele, sondern auf die NSeite konvergierende Richtung des Treppenaufgangs gab den Gedanken zu der prächtigen Torhalle auf dreieckigem Gr. als Anbau an den nördl. Kreuzarm. Die beiden freiliegenden Seiten werden ganz von mächtigen Portalen mit hohen Wimpergen eingenommen; ein zweites, mit je einem Fenster versehenes Geschoß springt etwas zurück. Die Formen sind freier als die des Chors, wahrscheinlich von einem etwas älteren Meister. Die Langseiten erhielten durch die Rest. von 1868 über jedem Joch Giebel für quergestellte Sschiffsdächer, während der Hauptfirst, nicht zum Vorteil der Totalansicht, niedriger gelegt wurde. Neu ist auch der obere Abschluß der WSeite. Überhaupt hat die Rest. den spgot. Bau nach Kräften hochgotisch korrigiert. Torflügel mit reichem got. Rankenbeschläge. Löwenköpfe rom.

Kreuzgang und Stiftsgebäude. OFlügel: spgot. 2sch. Halle, die dem Hof zugekehrte Seite in sprom. Formen mit einzelnen gotischen; diese überwiegen bereits am letzten Fenster; nach außen gegen die Terrasse springt die 1451 gest. Clemenskap. vor. Das Obergeschoß des OFlügels nahm das Auditorium coelicum (so genannt von den auf der azurblauen Decke dargestellten 12 Himmelszeichen) ein, welches der Universität zu Promotionen und sonstigen Festlichkeiten diente; jetzt sehr verwahrlost. Der W- und SFlügel entsprechen der fortschreitenden got. Stilentwicklung; mit Ausnahme des nördl. Fensters der WSeite, welches mit denen der OSeite gleichzeitig. Am SFlügel der ehemalige Kapitelsaal. Alle Gebäude haben durch den Brand 1472, sodann durch spätere Veränderungen gelitten.

Innere Ausstattung. Durch die Rest, des 19. Jh. von ihren »stilwidrigen« Elementen befreit. — Prachtvolles Chorgestühl bez. 1469, 1484. Hochaltar mächtiger Holzaufbau von 1697. Um 1420 großer gemalter Flügelaltar, in der Mitte die Einhornjagd. — Mitten im Chor lebensgroße bronzene Leuchterfigur, bekleidet, von starrster Bildung bei sorgfältiger Technik, 12. Jh., aber genauere Bestimmung von Zeit und Ort der Entstehung nicht zu geben. Stifterinschr. der Wolfram und Hilteburg. Glasgemälde im Chor, bez. 1403, die beste und größte Reihe, die Thüringen besitzt. — An der OWand des nördl. Qsch. 4 Nischen, ihr Inhalt aus Altem und Neuem gemischt. Besonders merkwürdig'> [pg 105] ein bogenförmiger rom. Altaraufsatz aus Stuck, an der Stirnseite Christus und die heil. Eoban und Adolar, darunter heilige Frauen mit Palmen, in der engen Nische Statue der Muttergottes, thronend, das Kind zwischen den Knien, archäische Züge verbunden mit wuchtiger Monumentalität. Es ist möglich, daß die Madonna nicht ursp. für die Nische gearbeitet war; erheblich älter als die Reliefs der Lunette, wie behauptet worden, ist sie nicht; genauere Datierung schwierig, etwa zwischen 1130-60. — An entsprechender Wand des südl. Qsch. Sakramentshaus von Hans Friedemann 1560, trefflich aufgebaut, doch schwach, wie immer bei diesem meistbeschäftigten Meister der Erfurter Sprenss., in der Figurenplastik. Holzrelief der Beweinung E. 15. Jh. Tumba der heil. Eoban und Adolar um 1400. — Im südl. Ssch. eiserner Leuchter mit Schmerzensmann um 1450. Links vom WEingang Taufstein mit großem phantastischem Überbau von Hieronymus Preißer 1587. An den Pfll. des Msch. 8 halbrund gebogene Tafelgemälde um 1500.

Grabdenkmäler. Bildnisstein eines Grafen von Gleichen mit zwei Frauen (wohl Ernst II. † 1264, ausgeführt etwa zwei Jahrzehnte später). Epitaph des Joh. v. Allenblumen † 1432, bez. R T, den Erfurter Lokalstil mit Eleganz repräsentierend. Bronzeepitaph des Henning Göden von P. Vischer 1521 (Wiederholung in Wittenberg). Prächtige dekorative Steinepitaphe der Familien v. Herstall von H. Friedemann d. J. und v. d. Weser von Enders Gutschell 1576. — Wichtig ist der Dom durch eine größere Reihe von bronzenen Grabplatten (die meisten im Kreuzgang). Am Choreingang junger Geistlicher, schöne flandrische Gravierung um 1350. Als älteste einheimische Arbeit bmkw. Herm. Schindeleib † 1427. Heinrich v. Gerbstädt † 1451, ausgeführt nach 1472 in der Vischerschen Werkstatt in Nürnberg; desgl. Hunold v. Plettenberg † 1475, Konrad v. Stein † 1499, Joh. v. Lasphe † 1510, Joh. v. Heeringen 1505; die letztere Platte (Halbfigur) von strahlender Renaissanceschönheit, wird als ein Werk Hermann Vischers d. J. anzusehen sein. — Gegossene Bronzeplatten Erfurter Ursprunges: Eoban Ziegler 1561 (von Eckhard Kücher) und G. Oland 1597 (von Melchior Möhring). Die schöne bronzene Wappentafel für Konrad v. Breitenbach † 1579 von Friedemann d. Ä.

Skulpturen am Äußeren. Am reichsten ausgestattet die beiden Portale am Triangel um 1350-60, 34 Vollfiguren, Apostel, kluge und törichte Jungfrauen, Ecclesia und Synagoge u. a.; Nachwirkung der 60-75 Jahre älteren [pg 106] Naumburger und Magdeburger Plastik; die Qualität weit niedriger. Am Tympanon des Kreuzgangsportals innen Kunigundens Rechtfertigung, außen Kreuzigung. An den Chorpfeilern 3 Statuen, Maria, Katharina, Barbara, aus A. 15. Jh. mit dem Zeichen i eines damals in Erfurt vielbeschäftigten Meisters.

Im Dommuseum. Merkwürdige, reich mit Reliefs verzierte sprom. Ampel für 12 Dochte. Bronzene Reliquienbüste E. 12. Jh. Eine gleiche E. 14. Jh. »Kasel der hl. Elisabeth« E. 13. Jh. Wandteppich in Plattstich auf Leinwand E. 13. Jh. Tischdecke mit Szenen aus Tristan, 14. Jh. Allerlei Reste von Holzplastiken und Malerei.

In der Domkurie. 2 Altarflügel mit Aposteln ca. 1420. 3 Tafeln mit männl. Heiligen ca. 1450. Tafel mit Kreuzigung ca. 1490.

Collegiat-K. S. Severi. Erste Nennung 836. Auf Neubau deutende Ablaßbriefe 1273-95. Zweite Erneuerung um 1450. — Anlage und Einzelheiten enthalten manches Eigentümliche. Bei Gliederung in 5 Sch. und 6 Joche kommt der räumliche Charakter der Hallenanlage bedeutend zum Ausdruck. Das erste und letzte Joch breiter als die übrigen; man ist hierbei von einem ehemaligen Qsch. ausgegangen, das an dem großen Rosenfenster der NSeite noch zu erkennen ist. Die Türme wie am Dom und nach dessen Vorbild im O. später um einen dritten mittleren vermehrt; schlanke hölzerne Helme. Bei schlichtester Einzelbildung wird durch bloße Linien und Massen ein echt künstlerischer Eindruck erreicht. — Im Chor Sediliennische um 1300. — Taufstein 1467, überstiegen von einem dreiseitigen mit der Spitze bis zum Gewölbe hinanreichenden Baldachin, im Motiv an Brunnenarchitektur erinnernd, höchster Handwerkstriumph in der Bewältigung des Steinmaterials. — Hölzerne Kanzel von Hans Friedemann d. Ä. 1576. — Orgelbau in großzügigem Barock. — Im südl. Ssch. gemalter Flügelaltar von einem guten Süddeutschen um 1520 (»Schule des Peter von Mainz«). — In der Blasiuskap. Schnitzaltar um 1500, bedeutend, doch sehr verrestauriert. — Die Kirche ist reich an bmkw. Steinplastik. Denkmal des hl. Severus, um 1370-80; ursp. in Form einer Tumba, früh (vor 1472) auseinandergenommen. Drei der Seitenplatten trugen Szenen aus dem Leben des Heiligen in hohem Relief; jetzt dem Marienaltar im nördl. Qsch. einverleibt; die vierte mit der Anbetung der Könige jetzt im südl. Ssch. (fast genaue Wiederholung derselben Komposition am WPortal der Nürnberger Lorenzkirche). Die ehemal. Deckplatte mit dem Relief des Severus [pg 107] zwischen Frau und Tochter krönt heute den Severialtar; in der Qualität den Seitenplatten überlegen; von neueren Kritikern nicht unbedingt überzeugend dem sog. Meister der Barfüßer-K. zugeschrieben. — Feine Madonna am Chorbogen um 1370-80 von Joh. Gehart; von demselben Johannes d. T. und Katharina. — Im Chor Alabasterrelief des hl. Michael bez. 1467, künstlerisch bedeutend, unter die Schulrichtungen der Zeit schwer einzureihen, doch wohl identisch mit dem Meister des Taufsteines. — Die Madonna am NPortal ist älter als dieses selbst, eine Durchschnittsarbeit um 1370. Bedeutend der daneben befindliche große Crucifixus, um 1500.

Schotten-Klst.-K. S. Jakob. Basilika aus A. 12. Jh., mit Veränderungen. Die im Innern erhaltenen rom. Pfll. haben so weiten Abstand, daß ausgebrochene Zwischenstützen, wohl Sll., vermutet werden müssen. Die ursp. Flachdecke durch Holzgewbb. ersetzt. Frgot. Vorhalle. Barockfassade (1772). Got. Turm mit welscher Haube. — Grabstein des Walter v. Glizberg und seiner Frau, lebensgroße Figuren in starkem Relief auf vertieftem Grunde, Behandlung sorgfältig aber wenig belebt; 2. H. 13. Jh. (oder noch später?). Gute Holzmadonna A. 16. Jh.

Prediger-K. (Dominikaner). Das Klst. gegr. 1228; eine Baunachricht von 1238 kann nicht auf das vorhandene Gebäude bezogen werden; dieses beg. 1308. — Sehr lang gestreckte, querschifflose Basilika im Gr. 76 : 18,5 m, geteilt in 15 Joche von genau gleicher Abmessung; die Ssch. schließen platt (mit Fenstern), das Msch. mit 5 Seiten des 8Ecks; die Mönchskirche von der Laienkirche durch eine Schranke und einen späteren Lettner (1410) geschieden. Das Msch. scheint in Absicht auf flache Decke begonnen zu sein; die Hochwand hat außen keine Streben, innen sind die Gwbb. auf vorgekragte kurze Dienste gestellt. Die Fassade turmlos, ihr großes Portal des figürlichen Schmucks beraubt. Die schlanken Türme am Chor eine jüngere Hinzufügung. Der Kreuzgang (S) abgebrochen, das Kapitelhaus erhalten.

Hochaltar; Mensa mit Arkatur aus der Erbauungszeit; Retabulum, große in 5 Giebel ausgehende Tafel, jetzt des figürlichen Schmucks, wohl Gemälde, beraubt und verstellt durch einen großen Schnitzaltar von ca. 1470-80 (der bedeutendste Erfurts; die gemalten Flügel nicht »Wolgemut ähnlich«, überhaupt nicht fränkisch). Hinter der Mensa ein steinerner Zierbau in Laternenform, 5seitig auf schlankem Fuß, hinten mit einer steinernen Wand verwachsen und durch eine Treppe zugänglich gemacht; wohl Sakramentshaus; in dieser Anordnung sonst nicht bekannt; entstanden [pg 108] gleichzeitig mit dem Lettner (1410), während die steinerne Umrahmung für einen Celebrantensitz älter ist; in der Nische gutes Fresko, etwa M. 14. Jh. — In die innere Schranke eingelassen ein Tafelbild, figurenreiche Kreuzigung, nach M. 14. Jh. — Im Chor Marienstatue um 1350, eine von den manieriertesten, aber fesselnd durch die delikate Behandlung. — Grabsteine. Dieser Zweig der Plastik ist in Erfurt, vgl. auch die übrigen Kirchen, reich und gut vertreten und läßt u. a. die Entstehung des Epitaphs neben der Grabplatte lehrreich beobachten. Die beiden Typen noch nicht deutlich gesondert am Ehegrabstein des Rudolf Vitztum † 1365, der Schriftrand für Erfurt frühestes Beispiel gotischer Minuskeln. Am Lettner Gf. Günther v. Schwarzburg als Mönch, † 1345, kniend in Profilansicht, die ganze Erscheinung individuell; sehr flaches Relief, Bemalung neu. Theodorich v. Lichtenhayn † 1366, ebenfalls kniend und mit Absicht auf Bildniswahrheit; Farbe verschwunden. Gottschalk Legat † 1422, Epitaphform, Mann und Frau in starkem Gefühlsausdruck betend vor dem Schmerzensmann. Friedrich Rosenzweig † 1450, ähnliche Anordnung. Über dem SEingang Gethsemanerelief bez. 1484; der Künstler Joh. Wydemann zugleich Donator; sein Stil von Nürnberg abhängig. Wandepitaph für Paul Mues von Friedemann d. Ä. 1579. Bildnisgrabstein des Superintendenten Aurifaber † 1575. Großes Steinepitaph des Jakob Neffzer † 1586, elegante Arbeit eines Unbekannten. Bildnisepitaph des Kriegsrats Burchard † 1632, Von derselben Hand Senior Silberschlag † 1635 (vgl. Epit. Mohr in der Barfüßer-K.). — Prächtige Abendmahlskanne 1618 von Erasmus Wagner.

Barfüßer-K. (Franziskaner). Erste Niederlassung 1221; jetzige K. voll. 1285; Brand; 1326 der langgestreckte 1sch. Chor hinzugefügt; Einwölbung des Lhs. A. 15. Jh. — Querschifflos. Die 6 Arkaden des Lhs. sehr weit gestellt, auf je 1 von ihnen fallen im Hochschiff 2 schmale Kreuzgewbb. auf abwechselnd kurzen, vorgekragten und vollständig bis zur Erde reichenden Diensten; die Pfll. im W zierlich gebündelt, die drei östl. einfacher. Chor 4 Joche und 5/8 Schluß, Lhs. 6 Doppeljoche, ganze L. 78. Formencharakter von edler Einfachheit, weniger herb als in der Prediger-K. Der in der zweiten Bauperiode hinzugefügte Turm in verwegener Übereckstellung über dem letzten Joch des nördl. Ssch.

Hochaltar ehemals doppelflügelig, in neugot. Rahmenarchitektur falsch zusammengesetzt, die interessanten, stilgeschichtlich noch nicht genügend gewürdigten Gemälde [pg 109] nach 1400, die Holzskulpturen altertümlicher, aber nicht notwendig älter. Frühester Schnitzaltar Erfurts. — Im südl. Ssch. reiche Schlußsteine mit dem Zeichen i (vgl. Epit. Legat in der Prediger-K. und Chorstatuen am Dom). — Chorstühle um 1325-50 sehr einfach. — Grabmäler: in der sog. Saalfeldschen Kapelle südl. am Chor Cinna v. Vargula 1370, wohl Deckel einer ehemaligen Tumba; vorzügliche Arbeit, die den Stil der Zeit von seiner besten Seite zeigt; Saalfeldsche Platte, Schmerzensmann mit 6 Porträtfigg.; Margarete v. Mila 1494, dem Gegenstand nach, Madonna auf der Mondsichel, ein Epit., der technischen Form nach Grabstein. Am Ende des nördl. Ssch. Albert v. Beichlingen † 1371, von derselben Hand (»Meister der Barfüßer-K.«) wie der Grabstein der Cinna und gleich vortrefflich, die Auffassung durchaus statuarisch. Grabstein Berld v. Vitztum 1478. Epit. Balth. Hirschbach 1583 von H. Friedemann d. Ä. Epit. Nacke 1587. Epit. Mohr 1626. — Gemälde: in der Saalfeld-Kap. Flügelaltar A. 15. Jh. — Abendmahlskannen von Erasmus Wagner 1621 und Andr. Jörg 1679.

Regler-K. (Augustiner-Chorherren) M. 14. Jh. Vom rom. Bau die 2türmige WFassade (alt indes nur der südl. Turm). Ganz schlichte Anlage. Unvollständige Flachdeckbasilika; das nördl. Ssch. zum Kreuzgang geschlagen, darüber eine gegen das Hauptschiff sich öffnende Empore. Gestreckter platt geschlossener Chor. — Großes doppelflügeliges Altarwerk um 1480, an dem besonders die gemalten Teile bmkw.; früher irrig Wolgemut zugeschrieben; wohl von Erfurter Lokalmeistern (an Außentafeln, Innentafeln und Predella drei verschiedene Hände). An der Außenwand und sehr verwittert: Epitaph des Heinrich Frimar 1417, Kreuzigungsgruppe, darunter 2 kleine Adoranten, geleitet von 2 Heiligen.

Augustiner-K. (Augustiner-Eremiten; das Kloster M. Luthers). 1289-1325; 1435 das ursp. 1sch. Gebäude zu einer Basilika mit sehr hohen Ssch. erweitert, dazu langgestreckter Chor; in allen Teilen Holzdecke. Der 8eckige Turm sitzt über einem Pfl., an ihm hoch oben 3 Standbilder, gut, von einem Nachfolger des Meisters i. — Kreuzgang aus 15. Jh. Über dem NFlügel eine nach der K. sich öffnende Empore. Die Lutherzelle nach Brand 1872 erneuert.

Im Innern der K. die Steinumrahmung eines Levitensitzes A. 14. Jh. — Glasmalereien im Chor 2 H. 14. Jh. — Grabsteine der Adelheid v. Amera † 1298, gravierte und mit schwarzer Paste gefüllte Umrißzeichnung. Grabst. der Titularbischöfe Joh. v. Lepanto † 1316 und Ludwig v. Marronia † 1323 und des Professors Heinrich v. [pg 110] Frimar † 1354, alle drei ausgeführt ca. 1370-80 von derselben, geschmackvoll und eigentümlich arbeitenden Hand (Meister der Barfüßer-K.), neu bemalt. Heinrich v. Meiningen † 1382 (Art des Joh. Gehart); Theodor Brun † 1462 (vom Meister des hl. Michael in S. Severi??).

Ursulinerinnen-K. E. 13. Jh. Sehr einfacher, 1sch. Bau, dem später ein nördl. Ssch. hinzugefügt wurde. Im O rck. geschlossen mit 3 hohen Fenstern. Im W Nonnenchor. Holzgwb. mit hübschem leichtem Rokokoornament. Über dem Eingang Steinrelief mit der Anbetung der Könige. — Zahlreiche Grabsteine: mit eingeritzter Figurenzeichnung 1313-1445, mit reliefierter 1436-1540. Hochaltar mit gemalten Doppelflügeln 2. H. 15. Jh. Auf einem Nebenaltar Pietas (Holz) um 1420. Eine ältere desgl., überlebensgroß, im Klst. Ebendort Wandteppiche aus 14. Jh.

Kaufmanns-K. Schlichte Basilika des 13. und 14. Jh., Msch. rom., Sschiffe got. Die Türme zu Seiten des polyg. Chors erneuert, der nördl. 1684, der südl. 1859. — Taufstein 15. Jh. mit 7 sitzenden Prophetenfigg. — Gut kennen zu lernen die Erfurter Renaissancemeister Friedemann Vater und Sohn: Kanzel 1598, Hochaltar 1625, Epitaphe Ziegler 1584, Tettau 1585, v. d. Sachsen 1592.

Allerheiligen-K. Kleiner einfacher Bau, das Schiff in origineller Weise der Straßengabelung angepaßt, Turm 2. H. 13. Jh. — Hochaltar 1757. Pietas E. 14. Jh. Grabplatten mit geritzter Zeichnung 1381, 1405, mit Relief 1418, 1422, 1536; des Dr. Eberbach 1547 bez. AB; des G. Hupolt 1619 von Friedemann d. J.

Martins-K. vom ehem. Cisterc.-Nonnen-Klst. Turm 1303 1sch. Langhaus 1483, 1755 mit flachem Tonnengewölbe versehen. — Ausstattung bar. Monstranz von C. X. Stipeldey in Augsburg 1780.

Michaelis-K. 14. Jh., einfach, erweitert 15. Jh., hübsche spgot. Sakristei mit reliefgeschmücktem Erker. Guter bar. Orgelbau. — Crucifixus 1405, erstes sicheres Werk des Monogrammisten i, des tonangebenden Erfurter Bildhauers im 1. Viertel 15. Jh. Im Innern und auf dem kleinen Friedhof Grabmäler von Renss. bis Klassizismus.

Dreifaltigkeits-Kap. 1500. Erkerchor mit Reliefschmuck.

Andreas-K. Kleiner Bau des 13. Jh., whgest. 1418. — Über dem Haupteingang Kreuzigungsrelief um 1730 (zu vgl. mit dem Severisarkophag). Sandsteingruppe der Beweinung ca. 1430-40 von einem Nachfolger des Meisters i.

K. des großen Hospitals. 1385, whgest. 1488. Rechteck mit 3seit. Schluß. — Epit. Ziegler 1462, tüchtig.
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K. des kleinen Hospitals. Gedenkstein der Stifter, der Schneidermeister Konrad von Duderstadt und Siegfried von Leubingen, ca. 1420-30.

Thomas-K. spgot. Thomasrelief 2. V. 15. Jh. Kleiner Schnitzaltar M. 15. Jh.

Wigperti-K. 1475, Rechteck mit 3seit. Schluß. — An der WFront 3 Statuen um 1430, handwerklich. Besser eine Madonna um 1450. Im Kreuzgang Kreuzigungsrelief aus der Nachfolge des Meisters i. — Sakristei mit guter SpRenss.-Einrichtung.

Neuwerks-K. Gegr. 1196. Total umgebaut im 15. und 18. Jh. — Außen Madonna um 1380, feiner belebt und wahrer gefühlt, als das meiste dieser Zeit (nicht von Joh. Gerhart). Eine zweite im Innern um 1400. Ziemlich prächtiger Hochaltar um 1730. Der ältere von ca. 1500 in der Sakristei.

Lorenz-K. Gegr. 1140, Neubau 1413, verändert im 17. Jh. — Am SPortal Sandsteinstatue des hl. Wenzel um 1450. Außen neben dem Eingang Epit. Buseloyben um 1430, an der SWand Epit. Salfeld 1405. Im Innern Epit. der Gebr. Eberbach 1581 von Friedemann d. Ä. — Die Holzskulpturen der modernen Altäre von Antiquaren in München und Lübeck.

Egidien-K. (Ilgen-K.). Alte, schon im 12. Jh. genannte Gründung. Jetzt zu Wohnungen eingerichtet. Nur die östl. Giebelwand zeigt kirchliche Bauformen. Unter der K. Durchfahrt vom Wenigenmarkt zu der einst befestigten Krämerbrücke. Von einigen inzwischen abgebrochenen Kirchen haben sich die Türme erhalten:

Nikolai-Turm, Johannis-Turm, Benedikts-Turm, Bartholomäus-Turm (mit Ölbergrelief vom E. 15. Jh.), Pauls-Turm, Georgen-Turm. Durchweg einfache spgot. Bauten.

[Rathaus. Der stattliche Bau von 1544-84 wurde 1869 abgebrochen; Einzelheiten im städtischen Museum.]

Alte Universität (Collegium majus) 1525 ff. Die Schauseite nach der Michaelisstraße 1548-50; diese unverändert; im Innern und an Nebengebäuden vieles im 17. und 18. Jh. umgestaltet. — Die sehr konservativ gesinnte Körperschaft hat die Hauptfront zu einer Zeit allgemeinen Vordringens der Renss. in rein got. Formen errichten lassen; nur in der streng symmetrischen Komposition darf man den stillen Einfluß des neuen Stils erkennen. Die langgestreckte, 2stöckige Front hat 7 Achsen. Das große Tor in der Mitte ist ein Prunkstück geometrischer Künstelei. An den Doppelfenstern des Erdgeschosses regelmäßiger Wechsel von geraden Schluß- und Vorhangbgg.; die Fenster des Obergeschosses gleichmäßig rck.; an der Schmalseite verändertes System; der alte [pg 112] Giebel im 17. Jh. durch einen Halbwalm ersetzt. Das Auditorium maximum »möglichst im Anschluß an die frühere Form« wiederhergestellt.

Collegium Saxonicum in der Allerheiligenstr. 1542 in unbeholfener FrRen.

Wohnhäuser. Haus zum Rebstock (Futterstr. 2) 1447. In einer Nische des dritten Stockes feine gleichzeitige Madonna. Der spgot. Bau noch in wesentlichen Zügen erhalten. — Haus zum roten Stern (Allerheiligengasse 11) 1479. Fenster des Erdgeschosses 16. Jh. — Haus zur hohen Lilie (Friedrich-Wilhelmsplatz) 1538. Feine frühe Renss. — Haus zum Greifenstein (Michaelisstr. 48). 1549. — Haus zum goldenen Rade (Marktstr. 50) 1554. — Haus zum goldenen Hecht (Anger 37) 1557. Typisches Portal mit Sitznischen am Gewände; Steinmetzzeichen der beiden Hans Friedemann. — Haus zum roten Ochsen (Fischmarkt 7) 1562. Im 1. und 2. Geschoß antike Anordnungen; im 3. Geschoß Fenster mit gotisierenden Gewänden; am Zwerchgiebel wieder Ordnungen. — Haus zum breiten Heerd (Fischmarkt 13) 1584, vielleicht von Hans Friedemann d. Ä. Die Ordnungen gleichmäßig durchgeführt; reiches, kräftiges, an Heidelberg erinnerndes Detail. Im Erdgeschoß Netzgwb.; im Obergeschoß mächtiger Hausflur; Wendeltreppe. Die Wirkung durch moderne Erweiterung gestört. — Haus zum großen Christoph (Regierungsstr. 62). Altes Gasthaus. 1605. — Haus zum Stockfisch (Johannisstr. 169) 1607. Langbau, die Giebel über den Brandmauern. Im Erdgeschoß schachbrettartiger Wechsel glatter und ornamentierter Quadern, nach niederländischer Art. — Haus zum Mohrenkopf (Johannisstr. 168) 1610,

K. Regierung, ehemals kurmainzische Statthalterei. Die langgestreckte Fassade aus zwei disparaten Teilen zusammengesetzt, rechts Patrizierhaus der Renss. »zum stolzen Knecht« mit schönem Erker bez. 1540, Mitte und linker Flügel unter Statthalter v. Boyneburg 1710-20 von einem nach den Wienern Fischer und Hildebrand orientierten Meister (M. v. Welsch? M. Dreysigmark?). Schöner Festsaal in maßvollem Spätbarock, die Stuckaturen von August Gröninger aus der bekannten Münsterer Künstlerfamilie, die Plafondmalerei schwach.

K. Haupt-Steueramt 1695 für Lothar v. Schönborn, Erzb. von Mainz und B. von Bamberg.

Auf dem Fischmarkt Roland als römischer Krieger, 1691 von Israel v. d. Milla, einem niederländischen (?) Italisten, der [pg 113] Kopf nach dem Moses Michelangelos. An der Ecke Regierungs- und Eichenstr. Neptun von einem ehemaligen Brunnen um 1700.