Abschnitt 9

Bei allen diesen von der Kämmerei bezahlten Weinen hatte der Keller aber minderen Gewinn, indem sie, wenn nicht zum Einkaufspreise einschließlich der Unkosten, so doch gewiß zu einem ermäßigten Preise von jeher abgegeben wurden, denn schon im ersten Pachtcontracte heißt es, daß der Pächter „nach alter Gewohnheit“ der Kämmerei das Stübchen 6 Pfennige billiger als „der gemeine Preis“ liefern solle, und diese Bestimmung blieb das siebenzehnte Jahrhundert hindurch, bis man 1716 den Preis des Raths- und Präsentweins auf 2 Th., den des Communionweins auf 1 Th. 32 S. festsetzte. Von 1766 ab wurden die Pächter aber nur verpflichtet den Wein zu einem Preise zu geben, zu welchem derselbe bei Anderen auch zu haben sei. Nun aber bewirkte die schlechte Wirthschaft im Keller, welche gegen das Ende des siebenzehnten Jahrhunderts dort einriß, daß nicht allein dem Rathe der gelieferte Wein statt einer Erquickung ein theurer Essig wurde, sondern auch Präsentempfänger über das Verehrte stichelten, und nahm man deswegen Bedacht, in Zukunft sich sicherer zu stellen. Zu diesem Ende machte der Rath 1693 contractlich aus, daß sein Festwein halb in Wein und halb in Baar, 1702, daß man halb Rheinwein aus dem Keller halb Franzwein aus dem Neuen Hause, welches der damalige Pächter gleichzeitig inne hatte, nehmen möge, und auch in den späteren Contracten hat man sich ausbedungen, daß man den Festwein, so lange er gut gegeben würde, halb aus dem Keller und zwar in beliebiger Sorte, die andere Hälfte aber von der Kämmerei in Gelde nehmen wolle, zuletzt 1821 gar sich vorbehalten, den ganzen Betrag in Baar nehmen zu dürfen. Die Lieferung der Communionweine ist jetzt nur allein dem Kellerpächter zugesichert und das für so lange, als er guten Wein gibt und mit den übrigen Weinschenkern Preis hält.

Es ist oben bereits gesagt worden, daß Franzwein im Rathskeller erst seit 1688 beziehentlich 1712 gestattet gewesen ist und daß Frankenweine und überhaupt Landweine den Pächtern bis 1784 verboten waren, um Fälschungen des edlen Rheinweins vermittelst derselben vorzubeugen. Nichts destoweniger scheint aber doch in älterer Zeit Landwein u. s. w. von des Raths Schenken verzapft zu sein. Das geht uns hervor aus dem wiederholt angezogenen Eide des Weinmanns vom Jahre 1500 etwa, welcher im Art. 6 denselben verpflichtet, Rheinwein und Landwein nicht zu vermengen und jedem den von beiden zu geben, welchen er fordere, welcher ferner im Art. 7 ihn anhält, den Landwein an der ihm vom Rathe angewiesenem Stätte auszuschenken und, Art. 8, für das Zapfen der Weine und darunter der Land- oder Franken-Weine nicht über sein bestimmtes Lohn zu fordern. Die zu dem Schenken dieser Weine verordnete Stätte mag dann das Haus am Markte Nr. 16, welches wir oben bereits als Dienstwohnung des Schenken vermuthet haben, gewesen sein. Dasselbe kommt 1477 als Eimbeker Haus 28), 1519 und 1542 als Emisches Haus, 1546 als des Rathes Weinhaus und 1556 als der Stadt Haus vor, ist später als Münze benutzt worden und nicht etwa gemeint, wenn in dem Pachtcontracte von 1631 von dem „Hamburger Keller“ die Rede ist, was den oben genannten kleinen oder „vorderen“ Keller unter dem Rathhause bezeichnet. Gleichzeitig mit dem Aufgeben dieses Hauses als Schenkstätte, welches mit der ersten Verpachtung des Kellers nicht unwahrscheinlich zusammenfällt, wird auch wohl das Weinzapfen außerhalb des letzteren von Seiten der Kellermeister aufgehört haben; Jakob Krakamp verzichtet in seinem Contracte von 1615 zur „Vermeidung allerhandt Vnterschleiffs, Verdachts und Nachrede“ ausdrücklich auf ein besonderes Schenkhaus mit Französischen oder Landweinen. Uebrigens dürfen wir nicht verschweigen, daß in Claus Bischofs des Weinmanns Scripturen nirgend von Franzwein oder von Landwein die Rede ist, so daß möglicher Weise das Ausschenken derselben erst nach Bischofs Tode - 1483 - vom Rathe unternommen wäre. Vielleicht ist es aber auch nur Zufall, daß kein Brief u. s. w. dieser Weine erwähnt, denn auch von Eimbeker Biere ist nicht die Rede darin und daß dies zu Claus’ Zeit schon für Rechnung des Rathes gezapft worden ist, dürfte nach der Erwähnung des Eimbeker Hauses im Jahre 1477 doch nicht zu bezweifeln sein. Ganz ausdrücklich aber wird Bier als dem Kellermeister zuständig erst in dem Contracte von 1602 erwähnt. Emisches oder Eimbeker Bier wird das am Frühesten getrunkene fremde Bier sein, da es jenem Hause den Namen gab, kostete 1515 das Stübchen 2 S. und wird 1628 zuletzt als dem Keller erlaubt und accisefrei genannt. Im Jahre 1515 hatte man auch Hamburger Bier, von dem das Stübchen 1 1/2 S. galt. In der ersten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts führte der Keller neben dem Eimbeker auch Zerbster Bier und besonders Braunschweigische Mumme, von der man 1646 das Stübchen für 12 S. gab. In dem kleinen Keller schenkte man 1631 auch Wismarsche Mumme, gegen Ende des Jahrhunderte aber wurden vorzugsweise Kniesenack, in Güstrow, und Rommeldeus, in Ratzeburg gebraute die beliebtesten Biere, welche sich bis in das achtzehnte Jahrhundert hinein in Geltung erhielten. Im Jahre 1774 aber gab der Pächter an, daß ganz und gar kein Bier mehr im Keller gefordert würde. Seit diesem Jahrhunderte mag hin und wieder Ale oder Porter geschenkt worden sein, doch war dies gewiß nicht der Rede werth, während neuerdings der Consum Baierischen Biers „auf“ dem Keller wie „in“ demselben der lobenswerthen Haltung wegen erheblich zugenommen hat.


Zweifelhaft bleibt es, ob das Emische Haus auch zum Zapfen von Rheinischem Branntweine und der Kräuter- und Bitterweine gedient hat oder nicht. Der Rheinische Branntwein ist uns nicht früher vorgekommen, als in der Alten Bürgersprache, welche in dem von der Bürgersprache von 1610 wiederholten Art. 88 denselben dem Keller reservirt. Zeitig ist dort aber an seine Stelle der Franzbranntwein getreten, wie der Rath 1628 bezeugt, aber dieser ist unter jenem Namen mit verkauft worden; die Planke dieses Branntweins kostete 1635 7 S. Franzbranntwein ist lange von den Freunden derartiger Getränke hoch geschätzt und hat treue und ausdauernde Gönnerschaft besessen, mußte aber in diesem Jahrhunderte dem Grog weichen und sank dann dermaßen in der öffentlichen Achtung, daß der alte Schwede sein Viertel unter dem Namen des neuen Getränkes zu bestellen Anstands halber genöthigt war. Die mit Kräutern oder mit Früchten bereiteten Weine scheinen im siebenzehnten Jahrhunderte üblich geworden zu sein und werden zuletzt im Contracte von 1809 erwähnt. Zu den Kräuterweinen benutzte man besonders Wermuth und Alandwurzel (Inula Helenium), während man die Fruchtweine mit Kirschen, Himbeeren und Schlehen bereitete; Kirschwein kostete 1638 das Quartier 12 S.




28) Weinregister S. 180.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches E. E. Raths Weinkeller zu Wismar