Abschnitt 8

Unter den Ehrengaben, welche vor Alters geistlichen Personen gereicht wurden, steht in Regelmäßigkeit voran die an den Sendpropst, welcher Jahr aus, Jahr ein am Montage nach Reminiscere auf die Wedem oder den Pfarrhof zu S. Jürgen 1 Stübchen, eben so viel des folgenden Tages nach S. Nicolai, und am Mittwoch 2 Stübchen nach S. Marien geschickt erhielt 25). Weiter gab man regelmäßig den drei Plebanen, beiden Klöstern, sowie auch beiden Schulmeistern an S. Marcus-Tage je 1 Stübchen und am Sonntage nach Frohnleichnam (amme sondaghe alseme dat sacramenth in de stadt drecht) wiederum den Pfarrherren 4 Stübchen, nämlich dem zu S. Marien 2, den beiden anderen je 1. Endlich wurde ebendenselben sowie den Klöstern am Tage Processi und Martiniani, am 2. Juli, je 1 Stübchen verehrt, vielleicht in Anlaß der Feier des Seesieges, welchen die Wismarschen an diesem Tage des Jahren 1358 über die Dänen erfochten. Die größte Gabe ähnlicher Art aber war, daß die Baldachinträger bei den großen Processionen (de pawelunendregere, de paulunheren) das Jahr über insgesammt 26 Stübchen erhielten, von welchen denen zu S. Marien 10 und denen der beiden anderen Kirchspiele je 8 zufielen.

Diese lange Reihe von kirchlichen Gaben schrumpfte selbstverständlich in der Reformationszeit bedeutend ein. Der Communionwein wurde aber natürlich weiter geliefert und es kamen 1566/7 nach S. Marien 16 St. 3 Qr. zu 9 1/2 S. und 4 St. 1 K. zu 7 1/2 S., nach S. Nicolai 14 St. 1 K. 1 Pl. zu 9 1/2 S. und 2 St. 1 K. 1 Pl. zu 7 1/2 S. und nach S. Jürgen 7 St. 3 Pl. zu 9 1/2 S. und 2 St. 1 K. zu 7 1/2 S., zusammen 1 O. 8 St. 1 Qr. 1 Pl. Wein zu 27 M. 6 S. 9 Pf. Was damals an die Prediger gegeben ist, erhellt nicht, während wiederum aus dem siebenzehnten Jahrhunderte keine Nachricht über die Menge des gegebenen Abendmahlsweins vorliegt; wenn zur Zeit des dreißigjährigen Krieges Ostern, Pfingsten und Weihnachten jedes Mal 6 Stübchen, sowie am Palmensonntage und Michaelis jedes Mal 3 Stübchen, also insgesammt 24 Stübchen in die Kirchen gekommen sind, so werden diese den Predigern gespendet sein, die gegenwärtig jeder 7 Th. 46 3/4 S. M. C. Weingeld erheben. Für die Predigt am Sonntage Rogate erhielt zu der eben gedachten Zeit der Archidiaconus zu S. Marien 1 Stübchen Wein und bei gleicher Gelegenheit der Cantor 1/2 Stübchen Wein und 1 St. Braunschweiger Mumme, 1700/1 wurden jenem 2 Stübchen Wein und dem Cantor 1 Stübchen gegeben und jetzt gibt man dem Nachmittagsprediger zu S. Marien bei derselben Gelegenheit 14 M. und dem Cantor und dem Organisten jedem 7 M.


Eine sehr ansehnliche fortlaufende, aber nicht alle Jahre gleich hohe Ausgabe war es, welche die Kämmerei in alter Zeit für den Wein zu machen hatte, der den Rathsmitgliedern bei Gelegenheit ihrer in Stadtsachen unternommenen Reisen gegeben wurde. Wenn solcher in Lübek nur für die erste Nacht auswärts gereicht worden ist, so hat man sich in Wismar liberaler erwiesen, denn auch für Reisen, von denen sie Abends gewiß wieder zurück waren, z. B. nach Meklenburg, ist den Rathssendeboten ein Trunk verabfolgt, sind die zinnernen Flaschen gefüllt worden. Die Menge des gegebenen Weins wurde allem Ansehen nach auch nicht, wie in Lübek, nach einer bestimmten Norm bemessen, sondern richtete sich nach Schicklichkeit, Billigkeit und Gelegenheit. In den Ansätzen für die Legationen Wismarscher Rathspersonen, die uns aus den Jahren 1326 bis 1336 erhalten sind, mögen auch noch andere Unkosten stecken, aber aus den Weinregistern der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts ist klar zu sehen, daß keine Observanz in diesem Punkte bestand, und mag es wohl von der Discretion des wortführenden Bürgermeisters abgehangen haben, wie viel jedes Mal gewährt werden sollte. Im Mittelalter, wo die auswärtigen Geschäfte der Stadt an sich umfangreicher waren, die Gewandtheit im Schreiben geringer und die Vorsicht größer, fielen diese Reisen unendlich häufiger vor, als in neueren Zeiten, während sie in diesen Jahrhunderten freilich viel kostspieliger waren, wie z. B. daraus erhellt, daß der Rathmann Johann Wils 1456 zu einer Fahrt nach Schweden nur 13 Stübchen erhielt, während eine Gesandtschaft ebendorthin, bestehend aus dem Bürgermeister Arnold Böddeker, dem Rathmanne Brandan Smidt und dem Stadtsecretär Herman Werner, die im September 1642 abgingen, für 292 M. 15 S. 6 Pf. an Wein mit sich nahm, der aber von den Legaten allerdings wohl nicht ausschließlich zur eigenen Labung, sondern auch zum Schmieren gebraucht worden ist.

Aehnlich wie mit diesen Weinspenden ging es auch mit den Ehrenweinen, den Geschenken an Wein, welche man werthen Gästen der Stadt darbrachte: kamen sie ehemals häufiger vor, so wurden sie später kostspieliger. In alter Zeit war häufig Gelegenheit zu solchen Verehrungen, da Hansische Sendeboten, vornehme Geistliche und fürstliche Personen fortwährend hin und herzogen, und allen diesen wurde in die Herberge geschickt. Dies geschah aber nach fester Observanz; die Mitglieder der landesherrlichen Familie erhielten Ende des fünfzehnten Jahrhunderts bei ihrer Anwesenheit täglich 2 Stübchen und dasselbe Quantum Ritter, damals schon selten, hohe Würdenträger der Domcapitel, der Abt zu Doberan, die Bischöfe von Schwerin und Ratzeburg, letzterer aber als Diöcesan bisweilen allerdings ansehnlich mehr, wie man unter Umständen sich denn überhaupt nicht an das Herkommen band und z. B. dem Herzoge Magnus in den heißen Julitagen 1475 vor dem Keller ein Mal sechs und ein halbes Stübchen hintereinander einschenkte. Den Rathsmitgliedern befreundeter Städte und deren Notarien, den Doctoren und Geistlichen wurde täglich 1 Stübchen gegeben, denselben jedoch, wenn sie nicht bloß durchreisten, sondern in Wismar zu thun hatten, auch außerdem wohl noch ein Trunk gereicht. Aber durch die kirchlichen Veränderungen im sechszehnten Jahrhunderte, die Wahl fester Residenzen Seitens der Fürsten und den Untergang der Hanse im dreißigjährigen Kriege hörte die Gelegenheit Gäste zu bewirthen allmälig ganz und gar auf, wogegen nun an die Stelle der Ehrenweine Präsente in Wein, Gaben, die nicht das Wohlwollen gegen die Begrüßten, sondern das Interesse der Geschenkgeber veranlaßte, traten und zwar zunächst den Landesherren und dessen höherer Dienerschaft dargebracht, hernach den Schwedischen Großen vom Civil und Militär, welche eine ebenso offene Hand wie trockene Kehle 26) hatten und die man nicht mit einzelnen Stübchen abspeisen, sondern nur mit ganzen oder halben Ohmen befriedigen konnte. Solche Geschenke sind im Jahre 1711 noch zum Betrage von 850 M. 8 gereicht worden; gegen Ende des Jahrhunderts pflegte man nach jedes Mal eingeholter Zustimmung des bürgerschaftlichen Ausschusses dem Tribunals-Präsidenten, dem Vice-Präsidenten und dem Stadtcommandanten ein Geschenk an Wein Neujahr zuzufertigen und, als Wismar an Meklenburg verpfändet wurde, beschlossen E. E. Rath und der Ausschuß E. Bürgerschaft Neujahr 1804 auch dem Herzoglichen Commandanten 1 Anker Wein aus dem Ratskeller oder 20 Th. Pom. Cour. und 1/2 Last Bier oder 12 Th. zukommen zu lassen. Gegenwärtig pflegt man dem Commandanten 37 Th. 32 S. M. C. zuzustellen. Im Uebrigen werden derartige Präsente nur in alter Zeit den Gästen in Substanz überbracht sein, während man späterhin und namentlich seit dem siebenzehnten Jahrhunderte sogenannte Weinzettel gab, auf welche der Empfänger zu ihm gelegener Zeit den Wein aus dem Keller abholen ließ 27).




25) Der Sendpropst , sentprouest, prouest, sendeprouest, tzentprawest, szentprauest, seentprauest ist uns in Wismar nur im Weinregister begegnet. Da die geistliche Gerichtsbarkeit dort dem Propste von Rehna zustand (vgl. Mekl. U. B. Nr. 471 und Schröders W. E., S. 229), die aber gewiß seit 1337, vermutlich seit 1331 durch einen hieselbst wohnhaften Official ausgeübt wurde, so ist hier wohl ein zu gewissen anderen Zwecken, etwa zu Visitation u. s. w. regelmäßig abgesendeter Geistlicher zu verstehen; der Official wird im Weinregister immer als solcher genannt. Vgl. Berck, Westph. Fehmaer. S. 59.
26) Der Gouverneur Erich Hanson Ulfsparre kaufte zu eigenem Gebrauche von Mitte April 1641 bis Mitte März 1647 für 2384 Th. 14 S. 6 Pf. Wein aus dem Ratskeller.
27) Durch die Weinregister, welche das Verzeichniß der von der Kämmerei bezahlten Weine enthalten und die für die Jahre 1456-1483, 1542, 1635/6, 1641/2-1657/8, 1679/80 und 1710/1 vorliegen, wissen wir genau, was vergeben ist und an wen. Sie sind nicht ohne Werth für Chronologie u. s. w. und theilen wir in Beilage I. eine Probe mit; ein Auszug aus dem ältesten Weinregister ist im Archive des Vereins niedergelegt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches E. E. Raths Weinkeller zu Wismar