Abschnitt 7

Im Mittelalter wurde aber außerdem noch an anderen bestimmten Tagen den Rathmannen auf Kosten der Kämmerei Wein gezapft, jedoch anscheinend nicht in fester Menge, und theils auf dem Rathhause getrunken, theils in’s Haus geschickt. Ein solcher Tag war das Fest der Himmelfahrt Christi, wo die Rathmannen wechselten und neue gekoren wurden. Im Jahre 1457 sind an jenem Feste 21 Stübchen auf das Rathhaus gekommen, 1457 12 Stübchen, 1458 10 Stübchen und das Register über die Jahre 1466-1473, wo ähnliche Mengen gegeben sind, lehrt, daß der Wein theils in der Vigilie, theils am Tage des Festes selbst gespendet worden ist. In den Jahren 1480/2 sind aber nicht mehr als 2 bis 4 Stübchen verzeichnet und zwar ausdrücklich nur für die Bürgermeister. Regelmäßig kehrt ferner in jener Zeit eine Weinlieferung von 2 bis 8 Stübchen am Pfingstabende wieder, welche auch den Bürgermeistern allein zu Gute gekommen sein mag, da diese 1482 speciell als Empfänger genannt werden. Endlich ist auch ständig Marien Geburt Wein geschenkt worden, doch erhellt nicht, an welchem Tage dies Statt fand, da die Lieferung bald am Abende vor dem Feste, bald an diesem selbst und bald am Sonntage darnach notirt ist; vielleicht, daß diese Gabe mit dem Brauwesen zusammenhing, denn seit alter Zeit und sicher schon 1427 war Marien Lateren der Tag, an welchem die Hauptversammlung der Brauerschaft Statt fand. Spuren regelmäßiger Gaben von Wein finden sich freilich aber auch sonst noch, sind jedoch bei der knappen Ausdrucksweise der Register nicht klar zu erkennen. Deutlicher als andere erscheint eine solche beim Schoßschreiben, bei welcher Gelegenheit 1461 freilich 14 Stübchen Wein und 1 Stübchen Malvasier, 1462 aber nur 7 1/2 Stübchen und 1462 5 1/4 Stübchen gereicht sind; sie bestand noch im siebenzehnten Jahrhunderte und ist 1702 abgeschafft. Ferner macht sich die Spur einer Gabe von Wein kenntlich beim Vertheilen der Ackerloose, wobei 1468 der Bürgermeister 1 Stübchen und 1482 - vielleicht zwei Bürgermeister - 2 Stübchen erhielt. Weiter sind 1463 gegen Weihnachten 4 Stübchen „unter der Wache“ notirt, ebenso 4 Stübchen 1482 und noch 3 Stübchen in Weihnachten selbst, und endlich ist auch beim Verlesen der Bürgersprache Wein gereicht worden 21). Auf jeden Fall verkennt man aber den Geist jener Tage, wenn man wähnt, Bürgermeister und Rathmannen hatten sich dazumal ganz nach Herzensbegehr auf Kosten des gemeinen Wesens Muth zu tapferen Entschlüssen getrunken oder den dürstenden Gaumen mit Weine geletzt, vielmehr sind es ohne Zweifel Geschäfte bestimmter Art, bei denen ein Trunk Wein Herkommen und Brauch war, gewesen, wenn es im Weinregister z. B. heißte den Bürgermeistern 1/2 Stübchen, auf die Schreiberei 1/2 Stübchen, den Herren ein Quartier Malvasier, und häufig ist denn auch die Anwesenheit von Fremden ausdrücklich dabei bemerkt, so daß man deutlich sieht, es ist ein Geschäft abgeschlossen, eine Verabredung getroffen und darauf getrunken worden. Alle diese Gaben, mit Ausnahme der Festweine, sind aber schneller abgekommen, als man erwarten sollte, denn in dem Bruchstücke eines Weinregisters von 1542, die Zeit vom 29. Juni bis zum 5. December begreifend, finden sich keine derartigen Ansätze als 1 Stübchen für die Bürgermeister am 2. Juli auf die Kämmerei, 1 Stübchen dem Stadtschreiber, als der Türkenschatz eingehoben wurde, und 1 Stübchen demselben im September beim Schoßschreiben. Im siebenzehnten Jahrhunderte beschränkten sich sothane Lieferungen auf 2 Stübchen, welche jedem Bürgermeister, jedem Kämmerherrn und dem Stadtschreiber, später auch dem Syndicus auf Pantaleonis (Juli 28) zustanden - 1628 bis 1636 hatte, wie wir sahen, der Pächter diese zu geben -, auf 1 Stübchen jedem Kämmerherrn, wenn der Schoß aufgebracht wurde, und auf 1 oder 2 Quartier „bei Verfaßung der Ordel“, ein Ansatz, der vier Mal im Jahre wiederkehrt und sich auf die Rechtstage beziehen wird, an welchen der Rath seine Erkenntnisse publicirte. Alle diese Verehrungen sind 1702 abgeschafft.

Mit ungleich größerer Genauigkeit, als die an den Rath, sind die Gaben an die Gotteshäuser und geistlichen Personen verzeichnet und anscheinend auch strenger observirt, was außer anderem schon darin seine Erklärung findet, daß denselben vielfach nicht ein bloßes Herkommen, sondern Verträge mit dritten Personen zum Grunde lagen. Durch einen solchen Vertrag 22) verpflichtete Heinrich der Pilger am 12. August 1300 die Stadt auf Grund einer früheren Stiftung, deren wir bereits im Eingange gedacht haben, an die hiesigen Kirchen, die auf Pöl und die in den Ländern Ilow, Meklenburg und Brüel, sowie an die Kirchen zu Gressow und Hohenkirchen jährlich 12 M. zu Wein und Brot zu zahlen, wobei dem Rathe die Vertheilung nach bester Einsicht vorbehalten blieb, und ein anderer Vertrag, welchen die Stadt mit Claus Vorneholt Weihnachten 1397 abschloß, sicherte den drei Pfarrkirchen zu Wismar nach Claus’ und seiner Muhme Tode jährlich 20 M. zu Wein in der Weise, daß S. Marien Kirche alle Sonnabend 1, S. Nicolai 1/2 und S. Jürgen 1/4 Stübchen erhalten sollten, kleinerer Stiftungen nicht zu gedenken. Nach dem Weinregister erhoben denn auch im Jahre 1479 zwanzig Landkirchen, einschließlich der Kapellen des Siechenhauses zu S. Jakob und des Hauses zum H. Geiste, nämlich die Kirche auf Pöl, die zu Westenbrügge, Biendorf, A.-Gaarz, Russow, Neubukow, A.-Bukow, Mulsow, Neuburg, Drewskirchen, Hornstorf und Goldebee, ferner die zu Zurow, Lübow, Meklenburg und Proseken, welches freilich ursprünglich zum Lande Bresen gehörte, sowie endlich die in demselben Lande liegenden Kirchen zu Gressow und Hohenkirchen jede alle Monat 1 Quartier, also jährlich 3 Stübchen jede und insgesammt 60 Stübchen, welche für damals eine Summe von etwa 22 M. 8 repräsentiren. Im Jahre 1588 sind für „die 17 Landkirchen“, unter denen S. Jakob, Gressow und Hohenkirchen 23) nicht aufgeführt sind, jeder 18 S. berechnet; 1615 fehlen H. Geist, Hohenkirchen und Proseken (wofür aber A.-Karin genannt wird) unter den achtzehn Kirchen, welche zusammen 20 M. 4 erhalten haben. Gegenwärtig noch erheben die oben gedachten Kirchen, ausgenommen der H. Geist, Pöl, Proseken und Hohenkirchen, jede 21 Sch. M. C.


Die Menge des Weins, welchen die drei Pfarrkirchen der Stadt und die beiden Klöster erhielten, läßt sich nicht genau bestimmen, doch scheint es, als ob es zusammen mit den Landkirchen für 50 oder 52 M. war, denn es ist an Kirchwein notirt - 1466 allerdings nur 32 M. - 1469, 1470, 1474: 52 M. und 1477 bis 1482 wiederum 50 M., so daß man die damalige Spendung auf 75 Stübchen veranschlagen könnte. In der That haben aber die Kirchen im fünfzehnten Jahrhunderte ansehnlich mehr erhalten. Zunächst nämlich sind für die Pfarrkirchen zu Weihnachten durchschnittlich 19 Stübchen (12-27) „das Volk zu berichten“, und zwar 1480 am heiligen Abende für jede 1 Stübchen und am Festtage selbst S. Marien 6, S. Jürgen 4 und S. Nicolaus 3 Stübchen notirt, wie denn stehend U. L. Frau am meisten und S. Nicolaus weniger als S. Jürgen erhalten hat. Am grünen Donnerstage wurden den Kirchen durchschnittlich 10 Stübchen (6-16), am Osterabende durchschnittlich 6 (2 1/2-8 1/2), am Ostertage 42 (32-49) und am Tage darauf 2 (1/2-5), also zu dieser Zeit durchschnittlich 59 (47-75) Stübchen gegeben, von denen S. Nicolai 18, S. Jürgen 19 und S. Marien 21 St. zufielen. Endlich ist beständig am Feste des H. Leichnams Kirchwein „das Volk zu berichten“, „zur Communion“ verabfolgt worden, und zwar im Betrage von durchschnittlich 12 Stübchen (8 1/4-17). Das Alles macht aber für die Pfarrkirchen, ohne die Klöster und ohne die sonstigen allerdings unklaren Spuren derartiger Vergabungen mitzurechnen, schon 90 Stübchen aus. Was die Klöster erhalten haben, hat sich nicht ermitteln lassen, doch scheint es, als ob jedem der beiden für 5 M. bestimmt war 24). Zusammen sind dies ungefähr 100 Stübchen, mithin 25 Stübchen mehr, als wir vorhin berechneten, eine Differenz, zu deren Lösung uns der Schlüssel fehlt. Uebrigens sind den Predigerbrüdern in den Jahren 1475 bis 1482 auch gegen oder auf S. Dominici (August 5) 2-4 Stübchen gesendet worden.




21) Nach Claus Bischofs Journal Fol. 21.
22) Mekl. U. B. Nr. 2622.
[sup23)[/sup] Schon Claus Bischof hat in seinem Journal kein Folium für Hohenkirchen und notirt dort Fol. 122: dye xviiij lantkerk lvij st. vyns, während es gleichzeitig im Weinregister S. 194 heißt: Item. de lanthkercken der is xx mid sunthe Jacobes vnde des hillighen ghestes.
24) Nach Claus Bischofs Journal Fol. 80. 122. 145.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches E. E. Raths Weinkeller zu Wismar