Abschnitt 2

Dem Keller waren ehemals zwei Rathmannen als Vorsteher gesetzt, die bereits erwähnten Weinherren (domini vini, rectores celarii vini), als welche ausdrücklich 1341 Wilken Witte und Hinrich Stettin zuerst mit Namen genannt werden. In Lübek war dies Amt eines der angesehensten; in Wismar scheint das aber weniger der Fall gewesen zu sein, da von den genannten beiden jener seit 1332, dieser erst seit 1341 sich unter den Rathmannen finden, und haben seit der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts bis zuletzt die Wetteherren gleichzeitig immer das Weinamt verwaltet, eine Cumulation der Aemter, welche sich dadurch vernothwendigte, daß seit lange weniger Personen im Rathsstuhle sitzen, als sich nach Lübischem Rechte gebührt. Die vornehmste Obliegenheit der Weinherren bestand vordem in dem Beschaffen von Wein, was sie theils persönlich bewerkstelligt, theils durch ihren Untergebenen oder mittelst Briefe besorgt haben werden. War der Wein dann angelangt, so hatten sie ihn zu prüfen, ob er auch würdig sei, daß man ihn in den Keller bringe, zu welchem Behufe für jeden von beiden ein Stübchen 6) ausgehoben wurde. Diese Probe wurde früherhin anscheinend bald in der Wohnung des Schenken, bald im Keller vorgenommen und später, nach einem Zeugnisse von 1660, falls der Wein seewärts eingebracht wurde, in dem „new erbawten Gewölbe“ am Wasser oder, kam er zu Wagen, auf dem freien Markte. Als Andreas Weltner 1702 den Keller übernahm, verbat er diese Einrichtung, von der man denn auch abstand und hinfort im Keller selbst die Probe auszuheben einwilligte, zu welcher die Pächter noch bis 1804 verpflichtet gewesen sind. Aber auch das „laufende Faß“, den Wein im Keller zu überwachen, damit keine Verfälschungen durch Frankenwein oder überhaupt Landwein Statt fänden, lag den Weinherren ob, wozu sie jedoch in den letzten Zeiten den Diener der Weinaccise, den Weinschreiber, zu committiren pflegten, bis man im Jahre 1853 von aller Controle abgesehen hat, die ohnehin längst bloße Formel der Pachtcontracte geworden war. Das aber ist erst im vorigen Jahrhunderte, 1766, nöthig befunden, die Kellermeister zu mahnen, daß sie sich keiner gesundheitswidrigen, reichsgesetzlich verbotenen Mittel bedienen sollten, um die Weine aufzubessern, aber auch davon ist jetzt in den Contracten keine Rede mehr. Die Weinherren hatten weiter auch darauf zu sehen, daß hinreichender Vorrath im Keller sei und bei eintretendem Mangel ein Verbot des Verkaufs an den Gast zu veranlassen, wie ein solches z. B. Anfangs April 1574 bestand. Nicht minder unterlag ihrer Aufsicht die Richtigkeit der mit Regeln versehenen zinnernen Maaße und der sonstigen Gefäße und hatten sie darauf zu halten, daß Käufer nicht übersetzt würden. Ferner mußten sie Achtung geben, daß überall kein Wein in den Keller kam, den dort zu führen nicht gestattet war, und dabei zugegen sein, wenn die im siebenzehnten Jahrhunderte in Mode gekommenen Kräuterweine gemischt wurden. Außerdem lag den Weinherren die Aufsicht über den Weinhandel der Bürger ob, indem sie sowohl zu wachen hatten, daß diese keinen Wein führten, der dem Rathskeller allein zustand, als auch den von ihnen eingelegten Wein gleichfalls zu prüfen, zu welchem Ende der Kellermeister Proben abholen mußte 7). Wie lange diese Prüfung des Bürgerweins bestanden hat, läßt sich nicht angeben, doch ist im Jahre 1694 noch davon die Rede. Leicht hatte sich hieraus, sowie aus dem Umstande, daß seit Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts Weinamt und Wette von denselben Rathsverwandten versehen wurden, auch eine gewisse richterliche Gewalt über Vergehen, die zum Keller in Beziehung standen, heraus bilden können, wie es in Lübek der Fall gewesen ist, doch sind Versuche dazu nicht von Erfolg begleitet worden. Das Gericht ist vielmehr, wie schon 1418, wo Peter Wosseke die Stadt bei Lebensftrafe verschwören mußte, der Wein im Keller getrunken und ohne zu bezahlen sich davon gemacht hatte, auch im ganzen siebenzehnten Jahrhunderte nach der eidlichen Verpflichtung des Kellermeisters und seiner Leute Schlägereien im Keller dem Gerichte zu melden, sowie endlich nach der Weinkeller-Ordnung vom 22. Juli 1732 die zuständige Behörde für dergleichen geblieben, während der Rath in Folge der Streitigkeiten mit dem Kellerpächter zu Anfang des vorigen Jahrhunderts in den folgenden Contracten für vorkommende Differenzen zwischen diesen und den Weinherren ausdrücklich sich als richterliche Behörde anerkennen ließ und wegen Beeinträchtigungen des Kellers durch Bürger beim Gewette geklagt wurde. Uebrigens hat der Rath eigenthümlich genug laut der Bürgersprache von 1400 die Strafe für das Ausführen von Weingefäßen aus dem Keller sich vorbehalten. Endlich hatten die Weinherren die Kasse unter Händen und den Gewinn unter die Rathmannen zu vertheilen, welcher aus dem Verkaufe des Weines nach Abzug der Unkosten, später aus der Pacht und der in der Alten Bürgersprache Art. 89 zuerst erwähnten Accise der Bürger für die von ihnen eingelegten Weine, Branntweine und fremden Biere, wozu dann noch im siebenzehnten Jahrhunderte die Kesselabgabe der Brenner kam, resultirte. Jedenfalls wird an sie auch das Fuder Wein gezahlt sein, welches in älterer Zeit, wie oben erwähnt, dem Rathe für Vorsate zukam, und ein Statut von 1345 8) weist ihnen das „Weingeld“ zu, eine von denen, welche Häuser, Buden u. s. w. von der Stadt heuerten, gezahlte kleine Abgabe; von beiden ist in späterer Zeit keine Rede weiter. Vielleicht kassirten sie auch die Brüche ein, welche innerhalb Rathes fielen, und gewiß die Strafgelder, welche das Gericht für Schlägereien im Keller wahrnahm und deren z. B. 1683/4 9 M., 10 M. und 24 M. zur Einnahme gebracht sind. Außerdem erhoben sie noch einige andere Gefälle der Rathmannen und wurden so die Verwalter des im Jahre 1681 gebildeten Rathsärars, der späteren Raths-Patrimonialkasse. Nach einem Statute von 1343 sollten dann jedes Mal in der letzten Woche vor Ostern die Weinherren von ihrem Amte abtreten 9), also auch Rechnung zulegen, und dies ist auch mit wenigen durch besondere Verhältnisse herbeigeführten Ausnahmen immerwährend so gehalten, ja bis auf den heutigen Tag begannen auch alle Pachtcontracte gleichfalls mit diesem Termine. Bei der Rechnungsaufnahme, mit welcher im sechszehnten Jahrhunderte eine kleine „Refection“ 10) verbunden war, an deren Stelle im siebenzehnten eine Geldvergütung trat, waren zwei Bürgermeister und die beiden Kämmerherren außer den Weinherren zugegen, die Gegenwart des Schenken bei der Theilung aber war ausdrücklich verboten 11). Jetzt giebt es keine Weinherren mehr; vor etwas mehr als vierzig Jahren sind die letzten ernannt und ein „Senator“ versieht gegenwärtig die einzige Obliegenheit, die ihnen geblieben war, die Verwaltung der Rathsbesoldungskasse.




6) Ein anscheinend noch dem 16. Jahrhunderte angehöriges Normalquartier enthält Wasser 1 3/4 Pfd. Civilgewicht oder 28 Unzen Mediziualgewicht. Es ist aber nach altem Maaße 1 Fuer = 6 Ohm, 1 Ohm (de ame) = 40 Stübchen (stoveken), 1 Stübchen = 2 Kannen, 1 Kanne = 2 Quartier, 1 Quartier, jetzt Stop, = 2 Plank (de planke). Eine officielle Aufzeichnung vom Jahre 1806 rechnet 1 Fuder = 24, 1 Stück = 14, 1 Bot = 9, 1 Oxhöft = 6, 1 Ohm = 4, 1 Eimer = 4/5, 1 Viertel = 1/5, 1 Stübchen = 1/10 Anker und 1 Anker = 20 Kannen.
7) So nach der Instruction zur Acciseorduung von 1584 und den Pachtcontracten. Nach Art. 89 der Alten Bürgersprache lag dem Schenken die Probe ob.
8) Burmeister, Alt. d. Wism. Stadtr. S. 20. Vgl. Mekl U. B. Nr. 2090.
9) Anno domini MCCCXL tercio in festo Ascensionis eiusdem domini mei consules concorditer arbitrando statuerunt, quod consules, quibus vinorum officium committitur, debent annuatim in vltima septimana ante Pascha ipsum officium consulibus resignare. Rathswillkürebuch Fol. 4.
10) Menu 1571, März 23: Grüne Fische 12 S., ein grüner Lachs 3 S., Dorsch, Krebse, Brot und Butter 1 M., 3 Pfd. Confect 2 M. 4, 4 St. Wein 2 M. 8, Rothbier 1 M. 4. - 1573, Jan. 23: Ein Hase 8 S., Grapenbraten (gekochtes Rindfleisch) und Schweinefleisch 12 S., Brot und Butter 8 S., 3 Pfd. Confect 2 M. 8, 3 St. Most 2 M. 10, 1 St. Wein 12 S., Rothbier 1 M.
11) (1467) Caupo non debeat interesse, quando camerarii et domini vinorum diuidant lucrum ex cellario venientem. Weinregister ad ann. S. 87.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches E. E. Raths Weinkeller zu Wismar