Kapitel

Sehr viele Schriftsteller pflegen sich im Vorwort oder in der Einleitung zu entschuldigen wegen des nachfolgenden Werks, und wenn dasselbe große Ansprüche auf die Nachsicht des Publikums erhebt, so mag die Methode eine gewisse Berechtigung haben. Weil dieser schriftstellerische Versuch indessen mein erstes Vorgehen dieser Art ist, so halte ich eine Rechtfertigung für ziemlich überflüssig. Sollte sie dennoch für notwendig erachtet werden, so würde ich freilich schwerlich eine genügende Entschuldigung für mein Wagnis finden können. Ich überlasse es daher lieber dem Leser, die Fehler dieser schriftstellerischen Leistung ausfindig zu machen, statt die Arbeit einer Verteidigungsrede zu übernehmen.

Eine Darlegung der Gründe, welche mich zu der in diesem Buche geschilderten Reise veranlassten, sowie eine Vorführung meiner Reisegefährten glaube ich jedoch dem Leser schuldig zu sein, und beeile mich deshalb, dieser Pflicht nachzukommen. Vor etwa einem Jahre stellte ich dem Publikum eine Gesellschaft Erdmenschen aus der Kalahari vor. Diese Leute wurden von einem Halbblut -Jäger Namens Kert begleitet, welcher als ihr Dolmetscher fungierte, nachdem er sich mit ihrem der Sprache der Buschmänner nahe verwandten Idiom einigermaßen bekannt gemacht hatte.


Nach Kerts Schilderungen der grasbedeckten Ebenen und fruchtbaren Savannen und Wälder, welche von allen Arten Wild wimmelteu, schien die Kalahari ein Paradies für Jäger zu sein und nicht jene dürre Wüste, als welche sie uns bis dahin dargestellt war. Des weitern versicherte er mir, eine gewisse Stelle zu kennen, wo er selber Diamanten, und zwar einen im Gewicht von 188 Karat, gefunden habe. Schenkte ich auch anfangs diesen Geschichten wenig Glauben, so fand ich doch später, als ich einige den Erdmenschen gehörende Gegenstände durchmusterte und dabei nach Gift suchte, statt dessen einige Diamanten, wodurch Kerts Mitteilungen einigermaßen bestätigt wurden. Da mir nun zur Wiederherstellung meiner Gesundheit eine Veränderung des Klimas empfohlen war, so beschloss ich nach Afrika zu gehen, den alten Kert mitzunehmen und seine Aussagen an Ort und Stelle zu prüfen.

Eine solche Reise konnte jedoch nicht ohne den Beistand eines verlässlichen Reisekameraden unternommen werden, und ich kannte nur einen, auf welchen ich mich unbedingt verlassen konnte. Das ist der Herr, welcher im vorliegenden Werk unter dem Namen Lulu auftritt.

Dem amerikanischen Publikum ist derselbe bekannt genug durch seine vor einigen Jahren ausgeführten Kraftstücke und Wagnisse; jetzt liegt er in Bridgeport, Connecticut, seinem Beruf als Portraitmaler und Photograph ob.

Als ich mich zu meinem Ausfluge entschloss, war Lulu bei mir, aber es kostete große Schwierigkeiten ihn zu überreden, dass er mich begleite. Nachdem ich ihm jedoch vorgestellt hatte, welche vortreffliche Gelegenheit zur Erlangung neuer photographischer Ansichten und Bilder er dort finden würde, ging er mit vollster Teilnahme auf meinen Vorschlag ein, schaffte sich die neuesten Verbesserungen in tragbaren photographischen Apparaten, Zeichenbüchern u. s. w. an, und dann segelten wir ohne Verzug nach England und von da nach Kapstadt.

Bevor ich Amerika verlies, sagte mir einer der Mitbesitzer meiner Viehzüchterei bei einem letzten Besuch, als er mich Kerts glühende Beschreibung der Wüste wiederholen hörte, dass ich schon schlechtere Geldanlagen vorgenommen hätte, als den Ankauf eines zu einer Viehzucht im großen Stil geeigneten Landstrichs in der Kalahari. Das wirkte wie eine neue Versuchung auf mich, das Land selber zu sehen; auf diese Art haben Diamanten und Viehzucht die Veranlassung geliefert zur Reise sowohl wie auch zu diesem Buch.

Wir erhielten Empfehlungsbriefe an alle leitenden Persönlichkeiten der Kolonie, Sir Hercules Robinson, Sir Charles Warren, Oberst Schermbrücker u. A.; weil jedoch Kerts Diamantengeschichte ins Publikum gedrungen war, so nahmen wir unsere Schiffsplätze unter falschen Namen.

Vermittelst dieses Auskunftsmittels bekamen wir Gelegenheit, verschiedene recht freie Urteile über uns selber von selten mehrerer Passagiere an Bord des „Roslin Castle“ zu hören. Ein Herr wusste mir insbesondere davon zu erzählen, wie er den filzigen Burschen, den Farini, genötigt hätte, die Zeche für ihn zu bezahlen, was er in seinem Leben noch nie getan hätte — welche Geschichte mir natürlich eine schlechtere Meinung von Farini beibrachte, als ich vorher von ihm hegte.

Auf der Hinreise machten wir die Bekanntschaft der reizenden Fräulein Sauer und ihrer verheirateten Schwester, der liebenswürdigen Frau Caldecott; nach Ankunft in Kapstadt wurden wir Herrn Dr. Sauer und Herrn Caldecott, sowie Oberst Schermbrücker, dem Minister der öffentlichen Bauten, vorgestellt, an welchen mir Sir Charles Mills, der Generalagent der Kap-Kolonie in London, einen Empfehlungsbrief mitgegeben hatte; von ihm erhielten wir einen offenen Empfehlungsbrief an alle Kommissare und Magistrate in den von uns zu passierenden Gegenden, durch welchen sie aufgefordert wurden, uns allen möglichen Beistand zu leisten.

Die wenigen Ruhetage in Kapstadt verflossen in angenehmster Weise. Hier wurde zu Mittag gegessen, dort wurden Besuche abgestattet und lustige Ausflüge unternommen, wenn der Südost nicht gar zu hart blies. Einer der schönsten war der über die Eisensteinchaussee nach Constantia, um den berühmten Winzer Herrn Cloete zu besuchen, einen Holländer alten Schlags und höchst liebenswürdigen Wirt, welcher das sauberste und am besten verwaltete Landgut besitzt, das ich in ganz Afrika gesehen habe. Ein anderer köstlicher Ausflug führte uns längs des Löwenbergs nach dem Landsitz von Kapitän Morrison, dem lustigsten Schotten, den ich je sah, und nach einem Institut von „Malayville“ bei Kapstadt.

Lulu brachte die freien Tage dagegen auf dem Tafelberg zu, von dem er einige sehr hübsche Bilder heimbrachte, welche nebst den auf der Reise gemachten Aufnahmen auf der kürzlich abgehaltenen photographischen Ausstellung in London, und nachher in einer Sitzung der Berliner Gesellschaft für Erdkunde am 7. November 1885 ausgestellt wurden. In letzterer Gesellschaft hielt ich gleichzeitig einen deutschen Vortrag über meine Reise durch die Kalahari, wie ebenfalls später in England, am 8. März 1886, vor der Königlichen Geographischen Gesellschaft in London.

Alle Illustrationen in diesem Werk stammen von photographischen Aufnahmen meines Reisegefährten Lulu, mit alleiniger Ausnahme des Bildes von den großen „Hercules-Fällen“ im Oranjefluss bei Hochwasser, welchem eine unter den ungewöhnlichsten Umständen entworfene Zeichnung zu Grunde liegt, wie an der betreffenden Stelle weiter ausgeführt ist.

Vielleicht darf ich noch hinzufügen, dass außer der Herstellung der von gymnastischer wie von photographischer Seite gleich schwierigen Aufnahmen der größten und unzugänglichsten Wasserfälle der Welt, der Hundert Fälle des Oranjeflusses, meine Reise dazu beigetragen hat, die allgemein herrschende Vorstellung zu beseitigen, dass die Kalahari eine unfruchtbare Wildniss sei.

Die Genugtuung, mit welcher mich diese beiden Hauptresultate meiner Reise erfüllen, entschädigt mich mehr als nötig für alle Gefahren und Mühseligkeiten der Reise.

Um den Ansprüchen der Leser auch in naturgeschichtlicher und geographischer Richtung einigermassen gerecht zu werden, habe ich am Schlüsse eine Schilderung der Fauna und Flora der Kalahari nebst einem Schlüssel zu der beigegebenen Kartenskizze folgen lassen.

Im März 1886. G. A. Farini

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Durch die Kalahari-Wüste