Die Franziskanerkirche und ihre mittelalterlichen Bildwerke

Weit älter als diese Reste ist die Franziskanerkirche, jetzt Sophienkirche. Leider ist sie durch die Restaurierung von 1864 in ihrem Äußeren verfälscht und innen wie außen der bezeichnenden Einzelheiten beraubt worden. Die Franziskaner oder Barfüßermönche kamen im 13. Jahrhundert nach Dresden und gründeten hier ein Kloster. Im Jahre 1265 muss das Kloster schon bestanden haben, denn damals hielt der sächsische Ordensprovinzial in Dresden ein Kapitel ab. Das Kloster erstreckte sich vom Ausgange der großen Brüdergasse bis zum Taschenberg, wo der Mönchsgarten lag. Die Kirche entstand im 13. und 14. Jahrhundert. Sie lag inmitten der Klosteranlagen nach der Stadtmauer zu und war wie alle Bettelmönchskirchen turmlos; sinnloser weise hat man ihr 1864 zwei Türme vorgesetzt. Überdies ruft die neue Schauseite den Gedanken an eine dreischiffige Kirche wach, während sie in der Tat noch heute zweischiffig ist. Sechs Bogen auf fünf freistehenden und zwei angelehnten Pfeilern trennen die beiden Schiffe; die östlichen vier Bogen nebst ihren Pfeilern gehören einer älteren, die westlichen beiden Bogen und drei Pfeiler einer jüngeren Bauzeit an. Die beiden Chorhäupter waren aus dem Achteck gebildet. Das Gewölbe der Kirche mit reichem Rippenwerk stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Besonders beachtenswert ist die Taufkapelle am Südchor, ehemals Bußmannskapelle genannt. Gegründet wurde sie zu Ende des 14. Jahrhunderts von dem hochangesehenen Dresdner Bürger Lorenz Bußmann, der 1387 in den Rat eintrat und bis zu seinem Tode 1412 viermal Bürgermeister war. Die unregelmäßig aus dem Zehneck gebildete Kapelle ist mit feingliedrigem Netzwerk gewölbt. Die fünf Runddinste durchbrechen in halber Höhe Konsole, die als Mann, Frau und Engel durchgebildet oder mit Blattwerk und Adler verziert sind. Zwei davon stellen den Bürgermeister Bußmann und seine Frau dar, die ältesten Bildnisse von Dresdner Bürgern.


Abb. 8 Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) Grundriss des Erdgeschosses Zustand vor 1864. A Altar von 1606, B Altar aus der Schlosskapelle, C Turm von 1730, D Tor von der Schlosskapelle

Abb. 9 Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) Bußmannskapelle mit dem Altar aus der Schlosskapelle

Abb. 10 Bürgermeister Lorenz Bußmann in der Bußmannskapelle der Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) Um 1400

Abb. 11 Frau des Bürgermeisters Lorenz Bußmann in Sandstein gehauen in der Bußmannskapelle der Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche)


Aus dieser Kapelle stammt eines der hervorragendsten Werke mittelalterlicher deutscher Plastik: das heilige Grab, das 1552 aus der Franziskanerkirche in die Bartholomäuskapelle, bei deren Abbruch in das Altertumsmuseum kam.

Der tote Erlöser liegt lang hingestreckt vor uns im Grabe. Dahinter stehen in Halbfiguren die drei trauernden Marien. Links und rechts schwingen kleine Engel Weihrauchfässer. Ein starker Wirklichkeitssinn durchdringt die Darstellung, aber ein hoher Ernst, eine tiefedle Auffassung liegt auf dem Antlitz Christi mit den geschlossenen Augen und den eingefallenen Wangen. Bitteres Leiden ist diesem Tode voraufgegangen, aber der große Dulder hat den Tod überwunden. Die Kunst hat wenig so eindrucksvolle Gebilde aufzuweisen wie dieses edle, von schwarzen Locken umrahmte Haupt. Nicht minder meisterhaft sind die drei trauernden Frauen gebildet. In edler vornehmer Haltung stehen sie da, das feine Oval des Gesichts vom Kopftuch umrahmt; stiller verhaltener Schmerz liegt auf den Zügen und mit ruhiger Geberde halten sie in den langen schmalen Händen ihre Salbenbüchsen, während sie schweigend auf den toten Erlöser hinschauen. Die meisterhafte Behandlung der Gewänder trägt nicht wenig zu der vornehmen Wirkung der drei Gestalten bei.

Abb. 12 Das heilige Grab aus der Bußmannskupelle der Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) in Sandstein ausgeführt um 1400 (jetzt im Museum des Sachs. Altertumsvereins)

Vier bewaffnete Krieger bewachen das Grab an seinen vier Ecken. Wie sie so bequem und lässig ohne jede Spur von Feierlichkeit oder innerem Anteil an dem großen Ereignis dasitzen, wirken sie in dem starken Gegensatz zu dem würdevollen Ernste der Grabgruppe fast erheiternd, dazu trägt auch der kleinere Maßstab dieser Figuren bei. Haar und Tracht der Wächter kennzeichnet das bedeutsame Werk als Schöpfung der Zeit vor 1400. Zu dem Altar gehört wohl auch die kniende Frau, die gleichfalls aus der Bartholomäuskapelle in das Altertumsmuseum kam; sie mag ein Mitglied der Familie Bußmann darstellen.

Gleich diesen Bildwerken bewahrt das Altertumsmuseum auch drei hölzerne spätgotische Figuren aus der ehemaligen Jakobikirche: St. Anna Selbdritt (mit Maria und Jesus auf den Armen), Johannes den Täufer und den heil. Jakobus. Ernste vornehme Auffassung eint sich in ihnen mit trefflichem Wirklichkeitssinn. Namentlich Jakobus mit seinem langen Bart, seiner kräftigen Nase und dem andächtigen Ausdruck in den Zügen wie in der eigenartigen Gebärde ist ein sehr schätzenswertes Werk. Leider sind die drei Standbilder durch den Anstrich in weißer Ölfarbe stark beeinträchtigt. Gurlitt hält den Jakobus für das letzte Werk katholischer Kunstauffassung in Dresden.

Endlich ist als eine tüchtige handwerksmäßige Schöpfung des späteren Mittelalters der Altarschrein mit der Anbetung der heiligen drei Könige zu nennen. Er stammt wahrscheinlich aus der ältesten Dreikönigskirche in Dresden-Neustadt. Das Werk ist seiner trefflich erhaltenen alten Bemalung wegen besonders bemerkenswert.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Dresden
Abb. 8 Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) Grundriss des Erdgeschosses Zustand vor 1864. A Altar von 1606, B Altar aus der Schlosskapelle, C Turm von 1730, D Tor von der Schlosskapelle

Abb. 8 Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) Grundriss des Erdgeschosses Zustand vor 1864. A Altar von 1606, B Altar aus der Schlosskapelle, C Turm von 1730, D Tor von der Schlosskapelle

Abb. 9 Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) Bußmannskapelle mit dem Altar aus der Schlosskapelle

Abb. 9 Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) Bußmannskapelle mit dem Altar aus der Schlosskapelle

Abb. 10 Bürgermeister Lorenz Bußmann in der Bußmannskapelle der Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) Um 1400

Abb. 10 Bürgermeister Lorenz Bußmann in der Bußmannskapelle der Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) Um 1400

Abb. 11 Frau des Bürgermeisters Lorenz Bußmann in Sandstein gehauen in der Bußmannskapelle der Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche)

Abb. 11 Frau des Bürgermeisters Lorenz Bußmann in Sandstein gehauen in der Bußmannskapelle der Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche)

Abb. 12 Das heilige Grab aus der Bußmannskupelle der Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) in Sandstein ausgeführt um 1400 (jetzt im Museum des Sachs. Altertumsvereins)

Abb. 12 Das heilige Grab aus der Bußmannskupelle der Franziskanerkirche (jetzt Sophienkirche) in Sandstein ausgeführt um 1400 (jetzt im Museum des Sachs. Altertumsvereins)

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