Mythologie und Allegorie

Mythologie und Allegorie sind der Kern dieser Festlichkeiten, wie ja der Kunst des 17. Jahrhunderts überhaupt. Die antike Mythologie in der Auffassung der römischen Dichter beherrschte damals die Phantasie der gebildeten Abendländer; ihre Gestalten und die Themata, die man aus ihr schöpfte, waren jedermann verständlich und geistiges Gemeingut aller. Allegorie war, wie Jakob Burkhardt sagt, die Voraussetzung aller damaligen Kunst; die "Tafel des Cebes“ gehörte längst zu den Schulbüchern: eine wahrscheinlich spätantike Schrift, worin eine große Schar von moralischen und intellektuellen Allegorien auftritt, und zwar bereits als in einem umfangreichen Gemälde handelnd und redend angebracht. Was das 16. Jahrhundert weiter an Allegorischem geradezu angehäuft hatte, bildete für die Kunst des 17. Jahrhunderts eine unerschöpfliche Vorratskammer. Die allegorische Prachtausstattung aller Festlichkeiten ward zuerst in Italien ausgebildet, durch Nossenis Inventionen kam sie nach Dresden und hier fand sie für mehr als ein Jahrhundert eine bleibende Stätte und ausgiebige Pflege, die wohl in den Festlichkeiten bei der durchlauchtigsten Zusammenkunft ihren Höhepunkt erreichte.

Ein Beispiel des mythologisch-allegorischen Geistes der Spiele gibt das Ring- und Quintanrennen der sieben Planeten gegen den Monarchen Nimrod. In den „Kartells“, die für die Teilnehmer der Vorbereitung wegen ausgegeben wurden, wird in gespreizter, schwülstiger Sprache erzählt, wie die sieben Planeten "durch den Hochmut eingebildeter Tapferkeit fast mit Gewalt von ihrem Sitze herabgenötigt und auf den Kampfplatz gefordert werden.“ „Nimrod, der Enkel des großen Cham ... ist aus dem Abgrund der unteren Welt mit einem Schwalle seiner Reichs-Folgere heraufgestiegen und unterstehet sich, sambt solchem seinem Comitat, Uns siebenfach verbrüderte Gestirne zu einem Ring- und Quintanrennen herauszufordern“ usw. Beim Quintanrennen wurde mit der Quintane, d. h. mit der Lanze nach den Köpfen holzgeschnitzter Tiere gestochen; bei anderen Kopfrennen brauchte man den Wurfspeer oder den Säbel; beim Ringrennen galt es, im Reiten oder Fahren aufgehängte Ringe mit der Lanze herabzuholen; beim Karussellreiten ritten verschiedene Gruppen von Reitern und Reiterinnen — jede Gruppe durch gleichartiges Kostüm kenntlich — mannigfache Figuren in verschiedenen Gangarten, meist waren sie mit einer Art des Kopfrennens verbunden. Bei dem Planeten-Quintanrennen erschienen die Teilnehmer als Merkur, Venus, Mars, Jupiter usw. verkleidet, die Gefolgschaft in entsprechenden antiken Kostümen. Dem Quintanrennen folgte die Aufführung der "musikalischen Opera und Ballett von Wirkung der sieben Planeten. Cupido singt den Prolog, dann folgen in sieben Verwandlungen je einer der sieben Götter und Göttinnen. Jede Gottheit stellt sich in einigen Versen vor, die entsprechende Gefolgschaft tanzt ein Ballett. In ähnlicher Weise sind ein Ringrennen, eine Fischermaskerade und ein Jäger-Büchsenschießen der Diana gewidmet, ein zweites Büchsenschießen und ein Feuerwerk dem Herkules usw. Bei allen diesen Festen wurde die Umgebung mit der Handlung durch glanzvolle Dekorationen in Einklang gesetzt; durch kunstreiche Maschinen wurden Parnaß, Olymp, Planeten, Elemente, Jahreszeiten, Weltteile und andere mythologische und allegorische Darstellungen vorgeführt, und auf dieser Schaubühne ergingen sich dann die Mitglieder der Hofgesellschaft in antiken prunkvollen Gewändern und suchten möglichst den Charakter ihrer Rollen zu wahren.“





Dieses Kapitel ist Teil des Buches Dresden