Das Stallgebäude

So begann denn sofort nach seiner Thronbesteigung eine umfassende Bautätigkeit in Dresden. Paul Buchner, der unter Augusts sparsamem Regiment seine Talente nur an geringfügigen Dingen hatte zeigen können, bekam jetzt mit einem Male eine ganze Reihe größerer Aufgaben. Vor allem galt es, das Schloss weiter auszugestalten und gleichzeitig dem Neumarkt, der in noch sehr unfertiger Gestalt dalag, Form und Ansehen zu geben. Denn östlich vom Schloss, das damals nur bis zum Georgentor reichte, sah es damals nichts weniger als schön aus. Noch stand ein Teil der mittelalterlichen Stadtmauer; im Zwinger, d. h. in dem Gelände zwischen der alten und der neuen Stadtmauer breiteten sich ärmliche Wohn- und Werkstätten von Handwerkern aus; der Neumarkt und die anschließende Moritzstraße waren noch nicht völHg bebaut und die äußeren Festungswerke wiesen im Osten nach der Elbe zu ebenfalls noch eine Lücke auf. Binnen wenigen Jahren wurde das anders. Christian ließ vor allem das Stallgebäude mit dem Stallhof errichten, jene Stätte für ritterliche Kampf spiele, die bald in ganz Europa berühmt wurde. Es war in seiner Art ein großartiges Werk. Nicht weniger als 24 Bürgerhäuser, die der Kurfürst für 19.657 Gulden 9 Groschen ankaufte, mussten zur Gewinnung des Bauplatzes abgetragen werden. Dann ging man mit 2.000 Handwerkern und Arbeitern tatkräftig an den Bau. In den Grundstein legte man verschiedene Münzen, auch "zwei venedische Gläser mit rot und weißem Wein gefüllet“. Binnen Jahresfrist war der Bau unter Dach gebracht. Dann aber brauchte man noch immer vier und ein halbes Jahr, bis die äußere und die innere Ausstattung ganz fertig war. Die Baukosten betrugen einschließlich des genannten Kaufpreises für die Bürgerhäuser 200.000 Taler, eine ungeheure Summe für die damalige wohlfeile Zeit zumal im Hinblick auf die Vorteile, welche der kurfürstliche Bauherr bezüglich der Beschaffung der Baumaterialien und der Dienstleistungen der Amtsuntertanen genoß. Das Ergebnis der großen Anstrengungen und Aufwendungen war stattlich genug. Die Zeitgenossen können sich nicht genug tun in der Schilderung der Pracht dieses Baues. Er erstreckte sich — wie noch heute die Gesamtanlage zeigt — vom Georgenbau bis zum Jüdenhof. Hier lag das Stallgebäude, das hufeisenförmig einen Hof umschloss und Räume für 128 Pferde darbot. Die Schauseite nach dem Jüdenhof zeigt den zweigeschossigen Mittelbau flankiert von zwei vortretenden quadratischen Söllerbauten. Links und rechts ein schweres Portal, dazwischen derbe facettierte Quaderungen, darauf in zwei Geschossen niedrige gekuppelte Fenster, auf dem Hauptgesims vor dem hohen Ziegeldach zwei an den Ecken zusammengedrückte Volutengiebel. Dazu alle Wandflächen bedeckt mit schwarzen Sgraffitomalereien: einzelne Krieger, Reiterzüge, Schlachtenszenen usw. Ganz ähnlich war die Ansicht der langen Galerie an der Augustusstraße, die heute den Fürstenzug aufweist. Von der gesamten Außenarchitektur ist nur noch das Jagdtor mit seiner derbkräftigen Architektur erhalten; die Bildwerke stammen von Andreas Walther. Sehr viel reizvoller als die Außenansicht war und ist noch heute der Hof. Längs der Augustusstraße vom Georgenbau aus erstreckte sich hier, von einer mächtigen offenen Bogenhalle begrenzt, die schmale Bahn für Ringelrennen, Tierhatz und andere ritterliche Spiele und höfische Unterhaltungen, die sich nach Osten zu in einen unregelmäßigen Hof erweiterte. Von all dem reichen Schmuck der Säulenhalle an Malereien und Reliefs, sowie von den Einrichtungen für Ringelrennen und Palliumstechen , die in der Bahn angebracht waren , sind heute nur noch zwei prachtvolle bronzene Säulen (Ringelbäume) für das Ringstechen aus dem Jahre 1588 erhalten: auf einem vierseitigen Postament erhebt sich eine Säule, die unten reich mit Waffen im Relief verziert ist, obenauf steht ein Obelisk. Die Löcher an den Innenseiten der Säulen dienten zur Befestigung des Armes, der die Stechringe trug. Wer die Säulen modelliert hat, ist unbekannt, gegossen haben sie die Kannengießer Benedix Bachstadt und Gottschalch Specht. Außerdem sieht man an der Mauer zur Linken im dichten Efeu (es ist ein Rest der alten Stadtmauer) in der Höhe von 4 ½ m einen lebensgroßen Stierkopf aus dem 17. Jahrhundert. Angeblich zeigt er an, wie hoch bei einer Tierhatz ein Stier gesprungen sei.

Abb. 25 Das alte Stallgebäude
Abb. 26 Bronzene Säule zum Ringelrennen im Stallhof (1588)


Trotz aller Unbilden, die der Stallhof mit dem Bau des Stallgebäudes erlitten hat, bietet er noch heute einen köstlichen Anblick dar. Uralter Efeu und wilder Wein ranken an den Giebeln und Mauern empor und gar köstlich ist es, wenn der Herbst alle Wandflächen mit seinen bunten Farben umkleidet. Dicht beim geräuschvollen Getriebe des Alltags hat sich da ein Stück idyllischer Poesie aus vergangenen Tagen erhalten, wie es andere Städte etwa im Kreuzgange eines alten Klosters oder im Domhof aufzuweisen haben. Wieviel schöner noch würde das Bild sein, wenn die Arkadenhalle von den schließenden Mauern befreit und vor allem, wenn das große Marmorbecken im vordem Hofe wieder mit Wasser gefüllt und in Betrieb genommen würde. Etwas wie frisches Leben würde damit wieder in den alten Turnierhof einziehen, wenn man die Zisterne ihrer alten Bestimmung wiedergäbe.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Dresden
Abb. 25 Das alte Stallgebäude

Abb. 25 Das alte Stallgebäude

Abb. 26 Bronzene Säule zum Ringelrennen im Stallhof (1588)

Abb. 26 Bronzene Säule zum Ringelrennen im Stallhof (1588)

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