Das Portal der Schlosskapelle

Das herrliche Portal, einst seiner Farbenpracht wegen das goldene Tor genannt, ist als römischer Triumphbogen gestaltet. Zwei Paar korinthische Säulen auf hohen Sockeln tragen ein reich gegliedertes Gebälk mit köstlich verziertem Fries mit Zahnschnitt, Eierstab, Konsolen usw., darüber eine Attika mit der bewegten, lebhaften Auferstehung Christi im Relief, links und rechts davon in Nischen zwischen den flachen Pilastern Jesaias und Paulus, obenauf der auferstandene Christus mit der Fahne, links der Glaube mit dem Kelch, rechts die Stärke mit der Säule. Zwischen den Säulen in Nischen links Johannes der Täufer mit Buch und Lamm, darunter Johannes der Evangelist mit Kelch und Adler, rechts der gehörnte Moses mit den Gesetzestafeln, darunter Petrus mit Schlüssel und Tafel. Die hölzerne Tür umrahmen verzierte Pilaster mit Bogen. Das Relief im Mittel zeigt Christus mit der Ehebrecherin, links davon das Kurwappen, rechts das der Wettiner, darüber in der Attika den Wahlspruch der sächsischen Kurfürsten: VDMIE = Verbum Domini Manet In Aeternum (Das Wort Gottes bleibet in Ewigkeit).

Die ganze Herrlichkeit der Renaissance strahlt von dem Werke wieder. "Es ist weitaus die edelste Portalkomposition der ganzen deutschen Renaissance, in Schönheit der Verhältnisse, Klarheit der Komposition, Anmut der Ornamente und Feinheit der Gliederung den Geist durchgebildeter Hochrenaissance verkündend.“ (Lübke, Deutsche Renaissance II, 331.) Welch ein unerschöpflicher Reichtum der Ornamentik tritt uns entgegen! Wie fein und anmutig sind die Einzelheiten durchgebildet! Wie aus einem Guß steht das klassisch vornehme Werk in einer harmonischen Abgeschlossenheit vor uns, wenn wir es als Ganzes auf uns wirken lassen.


Abb. 18 Tor der ehemaligen Schlosskapelle 1555 (jetzt am Jüdenhof)

Betrachten wir einlässlich alle Einzelheiten, so schwindet ja dieser Eindruck der Einheitlichkeit hier und da: die beiden Tugenden sind etwas schwerfällig und stehen zurück hinter der freieren Gestaltung des auferstandenen Christus. Nicht minder groß ist der Unterschied zwischen dem kraftvoll und lebendig empfundenen Täufer und dem akademisch braven Evangelisten Johannes, nach Gurlitt einer späteren Ergänzung um 1730. Ja, man wird nicht fehl gehen, wenn man mit Steche das ganze Tor als ein gemeinsames Werk der italienischen und der deutschen Steinmetzen, die zugleich am Schlossbau tätig waren, betrachtet. Der Entwurf zu dem ganzen Werk, abgesehen von der Attika, darf Juan Maria zugeschrieben werden, von dem zugleich die korinthischen Säulen nebst dem Sims und der sonstigen Ornamentik herrühren. "Der Schmuck der Pilaster verrät deutlich die Art der lombardischen Renaissancedekoration: wie an den oberitalischen Portalen ist es ein kandelaberartiger Aufbau, aus dem Ranken herauswachsen, die mit kleinen Schildern und Fruchtschnüren behangen sind. Dieses Ornament führt uns auch auf venezianische Einflüsse zurück. Das Schmücken mit kleinen Schildern, Masken, Vögeln und antiken Fabelwesen hatte sich in Venedig, Brescia und Padua besonders entwickelt: hier war die Heimat der reichverzierten Pilaster. Das Antikisieren in Kostüm und Haartracht, am Kapellentor in der Viktoria in den Bogenzwickeln bemerklich, ist das Merkmal venezianischer Hochrenaissance. Man wird also nicht fehl gehen, wenn man den Hauptschmuck des Tores dem Juan Maria da Padua zuschreibt.“ (Mackowski Nosseni S. 13.) Die gesamte figürliche Plastik dagegen, die hölzerne Tür sowie der Schmuck der Säulensockel gehören ganz oder teilweise den deutschen Meistern an, die damals in Dresden wirkten. Die Attika aber mit dem Relief der Auferstehung dürfte noch jünger sein, jedenfalls von einem deutschen Meister herrühren, der italienisches Kunstempfinden in sich aufgenommen hat.

Sehr geschickt ist übrigens an dem Relief der Ehebrecherin vor Christo die perspektivische Verkürzung der Säulenarchitektur des Saales, der den Schauplatz der Handlung bildet. An dem obern Relief aber ist bemerkenswert, wie der Künstler die Fläche von unten nach oben immer weiter zurückgehen lässt, um dadurch die Tiefenperspektive und mehr Raum zu gewinnen. Vorn sehen wir in leidenschaftlicher Bewegung die bestürzten Krieger, denen der auf dem leeren offenen Grabe sitzende Engel verkündet, daß Christus auferstanden ist. Ein einziger Krieger im Gegensatz zu seinen aufgeregten Kameraden schläft noch rechts vom Engel an das Grab gelehnt. Im Mittelgrunde sehen wir die drei Marien ihre Gedanken über das große Ereignis austauschen, im Hintergrunde stehen die drei Kreuze von Golgatha. Das Ganze ist in seiner lebendigen Darstellung ungemein anschaulich. Der geistige Gehalt des ganzen Portals ist entschieden protestantisch. Die Darstellung Christi und der Ehebrecherin an der Tür deutet auf die Vergebung der Sünden hin. Das alte Testament mit seiner Gesetzesstarrheit (Moses) ist überwunden, das Neue Testament (Johannes, Petrus) bringt die Erlösung. Die Inschriften oben weisen auf Jesaias 7 und Römer 3. Bei dem Propheten finden wir die Prophezeiung auf die Geburt Christi, im dritten Kapitel des Briefes an die Römer aber steht der grundlegende Satz des evangelischen Bekenntnisses: "So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke allein durch den Glauben.“ Und zwar durch den Glauben an Christus den Auferstandenen, der aus dem Grabe verschwunden ist und oben segnend mit der Fahne des Triumphators über Sünde und Tod steht. Nur dieser Glaube gibt die wahre Stärke des Christen.

Wir wundern uns bei dem protestantischen Gehalt des Werkes nicht, daß das Portal nach dem Übertritt Augusts des Starken und seines Nachfolgers zum Katholizismus aus dem Schlosshof verwiesen und an die protestantische Sophienkirche versetzt wurde. Dort hat gestanden von 1737 — 1864.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Dresden
Abb. 18 Tor der ehemaligen Schlosskapelle 1555 (jetzt am Jüdenhof)

Abb. 18 Tor der ehemaligen Schlosskapelle 1555 (jetzt am Jüdenhof)

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