Dresden und die Sächsische Schweiz

Land und Leute – Monographien zur Erdkunde
Autor: Ruge, Sophus Prof. Dr.(1831-1903) deutscher Geograph, Geographiehistoriker und Publizist, Erscheinungsjahr: 1903
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Dresden, Sächsische Schweiz, Elbe, Landschaften, Slaven, Bevölkerung, Talbecken von Dresden,
I. Einleitung

Aus der altgermanischen Sagenzeit klingt eine Kunde zu uns herüber, dass die Schwanenjungfrauen nach Süden über den unermesslichen Dunkelwald geflogen seien. Dieser Dunkelwald wird in der alten Sprache Miriquido oder Miriquidi genannt, ja ein Chronist des Mittelalters braucht diese Bezeichnung einmal in einer so auffälligen Verbindung, dass man daraus den etwas voreiligen Schluss gezogen hat, im Mittelalter habe das Erzgebirge den Namen Miriquido gehabt. So viel Wahres liegt indes doch in diesem Schlusse, dass die unbewohnten und unzugänglichen Wälder des Erzgebirges mit zu dem tagereisenbreiten Grenzwalde gehörten, der die nördlich wohnenden Germanen von den südlichen Kelten trennte. Den Namen dieses Grenzwaldes haben uns die alten Griechen, jedenfalls aus dem Munde der ihnen näher wohnenden Kelten, in der Form Arkynnen überliefert, der dann später bei den Römern als Hercynischer Wald bekannt war. Die neuere Erdkunde hat den Namen als Hercynisches Gebirgssystem festgehalten und versteht darunter alle jene von Südost nach Nordwest streichenden Bergwälder und Gebirge, die das norddeutsche Flachland im Süden begrenzen. Es werden darunter namentlich zwei langgestreckte Gebirgszüge verstanden, die in ziemlich gleicher Richtung streichen, aber sich doch gegen Nordwesten einander immer mehr nähern.

Die Landschaften an der Elbe im böhmischen Gebirgsringe.

Der südliche beginnt mit dem Böhmerwald an der mittleren Donau, setzt sich im Fichtelgebirge und dem Thüringer Wald fort und endigt mit den letzten niedrigen Ausläufern des Teutoburger Waldes an der oberen Ems. Der nördliche Zug begrenzt als Sudeten (Riesengebirge u. a.) und Lausitzer Gebirge den Nordosten Böhmens, ist weiterhin bis zum Harz unterbrochen und nur noch an einigen stehengebliebenen Kuppen wie der Kollmberg bei Oschatz und der Petersberg bei Halle zu erkennen, und endigt als Parallelzug des Teutoburger Waldes im Weser- und Wiehengebirge.

Böhmen, Sachsen, Thüringen und die Weserlandschaften liegen zwischen den beiden Hauptzügen; aber da diese sich gegen Nordwesten einander immer mehr nähern, werden die zwischen ihnen lagernden Landschaften nach Nordwesten immer kleiner. Sachsen bildet infofern eine Ausnahme, als es nicht, wie die übrigen genannten Länderstriche, auch auf der Nordseite von Waldgebirgen abgeschlossen ist, also offener und ungehindert in das norddeutsche Flachland übergeht. Dazu ist auch feine Abgrenzung vom südlichen Nachbarlande Böhmen durch den eigenartigen Querzug eines Gebirges, das von Südwesten nach Nordosten streicht und in der neuen Zeit Erzgebirge genannt ist, viel schärfer und bestimmter erfolgt, als sonst zwischen den übrigen Landschaften innerhalb der hercynischen Bergketten.

Die Ursache liegt darin, dass von der fast nur aus Urgesteinen bestehenden mächtigen böhmischen Scholle, die das ganze Land Böhmen samt allen Grenzgebirgen und darüber hinauf auch einen großen Teil des heutigen Landen Sachsen umfasste, an tiefgehenden Spalten der Erdrinde, die in der Richtung des Erzgebirges verliefen und am leichtesten an der Richtung des Egerlaufes zu erkennen sind, sich die nördlichen Teile der Scholle (in Sachsen) von der böhmischen Masse trennten und nun eine derartige Verschiebung der Erdschichten erfolgte, dass sich der nördliche Teil (im heutigen Erzgebirge) im Norden senkte und im Süden hob, so dass hier der Steilrand sich wie eine bedeutende Gebirgsabdachung zeigt, während sich nach Norden das Erzgebirge ganz allmählich gegen das Flachland verliert. Diese große Verwerfungsspalte, an der die zahlreichen warmen Quellen und Mineralbrunnen Nordböhmens hervorgetreten sind, und die durch die Verwerfung verursachte Neigung der Erdschichten nach Norden und Nordosten reicht ostwärts bis zur Elbe. Dagegen hat alles Land östlich diesem Stromes an der erzgebirgischen Bewegung nicht mehr teil genommen. Diesem Land gehört, wenn auch nicht in politischer Hinsicht, zum Lausitzer Granitgebiet, dessen Richtung, durch das hercynische System vorgeschriebe, von Nordwest nach Südost geht. Der Lauf der Elbe in Sachsen zeigt uns diese Richtung an und an ihrem rechten Ufer ist die Lausitzer Bergmasse schroff abgebrochen und zeigt, wenn auch in mäßigeren Verhältnissen als das Erzgebirge, gegen das Elbtal einen steilen Bergrand. Auch hier ist an einer Verwerfungsspalte das Land abgesunken und bildet ein Talbecken, in dessen Mitte Dresden liegt.

Hier haben wir nun jene in ihrer Größe bescheidenen, aber nach ihrem Naturcharakter doch wichtigen Landschaften vor uns, denen unsere eingehende Beschreibung gewidmet ist: die Sächsische Schweiz und das Dresdener Talbecken.

Eingebettet zwischen dem Erzgebirge und dem Lausitzer Gebiet, viel jüngerer Bildung als die gewaltigen Massen des Urgesteins zu beiden Seiten, bilden die Landschaften an der Elbe eine Lücke in dem böhmischen Gebirgszuge und in dem großen hercynischen Gebirgszuge; und durch diese Lücke hat auch die Elbe die beiden Nachbarländer in eine natürliche Verbindung gebracht und Böhmen nach Sachsen und weiter nach Norddeutschland geöffnet. Keilförmig erstreckt sich das Gebiet von Südost nach Nordwest in der angegebenen hercynischen Richtung und ähnelt dem ganzen Gebirgsystem um so mehr und gewährt in seinen horizontalen Umrissen insofern ein kleines, aber getreues Abbild des großen Ganzen, als sich der Keil nach Nordwesten verjüngt die östlichen und westlichen Grenzen, die durch den Fuß der Lausitz und des Erzgebirges gegeben sind, am nördlichen Abschluss des Talbeckens sich bereits bis auf 6 km einander nähern, während die Breite des Sandsteingebiets im Süden der Sächsischen Schweiz vielleicht 36 km betragen mag.

Das Gebiet zerfällt nach seiner jetzigen Gestaltung in das Talbecken von Dresden und in die Sächsische Schweiz, die wir nun eingehend betrachten wollen.

Abb. 1. Der Liebethaler Grund. Lochmühle.
Abb. 2. Dresden, von der Marienbrücke gesehen.

Abb. 1. Der Liebethaler Grund. Lochmühle.

Abb. 1. Der Liebethaler Grund. Lochmühle.

Abb. 2. Dresden, von der Marienbrücke gesehen.

Abb. 2. Dresden, von der Marienbrücke gesehen.