Die Wenden

Der Burgwall in Koschütz über dem Plauischen Grunde ist als zu einer slavischen Ansiedelung gehörig erkannt worden. Im allgemeinen nahmen die Wenden dieselben Gebiete in Sachsen ein wie vor ihnen die Germanen, das heißt, sie besetzten nur das Flachland und die offenen Flußtäler, ließen aber das höhere Bergland mit seinem schwereren Boden meist unaufgebrochen. Am meisten nach Süden drangen sie im Elbtale vor, aber auch hier nur bis nach Pirna. Es waren also immer wieder nur die schon in der Steinzeit besiedelten Gegenden, die von den neuen Ankömmlingen besetzt wurden. Die ersten Spuren eines in weitere Ferne gehenden Handels und Verkehrs sind in den Funden arabischer Münzen des zehnten Jahrhunderts aus den innerasiatischen Münzstätten von Bochara und Samarkand zu erblicken. Aber solche Funde sind nur in der Lausitz gemacht; indes wissen wir doch, dass arabische Kaufleute um dieselbe Zeit Deutschland durchzogen haben und elbaufwärts auch in Böhmen eingedrungen sind.

Von den Wenden ist auch Dresden gegründet; und da die Slaven von Osten her kamen, lag ihre älteste Ansiedelung Dresden auf dem rechten Elbufer, in der heutigen Neustadt. In der alten Gestalt des Neustädter Marktes nahe der Augustusbrücke will man noch den Rundling der ältesten Dorfanlage erkennen. Von hier sind die neuen Ansiedler dann auf das gegenüberliegende Ufer, die Altstädter Seite, hinübergegangen, haben aber hier sich nur als Fischer ansässig gemacht, legten daher nicht ein Dorf nach der Gestalt des Rundlings an, sondern wohnten in einer Reihe von Häusern am Flussufer, „an der Elbe“, der heutigen Terrasse und in der Fischergasse.


Der Ackerbau der Slaven war (nach O. Schulze) eine Art wilder Feldgraswirtschaft, womit eine halbnomadische Weidewirtschaft verbunden war. Der hölzerne Hakenpflug vermochte nur den leichten Alluvialboden oder den Heidesand umzubrechen. Nach wenigen Ernten wurde das Feld wieder verlassen. Wo sich Rundlinge erhalten haben, überwog jedenfalls die Viehzucht. Erst als die Deutschen mit dem Eisenpfluge erschienen, konnte auch der schwerere Löß- und Lehmboden des Berglandes urbar gemacht werden. Daher finden wir auch jetzt noch in den Tälern und im Flachlande slavische Ortsnamen, im Hoch- und Berglande dagegen deutsche.

Aber es wäre irrig, aus der Verbreitung slavischer Ortsnamen immer bestimmt aus altslavischen Anbau schließen zu können. Die slavische Benennung im allgemeinen ist nach Schulzes Ansicht gar kein Beweis dafür, dass wir es mit einem ursprünglich von Sorben oder Wenden angelegten Ort zu tun haben. Die leidige Vorliebe der Deutschen für alles Fremdländische war anscheinend schon den Kolonisten des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts eigen. Nicht nur behielten sie den wendischen Namen der Ortschaften, aus denen die sorbischen Bewohner vor ihnen wichen, sondern auch von ihnen selbst gegründeten neuen Siedelungen gaben sie oft genug der fremden Sprache entlehnte Namen. So 928 Misni (Meißen), ferner Albertitz, Berntitz, Rampoltitz oder Rampitz auf dem Boden von Altstadt Dresden. Der Name der Rampischen Straße erinnert noch an den Ortsnamen. Conradesdorf ist um 1190 von einem deutschen Ritter angelegt und erscheint schon um 1206 als Conratiz.

Es muss daher auffallen, wenn wir unter den zahlreichen Ortschaften im Dresdener Talkessel nur drei deutsche Ortsnamen: Niederau, Zaschendorf und Naundorf finden, von denen Naundorf urkundlich am frühesten, schon im zehnten Jahrhundert genannt wird und sicher damals ein neues Dorf, eine neue Dorfanlage war, wie der Name aussagt. Aber nach Schulzes Forschungen sind viele Dörfer mit slavischem Namen auch in der Ebene erst zur Zeit der deutschen Herrschaft nachweisbar und von deutschen Herren angelegt. Nur die Ortsnamen mit patronymer Bildung, in denen also ein Personenname steckt, sind entschieden slavischer Gründung und geben über die ältesten sorbischen Anlagen Auskunft. Aber ihre Erklärnng ist deshalb oft schwierig, weil ein Name mehrere Deutungen zulässt.

Dazu kommt ferner noch die eigentümliche Erscheinung, dass die deutschen Rittergeschlechter fast durchweg die Namen der Sorbenorte annahmen, in denen sie saßen, als mit dem Ende des zwölften Jahrhunderts die Familiennamen aufkamen. Dahin gehören die Namen Carlowitz, Könneritz, Minckwitz, Nostitz, Planitz, Seydlitz, Seydewitz, Wallwitz und Zezschwitz.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Dresden und die Sächsische Schweiz