Zur genauern Betrachtung, was der Ort und das Leben uns darreichen, wollen wir jetzt den Übergang bilden. ...

Zur genauern Betrachtung, was der Ort und das Leben uns darreichen, wollen wir jetzt den Übergang bilden. Es könnte uns bei unserer Schilderung leicht der Vorwurf der Parteilichkeit gemacht werden; aber dieser wird uns keineswegs treffen, weil wir uns der Wahrheit strenge befleißigen, weshalb wir einen Jeden bitten, der diese Blätter liest und noch niemals in Doberan war, selbst nach Doberan zu reisen und sich durch eigenes Anschauen von unserer Behauptung zu überzeugen. Fremde, die fast alle Badeanstalten Deutschlands kannten, und gar keine besondere Veranlassung hatten, als Lobredner von Doberan aufzutreten, haben es laut erklärt und ausgesprochen, dass sie nirgends die humane Aufnahme, Eleganz, Bequemlichkeit, Zweckmäßigkeit in der Heilanstalt selbst, Gelegenheit, auf so mancherlei Art sich zu vergnügen u.s.w. gefunden hätten, als grade hier. Dass es Menschen gibt, denen in allen Bädern die Zeit lang wird, ist bekannt. Wer diese Klage in Doberan führt, der will sich entweder nicht anschließen, oder kann sich nicht anschließen, oder - verlangt zu viel, oder - will bloß Etwas sagen. Eins von diesen vier Dingen muss es sein. Vollkommen ist leider. nichts in der Welt, und daher ist hier ganz natürlich auch keine Vollkommenheit zu finden. Es gibt und existiert nur ein Mittel, einen großen Stein des Anstoßes aus dem öffentlichen Treiben zu entfernen, und dieses ist, es zu wünschen, dass ein jeder Badegast, der Doberan mit seinem werten oder nicht werten Besuche beehrt, seinen Stand, seine Titel und seine Orden hübsch zu Hause ließe. Da aber nun einmal weder die Adlichen, noch die Bürgerlichen gegen einander nachgeben wollen, so muss auch ein Jeder im Bade mit Geduld ertragen, was sich nun einmal nicht gut ändern lässt. Wenn jeder Kurgast und Fremde in allen Bädern nur beständig daran dächte: er sey No. 2, er möge oben oder unten sitzen, und sich stets als No. 2. betrüge, so würde sich Niemand kompromittiert fühlen. Manche haben gar die Kraft nicht, sich als No. 2. zu benehmen, und kann es wohl diesen Menschenkindern befremdend sein, wenn sie als No. 50. u. s. w. bekannt werden? Der ehrenwerte Mann, wenn er in Rücksicht seines Ranges auch weit unter No. 2. steht, und gar nichts Geheimes vor seinem Titel voraufgehen lässt, wird zu jeder Zeit in Doberan geachtet werden.

Was zuerst die Menge der herrlichen Wohnungen und ausgezeichneten Hauser betritt, so laden dieselben größten teils schon durch ihr freundliches Ansehen ein. Beinahe alle bieten eine doppelte Aussicht dar, nämlich auf die Straße und auf einen Teil der das Auge einnehmenden und erquickenden, nicht selten romantischen Umgebungen; zumal Doberan an sich selbst nicht groß genannt werden kann, weitläufig gebaut und, wie schon oben bemerkt worden, zwischen anmutigen Hügeln und Waldungen gelegen ist. Höchst elegant und prachtvoll sind durchgehends in diesen Häusern die Mobilien. Wir könnten eine Nomenklatur der Wohnungen, mit Melodien à la Angely versehen, liefern, aber wir enthalten uns dieses, um Niemanden von den Hausbesitzern mit frivolen Bemerkungen, die leicht als gepfeffert erscheinen möchten, zu nahe zu treten; denn wir leben in einem solchen Jahrhunderte, wo die Menschenkinder ungeheuer empfindlich sind, und den Worten oft einen ganz andern Sinn, als sie wirklich enthalten, unterschieben.


Wie der Aar seine stolzen majestätischen Schwingen in die Lüfte hebt, so ragt unter allen Häusern das des Herrn Oberhofküchenmeisters Medini hervor. Es ist das prachtvollste und eleganteste in Doberan. Ein großer, schön eingerichteter Garten ist hinter demselben. Der Freund der Einsamkeit, der nach des Tages Geräusche und Getümmel nicht viel fragt, wird dem Hause des Herrn Kaufmanns Sprengel aus Rostock, das am nordwestlichen Teile Doberan’s, unmittelbar an der Waldung des Jungfernberges liegt, Beifall zollen. In ländlicher Abgeschiedenheit und Stille, steht dasselbe da, gleichend einer nicht gesprächigen, sanften Landdame. Man hat von demselben eine freundliche, erhebliche Aussicht bis zum Nettelbruche, das die rechte Seite des nach dem Damme führenden Weges einfasst. Gerade über diesem Hause springt die Forstwohnung in die Augen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Doberan und seine Umgebungen.