Will man das Getümmel der Menschen vermeiden, so muss man Nachmittags sich hierher verfügen; denn Vormittags ist die allgemeine Badezeit, ...

Will man das Getümmel der Menschen vermeiden, so muss man Nachmittags sich hierher verfügen; denn Vormittags ist die allgemeine Badezeit, wo man auch nicht einmal allenthalben am Uferrande umherwandeln kann. Der Mühe ist es wirklich wert, an einem heitern Tage bis zum Abende hier zu verweilen. Herrlich belohnt wird man durch das unvergleichlich erhabene Schauspiel der hinter dem Purpur-Saume des Meers in die Fluten untertauchenden und ihre scheidenden Strahlen wie zum wonnigen Abschiedskusse gleich einem flammenden Feuerstreifen, von der sanft bewegten Wasserfläche zurück werfenden Sonne. Keine Feder, kein Pinsel kann ein solches Tableau wiedergeben. Da steht man am Ende des ungefähr 100 Fuß weit vom Ufer ab in das Meer hinausführenden Steges entzückt und in stille stumme Anbetung versunken. Das Auge kann sich nicht satt sehen, aber der Glanz und die Herrlichkeit Gottes blenden es, und gedemütigt und überwältigt senkt es sich endlich nieder, um auszuruhen und sich wieder zu sammeln; doch neue Wunder schließen sich ihm auf, denn durch die kristallhelle Fluth hindurch sieht es den Boden mit Pflanzen mancherlei Art bekleidet, und über ihnen lebend und webend wundersame Gebilde, wie runde halbdurchscheinende Scheiben, große und kleine, nur durch das abwechselnde Zusammenziehen, Ausdehnen, bald so, bald anders Gestalten des zarten Körpers und der vier bandgleichen Arme, und durch ihre, wiewohl sehr langsame Ortsveränderung, als Thiere zu erkennen. Die Strandbewohner nennen sie Seesterne; den Naturforschern sind sie aber unter dem Namen von Medusen bekannt. Diese Medusen sind Tierpflanzen oder nackte Würmer mit Gliedmaßen, die einem Sterne mit Strahlen gleichen. Hat man nun noch einmal einen scheidenden Blick dem westlichen Himmel zugesandt, wo das Tagesgestirn in dem Glutmeere versank, und wendet sich dann zurück zu der entgegengesetzten Grenze des Horizonts, so sieht man über demselben in grauer Dämmerung einen immer heller werdenden Schein aufgehen, und immer lichter und lichter wird es; dann hüpft mitten in dem lachten Scheine ein feuriges Flämmchen am Horizont empor, immer höher und höher steigt es, indem es sich rundet, bis zuletzt im milden Glanze das volle Antlitz des Mondes in die spielenden Wellen hinabblickt und von denselben sein Licht in einem breiten zitternden Streifen zurückwirft, während über ihm, am dunkeln azurblauen Firmamente, das Heer der Miriaden Sterne zu funkeln beginnt. Will man diese hehren Naturschönheiten recht genießen, so bleibe man entweder für sich allein, oder nehme eine sehr kleine ausgewählte Gesellschaft zur Teilnahme mit sich; denn eine lärmende, plappernde Menge betäubt und unterdrückt den innern Sinn, der allein das Schöne und Erhabene auffassen und in sich aufzunehmen vermag.

Wer kein Sonderling und Hypochondrist ist, wem es mitunter Vergnügen gewährt, das Treiben der Menschen zu beobachten, auch sich selbst darein zu mengen, der findet dazu auch hier vielfache Gelegenheit. Das Gesellschaftshaus mit seinem äußern Korridor und dem großen freien Platze vor demselben sind weitläufig genug, um eine ansehnliche Menge Menschen zu fassen, ohne dass diese drückend und lästig würde. Hier sieht man regierende Fürsten und Fürstinnen, hohen und niedern Adel, Bürger und Landleute, jeden nach seiner Weise oder unter einander sich bewegen. Dies ist der Ort, unterhaltende oder nützliche Bekanntschaften einzugehen und anzuknüpfen. Selbst der Zutritt zu dem regierenden Landesfürsten und den Gliedern seines hohen Hauset ist hier nicht schwer, wo, nach dem Willen und Beispiele des Landesfürsten, jeder ängstliche Zwang aufhören soll. Genügt es einem aber, ein ruhiger Zuschauer in dieser bunten Welt zu sein, so findet man leicht auf den Bänken umher ein Plätzchen, von wo aus das sich Zurückziehende Beobachtertalent sich üben und ergötzen mag.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Doberan und seine Umgebungen.