Die gleichsam durch ein Amalgama verbundenen Geschwister, Erholung, Vergnügen und Zerstreuung, ...

Die gleichsam durch ein Amalgama verbundenen Geschwister, Erholung, Vergnügen und Zerstreuung, sucht man in Doberan nicht vergebens. Wer eine schöne Natur liebt und verehrt, und den Genuss der reinen frischen Lust einer eingeengten Stubenatmosphäre vorzieht, der hat in reichlichen Maßen in und um Doberan alles, was er wünscht. Der mitten im Orte belegene Kamp, nur wenige Schritte von den meisten Wohnungen entfernt, bietet schon eine solche Gelegenheit dar, zu der man in jeder Stunde, in jedem Augenblicke seine Zuflucht nehmen kann. Will man den hellen Himmel über sich haben, oder an kühlern Tagen von der erwärmenden Sonne sich bescheinen lassen, so lustwandelt man in den mittlere Gängen, die über und um den Gras-Platz sich ziehen; sucht man Schatten oder Schutz gegen Wind, so verfügt man sich in die schöne, auch unten durch Gebüsch geschlossene Allee, welche den Platz umzieht; treibt Jupiter pluvius sein loses, schäkerndes Spiel, so kann man unter den Säulengängen der beiden Pavillons und der Kauf- und Putzbuden, die den Bazar vorstellen, Bewegung haben. Zu jeder Tageszeit ist hier Gesellschaft, besonders des Mittags, indem die schöne Musik, die dann im Musik-Tempel aufgeführt wird, eine große Menge von Badegästen herbeilockt. Wen die hierselbst herrschende Beweglichkeit, die zuteilen selbst in ein kleines Getümmel ausartet, nicht besonders unterhält, wer sich mehr nach Ruhe und Abwechselung in seinen Umgebungen sehnt, und für das Auge einen weitern Gesichtskreis sucht, der gehe quer über die Straße, wo ihn der nicht große, aber liebliche und freie Park hinter dem Großherzoglichen Palais schon mehr befriedigen wird. Doch ist es Manchem wohl auch noch hier zu klein und zu bewegt; also weiter. Sucht man Schatten, wobei man freilich dem Genusse ferner Aussichten entsagen muss, so lenke man seine Schritte auf den Buchenberg und in die nähern Umgebungen der am Fuße des Berges sich hoch und herrlich erhebenden Kirche, die unter dem Namen des Parks oder alten englischen Gartens bekannt sind. Will man hingegen Bewegung, von keinen Schattenreichen Bäumen beengt, genießen, so wende man sich nach dem Stahlbade. Schon die geraden Gänge, die von der großen Straße aus durch üppige Wiesen und Fluren dahin führen, können in dieser Hinsicht Befriedigung gewähren. Aber noch belohnender ist es, wenn man den englischen Garten am Stahlbade besucht, und die gleich hinter demselben sich erhebenden sanften Hügel besteigt, und von den zweckmäßig angebrachten Ruhebänken, teils unter den schirmenden Ästen von Buchen, Eichen oder Kiefern, teils unter ganz freiem Himmel, die Aussicht auf die mannigfaltigen, nahen und fernen Umgebungen genießt, die sich fast eben so reizend, wie von dem Jungfernberge aus, darstellen. Letzterer nämlich, an dessen Fuße schon die äußersten Häuser Doberans erbaut sind, und den nur eine sanfte Vertiefung von den Hügeln hinter dem Stahlbade trennt, ist in der That die schönste Partie zunächst um Doberan, sowohl wegen der angenehmen Fußpfade und Fahrwege, die sich auf seinem Rücken unter den Buchen, Eichen und Kiefern, und zwischen dem verschiedenartigen Gebüschen des Zuschlags oder sogenannten Kellerwohlt stundenlang hinschlängeln, und besonders gegen Abend durch das dann schräg einfallende und das frische grüne Laub bestrahlende, überhaupt aber eine unbeschreiblich schöne magische Beleuchtung hervorbringende Sonnenlicht, den herrlichsten Genuss gewähren; als auch wegen der vortrefflichen Fernsichten, die dieser Hügel von seinen freiem Stellen aus eröffnet. Der schönste Punkt ist unstreitig vor dem kleinen Tempel, wo man zugleich des Nachmittags und des Abends Erfrischungen mancherlei Art bekommen kann, welcher über den äußersten Abhang hinweg, im Grunde das freundliche Stahlbad mit feinen lieblichen Umgebungen, und im Rücken desselben und noch mehr rechts die anmutigsten, mit Buchen und Fichten gekrönten Hügel, die hier unter dem Namen des Eichhägers, Zeplins usw. bekannt sind, auch wohl Klein-Amerika genannt werden, sehen lässt. In stiller Andacht feiert man hier die Größe Gottes, wenn das feurig leuchtende Auge des Tages langsam über die Wohnungen sich erhebt, die feuchten Nebel vor seinem siegreichen Strahle weichen, die reizende Eos durch Felder und Gärten hinzieht, sie mit Rosen überstreut, und die gestärkten Menschen zu neuem Tagewerke, neuen Sorgen und neuer Freude erweckt. Ein bewunderungswürdiges und bezauberndes Panorama hat man von diesem Tempel. Das ganze Thal, an dessen Ende Doberan liegt, sieht man in tiefer Niederung vor sich ausgestreckt, in der Ferne mehrere Dörfer, Rostock mit seinen stolzen Türmen, Warnemünde und die sich imposant ausnehmende Ostsee. Hart neben den linken Flügel des Stahlbades vorbei, schaut man durch ein etwas in die Länge sich dehnendes Thal auf den Weg nach Althof, der sich zwischen dunkelnde Hölzungen, hellgrüne sonnige Wiesen und hinzieht, bis er Althof selbst erreich. Hat man sich gerade vor des Tempels Türe gestellt, so sieht man unten vor sich ausgebreitet das freundliche Doberan mit seinen blendend weißen Häusern und Schlössern, und überall zwischen denselben emporstrebende Bäume. Über diese alle am entgegengesetzten Ende des Ortes hervorragend, gewährt die an den Buchenberg gelehnte schöne gotische Kirche, deren Größe durch die an sich höhere Lage des Bodens, auf dem sie erbaut ist, noch prächtiger, überraschender hervortritt, einen besonders einnehmenden Anblick; und der rechts liegende Teil von Doberan wird durch den nahen dunkelgrünen Hintergrund, welchen hier der schattenreiche Buchenberg bildet, vorzüglich gehoben. Des Kirchturms Spitze blickt über jenen Hügel hervor, und ist auch das Einzige , was jenseits desselben, wenn man von Güstrow kommt, die Lage Doberans schon zwei Meilen, von Rostock aus eine Meile weit, verrät. Den übrigen flachen, aber doch nicht ganz ebenen Raum, der sich nun links über Doberan hinweg, zwischen dem Buchenberge und dem sich weit hinziehenden Gehölze des Jungfernberges dem Auge öffnet, bedecken Wiesen und Felder mit dem mannigfaltigsten Grün, welches durch bunte Viehherden belebt und in ziemlicher Entfernung von der Allee, die von Doberan nach dem Bade führt, durchschnitten wird. Über das durch seine große dreifarbige Flagge ausgezeichnete Großherzogliche Schloss hinweg, erstreckt sich die Aussicht ziemlich weit; mehr links aber wird sie durch das Nettelbruch begränzt, über welches hinaus am Horizonte die Ostsee gleich einem dunkelgrau blauen Streifen sich ausdehnt, doch nahe genug, dass ein scharfsehendes Auge die größeren Schiffe, welche auf ihren Wellen getragen werden, wie kleine Dunstflecken zu entdecken vermag. Sehr belohnend ist es auch, den geraden Weg über den Jungfernberg hinaus einzuschlagen, und wenn man am entgegengesetzten Ende des Waldes ins Freie kommt, die dann folgenden sanften Anhöhen, die mit Kornfeldern bekleidet sind, zu übersteigen oder zu überfahren, denn auch hier ist der Fahrweg ganz sicher und bequem, bis man auf den höchsten Punkt gelangt, wo man ein schönes freies Thal mit vielen, zwischen sanften Anhöhen liegenden Dörfern, Brothagen, Steffenshagen, Bollhagen usw. überschaut, bis am Horizont ein weit ausgedehnter Bogen der Ostsee die Aussicht schließt. Am Fuße des Jungfernberges wird wenn man von ihm niedersteigt, links das für Schießliebhaber bequem eingerichtete Schießhaus sichtbar, wo man sich für Geld durch allerlei Schießmanövres belustigen kann, und welches täglich von Jung und Alt zahlreich besucht wird. Der Besitzer desselben jährlich zur Badesaison von Düsseldorf, heißt Boulanger, und ist ein fideler 75jähriger rüstiger Mann.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Doberan und seine Umgebungen.