Das eine gute halbe Meile von Doberan entfernte älteste Ostseebad Deutschlands, welches auf des Großherzogs Befehl 1793 ...

Das eine gute halbe Meile von Doberan entfernte älteste Ostseebad Deutschlands, welches auf des Großherzogs Befehl 1793 von dem als Mensch, Arzt und Gelehrten geliebten und verehrten Geheimen-Medizinal-Rate, Baron von Vogel angelegt und eingerichtet ward, gewährt einen herrlichen Anblick. Den Weg dahin bildet eine gut unterhaltene, auf einer flachen Hügelkette angelegte Grand-Chaussee. Über 250 Wagen rollen in der Brunnenzeit täglich zum Ufer des baltischen Meers. Das nahe am brausenden Meer-Strande erbaute Badehaus liegt schräg über einem sich längs der Küste hinziehenden Lustwäldchen. Das neue Säulengebäude ist 1817 erbaut, und es wird als Versammlungsort der Badenden benutzt. Es ist mit fürstlicher Pracht und großem Geschmacke eingerichtet. Der Saal wird vielleicht nur von dem Kursaale zu Wisbaden an Größe und Pracht übertroffen. Mahagony-Tische, mit platten von mecklenburgischem Steine belegt, zieren ihn. Aus diesem Gebäude kann man durch einen verdeckten Gang ins Badehaus gelangen, welche Vorrichtung für die Badenden höchst bequem ist. Dem Säulengebäude dienen die Worte: „Heic te laetitia invitat post balnea sanum,“ („Dich Gesunden, ladet hier nach dem Bade die Freude ein,“) zur Zuschrift, von denen der leider für die Wissenschaften zu früh verstorbene Rostocker Professor der Philologie, Emanuel Huschke, der Verfasser ist. In dem Fronton über der Tür des Badehauses liest man die aus den Antoninischen Bädern entlehnte schöne Inschrift: „ Curae vancunus hunc locum adeas, ut morborum vacuus, abire possis; nam hic non curatur qui curat.“ („Sorgenfrei komm her, damit Du befreiet von den Krankheiten wieder fortgehen kannst; denn nicht gesund wird der, welcher sich von Sorgen beherrschen läßt.“) Der in der literarischen Welt unter dem pseudonymen Namen Theodor Hell hinlänglich bekannte Herr Hofrath Carl Winkler aus Dresden unternahm mit seiner Familie im vorigjährigen Herbste eine Reise nach Rügen, bei welcher Gelegenheit er auf der Rückreise zur Heimath auch Doberan berührte. Eine Schilderung der Reise teilt Herr Hofrath Winkler in der von ihm redigierten Abendzeitung, in den Nris. 220-224, 235-239 und 253-259 mit. In dem aus Lübeck vom 6. September 1833 datierten Briefe spricht er auch über diese beiden Inschriften. S. 1036 meint er: dass das in den Worten: „nam hic non curatur qui curat“ enthaltene Wortspiel im Deutschen nicht ohne Schwierigkeit wieder zu geben sey. Von einem seiner Rostockschen Freunde ist diese Inschrift, um damit dem würdigen Badearzte, von dem, wie der Reisende irrtümlich glaubt, dieselbe herrühren soll, einen kleinen Schreck einzujagen, so übersetzt worden:

„Der Sorge ledig komm an diesen Ort,
Daß Du der Krankheit ledig ihn verlassest;
Denn wer hier sorgt, wird nicht besorgt.“


Der rechte Sinn ist jedenfalls:

„Denn wer hier sorgt, wird nicht geheilt.“

wobei aber im Deutschen das Wortspiel verloren geht. S. 1032 übersetzt er die Inschrift: „Heic te laetitia etc.“ so:

„Tritt, Genesender ein, hier lacht Dir die Freude entgegen!“

und wundert sich, dass keine deutsche Inschrift gewählt worden sey.

In dem Säulengebäude sind noch mehrere Zimmer zur Restauration und zum Ausruhen nach dem Bade. Hinter diesem Freudentempel steht das Krankenhaus, wo Kranke unentgeldliche Bäder erhalten. In dem Badehause werden die warmen Seebäder gegeben; auch sind dort die Tropf-, Regen-, Spritz- und Schwefelbäder. Das kalte Seebad kann in der offenbaren See von Frauen und Männern genommen werden. Auf der linken Seite des Strandes ist das Bad für das schöne Geschlecht, welches man in vier Badekarren und auch frei in einem mit einer Bretterwand umgebnen Raume nimmt. Auf der rechten Seite badet die Männerwelt. Die offene See nimmt hier die Badenden auf. Brücken, von denen einige Treppen in die See gehen, schließen den Badeplatz ein. Wie weit Jemand, der nicht zu schwimmen versteht, gehen darf, ist mit einem Taue, das von der einen bis zur andern Brücke gezogen ist, abgegrenzt. Die Schwimmer springen am Ende der über 100 Fuß langen Brücke in die Flut. Die Einrichtung verdient allerdings Lob, dass, wenn mehrere Schwimmlustige vorhanden, der Schaluppenmeister, Namens Both, in einem Boote folgt, um Unglücksfälle, die leicht eintreten könnten, zu verhindern, und zur rechten Zeit zu beseitigen. Vorsicht ist zu allen Dingen gut. Für schwächliche Personen sind Karrenbäder vorhanden. In kleinen Kabinetten kleiden sich diejenigen Personen, welche in offner See baden, gemächlich aus und an. Für die Benutzung eines solchen Kabinetts gibt man 6 Schillinge. Ein Tisch, Stuhl, Kleider-Riegel, Stiefelknecht, Spiegel usw. findet man in demselben vor. Für ein Handtuch zahlt man einen Schilling. Gewöhnlich werden von dem Badeaufwärter zwei Handtücher zur Benutzung auf den Tisch gelegt. Ein Karrenbad kostet 12 Schillinge. Nicht weit hievon entfernt, entspringt die auch 1819 entdeckte Schwefelquelle, so wie auch der Bitterbrunnen, welcher klar und trinkbar ist, auflösend wirkt, und von manchen Personen in kleinen Quantitäten am Bade getrunken wird. Des Wassers Geschmack ist eben nicht widerlich, jedoch bitter und salzig.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Doberan und seine Umgebungen.