Mecklenburgische Seebäder - Der heilige Damm bei Doberan *

Meklenburgische Seebäder.
Der heilige Damm bei Doberan.


Doberan hat den Ruhm, das älteste Seebad in Deutschland zu besitzen und die Benutzung von Seebädern in Deutschland angeregt, zu haben. In England und Frankreich benutzte man schon längst die Heilkraft des Meerwassers , welche Lichtenberg, von England ge- stärkt heimgekehrt, im Jahr 1793 den Deutschen pries und empfahl. Der nachmalige Geheime Medicinalrath von Vogel, der vieljährige Badearzt zu Doberan († 1836), ergriff den Gedanken mit Lebhaf- tigkeit. Seine Empfehlungen bei dem Landesherrn fanden gleichen Anklang, so daß der Herzog Friederich Franz mit der ihm eigenen Lebendigkeit und Thätigkeit die Stiftung eines Seebades schon am 22. Julius 1793 beschloß. Der Flecken Doberan mit seinen geschichtlichen Reichthümern, mit dem reinlichen Strande, der unmittelbar von schönen Laubwaldungen umkränzt ist, welche bis gegen den nahen Flecken Doberan hin reichen, ward zum Badeorte bestimmt. Man wählte besonders diejenige Stelle des Meeresstrandes, welche seit uralter Zeit den Namen des Heiligen Dammes führt. Die offene See geht hier in einem meilenweiten, ganz flachen Bogen in das Land, an welchem sich eine Meeresströmung bricht. Weit vom Strande liegt ein Riss von Kieseln, welche durch Strömung und Wellen völlig glatt geschlissen und durch Sturm und Wasserdrang auf das Land geworfen werden und hier einen festen Damm bilden. Früher drängte, so erzählt die Sage, das Meer oft über die Ufer. Bei der Stiftung der Abtei habe nun auf Gebet der Mönche ein Sturm in einer Nacht den Damm gebildet, welcher daher fortan der Heilige Damm genannt worden sei. – Augenblicklich gingen der verewigte Stifter und sein gleichgestimmter Rathgeber an die Ausführung des Werkes. Schon in demselben Jahre wurden die nöthigen Anstalten zum Bade und zur Verschönerung des Fleckens gemacht. Der Raum um die Kirche, welche dem Fürsten ein theures Kleinod war, ward zu einem Parke umgeschaffen und die Stelle zum Logirhause bestimmt. Am Meere ward vorläufig ein kleines Badehaus angelegt, bis Vogel auf Reisen in andere Bäder mehr Erfahrungen gesammelt haben würde. Im folgenden Jahre 1794 fanden sich schon Gäste ein, und in eben dem Maaße, wie Doberan sich rasch erweiterte und verschönerte, stieg auch die Zahl der Badegäste und Besuchenden, so daß sich in Doberan sehr bald ein so glänzendes Leben entfaltete, wie es Meklenburg wohl selten gesehen hat.


Im J. 1795 ward am Heiligen Damm das große Badehaus mit Bade- und Erfrischungszimmern ausgeführt. Dieses Gebäude ward der Mittelpunct der eigentlichen Badeanstalt; es ward nach und nach fortwährend vergrößert und verschönert, durch Anbaue erweitert und bald auch zum Wohnen für Kranke eingerichtet. So wie die Zahl der Badegäste und Besuchenden stieg und Doberan viele berühmte Personen sah, welche oft eine zahlose Menge Menschen anzogen, blühete auch der Flecken Doberan auf; im Jahr 1797 ward der Camp, ein Spaziergang innerhalb des Ortes, 1800 der Speisesaal, 1806 das Schauspielhaus, 1806-10 das großherzogliche Palais angelegt und ausgeführt und im Jahr 1804 ward das erste Pferderennen gehalten, das bis heute nachhaltige Wirkungen auf den Flor Meklenburgs geäußert hat. Während der Zeit wurden die Einrichtungen zum Baden am Meeresstrande unverdrossen verbessert und erweitert und die Gebäude für das Baden im Freien errichtet. D a tobte im Jahr 1807 der Kriegsturm, vor welchem selbst die landesherrliche Familie weichen mußte, durch das Land. Nachdem Friederich Franz nach einem halbjährigen Aufenthalt im Auslande wieder in die Heimath zurückgekehrt war, hielt er am 10. August 1807 seinen jubelvollen Einzug in Doberan; dieser Tag blieb ununterbrochen ein denkwür- diger Erinnerungstag, den der Fürst alljährlich unter einem großen Zusammenflusse theilnehmender Menschen feierte und an den sich auch die landesfürstlichen Wettrennen anschlossen.

Trotz der drückenden Zeiten rastete die Sorge des Landesvaters für seine blühende Schöpfung nicht. In der Zeit von 1814-17 ward der großartige Saal mit Säulenhallen, Ruhe- und Erfrischungszimmern am Strande erbauet und dadurch im Badehause viel Raum für Bäder und andere wohlthätige Einrichtungen gewonnen; schon im Jahre 1810 war ein Badehaus für Arme ausgeführt. Auch der Flecken Doberan ging immer mehr seiner Vollendung entgegen: im Jahre 1819 ward der Speisesaal erweitert, 1819-23 das erbgroßherzogliche Palais und 1822 das Stahlbad gebauet.

Friederich Franz, der ruhmreiche Begründer und Vollender des Seebades Doberan, endete seine rastlose Thätigkeit am 1. Febr. 1837; seine Leiche ward, dem Willen des hohen Verewigten zufolge, in die doberaner Kirche geführt, wo sie jetzt ein von ihm selbst noch angeordneter, prachtvoller, sehenswerther Sarkophag von geschliffenem, meklenburgischen Granit umschließt.

Der unvergeßliche Großherzog Paul Friederich, dessen kurze, aber glückliche .Regierung die Weckung eines höchst lebendigen Verkehrs bezeichnet, verfolgte mit Eifer auch die Ausbildung des gefeierten Seebades. Die Verhältnisse der Seebäder hatten sich schon unter Friederich Franz bedeutend geändert, da man sehr bald allgemein von der unerschöpflichen Heilkraft des Seewassers und der Seeluft überzeugt war. Wo nur eine Wohnung am Seestrande stand, war ein Seebad: wer .nur konnte, zog im Sommer zum Meere, und es entstanden viele größere Seebäder, namentlich auch in der nächsten Nähe von Doberan zu Warnemünde; man wollte nicht allein im Meere .baden, man wollte auch unmittelbar am Meere wohnen. Der Flecken Doberan liegt aber eine halbe Meile vom Meeresstrande entfernt: ist nun auch das .Klima und die Umgebung von Doberan unvergleichlich schön, die Fahrt nach dem Heiligen Damme und die tägliche. Abwechselung äußerst angenehm und wohlthuend, so fordern doch oft viele Rücksichten den beständigen Aufenthalt des Leidenden unmittelbar an der Stelle des Bades. Dies faßte der hochselige Großherzog Paul Friederich gleich bei seinem Regierungsantritt scharf ins Auge, und so wie sich auch im Flecken Doberan durch den Bau von Chausseen, durch die häufigern, regelmäßigen Schnellposten und durch den ganzen .höhern Schwung des Lebens und Treibens ein lebendiger Verkehr erhielt, so hoffte er, auf die Bedürfnisse einer andern Zeit eingehend, dies auch auf Doberan anwenden, und indem er das Seebad Doberan gewissermaßen in zwei gleiche Hälften theilte, den Verkehr und die Wirkung eines Badelebens noch erhöhen zu können. Er ließ daher zunächst auf das Badehaus am Heiligen Damme einen dritten Stock aufsetzen und die beiden obern Stockwerke zu Logirzimmern sehr bequem einrichten, am Heiligen Damme alle Anstalten zur Verpflegung und Erheiterung herstellen, eine Chaussee vom Flecken Doberan bis zur See bauen und eine regelmäßige Schnellpost dahin anordnen. Eben so sorgte er eifrig für die Hebung des Lebens im Flecken Do- heran, der durch die neuen Chausseen in nähere Verbindung mit den entferntern Städten, namentlich mit Rostock, gekommen war. Um alle möglichen Wünsche zu befriedigen, ward die Anlegung von kleinen Wohnhäusern für Familien am Heiligen Damme beschlossen. Auf einer Terrasse am Saume des Waldes ward ein schöner Spaziergang und im Walde ein ausgedehnter Park angelegt, und im Jahr 1839 wurden hier zwei Wohnhäuser für Familien, jedes mit sechs kleinen Wohnungen, erbaut; im Jahr 1841 ward ein Gebäude für die Frau Großherzogin Alexandrine in derselben Reihe gegründet. Leider mußte der geliebte und liebende Fürst schon am 7. März 1842 von dieser Welt scheiden.

Jm Jahr 1843 feierte das Seebad Doberan das Jubelfest seines fünfzigjährigen blühenden Bestehens. Der Großherzog Friederich Franz II. ließ zu diesem Feste in dankbarer Erinnerung an die von seinen Vorfahren dem Vaterlande gespendeten Wohlthaten einen ungeheuren Granitblock von einer halben Million Pfund Gewicht über eine Meile weit von Elmenhorst nach dem Heiligen Damme wälzen und beschloß, demselben die Inschrift zu geben:

Friederich Franz, dem Begründer des ersten Seebades in Deutschland 1793. Wir sehen auf unserm Bilde in der Mitte den großen Saal mit den Säulenhallen, rechts daneben das Bad eh aus mit den Logirzimmern und dahinter die Badeanstalten; dem Badehause gegenüber links liegt jetzt der Gedächtnißstein. Links von dieser Mittelgruppe liegen die Herrenbäder, rechts die Damenbäder, und hoch dahinter am Walde zunächst die beiden neuen Wohnhäuser und rechts am Ende das neue Wohnhaus für die Frau Großherzogin.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Doberan (seit 1921 Bad Doberan)