Die Bülowen-Kapelle in der Kirche zu Doberan *

Die in den Jahrb. XI, S. 447 beschriebene Bülowen-Kapelle am nördlichen Seitenschiffe, unter der Orgel, ist ein sehr merkwürdiges Denkmal alter Kunst, weil sie noch in der ursprünglichen Malerei steht. Die Kapelle hat deshalb in den Jahrb. a. a. O. eine Beschreibung gefunden, jedoch ist Manches unerörtert geblieben, weil zu einer genauen Untersuchung viel Zeit und Vorkehrung gehörte. Nachdem ich beides habe ermöglichen können, folgt hier eine genaue Beschreibung, um das Denkmal für die Folgezeit durch die Schrift festzustellen, da es von Tage zu Tage mehr dem Verderben entgegengeht.

Die Kapelle ist zwei Gewölbe lang und hat in der Nordwand unter jedem Gewölbe ein Fenster und in der Südwand nach dem Seitenschiffe der Kirche hin eine vergitterte Oeffnung und die Eingangsthür. Die ganze Kapelle ist geputzt, dann mit Kalk übertüncht und auf dieser Tünche ganz bemalt. Die Gewölbe sind ganz mit Blumenranken, Lilien und architektonischem Ornament bemalt.


Die Wände haben alle bildliche Darstellungen, welche mit der Geschichte der Familie von Bülow in innigem Zusammenhange stehen.

1) Die östliche Hauptwand hat folgende Darstellung. In der Mitte steht Christus am Kreuze; zu seiner Rechten steht Maria, anbetend, zur Linken Johannes Ev., welcher beide Hände an das Gesicht gelegt hat. Zur rechten Hand der Maria steht ein heiliger Bischof mit dem Stabe in der Hand und auf einem blauen Streifen mit der Inschrift:


(S. Thomas Cantuariensis), der Heil. Thomas von Canterbury. Zur linken Hand des Evangelisten Johannes steht ein Heiliger in weltlicher Kleidung, mit Bart, welcher mit der rechten Hand einen Dolch an der Spitze vor sich hält; dies ist ohne Zweifel der H. Olav; die Inschrift auf dem blauen Streifen ist nicht mehr zu lesen. Zur Linken des H. Olav knieet ein Ritter mit dem v. bülowschen Wappen am linken Arme und einem Spruchband, dessen Inschrift nicht mehr zu lesen ist; über demselben ist ein blaues Band mit der Inschrift:

Von dem entscheidenden Vornamen sind noch die Buchstaben . . cco zu lesen; der Ritter hat also ohne Zweifel vicco - Vicke (d. i. Friederich) von Bülow geheißen. Meine frühern Vermuthungen, daß entweder [God]eco oder [Lud]eco gelesen werden könne, bestätigen sich also nicht, da noch . . cco , und nicht . . eco , zu erkennen ist, aber bald erloschen sein wird, da die Kalktünche schon sehr lose sitzt. Zur rechten Hand des H. Thomas knieet eine betende Frau, ohne Zweifel die Frau des Ritters; hinter ihr steht ein weißer Schild mit einem rechts schreitenden schwarzen Bären mit Halsfessel; die Inschriften auf den Spruchbändern sind nicht mehr zu erkennen, wahrscheinlich aber stammt die Frau aus dem Geschlechte der von Karlow, da dieses einen Bären im Schilde führt und kein anderes Wappen mit einem Bären mit einer Halsfessel bekannt ist, als das von karlowsche.

2) Die nördliche Seitenwand hat an jeder Seite der beiden Fenster das Bild eines Bischofes, ohne Heiligenschein und ohne Inschrift, im Ganzen also 4 Bischöfe. Dies sind ohne Zweifel die 4 schweriner Bischöfe aus dem Hause von Bülow, von denen der letzte, Friederich, welcher am 4. Juni 1368 die doberaner Kirche weihete, im J. 1375 starb. Ueber dem östlichen Fenster, zunächst der Hauptwand, ist ein Christuskopf, über dem westlichen Fenster sind Blumen gemalt.

3) die südliche Seitenwand hat zwei Darstellungen:

a. Auf dem östlichen Theile der südlichen Wand, über der vergitterten Oeffnung, steht ein betender, geharnischter Ritter oder Knappe, welcher am Munde ein Spruchband hat, das ihm über den Kopf geht, auf welchem aber nur noch das Wort - - mundus - - zu lesen ist. Neben dem Kopfe ist ein blauer Streifen, welcher einen Namen getragen hat von dem jedoch nichts mehr zu erkennen ist. Zu seiner Rechten sitzt ein Mönch, der H. Bernhard, in grauer Klostertracht, über dessen Haupte ein blauer Streifen mit der Inschrift s 9 . bernardus steht; auf dem Spruchbande, welches diese Figur in der Hand hält, ist nur noch - - ilencia - - zu lesen. Zur Linken des Ritters sitzt ein heiliger Bischof, dessen Name auf dem blauen Streifen über seinem Haupte, so wie auch die Inschrift auf dem Spruchbande in der Hand, ganz verwischt ist; vielleicht soll er den H. Benedict vorstellen, da der H. Bernhard und der H. Benedict zu den besondern Schutzheiligen des Klosters gehörten.

Unter der ganzen Darstellung, über dem Gitter, läuft ein blauer Streifen mit einer Inschrift durch, von welcher nur der Anfang Nodie - -ende - - - - - zu lesen, vielleicht die Anrede Christi an Zachäus in Luc. 19, 9: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren.

b. Auf dem westlichen Theile der südlichen Wand, über der Thür, steht ein geharnischter Knappe, mit beiden Händen ein großes Schwert vor sich haltend. An jeder Seite des Kopfes ist ein blauer Streifen; auf dem Streifen zur Rechten steht der Name henricus de bulow; die Schrift auf dem Streifen links ist nicht zu lesen.

4) An der westlichen Wand, welche ein Fenster hat, der Hauptwand gegenüber, ist an jeder Seite des Fensters eine Figur gemalt; von beiden ist jedoch nicht viel mehr zu erkennen. In der Ansicht links vom Fenster ist noch eine Bischofsmütze, rechts ein Mönchskopf mit einer Tonsur erkennbar. Wenn auch keine Attribute zu erkennen sind, so läßt sich doch vermuthen, daß die Bilder Mitglieder oder Verwandte des Geschlechts von Bülow darstellen sollen, um so mehr da keine Spur von Heiligenscheinen vorhanden ist. Die beiden Köpfe haben eben so sicher keine Heiligenscheine, wie die übrigen in der Kapelle dargestellten Personen aus dem Geschlechte von Bülow keine haben.

Die Schlußsteine der beiden Gewölbe sind mit hölzernen runden Schilden verziert, auf welche das v. bülowsche Wappen gemalt ist. Beide sind schon zerbrochen und sehr verwittert.

In neuern Zeiten ist ein backofenförmiges Gewölbe in die Kapelle gebauet, in welchem Särge der Familie v. Müller auf Detershagen stehen; damals ist auch wohl der Altar abgebrochen. Noch im J. 1853 ward die Kapelle zur Baumaterialien= und Gerüstkammer benutzt.

Die Kapelle war sonst reich an Inschriften. Nach Schröder's Wismar. Erstlingen S. 400 stand:

An der Bülowen Capell:

1) über der Thür:

Capella de Bulow

2) ein Kerl mit einer Keule und dabei die Worte:

Sta up hr
Van der Der.

In der Kapelle stand (nach Schröder a. a. O. S. 402):

Aspera vox Ite sed vox benedida Venite ,
Ite malis vox est, apta Venite bonis.
Quantus erit luctus, cum judex dixerit Ite
Tantus erit fructus, cum dixerit ipse Venite .

An dem v. Müllerschen Grabgewölbe in der Kapelle steht, jetzt mit moderner Schrift restaurirt:

Diese Inschrift hat gewiß Bezug auf den Kerl mit der Keule, welcher, wahrscheinlich vor der Kapelle, gemalt war. Jetzt steht die Inschrift im Innern an unpassender Stelle und ist auch durch die Umschreibung in der Orthographie gewiß vielfach verändert.

Von Bedeutung ist die Beantwortung der Frage, aus welcher Zeit diese Kapelle und die Malerei stammt. Im 15. Jahrhundert müssen die Bilder gemalt sein, da der ganze Styl und die Technik der Malerei hiefür unabweislich reden. Daß sie jünger sind als 1375, dafür spricht die Darstellung der 4 schweriner Bischöfe aus dem Hause v. Bülow, von denen der letzte, Friederich, in diesem Jahre starb. Von Bedeutung können die Namen der dargestellten Personen werden, des Ritters V icke im Hauptbilde und des Knappen Heinrich über der Thür. Aber trotz dem daß die Familie v. Bülow eine gedruckte Geschichte hat, lassen sich diese Personen doch schwer bestimmen, da theils die Geschichte noch viel zu wenig kritisch, sicher und genügend bearbeitet, theils die Familie ungewöhnlich groß ist und dieselben Vornamen sich häufig wiederholen.

Doch ist noch ein Hülfsmittel vorhanden, die Zeit zu bestimmen, und dieses liegt in den dargestellten Figuren. Auf der westlichen Wand ist nämlich zur Rechten eine Bischofsmütze, zur Linken der Kopf eines Mönches mit der Tonsur, beide ohne Heiligenschein, erkennbar. Es liegt nun in dem ganzen Cyclus, daß, wenn irgend Dedicatoren oder Donatoren sich haben abbilden lassen, dazu nur die äußerste westliche Wand, den Betenden im Rücken, dem Altare gegenüber, gewählt werden konnte. Der Mönch wird derjenige sein, welcher mit seinem Erbtheile die Kapelle dotirt hat. Im Jahre 1452 war nämlich ein Eckhard Bülow Mönch im Kloster Doberan und gehörte damals zu den Senioren ("Altherren") des Klosters. Am Sonntage nach S. Jacobi 1452 verkauften

"Johannes Vrome van gades gnaden abbet, Rodolphus Radeloff, prior. Hermannus Konyngk. Eggardus Bulow, Nicolaus Nigeman, oltheren, Johannes Hasselbeke, kelner, Johannes Deptzow, kornescriuer, Johannes Pors, vnderpnor, vnde gantze conuent des monsters to Dobbran"

der Stadt Parchim des Klosters Kornpacht und Mühlengut in der Mittelmühle und in der Vierglindenmühle (vêrgrinde) zu Parchim. Die Urkunde ist zwar nicht im Originale vorhanden; aber zwei im Anfange des 16. Jahrhunderts beglaubigte Abschriften stimmen überein. Es kommen zwar adelige Mönche in den Klöstern selten vor; aber der Fall ist nicht unerhört. Der Vorname Eckhart kommt in der Linie, zu welcher dieser Eckhart Bülow wahrscheinlich gehört, öfter vor. Die Bischofsmütze gehört zu einer Figur, welche wohl den damaligen Abt des Klosters Dobbran, als Mithelfer, vorgestellt haben mag, da der Abt des Klosters seit dem J. 1402 das Recht hatte, bischöfliche Insignien zu tragen. Ein Bischof aus dem Hause Bülow kann es nicht sein, da vor dem J. 1452 aus dem Geschlechte nur die 4 Bischöfe (von Schwerin) hervorgegangen waren, welche auf der nördlichen Wand dargestellt sind.

Hat dies alles seine Richtigkeit, so würde die Kapelle in der Mitte des 15. Jahrhunderts gemalt sein.

Es kommt dann darauf an, wer der Ritter Vicke und der Knappe Heinrich ist. Es ist wahrscheinlich, daß beide zu der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts sehr angesehenen Linie Plüskow gehörten, welche von dem Ritter Heinrich 12. gestiftet ward. Zu dieser Linie aufwärts gehörten auch die 4 Bischöfe von Schwerin. Diese Linie hatte den Pfandbesitz der Vogteien Plau mit Krakow, Neustadt und Dömitz. Sie ist in den Jahrbüchern XVII, S. 127 flgd. behandelt und giebt folgenden Stammbaum:


Dieser letztgenannte Ritter Vicke von Bülow (1431-1443) mag der in der Kapelle dargestellte sein. In der Mitte des 15. Jahrhunderts sind Ritter nicht mehr so häufig, als daß sich die wenigen, welche die Ritterwürde besaßen, nicht besonders hervorheben sollten. Im J. 1431 wird er in einer Original Urkunde zu Neustadt ("tôr Nyenstad") ausdrücklich genannt: "Hartych, knape, her Vycke vnd her Achym, ryddere, alle ghehêten van Bulow". Zwar soll der Ritter Vicke nach der v. bülowschen Geschlechtsbeschreibung Gödel Hahn zur Frau gehabt haben; aber diese Geschlechtsbeschreibung ist zu unsicher und dunkel, als daß man sich darauf verlassen könnte. Die Namen Vicke und Eckhart kommen in der Linie Plüschow öfter vor. Zu diesen Umständen kommt noch, daß des Ritters Heinrich 12. auf Plüschow Vaterbrudersohn Danquard und dessen Nachkommen Zibühl und Tarnow befaßen und einige Zeit, im Pfandbesitze des Amtes Schwaan, also nicht weit von Doberan ansässig waren.

Anstoß könnte die in der Kapelle abgebildete Frau des Ritters Vicke erregen, welche nach dem Wappenschilde sicher eine von Karlow war. In den ratzeburger Urkunden giebt es eine Urkunde, von der jedoch bis jetzt nur ein Auszug handschriftlich bekannt ist, nach welcher im J. 1386 ein v. Bülow auf Wedendorf eine v. Karlow heirathete; die Regeste lautet:

"Literae illoruin de Karlow super Klokstorf et Kulrade, quae bona sorori suae N. de Bulowe nubenti pro dote dederunt".

Nach einer andern Urkunde vom J. 1394 (gedruckt in der Beschreibung des Geachlechts v. Bülow, Urkunden-Anhang, S. 20) versicherten Henneke v. Bülow auf Röggelin mit seinem Sohne Henneke seiner Tochter Sophie, Klosterfrau zu Rehna, 10 Mk. Renten aus dem Gute Katzendorf; Bürgen waren seine Vettern der Ritter Johann v. Bülow auf Wedendorf, Joachim v. Bülow, Hermann v. Karlow und Reimar v. Karlow, die letztern also gewiß nahe Verwandte der v. Bülow. Ueberhaupt standen die Bülow auf Wedendorf und Röggelin vielfach in Verbindung, und die letzteren kauften Von den ersteren wiederholt dies und jenes. Aber in dieser Linie kommen die Vornamen Vicke, Heinrich und Eckhart gar nicht vor. Auch möchte die Zeit zu weit zurückreichen.

In den Jahrbüchern X, S. 319 ist ausgesprochen, daß die Kapelle im J. 1372 von dem schweriner Bischofe Friederich von Bülow, der im J. 1368 die Spitzbogenkirche zu Doberan weihete, gegründet sei, indem er am 20. Decbr. 1372 dem Kloster Doberan eine Hebung von jährlich 30 Mark aus Schmadebek zu seinem, seines Bruders und seiner übrigen Lieben Gedächtniß schenkte. Wahrscheinlich ist es, daß hierdurch die Kapelle gestiftet oder der Altar in derselben fundirt ward. Damit ist aber nicht gesagt, ja es ist nicht einmal wahrscheinlich, daß die Kapelle damit vollendet und ausgemalt worden sei. Der Styl der Malerei und die jüngeren abgebildeten Personen reden dafür, daß die Kapelle in der Mitte des 15. Jahrhunderts vollendet und gemalt sei. Auch der Baustyl stimmt hiemit überein.

Außer diesem Ritter Vicke kommt in der Geschichte noch ein anderer Ritter Vicke vor, über den jedoch nur die v. bülowsche Geschlechtsbeschreibung S. 77 redet, nach folgender Genealogie:


Diese Linie, welche in Schweden auftritt und nach einigen Geschlechtern wieder veschwindet, steht bis jetzt ohne alle Verbindung mit der Familie da und ist noch nicht urkundlich begründet. Man könnte aber diese Linie mit den Malereien in der Bülowen-Kapelle in Verbindung zu setzen versucht sein, da die Zeit stimmt und die Heiligen Olaf und Thomas auf den Norden hindeuten, es auch gewiß nicht ohne Bedeutung ist, daß der Ritter Vicke vor dem nordischen Heiligen Olaf knieet. Vielleicht kamen Glieder dieser Linie nach Meklenburg zurück und stifteten zum Andenken eines glücklichen Ereignisses diese Kapelle. Dagegen spricht, daß des schwedischen Ritters Gemahlin eine geborne von Krummendik gewesen sein soll.

Eine andere Linie könnte auch zur Berücksichtigung kommen (nach der Beschreibung S. 45):

Jedoch scheint diese Linie zu alt zu sein, da die Gemälde offenbar jünger sind.

Für den Augenblick lassen sich die Forschungen nicht weiter führen. Jedoch wird das feststehen, daß die Kapelle aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammt und die in derselben vorkommenden Namen zu der urkundlichen Geschichte stimmen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Doberan (seit 1921 Bad Doberan)