August Achilles - Ein Künstler der alten Zeit (1798 - 1861) *

von A. von Langermann.
1927

Sobald die kunstwissenschaftliche Arbeit vom Erfassen des einzelnen Kunstwerkes und seines Schöpfers dazu übergeht, deren Zusammenhang mit der geschichtlichen und wirtschaftlichen Umwelt klarzulegen und die Erscheinungsformen des Kunstlebens als Frucht dieser mannigfachen Einflüsse zu betrachten, dehnt sich ihr Arbeitsgebiet ins Ungemessene aus. Was in den Hauptwerken der Großen seinen vollkommenen Ausdruck findet, kündet sich lange vorher an ganz entlegenen Stellen an und wirkt nach bis an die Grenzen künstlerischen Schaffens, wo dieses sich mit dem Handwerk berührt, und bis in die Erzeugnisse begeisterter, aber von keinerlei Fachwissen beschwerter Kunstfreunde.
Für solche Betrachtung sind schließlich auch jene Bildermacher wichtig, die, auf den engen Kreis ihrer Heimat beschränkt und selbst dort nach wenigen Jahrzehnten vergessen, mit flinkem Stift Landschaftsbilder, Städteansichten und Erinnerungen an Tagesereignisse festhalten, die eine Zeitlang die Wand des Kleinbürgerhauses zieren und schon von der nächsten Generation in die Rumpelkammer befördert werden. Von dort holen sie dann wohl einmal Händler und Sammler wieder hervor und entdecken in ihnen neben dem Nachhall verklungener Zeiten und Kunstweisen soviel tüchtiges Können und gute Beobachtung, daß es sich wohl lohnt, den verwehten Spuren nachzugehen und die Schicksale dieser vergessenen Künstler aufzuspüren. Das erfordert langes und mühseliges Stöbern in Archiven und Registraturen, in Trödelläden und in den Mappen von Sammlern, die ihre Schätze unter ganz andern Gesichtspunkten zusammenbrachten. Das Ergebnis wird zunächst nur einen kleinen Kreis erfreuen und zu eigenem Suchen in ähnlicher Richtung anregen, aber darüber hinaus wird das Verständnis für heimatliche Art geweckt, und die Bausteine bereit gelegt für eine größere Arbeit, die weitausgreifend die oben angedeuteten Gedanken und Zusammenhänge klarlegt. Hierfür ist die Graphik fast noch wichtiger als die Malerei, denn durch die Vervielfältigung und die Billigkeit des einzelnen Blattes ist die Verbreitungsmöglichkeit größer. Sie dringt bis in die entferntesten Winkel des Volkslebens und ist dadurch ein sicherer Gradmesser für das Kunstbedürfnis und die Anschauungsweise der Zeit.
Die Befreiung des Menschengeistes in der Reformationszeit, der Drang, zu allen Fragen des diesseitigen und jenseitigen Lebens selber Stellung zu nehmen, fand Nahrung in Dürers wuchtigen Holzschnitten und später in den Arbeiten der sogenannten Kleinmeister, die jetzt nach langer Vergessenheit wieder ins Licht der Forschung gerückt werden.
Im 17. und 18. Jahrhundert ist es der Kupferstich, mit dessen Hilfe Kriegstaten und Entdeckungen, Fragen der Religion und der Philosophie in die entlegensten Wohnungen Eingang finden.
Für das 19. Jahrhundert übernimmt die Lithographie das Amt des volkstümlichen Kulturvermittlers, oft in seltsamer Verzerrung und Verdünnung, aber immer anregend, oft mit erfrischendem Humor. Jede Gegend, beinahe jede Stadt hat ihren besonderen Künstler, der, manchmal mehr schlecht als recht, aber nach bestem Können und Vermögen, ehrlich und einfältig, der Mit- und Nachwelt zum Ergötzen, Stadt und Land und was sich dort zutrug, "nach der Natur auf den Stein zeichnete".
In Mecklenburg hat die Lithographie bis weit ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts eifrige Pflege gefunden und so manches der damals begründeten "Institute" hat sich bis zum heutigen Tage erhalten. Landschaften, Städteansichten und Trachtenbilder der damaligen Zeit sind über das Gegenständliche hinaus, das über die Baugeschichte manchen erwünschten Aufschluß gibt, auch als Kunstleistung recht annehmbar.
Aus der großen Zahl der in Mecklenburg tätigen Lithographen ragt einer hervor durch die Vielseitigkeit und Sorgfalt seiner Arbeiten, so daß man ihn innerhalb seines begrenzten Kreises wohl als Künstler ansehen und sich mit seinem Lebenswerk etwas näher befassen darf. Das ist August Achilles. Er ist am 16. März 1798 in Rostock geboren als Sohn des Musketiers August Johann Achilles und seiner Ehefrau Anna Marie Friederike Koch. Am 24. März wurde er in der St. Johanniskirche auf die Namen August Friedrich Johann getauft. Der Vater, der sich auch als Scherenschleifer betätigte, war aus Sachsen gebürtig, seine Mutter aus Stralsund.
Augusts Kindheit, die in die Bedrängnisse der Franzosenzeit fiel, wird sich in ihren Leiden und Freuden in ähnlicher Weise abgespielt haben, wie John Brinckman im Kasper Ohm das Leben eines Rostocker Jungen schildert. Über seine Schulzeit und etwaige künstlerische Ausbildung erfahren wir nichts. Es hat in der Stadt, die mit ihren prächtigen Kirchen und stattlichen Bürgerhäusern allein schon eine gute Schule für die erwachende Künstlerseele war, stets ein reges Kunstleben geherrscht, und an Gelegenheit zu gutem Unterricht wird es nicht gefehlt haben. Ob es ihm aber möglich war, daran teilzunehmen, ist höchst zweifelhaft, da die Einnahmen des Vaters nur gering gewesen sein werden. Achilles kam zu einem Tischler in die Lehre und ging auf die Wanderschaft "ins Ausland", d. h. nach jenseits der mecklenburgischen Grenzpfähle; wohin, erfahren wir im einzelnen nicht, doch hat er sich länger in Berlin aufgehalten. Dort lernte er den Instrumentenbau und bildete er sich im Zeichnen aus.
Berlin hat ihm also die ersten künstlerischen Eindrücke vermittelt. Dort herrschte damals ein nüchterner, strenger Wirklichkeitssinn, dem es gleichwohl nicht an Feinheit der Beobachtung und der Farbe fehlte. Chodowiecki lebte nicht mehr, und sein Nachfolger an der Akademie ging andere Wege. Aber es gab außerhalb der Akademie Gelegenheiten genug, diese ehrliche Wirklichkeitskunst zu erlernen. Ob Achilles schon damals mit dem gleichaltrigen Franz Krüger in Berührung kam, wird wohl nicht zu ergründen sein, eine gewisse Verwandtschaft in der Auffassung und Arbeitsweise ist, bei aller Wahrung des gehörigen Abstandes, unverkennbar. Die Akten schweigen über diese Zeit; wir können nur feststellen, daß er 1819 noch nicht wieder im Lande war, und daß er 1821 seiner Militärpflicht in Güstrow genügte. Im Jahre darauf ward er zur Reserve entlassen, kehrte nach Rostock zurück und bewarb sich um die Aufnahme als Bürger. Bald darauf heiratete er die Tochter Johanna des in Rußland gebliebenen Hautboisten Fintzenhagen. Vermögen hatten beide nicht, auch der Vater konnte keine Unterstützung geben, aber "in seinen Kenntnissen und Arbeitskraft besitze er die nötigen Mittel", erklärte er in seinem Bewerbungsschreiben. Er wurde als Instrumentenmacher in die Bürgerliste eingetragen und hat anfangs, wie er selber angibt, Guitarren geflickt neben seiner künstlerischen Betätigung. Seine erste Arbeit, der Jahreszahl nach, war eine Ansicht von Doberan vom Jahre 1823. 1824 folgte eine zweite Doberaner Ansicht, vom Jungfernberg aus gesehen, und eine Ansicht von Rostock, die sich beide in der Zeichnung nicht über einen mäßigen Dilettantismus erheben. Die Tönung ist flau und der Baumschlag sehr schematisch; man denkt an Ludwig Richters launige Schilderung der Baumschlagrezepte seiner Lehrzeit.
Aber schon das nächste Blatt von 1825: Badehaus und Neuer Saal bei Doberan (im neu gegründeten Badeort am Heiligen Damm) zeigt eine auffallend geschickte Gruppierung. Die im stumpfen Winkel zueinander stehenden Gebäude sind dadurch in die Tiefe gerückt, daß von links ein mit sechs Pferden bespannter Wagen schräg in das Bild hineinfährt, während nach rechts eine Gruppe Reiter und Fußgänger das etwas verschobene Viereck abschließen. Schon hier verwendet Achilles mit deutlich wahrnehmbarer Absicht die Staffage als Mittel zum Raumbilden und gibt außerdem durch sie ein anschauliches Bild des regen sportlichen Lebens in dem ersten Seebad Deutschlands.
Anscheinend hat Achilles schon damals eine eigene Druckerpresse besessen. Er datiert und bezeichnet alle Arbeiten stets sehr ausführlich, nur selten begnügt er sich mit den Anfangsbuchstaben seines Namens, gelegentlich kommt auch Spiegelschrift vor, oft ist der Drucker angegeben. Wo dieser fehlt, hat er selbst gedruckt; er schreibt auch wohl darunter: "gedruckt und zu haben bei A. Achilles in Rostock".
Eine Ansicht von Warnemünde von 1825 zeigt ihn im Kampf mit der Darstellung der bewegten See.
Anfang des Jahres 1826 scheint Achilles wieder einige Zeit in Berlin gewesen zu sein. Der Berliner Berichterstatter des in Schwerin erscheinenden Freimütigen Abendblattes schreibt am 3. April:
"Erlauben Sie mir, die Besorgnis zu erkennen zu geben, daß Mecklenburg wiederum bald einen sehr ausgezeichneten Künstler verlieren dürfte, wenn es länger gleichgültig gegen ihn bleiben sollte. Es ist Ihr Lithograph Achilles in Rostock. Vielleicht mögen Sie ihn kaum dem Namen nach kennen. Und doch ist nichts gewisser, als daß Deutschland in der Lithographik schwerlich einen Künstler aufzuweisen hat, der ihn überträfe. Hätte der junge Mann seine Werkstätte bei uns, so würde bald der kritische Dreifuß im Morgenblatt bis herab zum jüngsten Gericht, das sich in der Berliner Schnellpost konstituiert hat, von seinem Lob überfließen. Statt dessen fristet der bescheidene Künstler, gebückt und unbekannt, bei Ihnen ein höchst steriles Leben mit Tabellen, Etiketten und dergleichen Lappalien, die sich wohl für einen lithographischen Taglöhner passen, aber nicht für einen Künstler, der eine Stufe der Kunst dominiert, wie Achilles. - Mit einem Wort: der junge Mann war kürzlich einige Wochen bei uns und erhielt Erlaubnis, sich aus den königlichen Schätzen ein Gemälde für seine Kunst wählen zu dürfen. Sein blödes Auftreten erregte fast Mitleiden, als seine Wahl auf die berühmte Madonna der Giustinianischen Gemäldesammlung von Andrea del Sarto fiel. Aber wie sehr setzte er alle in Erstaunen, als er in ganz unglaublich kurzer Zeit sein vollendetes Kunstwerk zur Prüfung vorlegte. Unser Schadow wußte vor Freude nicht, wie er dem Künstler seine hohe Achtung bezeugen sollte. Er ging das herrliche Produkt mit seinen Schülern prüfend durch, machte sie auf die Meisterschaft der einzelnen Teile des Kunstblattes aufmerksam und empfahl ihnen dasselbe als ein wahres Meisterblatt. Das ist Ihr Achilles! Suchen Sie ein Exemplar zu bekommen und Sie werden sich wundern. Der feine Kunstsinn Ihres Hofes sollte kaum besorgen lassen, daß ein so gediegener Künstler noch länger ein Tagelöhnerleben führen werde. Wo nicht, so möchte er sich bald bei uns oder anderswo einbürgern, wo der ernste Künstler sich leichter eine unabhängige Stellung verschaffen kann."
Diese tönende Ruhmesfanfare ist in mehr als einer Hinsicht lehrreich. Wir erfahren daraus, daß der Künstler zum Broterwerb allerlei Gebrauchslithographien herstellte, und daß er bestrebt war, die Verbindung mit Berlin aufrecht zu erhalten und zu benutzen. Im Verlauf des Jahres lithographierte er das Titelblatt zu Jeppes Herbarium vivum, dessen anmutige Zeichnung wahrscheinlich auch sein geistiges Eigentum ist. Im Sommer entstand eins seiner bekanntesten und berühmtesten Blätter "Die höchsterfreuliche Wasserfahrt": Großherzog Friedrich Franz I. besucht seine getreue Stadt Rostock, zu Schiff von Warnemünde kommend. Auf schön geschmücktem Fahrzeug steht der Fürst mit seiner Umgebung, dahinter hübsch ausgerichtet mit vollen Segeln die Reihen der Begleitboote. Auf dem hohen Ufer stehen, steif aufgereiht, die Zuschauer. Die langen, dünnen Wellen der Warnow sehen aus wie mit dem Lineal gezogen. Künstlerisch ist diese erfreuliche Wasserfahrt recht unerfreulich; und doch, man betrachtet diese gezeichnete Berichterstattung immer wieder gern, bei aller Unbeholfenheit bleibt ihre ganze Art anziehend.
Ob diese treuherzige Schilderung oder der Hinweis im Abendblatt den Landesherrn bewog, sich des Künstlers anzunehmen, erfahren wir nicht; jedenfalls erhielt Achilles Bilder aus der Großherzoglichen Galerie zum Kopieren, als erstes "Simson und Dalila" von A. van der Werfft und etwas später die "Heilige Familie" von Carlo Maratta. Gleichzeitig beginnt die Reihe der Bildnisse von Mitgliedern des Fürstenhauses.
Er lernt die Behandlung und Abtönung von Licht und Schatten, er wird kühner und freier in der Zeichnung, die Unbeholfenheit verschwindet vollständig. Die Lithographie nach dem Bildnis Friedrich Franz I. von Suhrlandt für das Rostocker Rathaus zeigt die volle Beherrschung aller Mittel. Achilles tritt in seine Glanzzeit ein: 1830 wird er zum Hofzeichner ernannt und nach Schwerin berufen mit einem Jahresgehalt von 200 Talern und freier Feuerung.
Die Übersiedlung wurde sofort ins Werk gesetzt, aber ohne Erfüllung der nötigen Formalitäten. Der Künstler versäumte, sich polizeilich anzumelden, und seine Wirtin mußte für die Aufnahme der Familie Strafe zahlen. Erst nachträglich erwarb er das Schweriner Bürgerrecht, nachdem er das Rostocker aufgegeben hatte.
In der neuen, anregenden Umgebung folgten Jahre emsigen Schaffens und steten Fortschritts. Er arbeitete fleißig in der Bildergalerie nach Potter, Ostade und Ridinger; die Kopien ließ er in Berlin bei Helmlehner drucken, während er für seine Originalzeichnungen die eigene Presse benutzte.
Das militärische Leben der Hauptstadt fand in ihm einen eifrigen Chronisten: Die "Cholera-Wache am Püsserkrug" 1831 und die "Sappeur-Uebung im Buchholz" 1838 sind nicht nur wahrheitsgetreue Schilderungen, sondern auch mit guter Raumwirkung aufgebaute Szenen lebendig bewegter Figuren. Die Köpfe verraten wohl noch oft die Schule Ostades, auch noch im "Blauen Montag" von 1844, aber die mit wechselndem Ausdruck häufig wiederkehrenden Gestalten, wie der kleine Bucklige, der große Mann mit dem Vollbart, und viele andere, zeugen von einer scharfen Beobachtung der stadtbekannten Typen jenes friedlich-gemütlichen Residenzlebens der guten alten Zeit.
Bildnisse der Fürstlichkeiten, des Generals von Kamptz, der Tänzerfamilie Bernadelli und mehrerer Sängerinnen waren viel begehrt und sind noch heute im Handel zu finden. Seine Ansichten von Schweriner Gebäuden, dem Marktplatz und dem Kollegiengebäude (Regierung) belebt er mit Gruppen bildnismäßiger Figuren, in denen die Mitwelt jedenfalls bekannte Persönlichkeiten gesehen hat, so daß sie noch heute ein anschauliches Bild des Verkehrs in den Straßen von damals geben.
Die Kopien nach Ridinger regten ihn zu eigenem Schaffen auf dem Gebiete des Jagdbildes an. "Der gedeckte Eber" von 1834 verrät im Aufbau wohl einige Anlehnung an das Vorbild, ist aber in der Auffassung von Mensch und Tier frisch und lebendig.
Die Figuren der Jäger sind Bildnisse aus dem Jagdgefolge des Fürsten, ebenso auf dem Gegenstück, der Strecke der Eberjagd, wo Großherzog in Alexandrine, im Wagen stehend, sich von ihren Söhnen über die Jagd berichten läßt. Als drittes Stück dieser Reihe ist die fehlgeschlagene Jagd zu nennen mit dem herrlichen Landschaftsbilde des Schweriner Sees in der Nähe der Insel Lieps bei Kleinen.
Mannigfache öffentliche Feiern gaben ihm Anlaß zu gewissenhafter Berichterstattung, die oft wenig Gelegenheit für künstlerische Gestaltung bot, aber durch die bildnistreue Behandlung der Staffage erfreulich wirkt. Die Jubelfeiern für 1813 in Güstrow sind nicht nur wichtig als Erinnerung an diesen Tag, sondern noch viel mehr für die Kenntnis des damaligen Bauzustandes von Schloß und Dom.
Nach dem Tode des Großherzogs Friedrich Franz I. folgte die kurze Regierung seines lebhaften, unternehmenden Enkels Paul Friedrich und seiner Gemahlin Alexandrine, der Schwester Kaiser Wilhelms I. Es ist sehr wahrscheinlich, daß letztere den am Berliner Hof hochgeschätzten Franz Krüger gelegentlich nach Schwerin gezogen hat, und daß Achilles hier mit ihm in Berührung gekommen ist. Jedenfalls lithographiert er ein Bildnis Paul Friedrichs zu Pferde von Krüger, von dem er für das Zeichnen der Pferde viel gelernt hat.
Im Jahre 1842 erlag der Großherzog einer heftigen Krankheit. Achilles zeichnete die Aufbahrung vor dem schweren schwarzen Samtvorhand, im Ton eines seiner schönsten Blätter. Im nächsten Jahr folgten mehrere Stadtansichten, ein Plan des mächtig vergrößerten Schwerin und des von prächtigem Humor erfüllte Blatt "Le Commerce", das sich getrost manchem berühmten Werk jener spottlustigen Zeit an die Seite stellen darf.
Gleichzeitig erscheinen im Verlag von A. Ullmann in Hamburg: Vierländer und Vierländerin, ein Bildnis Wolterecks und eine Darstellung Napoleons, die von den Hamburger Nachrichten günstig besprochen wurden, aber nicht mehr aufzufinden sind. Auch wurde in derselben Zeitung eine Serie von 16 Blättern "Hamburger Bürgermilitär" im Verlage von Fuchs angekündigt, äußerst fein kolorierte, lebendige Figuren.
So zahlreich Lithographien von Achilles im Handel sind, so selten finden sich Originalzeichnungen von ihm. Diese wie das pompöse Bildnis des Oberhofmarschalls von Bülow und des Forstmeisters Mecklenburg blieben im Privatbesitz verborgen. Für den Großherzog machte er 1834 eine Kohlezeichnung, 72 x 95 cm, Sappeur-Sergeant mit Schurzfell und Bärenmütze, heute in der Mahnckeschen Sammlung. Eine verkleinerte Lithographie kam in den Handel. 1843 verfertigte er für den wismarschen Kapitän J. H. Prüter eine farbige Zeichnung, die dessen Brigg "Doris" vor Wismar in einem schweren Gewittersturm zeigt, bei dem der Blitz in den zweiten Mast schlug. Von dem graublauen Himmel hebt sich das Schiff mit allen Einzelheiten der Takelage gespenstisch leuchtend ab. Die Wellen sind vom tiefsten Blaugrün, über gelbliche Töne, bis zum weiß aufgesetzten Gischt, wunderbar voll abschattiert. Am Horizont taucht die Mole von Wismar auf, dessen Türme man mehr ahnt als deutlich sieht, von leuchtenden Möwen umflattert. So sehr das Bild auch wohl auf die Wünsche des Bestellers Rücksicht nimmt, in dessen Familie es als Denkmal der glücklichen Errettung in hohen Ehren stand, so gibt es doch einen Begriff von dem feinen Farbensinn des Malers. Es ist bedauerlich, daß er nicht öfter Gelegenheit hatte, mit Farbe und Pinsel umzugehen. Unter dem Titel "Wismar an der Ostsee" ist eine Lithographie gleichen Inhalts - die Brigg heißt hier Germania - in den Handel gekommen, die, man möchte sagen, das Gerippe des farbigen Blattes bringt und recht deutlich macht, wie sehr hier alles nur durch die Farbe gegeben ist.
Trotz seiner künstlerischen Fortschritte und seines Fleißes konnte Achilles wirtschaftlich in Schwerin nicht recht gedeihen. Zu den vier Kindern, die er von Rostock mitbrachte, wurden noch drei geboren, doch starb sein ältester Sohn Helmut im Alter von sechzehn Jahren. 1842 wohnte die Familie in der neuen Paulsstadt, in der heutigen Wismarschen Straße, siedelte aber 1844 nach Tappenhagen über, jedenfalls keine Verbesserung. Der Vertrieb der Lithographien war mühsam; die Druckkosten mußten jedesmal vorher durch Subskription zusammengebracht werden, und mehr als 1 Gulden N 2/3 gab es selten für ein figurenreiches Blatt. So faßte der Künstler 1845 den Entschluß, mit den Seinen nach Hamburg zu ziehen. Er verkaufte seine Druckerpresse an den Buchdrucker Sandmeyer und richtete sich mit dem Erlös in Hamburg einen Laden mit Werkstatt ein. Aber wie bei seiner Ankunft in Schwerin versäumte er, sich die Zuzugserlaubnis zu sichern. Als er sein Bürgerrecht in Schwerin aufgegeben hatte, wurde ihm in Hamburg die Aufnahme verweigert, und er selbst mit seiner Familie wieder ausgewiesen. Sie kehrten nach Schwerin zurück, wurden aber nicht wieder als Bürger angenommen. Es folgten schwere Jahre ruhelosen Wanderns und äußerster, wenn auch nicht unverschuldeter Bedrängnisse.
Achilles selber wandte sich zunächst nach Hannover, wo er Auftrag hatte, die Pferde des königlichen Marstalls zu zeichnen. Von diesen Arbeiten ist jedoch nichts mehr aufzufinden. Dann arbeitete er in Boizenburg, Wittenburg und dazwischen immer wieder in Schwerin, ohne daß es ihm gelang, wieder festen Fuß zu fassen.
1849 lithographierte er dort den Einzug des Großherzogs Friedrich Franz II. mit seiner ersten Gemahlin Auguste. Vergleichen wir dieses Blatt mit dem ähnlichen Vorwurf der erfreulichen Wasserfahrt, so erkennen wir deutlich die gewaltigen Fortschritte des Künstlers. Auch hier das Gebundensein an getreue Berichterstattung und das Gegebene des Platzes und der Aufstellung; aber mit welcher Lebendigkeit und wie ungezwungen ist die Aufgabe gelöst. Der Blick auf die Staatskarosse, aus der das junge Fürstenpaar sich freundlich grüßend vorneigt, ist durch die niedere Reihe der Kinder in Landestracht freigegeben; der leere Raum ist durch die spielenden Hunde und die Gruppe der drei Knaben wieder belebt und geschlossen. Die Zuschauer sind nicht mehr starr aufgereiht, sondern bilden freudig bewegte Gruppen. Wir bemerken manche Bekannte von Achilles' früheren Blättern, z. B. den Mann mit der Pfeife und den bärtigen Herrn mit der Hand in der Weste, der so oft wiederkehrt (er steht auch neben dem Denkmal des Großherzogs Paul Friedrich vom selben Jahr 1849), daß man ihn fast für ein Selbstbildnis halten möchte, obgleich diese Vermutung durch nichts gestützt oder gar bewiesen wird.
Die folgenden Jahre brachten mehrere Fürstenbildnisse, darunter das reizende Kinderbild Friedrich Franz III., und seine beiden großartigsten Schöpfungen, den Pferdehandel in der Rostocker Gegend. Ein behagliches, strohgedecktes Bauernhaus, der Bauer mit den Seinen voll Stolz und Spannung, der Pferdejude berechnet schmunzelnd den Gewinn, den das vorgeführte prächtige Pferd ihm bringen wird. Jede Linie ist voll Ruhe und friedlicher Ausgeglichenheit. Auf dem zweiten Blatt ist der Handel abgeschlossen und gebührend mit Rostocker Köhm begossen. Mensch und Pferd sind in wilder Bewegung, und alles lacht über den angstvoll auf dem steigenden Tier hockenden Händler.
Von da an ging es schnell bergab. Die Augen versagten, und die völlig mittellose Familie sah sich in Schwerin mit Ausweisung und Überführung in das Landarbeitshaus bedroht. Der Versuch, in Rostock eine Zeichenschule zu gründen, scheiterte am Widerstand des Rates, die verarmte Familie aufzunehmen. Endlich fanden die Gehetzten in Altona ein Unterkommen und der Künstler erhielt Arbeit im Verlag von C. Fuchs in Hamburg.
Die letzten selbständigen Blätter sind wohl die mit den beiden wunderlichen Reifrockdamen "der hochgeehrten Kaufmannschaft" und "den hochgeehrten Gewerken" gewidmet, ersteres mit einem rührend zahmen Löwen, in dem wir "Nero, den Löwen des Tower zu London" wiedererkennen, den er in seiner Rostocker Frühzeit auf einem jetzt sehr seltenen Blatt verewigt hatte.
Seit dem Verkauf der eigenen Presse erschienen seine Arbeiten bei Kürschner in Schwerin, die meisten in Berlin bei Hölzer oder Delius. Auffallend ist, daß außer dem frühen Bildnis des Majors von Quistorp nichts in Mecklenburgs größtem Verlag, dem von Tiedemann in Rostock, erschienen zu sein scheint.
Am 9. Februar 1861 starb der Künstler in Altona, und bald darauf brachte die Mecklenburger Zeitung folgenden kurzen Nachruf:
"Der Zeichner und Lithograph August Achilles aus Rostock, welcher vor einer langen Reihe von Jahren hier in Schwerin wohnhaft war, ist am 9. Februar im noch nicht vollendeten 63. Lebensjahr in Altona gestorben. Achilles kann wohl als der Erste angesehen werden, der die Lithographie in Mecklenburg einführte."
Neben und nach ihm hat eine lange Reihe zum Teil sehr achtbarer Künstler die Lithographie gepflegt, aber keiner so vielseitig und mit so gutem Gelingen auf allen Gebieten wie Achilles. Seine Arbeiten fanden den Weg bis in den entlegensten Dorfkaten und weckten dort Teilnahme für die künstlerische Wiedergabe des Lebens an Arbeits- und Festtagen, sowie Liebe zur Heimat und zum Fürstenhause. Er ist gewiß keine große Künstlernatur; dazu wollen wir ihn nicht nachträglich stempeln. Aber die bescheidene Kraft künstlerischen Verständnisses, die ihm gegeben war, hat er redlich benutzt, und so gehört er, wie August Renoir sagt, zu den Künstlern, deren Werke, obwohl unbekannt und vergessen, die Größe eines Landes machen, weil sie gleichzeitig die Epoche und das Erdreich verkörpern, dem sie entstammen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Doberan (seit 1921 Bad Doberan)