Dinkelsbühl - Eine vergessene Stadt

Zeitschrift für bildende Kunst. Jahrgang 22
Autor: Lützow, Karl Friedrich Arnold von (1832-1897) Herausgeber, Erscheinungsjahr: 1887
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Dinkelsbühl, Wörnitz, Eduard Paulus, Baudenkmäler, Augsburg, Würzburg, Bayern, Pfarrhof Segringen, Wanderer, Hesselberg, Galgenberg, Wörnitztal, Schloss Baldern, Bopfinger Ipf
O Dinkelsbühl, wie oft in deinem Schatten
Ruht’ ich bei altersgrauer Türme Schar,
Wenn mir die Seele tiefbekümmert war
Und schwere Sorgen mich umlagert hatten
Bei deinem See’n, bei deinen grünen Matten,
Ward mir die Seele wieder sonnenklar
Und trank den Lethe, dem so wunderbar
Der Hopfen und das gold’ne Malz sich gatten.
Und still und fröhlich, wie in Walhalls Raum
Schwand mir das Leben als ein süßer Traum,
Geschützt vor aller Stürme wilden Schauer;
O, diese Keller, schon am Vormittag
Erklingt des Anstichs wonnevoller Schlag,
Um spät bis in die Mitternacht zu dauern!
Dinkelsbühl – Eine vergessene Stadt.

Von C. Th. Pohlig.
Mit Illustrationen.


Diese Verse sandte mir ein hochverehrter Freund, der Dichter Eduard Paulus, als Antwort und Ausdruck seiner Sehnsucht auf eine Einladung nach dem alten Reichstädtchen Dinkelbühl, in dem ich längere Zeit weilte. Über ein Jahrzehnt ist seitdem verflossen, und in manche gar wohlansehnliche Stadt hat mich während dieser Zeit das Schicksal verschlagen, aber keiner bewahre ich ein solch treues Gedenken wie der türmereichen, mauerumgürteten Stadt an der schilfumbuschten Wörnitz. So oft ist auch seitdem den mir liebgewordenen Ort besuchte, überkam mich das gleiche heimatliche Gefühl in seinen Mauern, verlebte ich gleich befriedigende und ruhig heitere Tage unter seinen herzlich biederen Bewohnern. Etwas abseits vom großen Weltverkehr ist es dort aber auch ganz wie geschaffen zum Ausruhen, zum Sichsammeln, ohne dabei der geistigen Anregung entbehren zu müssen. In pietätvoller Weise bewahrt man noch das Alte, wo es sich auch findet, in Baudenkmälern, Sitten und Gebräuchen. Wie ein Märchen aus verklungenen Zeiten mutet es den Fremdling an, wenn durch die Stille der Nacht der Gesang des Nachtwächters verklingt; und wie gar wohl aufgehoben ist der Wanderer, nach alter patriarchalischer Weise, ob er nun in der „Rose“, im „Deutschen Haus“, oder in der „Gold'nen Kanne“ sein Absteigequartier nimmt.

Die Stadt liegt lehr malerisch inmitten einer anmutigen Hügellandschaft, bespült von der fischreichen Wörnitz, an der früher so verkehrsreichen, alten Heerstraße, die von Augsburg nach Würzburg an der westlichen Grenze Bayerns sich hinzieht. Zahlreiche Seen und Weiher, deren der alte Merian so viele wie Tage im Jahre zählt, geben der Landschaft einen eigenartigen, hochpoetischen Reiz. Dieser Charakter tritt hauptsächlich dem von Westen her der Stadt sich nähernden Wanderer in seiner ganzen Schönheit entgegen. Kommt man die steil abfallende Straße von dem hochgelegenen Pfarrhof Segringen herab, so hat man geradezu entzückenden Ausblicke auf die Stadt in weitem Bogen umgebenden seeartigen Weiher, zwischen denen romantisch verstreute Mühlen erscheinen, während in blauender Ferne die schön geschwungenen Linien des Hesselberges aufsteigen.

Einen unvergleichlich schönen Anblick gewährt aber die Stadt von dem nur wenige Minuten in östlicher Richtung entfernten Galgenberg, von welchem aus zugleich die ganze Anmut der Gegend auf das vorteilhafteste hervortritt. Zu Unseren Füßen liegt das allmählich sich weitende Wörnitztal mit dem zeitweilig aufblitzden Silberband des windungsreichen Flusses, zu beiden Seiten sanft an- und absteigendes Hügelland mit dunkel blauenden Wäldern, fruchtbaren Äckern und Wiesen und stattlichen Ortschaften. Links grüßt vom nahen Schwabenlande das Schloss zu Baldern und in duftiger Ferne der kegelförmig aufsteigende Bopfinger Ipf herüber.

Vor uns am rechten Ufer der Wörnitz liegt die mit Mauern und Türmen umgürtete Stadt, gegen Süden und Westen malerisch ansteigend, gar seltsam und vielgestaltig, und darüber im Hintergrunde schließt das hochgelegene Segringen mit seiner alten, romanischen Kirche das Bild in wirksamer Weise ab. Nicht leicht wird dem entzückten Auge ein wohltuenderes, so in sich abgerundetes Bild dargeboten werden, als dies hier der Fall ist, und wenn das scheidende Tagesgestirn die hohen Turmspitzen und die fernen Höhen vergoldet, wenn aus lichtem Himmelsgrunde in Gold und Purpur getauchtes Gewölk dahinzieht, während über Stadt und Tal bereits die Dämmerung ihre Schatten breitet, dann ist der Eindruck ein unvergesslicher. Heiliger Friede und erhabene Ruhe liegt über die Landschaft ausgegossen und die tiefempfundenen Dichterworte sind uns so ganz aus dem Herzen gesprochen:

Als wie von eines Engels Kusse
Wird meine Seele still und rein
Und saugt in heiligem Genusse
In sich den letzten Sonnenschein.


Und nun, lieber Leser, folge mir zur Stadt hinab! Eine heutzutage wenig genannte und wenig gekannte Stadt ist das alte Dinkelsbühl. Früher war dies freilich anders, und es dürfte daher nicht ohne Interesse sein, wenn ich einige geschichtliche Notizen vorangehen lasse.

Dinkelsbühl ist eine sehr alte Stadt, über deren Entstehung keine zuverlässige Nachricht auf uns gekommen ist. Die früheste vorhandene Urkunde stammt aus dem Jahre 1188 und lässt ersehen, dass Dinkelsbühl schon damals ein ansehnlicher, wohlbefestigter Ort gewesen sein muss. Über die Abstammung des Namens sind sehr gelehrte Hypothesen aufgestellt worden. Am einfachsten dürfte darüber das Stadtwappen Aufschluss geben, welches drei Dinkelähren auf drei Hügeln (Büheln) aufweist. Im 13. und 14. Jahrhundert wurde die Stadt mit namhaften kaiserlichen Privilegien ausgestattet. Handel und Gewerbe, insbesondere die Tuchfabrikation, Standen irr hoher Blüte. Wurde doch damals den Tuchmachern von Ludwig dem Bayer das wertvolle Privilegium verliehen, daß die zu Dinkelsbühl gefertigten und gemessenen Tuche anderwärts nicht mehr nach gemessen werden durften. Im Jahre 1351 trat die Stadt in die Reihe der reichsunmittelbaren Städte und erscheint voll dieser Zeit an bei fast allen reichsstädtischen Bündnissen. Außerdem wurde die Stadt in fortwährende Streitigkeiten mit den Grafen von Öttingen verwickelt, bezüglich deren Ansprüche auf Territorialhoheit, bis endlich Markgraf Albrecht von Nürnberg 1458 vermittelte und durch kaiserliche Intervention im Jahre 1476 die Grenzen der Stadtmarkung genau bestimmt wurden.

Mannigfache Kämpfe brachte die Reformationszeit über Dinkelsbühl. Die neue Lehre fand begeisterte Aufnahme in der Bürgerschaft und gelangte im Jahre 1532 zum vollständigen Siege. Mit dem Jahre 1546 aber, mit dem Siege Karls V. über den schmalkaldischen Bund, dem auch Dinkelsbühl sich angeschlossen hatte, trat bereits wieder ein Umschwung ein. Nach der Auflösung des schmalkaldischen Heeres bei Giengen zog Karl V. in Dinkelsbühl ein. (29. Nov. 1546) und nahm am folgenden Tage dem geängsteten Rat das Versprechen ab, den katholischen Kultus wieder einzuführen, was denn auch nach Erscheinen des Augsburger Interims ins Werk gesetzt wurde. Der größte Teil des Rates schwur die neue Lehre ab, und nach einer im Jahre 1552 erlassenen Ratsordnung wurde die Wahl eines Protestanten als Ratsmitglied für unstatthaft erklärt, wenn nicht gleichzeitig die Annahme der katholischen Glaubenslehre erfolgte. Trotzdem der größte Teil der Bürgerschaft der neuen Lehre treu blieb, bestand diese Verordnung in Kraft bis zum westfälischen Friedensschluss und gab, wie dies nicht anders sein konnte, zu fortwährenden Zwistigkeiten und Klagen Veranlassung.

Sehr schwer wurde die Stadt während des dreißigjährigen Krieges heimgesucht. Nicht leicht wird es eine Stadt des deutschen Reiches geben, die in gleichem Maße wie in Dinkelsbühl und Umgebung der Tummelplatz von Armeen und Heerhaufen aller am Kriege beteiligten Nationen war. Zu wiederholten Malen geriet sie abwechselnd in die Hände der Kaiserlichen, der Schweden, Bayern und Franzosen, und jedesmal wechselte dann das Stadtregiment. Der katholische Rat wurde absetzt und misste einem protestantischen Platz machen und umgekehrt, je nach der Konfession des Sieger. Unerquickliche endlose konfessionelle Streitigkeiten gesellten sich zu den Drangsalen und Lasten des Krieges. Nachdem die Stadt schon seit den ersten Kriegsjahren von Truppendurchzügen und Kontributionen der kaiserlichen Kriegsvölker viel zu leiden hatte, wurde sie am 11. Mai 1632 von dem schwedischen Obristen Klaus Sperreut besetzt und sah am September des gleichen Jahres den Schwedenkönig Gustav Adolph mit seinem Kanzler Oxenstierna und eitlem glänzenden Gefolge deutscher Fürsten in ihren Mauern, Während der schwedischen Herrschaft kainett mich die Heerführer Banér und Herzog Bernhard von Weimar auf ihren Zügen durch die Stadt. Nach der am 6. September 1634 von den Schweden verlorenen Schlacht bei Nördlingen ließ der kaiserliche Feldmarschall Gallas das nahegelegene Dinkelsbühl bombardieren, Am 14. September zogen die Schweden ab und die Stadt wußte sich auf Gnade und Ungnade dem Feldmarschall Piccolomini ergeben. In den Jahren 1639, 1640 und 1645 hatte die Stadt kurbayerische Besatzungen, wurde im letztgenannten Jahre voll den Franzosen unter Turenne und dein Herzoge von Enghien belagert und mußte am 25. August kapitulieren. Noch im gleichen Jahre nahmen die Bayern nach kurzer Belagerung die Stadt wieder in Besitz, mußten aber schon 1646 den Schweden weichen, welche vor ihrem 1647 erfolgten Abzug die Stadt auch noch plünderten. Wieder rückten Bayern ein, um im Frühjahr 1648 abermals den Schweden Platz zu machen. Diesmal war es der Generalfeldmarschall v. Königsmark, welcher auf seinem Zuge nach Böhmen die Stadt belagern und beschießen ließ und zwar so heftig, daß Mauern und Türme größeren Schaden litten, als je zuvor. Fast gleichzeitig hatten Wrangel und Turenne ihre Hauptquartiere in der Nähe der Stadt aufgeschlagen. So hatte also die schon von Anbeginn des Krieges arg heimgesuchte Stadt bis zum letzten Kriegsjahre und noch kurz vor Friedensschluss alle Schrecken des Krieges durchzumachen. An Geld und Geldeswert halte der dreißigjährige Krieg der Stadt Dinkelsbühl über 1½ Millionen Gulden gekostet. Der Wohlstand war dahin und wenn sie sich auch später wieder erholte, so konnte sie dach ihre vormalige Bedeutung nicht wieder erlangen.

Die Erinnerung an jene drangsalreiche Zeit des dreißigjährigen Krieges lebt noch heute in der Bevölkerung fort in der sogenannten Kinderzeche, einein Kinderfest, welches alljährlich um die Mitte des Monats Juli gefeiert wird und zahlreiche Besucher von nah und fern anzieht. Der Gedenkfeier soll folgender Vorgang zu Grunde liegen: Während einer Belagerung Dinkelsbühls durch die Schweden fallen die Kinder in das Lager des Feindes hinausgezogen sein und um Pardon für die Stadt gebeten haben. Der Schwedische Befehlshaber, gerührt durch das Flehen der Kleinen, habe denn auch die Feindseligkeiten eingestellt und der Bürgerschaft billige Bedingungen zugesichert. *)

*) Der historische Nachweis fehlt allerdings. Nach Monningers Forschungen im städtischen Archiv wäre die Kinderzeche ursprünglich ein einfaches Schulfest gewesen, das sich erst im Laufe der Zeit zu einem Volksfest herausgestaltet hat und mit den Vorgängen im dreißigjährigen Kriege in Verbindung gebracht worden ist.

Schon in aller Frühe herrscht ein lebhaftes Treiben auf den Straßen und Plänen der Stadt. Die schulpflichtige Jugend ordnet sich zu einein Festzuge, dessen erste Abteilung die Schweden bilden. Es sind die Knaben im zweiten Schuljahr, also im Alter von acht Jahren, in der kleidsamen schwedischen Uniform des dreißigjährigen Krieges. Voran marschiert ein Musikkorps, das ebenfalls aus schulpflichtigen Knaben besteht. Hierauf folgt hoch zu Roß die Hauptperson des Festes, der jugendliche Obrist mit entblößtem Degen. Eine Anzahl Pikeniere, mit ihrem Hauptmann an der Spitze, vollenden den kriegerischen Teil des Zuges. An diese erste Abteilung schließt sich die übrige Schuljugend, fähnchentragende Knaben und weißgekleidete Mädchen, an. Während des Zuges, sowie vor und nach demselben werden die Kleinen von Verwandten und Bekannten reich beschenkt mit „Kinderzechguggen“, riesigen Tüten, mit Zuckerwaren gefüllt und mit einer Abbildung des Schwedenzuges und dem Spruche des Obristen geziert. Zunächst bewegt sich der Zug nach der Spitalkirche, wo die gesamte Schuljugend einen Choral absingt. Vor dem Rathause folgt dann der eigentliche Festakt. Der Obrist sagt einen Spruch auf der die oben erwähnte Episode schildert und mit einem Hoch auf die Stadt Dinkelsbühl schließt, in das die tausendköpfige Menge, begleitet von einem schmetternden Tusch brausend einstimmt. Hieraus entwickelt sich ein fröhliches Leben und Treiben auf den vielen schattigen Bierkellern und nachmittag auf dem Festplatze, woselbst am ersten Festtage dem Obristen die Ehrenpflicht obliegt, seine Kriegerschar zu bewirten, während der Hauptmann am zweiten Festtage dieser Ehre teilhaftig wird.

Die Geschicke Dinkelsbühls nach dem dreißigjährigen Kriege lassen sich kurz zusammenfassen. Das 18. Jahrhundert verlief zwar für die Stadt ohne größere Aktionen, aber die häufigen Truppendurchzüge und Brandschatzungen während der ersten Hälfte des Jahrhunderts und gegen Ende desselben, sowie die fortdauernden inneren Streitigkeiten ließen die Stadt nicht zur Ruhe kommen. Dazu gesellte sich eine gänzliche Zerrüttung des Finanzhaushaltes. Im Jahre l802 *) verlor sie durch den Reichsdeputationsrezess ihre Reichsunmittelbarkeit und wurde von Kurbayern in Besitz genommen, zwei Jahre später infolge der Landesgrenzverträge an Preußen überwiesen und dem Fürstentum Ansbach einverleibt. Mit diesem kam die Stadt dann 1806 endgültig an Bayern. Erst jetzt traten geregelte Verhältnisse ein, unter denen sich die Bürgerschaft erholen und wieder zu Wohlstand gelangen konnte.

Das Innere der Stadt bietet eilten durchweg altertümlichen Anblick dar. Fast ausnahmslos sind die Giebelseiten der Häuser der Straße zugekehrt, wobei nicht selten die verschiedenen Stockwerke übereinander vorgekragt erscheinen. In einigen Straßen treten die Häuser in der Grundanlage staffelförmig übereinander vor, so daß jedes Haus noch einen Ausguck in der Längsrichtung der Straße hat. Das älteste Baudenkmal ist der untere Teil des Turmes der St. Georgskirche, welcher seinen romanischen Architekturformen nach gegen Ende des 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderte entstanden ist. Die übrigen Baudenkmale gehören der gotischen und Renaissanceperiode an. Von hervorragender Bedeutung ist die St. Georgekirche, eine bis auf den erwähnten Turm, der offenbar einer früher am gleichen Platz stehenden kleineren, romantischen Kirche angehörte, rein gotische Hallenkirche. Das äußere wird zwar durch das bei Hallenkirchen unvermeidliche kolossale Dach, sowie durch den nicht hingehörigen, nüchternen, in ein Zopfdach auslaufenden Turm einigermaßen beeinträchtigt, aber das Innere wirkt mit seinen drei gleich hohen Schiffen und dem ebenso hohen Chorumgang geradezu überwältigend. Gleich einem mächtigen Buchenhochwald steigen die 22 kräftig gegliederten Bündelpfeiler und 29 schlanken Wandpfeiler empor, die flachgewölbte, mit zierlichem Netzwerk überspannte Decke tragend. Durch die zahlreichen hohen Spitzbogenfenster wird der gewaltige Raum mit einer Fülle von Licht überflutet. Hier ist nichts von jenem geheimnisvollen Halbdunkel zu spüren, das der Mehrzahl gotischer Kirchen eigen ist. Auch die entlegensten Ecken und Winkel sind hell. Die ganze Kirche ist so einheitlich im Stil, so ganz aus einem Guss, und dabei von so beträchtlichen Raumverhältnissen, — im Innern 77 m lang, 22½ m weit und 21¼ m hoch — daß dieser Bau zu den hervorragendsten Beispielen gotischer Hallenkirchen gezählt werden muß. Erbaut wurde die Kirche von 1448 bis 1499. Die Baumeister waren „Niclaus Effer der alt“ und „Niclaus Effer sein son“, wie auf einem Gemäldefeld hinter dem Hochaltar zu lesen ist.**) An bildnerischem Schmuck enthält die Kirche manches von hervorragender Bedeutung, wie das 1480 in feinkörnigem grauen Sandstein ausgeführte Sakramentshäuschen, ebenso eine aus der gleichen Zeit stammende Kanzel und einen Taufstein, beide aus demselben Material. Von hohem künstlerischen Wert sind ferner die vier gotischen Seitenaltäre, teils alt, teils sehr gut ergänzt. Die Malereien an den Flügeln, worunter eine Kreuzigung voll Herlen, sind sämtlich alt.

*) Nicht 1803, wie es in der „Bavaria“ Bd. 3, S. 1194 heißt.

**) Ausführlicherem hierüber in des Verf. Arbeit: „Die St. Georgskirche zu Dinkelsbühl“, Jahrgang 1882 der Zeitschrift für bildende Kunst.


Tritt man aus der Kirche auf den freundlichen Marktplatz heraus, so wird das Auge durch eine Anzahl alter Häuser im Renaissancestil gefesselt. Da ist das mit Glockentürmchen versehene frühere Brodhaus, nunmehriges Postgebäude, das anstoßende Hagensche Haus, sowie das weiter oben liegende Schrannengebäude, alle mit reichgegliederten Giebeln und anderen hübschen Einzelheiten. Vor allem aber zieht das „Deutsche Haus“, Stammhaus der Grafen von Drechsel-Deufstetten die Aufmerksamkeit auf sich. Bis an die Giebelstube hinauf geschnitzt und bemalt, erhebt sich dasselbe in fünf übereinander vortretenden Geschossen. Dieses Prachtwerk deutscher Renaissance wurde im Jahre 1543 erballt und 1877 in pietätvoller, sachverständiger Weise restauriert. Reiche Gliederungen, Karyatiden und Konsolen, Gnomen und mythologische Gestalten, Wappen und zierliches Laubwerk beleben in buntem Wechsel alle hervorragenden Konstruktionsteile; dazwischen kunstvoll verschlungenes Ziegelwerk in wechselnden Mustern, an gotisches Maßwerk erinnernd. Auch sonst begegnet man mehrfach hübschen Renaissanceeingängen, schmiedeeisernen Gittern, Wirtsschilden und Beschlägen von den letztgenannten Dingen, wie überhaupt von transportablen Kunst- und Kunstgewerbserzeugnissen aller Art, sehr viel in die Hände von Sammlern übergegangen ist. In vielen Häusern findet sich noch die ursprüngliche innere Einrichtung, altes Getäfel, breite Treppen von Eichenholz mit kunstvoll gedrehten Knäufen, oder geschnitzten Wappentieren auf den Antrittssäulen.

Ein nicht geringes Interesse bietet ein Spaziergang um die Stadt. Türme und Mauern sind noch ringsum erhalten, wenn auch letztere nicht mehr überall in ihrer ursprünglichen Höhe. An einigen Stellen, wie z. B. am Wörnitzthor und Segringer Thor, ist der bedeckte Gang noch vorhanden, der früher von Turm zu Turm auf der Stadtmauer herumführte. Im Stadtgraben und auf den Zwingern sind wohlgepflegte Obst-, Gemüse- und Blumengärten angelegt. Schattige Keller mit Kegelbahnen, auf denen man treffliches Bier trinkt, ziehen sich an der Stadtmauer entlang, und die alten Wälle sind mit herrlichen Bäumen bepflanzt. Einen wahrhaft herzerfreuenden Anblick gewährt ein solcher Gang um die Stadt. Bei jedem Schritt eröffnen sich wieder andere Aus- und Durchblicke auf die vielgestaltigen, efeuumwobenen Türme, und die Reben, Spalierobst und allerlei Grün übersponnenen Mauern. Ein Teil des Stadtgrabens auf der Nordseite der Stadt, der vormalige Würschingsbuck, ist zu einem herrlichen Stadtpark umgeschaffen. Da wechseln kühle, farrenbewachse Hohlwege und steile, auf Staffeln zu erklimmende Partien des alten Walles, von prächtigen Bäumen überschattet, mit hübschen Terrassenanlagen lind wohlgepflegten Blumenbeeten. Manches lauschige Plätzchen findet sich hier, auf dem man stundenlang sitzen und träumen kann. Über und zwischen dem Grün blinken die alten, sonnenbeglänzten Mauertürme herein, im Westen der hochgelegene, fast überschlanke „grüne Turm“, weiter unten am Weiher das Rothenburger Thor mit seinem wehrhaften Vorbau, und wieder dazwischen ein kleinerer Rundturm mit malerischem Erker and halbverfallener, die Stadtmauer quer durchsetzender überdachter Stiege. Voll dem hochgelegenen Segringer Thor an senkt sich das Terrain allmählich gegen die Wörnitz zu, der Stadtgraben verflacht sich und an seine Stelle tritt ein Arm der Wörnitz. Diese Wasserseite der Stadt am Nördlinger-, Wörintz- und Rothenburger Thor ist nicht minder interessant. Ganz einzig in ihrer Art ist die 1490 erbaute und befestig Stadtmühle am Nördlinger Thor. Nicht sehr weit davon steht ein höchst origineller Turm, dessen oberer Stock aus Fachwerk aufgesetzt und mit einem zur Hälfte abgewalmten Satteldach versehen ist, einem trutzigen Landsknecht mit tief in die Stirn gedrückter Sturmhaube vergleichbar. Auch weiterhin gegen das Wörnitz- und Rothenburger Thor fehlt es nicht an interessanten Partien. Ein schwermütiger Reiz liegt über diese Wasserseite ausgebreitet. Zum Teil von Privatgrundstücken eingeschlossen, ist es hier gar ruhig and einsam. Mauern und Türme spiegeln sich in den stillen, weiden- und schilfumbuschten Wassern. Hier und da läßt ein aufschnellendes Fischlein die glatte Wasserfläche in mählich sich weitenden Kreisen erzittern, und ein leises Klingen und Rauschen zieht durch das hohe Geröhricht.

Wir müssen scheiden. Auf dem Wege zum Bahnhof hat man nach Durchschreiten der Vorstadt von der äußeren Wörnitzbrücke aus noch einen hübschen Blick auf diese Stadtseite. Die hier sich verzweigende und verbreiternde Wörnitz scheint die Stadt seeartig zu umgeben. In ganzer Höhe spiegeln sich die Türme in den träge dahinfließenden Wassern und zu unsern Füßen stehen wie angewurzelt jene Prachtexemplare von Wörnitzkarpfen, die sich weithin eines bedeutenden Rufes erfreuen.

Rothenburger Tor

Rothenburger Tor

Am Wörnitzgraben

Am Wörnitzgraben

Am Segringer Tor

Am Segringer Tor

Der Marktplatz zu Dinkelsbühl mit dem

Der Marktplatz zu Dinkelsbühl mit dem "Deutschen Haus"

Am Wörnitztor

Am Wörnitztor

Mauerturm im Stadtpark

Mauerturm im Stadtpark

Chor der St. Georgskirche

Chor der St. Georgskirche

Stadtmühle und Nördlingertor

Stadtmühle und Nördlingertor

Türklopfer

Türklopfer