Die wunderbaren Laubenvögel

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 5. 1927
Autor: Annie France-Harrar, Erscheinungsjahr: 1927

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Vögel, Laubenvögel, Kragenvögel, Australien, Neuguinea, Buschmann, Liebesspiele, Paarungszeit, Liebesleben, Gärtnervogel,
Es ist noch keine fünfzig Jahre her, da horchte die Wissenschaft vom Tier und seinen Leistungen erstaunt auf. Aus Australien und Neuguinea, aus einer damals noch recht mangelhaft erforschten Natur kamen Nachrichten von noch unbekannten Vögeln, die eine echte und wirkliche Gesellschaftskultur besitzen sollten. Von einem wusste man den Namen, den die Eingeborenen, die ihn sehr genau zu kennen vorgaben, ihm geschenkt hatten. Sie hießen ihn Tukan Roban oder Kabon, und das bedeutete in ihrer Sprache: der kleine Gärtner.

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Die Europäer wollten zuerst gar nicht recht glauben, was die Wilden von ihm und einigen anderen Vögeln erzählten, die man dann später Lauben- und Kragenvögel nannte. Sie hielten es für so unwahrscheinlich, dass sie es ins große Gebiet der Sage verwiesen. Die Wissenschaft in der Heimat zweifelte dann noch einmal an den Berichten der ersten Reisenden und erklärte sie für unzutreffend und übertrieben.



Vögel, noch dazu kleine, die gar nicht so weit aus der Vetternschaft unseres Stars stammen, sollten sich Lusthäuser bauen und ausschmücken oder Gärten anlegen — nur zum Vergnügen ihrer Weibchen? Wahre Gebäude sollten durch ihre Geschicklichkeit entstehen, in denen die Erbauer tanzen, singen, Gesellschaften abhalten und fröhliche Haschspiele treiben? Das war doch sehr unglaubhaft und ging weit über das hinaus, was man einem Vogel zutrauen konnte.

Dennoch hat sich das alles als wahr erwiesen. Der Laubenvogel errichtet wirklich ein Haus für seine Flitterwochen, die er lieber zu mehreren als allein verbringt, und der Gärtnervogel pflegt mit emsigem Fleiß und viel Geschmack seinen Garten und lässt sich keine Mühe dabei verdrießen. Den Menschen können sie es nicht abgesehen haben. Denn weder ein Zulukaffer noch ein Buschmann ist ein besonderer Freund von Ordnung, Arbeit und zierlicher Verschönerung des Daseins, sondern gerade sie hausen in schrecklich schmutzigen Höhlen, und ihre Lebensbedürfnisse sind mehr als gering. Es hilft also nichts: ein Vogel überragt diesmal den Menschen durch die Kulturstufe, auf der er steht.

Die Vergnügungshallen, die von den Laubenvögeln und jenen verwandten Arten errichtet werden, dienen keineswegs dazu, um darin zu nisten und Junge großzuziehen. Sie werden (und zwar oft viele Jahre lang) nur benützt, um Liebeserklärungen zu machen und Liebesspiele aufzuführen. Sie sind also das Gegenstück zu unseren Ballokalen. Der etwa sperlingsgroße Vogel verziert sie aufs schönste mit allem, was er nur in seinem Umkreis findet. Soviel man weiß, geht gleichzeitig immer eine Anzahl Männchen an den Bau des kleinen Kunstwerkes. Nachdem eine feste, glatte Matte aus Moos und ganz kleinen Zweigen als Boden hergestellt ist, werden zu beiden Seiten (vorne und rückwärts Aus- und Eingang freilassend) gleichmäßig dicht lange und dünne Zweige eingebohrt, die eine feste Wand bilden und oben mit ihren Spitzen Zusammenstößen, so dass eine Art gotischer Bogen entsteht. Dieser Rohbau wird nun mit einer haltbaren, festen Tapete aus Gräsern versehen, die auf dieselbe Weise wie die Zweige, aber auch mittels kleiner runder Steine befestigt werden und die mit ihren oben zusammenschließenden und überhängenden Rispen ein aufs zierlichste durchbrochenes Spitzengewölbe bilden. An den beiden Toren, zuweilen auch im Innern, das ständig geputzt, gesäubert und ausgebessert wird, stapeln nun die sehr farbenfrohen Vögel alles auf, was sie an glänzenden, leuchtenden und sonderbaren Dingen erlangen können. Da finden sich Porzellanscherben, perlmutterne Muschelschalen, bunte Zeugstücke oder Endchen von seidenen Bändern, auffallend gefärbte Steinchen, auch Blumen und grelle Federn. Auch Fingerhüte, Nadeln und Messer trägt der Vogel aus den Wohnungen der Farmer herbei und verwendet sie zum Putz seines Freudenschlosses. Ringsum ebnet er den Platz, hält ihn fein säuberlich in Ordnung und legt aus gleichmäßig runden Steinen Wege an, die zum Lusthaus führen.

An diesen Vergnügungsort bringen nun, ehe sie sich verheiraten, und während der ersten Liebestage die Männchen ihre Frauen. Sie laden sie zum Eintritt ein, legen ihnen in Gestalt einer hübschen Feder oder eines glitzernden Scherbens ein Geschenk zu Füßen und umwerben sie auf die anmutigste Weise. Ihr ganzes Liebesleben (das bei ihrer Lebhaftigkeit ein sehr ausgesprochenes ist) spielt sich in diesen Lauben und um sie herum ab. Sie benehmen sich wie Menschen, die von einer großen Zuneigung erfüllt und so glücklich sind, dieses Gefühl ganz und ungehemmt ausleben zu können. Und man hat den Eindruck, dass ihre mit viel Mühe hergestellte Halle ihnen ein unendliches Vergnügen bereitet, denn sie treffen sich dort von überall her und verbringen einträchtig die ganze Paarungszeit oder zum mindesten während dieser einige Stunden des Tages.

Der Gärtnervogel, turteltaubengroß und trotz seiner Verwandtschaft mit den Paradiesvögeln sehr bescheiden gekleidet, richtet seine größte Sorgfalt auf seinen Garten. Die Eingeborenen von Neuguinea, die ihn sehr bewundern, sagen, er lege ihn an, um seine Frau während der langen und langweiligen Brutzeit, die bei jedem Vogel etwas von den Beschwerden eines ausgedehnten Wochenbettes an sich hat, damit zu erfreuen. Die Forscher indes berichten, dass er dies vor allem in seiner Brautzeit tut und die ganze Anlage ebenso benützt wie die Laubenvögel ihre Halle; nur dass er vielleicht nicht ganz so gesellig ist wie jene.

Seine Liebeshütte befindet sich stets am Fuße eines kleinen Busches, der als natürliche Mittelsäule das seitlich abfallende Dach aus Halmen und Zweigen trägt, ähnlich wie der Zeltstock die Zeltdecke. Mit einem halben Meter Höhe und einem Meter Umfang scheinen die Raumbedürfnisse eines Pärchens gedeckt zu sein. Abschluss nach außen ist ein weites, offenes Burgtor, das Gäste und Bewohner bequem aus- und eintreten lässt. Der Garten ist stets mehrmals so groß wie das Haus und liegt, wie bei uns, vor dessen Eingang. Auf einem peinlich sauber gehaltenen Moosrasen werden Blumengruppen zusammengestellt. Weiterhin werden die Beete (oder eigentlich nur das Beet) mit bunten Insekten besteckt, farbenglühende Früchte oder Pilze werden herbeigetragen und gefällig verteilt. Der kleine Gärtner ist unermüdlich in seinem Eifer. Welke Blumen, unansehnlich gewordene Früchte werden abgeräumt und durch neue ersetzt. So leben das oder die Pärchen wochenlang in größter Eintracht und Zärtlichkeit. Aber gebrütet wird hier nicht, trotzdem der Bau von Hütte und Garten doch wahrlich Mühe genug gemacht hat und nach Menschenbegriffen auch genügende Sicherheit bieten müsste. Dies hier ist nur Haus und Hain der Liebe und der Hingebung, ein heiliger Ort des Glückes.

Es ist schwer, nicht all die Menschenworte und Menschenbegriffe anzuwenden, die uns seit Jahrtausenden für die einsam in den Wald geflüchteten Pärchen geläufig sind, die von nichts Anderem mehr wissen wollen als von dem Rauschen der Bäume, dem Blühen und Duften der Blumen, der Seligkeit ihres eigenen Sichbesitzens. Wir sprechen „nur“ von einem Vogel! Einem Geschöpf, das nur dazu geschaffen ist, dass der Mensch es fängt, tötet und verzehrt. Einem Tier, über das sich unsere Weisheit, unser Weltbegriff, unsere „Allmacht“ unsäglich erhaben dünkt, das, weil es eben Tier ist, um viele Grade niedriger steht und minderwertiger ist als wir!

Denken nicht viele Menschen so? Aus der Gleichgültigkeit eines stumpfen Herzens heraus, mit dem Mut der Unwissenheit verachten sie die übrigen Lebensformen letzten Endes nur deshalb, weil sie sie nicht genügend kennen. Und doch beweisen diese zwei Vögel, dass es nicht bloß beim Menschen Gesellschaften und Gesellschaftssitten gibt. Ich habe einfach und nüchtern nur die Tatsachen aufgezählt, die man so oft gesehen hat, dass sie nicht mehr abgeleugnet werden können. Ich hätte aber ebensogut mehrere Hunderte nennen können, ja, man würde, wenn man nachforschte, ganz sicher bei den meisten Geschöpfen irgendetwas Derartiges finden, eine Art Zivilisation des Zusammenseins mit ihresgleichen, ausgenommen einige wenige, die für sich als unzugängliche und scheue Einsiedler leben — ein Recht der Persönlichkeit, das von weltmüden und mürrischen Menschen ganz ebenso in Anspruch genommen wurde und wird.

Wenn man bisher von gesellschaftlich lebenden Tieren sprach, so meinte man fast stets nur einige Insekten, wie Bienen, Ameisen oder Termiten, die sich tatsächlich ihr Dasein so eingerichtet haben, dass das einzelne Mitglied einer solchen Gemeinschaft nicht mehr für sich allein bestehen kann, sondern ohne sie zugrunde gehen muss. Aus diesem — wenigstens für unsere Begriffe — drückenden Zwang, sich in allem und jedem einer unbedingt herrschenden Mehrheit widerspruchslos anzupassen, haben die Menschen gefolgert, dass das Tier in seinen Gesellschaftsgewohnheiten ganz unfrei und gebunden sei, darum auf einer weit tieferen Stufe stehe als wir. Diese wenigen Beispiele indes, die ich auf dem knappen Raum nur in Umrissen anführen konnte, liefern den Beweis, dass diese Folgerung nicht richtig ist. Das verliebte und sehnsüchtige Tier kennt alle die Möglichkeiten, durch angenehme Gesellschaftssitten die Freuden seines Begehrens zu steigern und schon eine Art von Kultur dabei zu entfalten, die derjenigen der höherstehenden Wilden zum mindesten gleichkommt.

Laubenvogel beim Bau der Hochzeitshütte. Die kleinen Zweige, die das Gerippe bilden, werden mit Gräsern verbunden und mit Moos ausgepolstert, und vor der Laube wird ein Schmuckplatz aus Porzellanstücken und Perlmutterschalen, farbigen Steinchen und leuchtenden Federn errichtet.

Laubenvögel beim Bau der Hochzeitshütte

Laubenvögel beim Bau der Hochzeitshütte