Die wunderbare Heilkraft der Sonne.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1921
Autor: Dr. Thraenhart., Erscheinungsjahr: 1921

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Sonne, Wunden, Heilung, Stoffwechselkrankheiten, Fettsucht, Zuckerkrankheit, Besonnung, Sonnenbäder, Blutarmut, Bleichsucht, Sonnenseite, Schattenseite
Sonnenlicht ist der natürlichste, beste und schnellste Wundheiler. Dr. Willibald Gebhard erlitt mit dem Fahrrad einen gefährlichen Sturz; seine Hände waren stark verletzt und große Hautstücke abgerissen. Es war ein schöner Sommertag, und er hielt die Hände in das Sonnenlicht. Bald trat eine klare, klebrige, blutwässerige Flüssigkeit aus den Wundstellen und überzog diese schützend. Er schonte diesen natürlichen Schutzstoff; in wenigen Tagen waren die Wunden geheilt, und zwar ohne merkbare Narben.

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Sogar schwer eiternde Wunden heilen bei der Sonnenbehandlung gut und schnell. Den großartigsten Beweis hierfür erlebte man an vielen Tausenden von Kriegsverwundeten. Professor A. Jesioneck schrieb hierüber: „Wir haben bei den Verwundeten verschiedenartige Weichteilverletzungen mit Sonnenlicht behandelt und haben uns dabei vor allem über die Schnelligkeit gefreut, mit der die Reinigung eitriger Wunden und ihre Umwandlung in gesunde Granulationsflächen erfolgte, auch in jenen Füllen, bei welchen die durch Geschosse irgendwelcher Art verursachten Verletzungen nicht nur die Weichteile, sondern unter den zertrümmerten Weichteilmassen auch die Knochen betrafen. Die Abstoßung und die Resorption der Knochensplitter erfolgte viel besser und rascher als bei anderer Behandlungsweise.“

„Die Abnahme der Sekretion der Fisteln ist so auffallend, dass man tatsächlich aus dem Aussehen der Wunde erkennen kann, ob am Tage zuvor die Sonne schien oder nicht,“ berichtete Professor Escherich.

In den von der Sonne beschienenen Wundstellen entsteht Blutandrang (Rötung). Dadurch werden dort die Ernährungsverhältnisse und Heilungsvorgänge bedeutend gebessert, die Eiterstoffe schneller beseitigt, das zertrümmerte Gewebe mit Heilserum überschwemmt, die Bildung von neuem, gesundem Gewebe begünstigt, also die Heilung in jeder Beziehung beschleunigt. Ferner wirkt die Besonnung heilend durch Austrocknen der Wunde, wodurch den Eiterbakterien ihr Nährboden entzogen wird. Die Wunde wird schnell rein und trocken und bedeckt sich mit einer glänzenden, pergament-artigen Schutzhaut, was bei Brandwunden von großem Vorteil ist.

Im Allgemeinen verführt man bei der Sonnenbehandlung folgendermaßen. Die unverbundene Wunde wird im Freien oder bei offenem Fenster — denn Glas verschluckt zu viel von den wirksamen ultravioletten Strahlen — täglich längere Zeit der Sonne ausgesetzt und in der Zwischenzeit mit einem leichten trockenen Verbände versehen. Im Anfang ist die Besonnung öfter und länger nötig, aber nach Bildung von neuem Gewebe oder Schorf kürzer und seltener. Zum Glück haben wir immer mal mehrere Helle Sonnentage, wo nach Dr. Karl Brill „die Sonnenstrahlen an Wunden und Geschwüren in halber Zeit die Erfolge reifen, die sonst durch Salben und Verbände nur mühsam und langsam gezeitigt werden“. Professor Dr. Rollier schreibt: „Die Besonnung stellt die ideale antiseptische Wundbehandlung dar, indem durch sie die übrigen natürlichen Heilfaktoren des Körpers besser als bisher zur Geltung kommen können.“

Der noch nicht völlig vergessene Professor Dr. Jäger, der sogenannte „Wolljäger“, benutzte die Sonnenstrahlen zur Heilung seiner Krampfadern. Hierbei zeigte sich die wunderbare Heilkraft in sehr eigenartiger Weise. Als Jäger die strumpflosen, nur mit Sandalen bekleideten Füße wochenlang dem Sonnenlicht ausgesetzt hatte, waren alle Krampfadern verschwunden, nur unter dem daumenbreiten Lederriemen der Sandale, wo die Sonne nicht einwirken konnte, waren sie noch vorhanden. Aber auch hier verschwanden sie allmählich, als die Füße ganz unbekleidet der Sonne ausgesetzt wurden. Dies beweist, dass die Sonnenstrahlen nicht nur auf offene Wunden, sondern auch durch Haut und Fleischteile bis in größere Tiefe ihre Heilwirkung ausüben.

Da Sonnenlicht die Lebenskraft der meisten Bakterienarten abschwächt und allmählich vernichtet, ist es begreiflich, das; auch bei den ansteckenden Krankheiten die im Körper befindlichen Krankheitserreger durch häufige Besonnung getötet werden.

In dem Schweizer Kurort Leysin am Genfer See, wo man viele tuberkulöse Kinder mit Sonnenlicht behandelt, wurden die „Windpocken“ eingeschleppt. Hierbei zeigte sich nun die merkwürdige Erscheinung, dass bei denjenigen Kindern, welche ihrer offenen Wunden wegen an irgendeiner Körperstelle Verbände trugen, unter dem Verband die Windpocken auftraten, während die andere unbedeckte, stets von der Sonne beschienene Haut von der Infektion verschont blieb; die Grenze des Verbandes war überall auch zugleich die Grenze der Erkrankung.

Dr. Giuseppe hat Kranke mit Gelenkschwellung und Gelenkentzündung Wochen hindurch täglich mehrere Stunden der direkten Einwirkung der Sonne ausgesetzt: Schwellung und Entzündung schwanden nach und nach, die Glieder erlangten allmählich sogar völlig ihre frühere Beweglichkeit.

So mächtig und tiefgreifend beeinflussen die Sonnenstrahlen krankes Körpergewebe in heilsamer Weise. „Was der geschicktesten Hand des Arztes nicht gelingt, bewirkt die Sonne,“ sagt Professor Malgat.

Ganz besonders eignet sich die Lichttherapie auch zur Heilung von Hautausschlägen und Flechten. Während die nässende Flechte meist schon nach mehreren Bestrahlungen eintrocknet und bald heilt, bedarf es zur Entfernung der Schuppenflechte längerer Zeit. Zunächst schilfern die Schuppen in Unmengen ab, später wird die Haut darunter glänzend braun, und nach immer wiederholten längeren Bestrahlungen bildet sich eine neue gesunde Haut.

Die Sonnenkraft steigert in vorzüglicher Weise auch den allgemeinen Stoffwechsel und regt die Lebenskräfte zu erneuter Tätigkeit an; daher wird sie mit bestem Erfolg angewendet bei allen Stoffwechselkrankheiten, die mit Verlangsamung der Lebensvorgänge einhergehen, wie Fettsucht, Zuckerkrankheit, Rheumatismus, Gicht, Ischias, sowie zur Beseitigung von krankhaften Ergüssen im Körper, Dr. Villet hat einen Wassersüchtigen durch tägliche stundenlange Besonnung innerhalb vierzehn Tagen geheilt. Nach Sonnenbädern bleibt der Rheumatiker lange Zeit von seinem schmerzhaften Leiden verschont; Neuralgien bessern sich oft wunderbar schnell. Auch die roten Blutkörperchen vermehren sich im Sonnenlicht, und der Hämoglobingehalt des Blutes erhöht sich nachweisbar ganz bedeutend, was besonders bei Blutarmut und Bleichsucht von großem Vorteil ist.

Mit Recht sagt ein altes Sprichwort: „Auf der Schattenseite der Straße hält der Leichenwagen dreimal so oft wie auf der Sonnenseite.“