Lage der Städte zu einander

Sobald die Bedingungen für eine gewisse Stadtart innerhalb eines größeren Gebietes gegeben sind, können daselbst mehrere Städte gleicher Gattung entstehen. Diese alle werden zur Förderung ihrer Entwicklung bemüht sein, ihre Interessensphären auf ein möglichst großes Gebiet auszudehnen, was zur Folge haben muss, dass dieselben sich bald berühren. Die Stellung, die die betreffenden Städte dann zu einander einnehmen, kann eine doppelte sein. Entweder sie werden sich gegenseitig fördern, in freundschaftlichem Verhältnis zu einander stehen, oder sie werden sich hemmen, die eine die Entwicklung der anderen stören.

Für beide Fälle geben die deutschen Seestädte Beispiele. Die gemeinsame Lage am Meer ließ sie gleiche Interessen und damit auch gemeinsame Feinde haben. Dieselben waren im Mittelalter einmal die Seeräuber und diejenigen geistlichen oder weltlichen Mächte, die ihnen durch Abgaben und Zölle ihren Gewinn zu schmälern suchten, und sodann die handeltreibenden benachbarten Nationen, besonders Engländer, Dänen und Schweden. Gegen diese gemeinsamen Feinde halfen sie sich gegenseitig, indem sie zur Erhöhung ihrer Macht sich untereinander verbanden, ein Verfahren, wofür der Hansabund das bekannteste Beispiel ist. Gegenseitige Förderung bedeutet auch der Verkehr, den die deutschen Küstenstädte untereinander von jeher pflegten und noch pflegen, und bei dem natürlich immer ein Vorteil für beide Teile herauskommt.


Interessanter sind die Fälle, in denen zwei einzelne Städte durch ihre Lage aufeinander angewiesen sind. Hamburg und Lübeck haben Jahrhunderte lang in Wechselbeziehung gestanden. Hamburgs Bestimmung zur Handelsstadt durch Gründung der Neustadt (des jetzigen Nikolaikirchspieles) ist aufs engste verknüpft mit dem Emporkommen Lübecks, das einen Hilfsort an der Nordsee brauchte*). Umgekehrt hat Lübeck, als sein Glanz bereits vor dem der Nordseestadt verblichen war, noch lange Zeit ausschließlich von deren Kommissionshandel nach der Ostsee gelebt.

In der Gegenwart haben wir die deutlichsten Beispiele solcher Wechselbeziehung in dem Verhältnis der großen Handelsplätze zu ihren Mündungshäfen. Diese verdanken jenen ihre Existenz und haben dafür die Pflicht, ihre Mutterstädte in der Bewältigung des Handels zu unterstützen. Sie bilden die Umschlagsplätze für diejenigen Schiffe, die wegen zu großer Fahrtiefe die Hauptplätze nicht erreichen können, und leisten im Falle der Vereisung des Flusslaufes für jene sogar vollständigen Ersatz.

*) Hindrichson, Zur Lage des ältesten Hamburg S. 11.

Aber die Mutterstädte dulden diese Unterstützung nur ungern, weil ihnen dadurch ein Teil ihres Handelsgewinnes verloren geht. Für sie sind die Vorhäfen nur notwendige Übel, hervorgerufen durch eine Schwäche ihrerseits, die abzulegen sie beständig bemüht sind.

Überhaupt unterstützt eine Stadt naturgemäß eine andere nur dann, wenn sie dazu gezwungen ist, oder wenn ihr selbst daraus Vorteile erwachsen. Wo dies nicht der Fall ist, ist ihr ein benachbarter Ort nicht nur gleichgültig, sondern sie wird in demselben vielmehr ihren natürlichen Gegner erblicken, gegen den sie sich zu wehren hat. So entsteht der Konkurrenzkampf. Dieser ist im Interesse des allgemeinen Aufschwunges wünschenswert, solange er mit rechtlichen Mitteln geführt wird. Diese Mittel bestehen darin, dass jede Stadt die Bedingungen für den Handel innerhalb ihres Wirkungskreises möglichst günstig gestaltet und so den Verkehr an sich lockt. Der Umstand, dass für Handelsstädte die Möglichkeit gegeben ist, die ihnen von der Natur gegebenen Existenzbedingungen auf künstliche Weise erheblich zu vermehren, lässt den Kampf zwischen solchen Plätzen meist recht lebhaft werden und manchmal sogar in Ungerechtigkeit und offene Gewalttätigkeit ausarten.

So ist denn auch die Geschichte unserer norddeutschen Seestädte zum Teil die Geschichte eines erbitterten Bruderkrieges, dessen Kunde bis in die Sage zurückreicht: Stettin soll erst lebensfähig geworden sein, nachdem seine alte Feindin Vineta in den Fluten der Ostsee versunken war*). Uns interessiert dieser Kampf natürlich nur, sofern er direkt ein Ausdruck der Lage jener Städte ist, und sofern Veränderungen verkehrsgeographischer Verhältnisse mit demselben verbunden waren.

Den großen Handelsplätzen in den deutschen Flussmündungen hat die Natur gleichsam die Berechtigung zu ihrer Existenz mit in die Wiege gegeben. Neben diesen konnte darum niemals eine zweite Stadt zu annähernd gleicher Bedeutung gelangen. Wo aber der Versuch entgegen den natürlichen Verhältnissen gemacht worden ist, musste er scheitern oder konnte wenigstens nur teilweise gelingen. Die „Löwenstadt“, die Heinrich der Löwe als Konkurrenzort Lübecks weiter oberhalb an der Trave anlegte, die „Jungstadt“, die der deutsche Ritterorden als Gegengewicht gegen die immer mächtiger werdende „Rechte Stadt“ Danzig gründete, und die bis halbwegs nach Neufahrwasser reichte, also schon eine bedeutende Ausdehnung hatte, gehören beide jetzt der Geschichte an. Der Löwenstadt wurde von Lübeck der Handel abgeschnitten, die Jungstadt von Danzig mit Waffengewalt zerstört**). Altona entstand unter den heftigsten Widersprüchen und Angriffen Hamburgs***) und hat bis in die neuste Zeit unter dem Drucke der großen Nachbarstadt zu leiden gehabt****).

*) W. H. Meyer, Stettin in alter und neuer Zeit. Stettin 1887 S. 2.
**) Hans Prutz, Danzig, das nordische Venedig. Eine deutsche Städtegeschichte. Hist. Taschenbuch. 4. Folge, 1868 S. 79.
***) C. F. Gaedechens, Histor. Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg. Hamburg 1880 S. 109.
****) In den Jahren von 1891—1898 ist Altona im Seeverkehr um 47,07 % zurückgegangen. (Vgl. D. R. St. II, 1900 S. 43.)


Dass es trotzdem zu einer gewissen Bedeutung gelangen konnte und sogar seit 1885 zu den deutschen Großstädten gehört*), kann uns nicht verwundern, wenn wir bedenken, dass es ja von Natur ebenso günstig gelegen ist wie Hamburg und dass es allezeit von den holsteinischen und später von den preußischen Behörden kräftig unterstützt wurde.

Aber auch auf die weiter entfernt liegenden, nicht so unmittelbar konkurrenzgefährlichen Nachbarstädte dehnte sich dieser Kampf aus. Als Stettins Handel durch Stargard bedroht schien, haben die Stettiner einfach jene Stadt geplündert und zerstört**). Danzig und Elbing lebten ein Jahrhundert lang in heftiger Fehde wegen des Besitzes der Montaner Spitze an der Wurzel des Weichseldeltas, und jenachdem die Flussgabelung in den Händen der einen oder der anderen Stadt war, wurde die Hauptwassermasse der Weichsel oder der Nogat zugeleitet***). Im 16. Jahrhundert schlossen die Danziger, um den Handel der Königsberger an sich zu ziehen, das Pillauer Tief. „Bei diesem sauberen Geschäft erfuhren die betriebsamen Herren eine Heimsendung aus des Hochmeisters Strandkanonen****).“

Dieser Kampf, der nach dem eben Gesagten in alten Zeiten vielfach in kleinlicher und gewalttätiger Weise geführt wurde, hat sich fortgesetzt bis in unsere Tage. Er ist zwar friedlicher geworden — an die Stelle der bewaffneten Macht ist die finanzielle Kraft getreten — aber er wird jetzt nicht minder scharf geführt als ehedem. Ja man kann sagen, dass in der Gegenwart, wo die vervollkommnete Technik einer Stadt tausend Gelegenheiten giebt, von der Natur ihr versagte Vorteile sich künstlich zu schaffen, der Wettkampf heißer denn je tobt.

*) Stat. Jahrb. deutscher Städte, 7. Jahrg. 1898 S. 253.
**) W. H. Meyer, Stettin in alter und neuer Zeit. Stettin 1887 S. 13.
***) L. Passarge. Aus dem Weichseldelta. Berlin 1857 S. 224 ff.
****) H. Bonk, Städte und Burgen in Altpreußen, S. 232 Anm. 2.


Großartige Bauunternehmungen, besonders Strom- und Kanalbauten, sind die Mittel dieses Kampfes. Hamburgs vielgerühmte Verbesserungen in dem Fahrwasser und den Häfen der Elbe waren nicht nur direkte Veranlassung für gleiche Unternehmungen in der Wesermündung von Seiten Bremens, sondern auch Ansporn und Vorbild für ähnliche Verbesserungen in allen Strommündungen der deutschen Ostsee. Lübecks Niedergang war besiegelt, seitdem der Schwerpunkt des Verkehrs für Deutschland in der Nordsee lag, aber seine Bedeutung als Handelsstadt wurde fast völlig untergraben, als Kiel im Jahre 1844 eine Bahn nach Altona erhielt, während die beabsichtigte Verbindung Lübecks mit Hamburg seitens der dänischen Regierung verhindert wurde*). Denn dadurch wurden die natürlichen Vorteile Lübecks — die Isthmuslage und der Anteil am west- und mitteldeutschen Hinterlande — künstlich auf Kiel übertragen. Erst durch die Erbauung der vorher verweigerten Strecke im Jahre 1865 und noch mehr durch die im vorigen Jahre geschehene Vollendung des Elbtravekanals ist Lübeck wieder konkurrenzfähig geworden. Beide Straßen machen die alte Hansestadt wieder fähig, ihre Isthmuslage auszunützen, die sie von Natur in viel höherem Maße besitzt als irgend eine Stadt an der Ostküste Jütlands. Wenn ein so kleines Staatswesen wie Lübeck die ungeheuren Kosten von 30.000.000 Mark nicht gescheut hat**), um an Stelle des für den heutigen Binnenschifffahrtsverkehr nur noch wenig brauchbaren Trave-Stecknitz-Kanals einen Wasserweg zu schaffen, der die meisten deutschen künstlichen Wasserstraßen an Tauglichkeit weit übertrifft***), so beweist dies, dass Lübeck seine Hoffnungen auf eine neue Blüte ausschließlich an die Ausnutzung jenes Lagevorteils knüpft. Stettins Wachstum in den letzten Jahrzehnten steht, wie wir oben bemerkten, in engster Beziehung zu der Entwicklung der Reichshauptstadt. Seit den letzten Jahren aber wird ihr der verkehrsgeographische Besitz derselben, soweit er auf der Ausnützung von Wasserstraßen beruht, mehr und mehr von Hamburg streitig gemacht. Zwar liegt Stettin Berlin bedeutend näher als Hamburg und ist auch durch den Finowkanal direkt mit dieser Stadt verbunden, aber die Verbindung Berlins durch Havel, Plauerkanal und Elbe mit Hamburg ist bedeutend besser als die mit der Oder durch die genannte, den neuzeitlichen Anforderungen nicht mehr genügende Wasserstraße, sodass ein immer größerer Teil des Verkehrs zwischen der Ostsee und Berlin durch die Elbe und nicht durch die Oder seinen Weg nimmt****). Da nun Stettin mit Recht fürchtet, dass dieser Teil nach der Fertigstellung des Elbtravekanals noch um ein bedeutendes vergrößert wird, so fordert es immer dringender von der Regierung eine bessere Wasserverbindung mit Berlin*****). Hier sei auch noch einmal der russischen Konkurrenz gedacht, die Memel, Königsberg und Danzig trotz aller Anstrengungen in den letzten Jahren an Verkehrsbedeutung verlieren ließ, und die erreicht wurde durch günstige Tarife, durch Herstellung guter Verbindungen zwischen den Küstenplätzen und dem Inneren und durch Verbesserungen der Hafeneinrichtungen der ersteren.

Besonders interessant gestaltet sich dieser Wettstreit zwischen den großen Handelsplätzen und ihren Mündungsstädten. Das Verhältnis dieser beiden Stadtarten zu einander ist bedingt durch drei Faktoren.

Es hängt ab:

1. von der Entfernung beider Städte,
2. von der Beschaffenheit der Fahrrinnen zwischen beiden,
3. von der Größe der Mutterstadt.

*) Dr. Wehrmann, Die Entstehung und Entwicklung der Eisenbahnverbindungen Lübecks. Zeitschr. des Ver. f. Lüb. Gesch. u. Altertum, Bd. V. S. 43 ff.
**) Ernst Hasse, Die Leipziger Kanalfrage in Verbindung mit der Entwicklung des gesamten Verkehrs S. 24.
***) Der Kanal ist für Schiffe von 74 m Länge, 10,6 m Breite und 800 t Ladefähigkeit bestimmt. Er hat vorläufig eine Tiefe von 2 m, die aber im Bedarfsfall auf 2,5 m gebracht werden soll.
****) Die Benutzung des Friedrich-Wilhelm-Kanals kommt infolge des großen Umweges nur wenig in Betracht.
*****) Krause, Über die Hafenanlagen Stettins und dessen Wasserverbindung mit dem Meere und dem Binnenlande. Stettin 1896 S. 17.


Es ist ohne weiteres klar, dass die Mündungsstadt eine desto selbständigere Bedeutung hat, je weiter die Mutterstadt im Binnenlande zurückliegt, und es ist ebenso klar, dass diese an jene einen desto größeren Teil von ihrem Verkehr abgeben muss, je schlechter ihre Verbindung mit dem Meere ist, je größer die Anzahl der Schiffe ist, die wegen zu großen Tiefganges die mehr binnenländische Stadt nicht erreichen können. Endlich ist es ein von F. Ratzel aufgestelltes Gesetz*), dass zwischen zwei Städten, die im Wettstreit mit einander stehen, der Unterschied desto schneller wächst, je größer er ist, dass also eine Stadt ein um so größeres Hindernis für das Aufblühen einer anderen ist, je größer sie selbst ist. Von diesen drei Faktoren ist für unsere deutschen Verhältnisse der zweite der wichtigste. Die Entfernungen, um die es sich hier handelt, kommen bei den jetzigen schnellfahrenden Schiffen kaum noch in Betracht, wenigstens bilden sie an sich keine Veranlassung, in der Mündungsstadt anzulegen. Die Wirkung der Größe aber tritt erst in Kraft, nachdem sie hauptsächlich durch jenen zweiten Faktor entstanden ist. Dagegen ist die Beschaffenheit der Fahrrinnen, wie wir sehen werden, ausschlaggebend für das Verhältnis der beiden Städte zu einander.

Hamburg liegt mit 108 km am weitesten unter allen norddeutschen Seestädten von seinem Mündungshafen entfernt. Trotzdem hat Cuxhaven nur geringe Bedeutung und verliert noch immer mehr derselben, da jetzt nach Hamburg die meisten Seeschiffe ohne vorherige Leichterung gelangen können. Ja wenn, wie beabsichtigt, die Fahrrinne durchgängig auf 8 m vertieft sein wird, so dass mit Ausnahme der größten Kriegsschiffe alle Seefahrzeuge Hamburg erreichen können, würde vielleicht die Existenz Cuxhavens überhaupt in Frage gestellt sein, wenn es nicht seine Bedeutung als Sicherheitshafen bei Eisgängen und schweren Stürmen und als Warteplatz für die den Kaiser Wilhelmkanal passierenden Schiffe trotzdem behielte.

Ebenso sind die Vororte Travemünde und Swinemünde stets nur von untergeordneter Bedeutung gewesen. Bei dem außerordentlich geringen Gefälle der Trave konnte der Wasserweg zwischen Lübeck und dem Meere selbst den größeren Fahrzeugen ohne besondere Schwierigkeiten bis heute offen gehalten werden**). Freilich waren die starken Krümmungen und die sehr geringe Breite bis in die neueste Zeit vielfach störend***). Auch der Warenverkehr in Swinemünde war stets nur gering, trotzdem Stettin früher eine verhältnismäßig lange und stark gewundene Wasserverbindung mit dem Meere hatte; aber doch konnten schon seit dem Jahre 1856 Schiffe bis zu 5 m Tiefgang die Stadt erreichen****) , und seitdem ist die Straße noch bedeutend verbessert worden. Eine gewisse Wichtigkeit wird allerdings auch Swinemünde behalten, einmal für den Warenverkehr in eisfesten Zeiten und sodann für den Personenverkehr zwischen Berlin und Ostsee, der gern direkt bis Swinemünde die Eisenbahn benützt. Im Jahre 1898 betrug der Seeverkehr Swinemündes der Anzahl der Schiffe nach etwa ein Siebentel, dem Raumgehalt nach sogar beinahe ein Viertel von dem Stettins*****).

*) F. Ratzel, Anthropogeographie II S. 471.
**) Geogr. Gesellschaft, Die Freie und Hansestadt Lübeck S. 26.
***) Hahn, Die Städte der norddeutschen Tiefebene S. 65.
****) Festschrift zur 26. Festversammlung deutscher Ingen. -Vereine in Stettin. Stettin 1885 S. 151.
*****) D. R. St. 1900, II S. 43.


Anders ist die Sachlage hinsichtlich Bremens und Bremerhavens. Die Weser ist jetzt bis Bremen für Schiffe von 5,5 m Tiefgang bei Flut fahrbar*). Da aber ein großer Teil der den überseeischen Verkehr vermittelnden Schiffe eines tieferen Fahrwassers bedarf, so müssen verhältnismäßig viel Fahrzeuge bereits in dem Vorhafen gelöscht werden, und ihre Güter werden zum Teil direkt, also mit vollständiger Umgehung Bremens weiter gesandt. Deshalb hat sich der Verkehr Bremens, der in den Jahren von 1891 — 1895 infolge der vollendeten Weserkorrektion um mehr als 100%**) gewachsen war, in der Zeit von 1894 — 1898 nur um etwa ein Drittel vergrößert, während der Verkehr Bremerhavens, der in den vorhergehenden Jahren infolge des ständig zunehmenden Handels Bremens immer mehr zurückgegangen war, in dieser Zeit um 56% gestiegen ist, — eine Folge von wesentlichen Verbesserungen in der Zufuhr zum Hafen und in den Hafenanlagen, die im Jahre 1897 mit der Eröffnung des erweiterten Kaiserkanals und der neuen — auch den größten Schiffen zugänglichen — Kammerschleuse ihren Abschluss erreicht hatten***). Tatsächlich war im Jahre 1898 der Seeverkehr Bremerhavens sowohl der Anzahl der Schiffe als auch dem Raumgehalt nach größer als der Bremens.

Ebenso hat sich im letzten Jahrzehnt eine Verschiebung in der Verkehrsbedeutung Königsbergs und Pillaus zu Gunsten des letzteren geltend gemacht. Sie erklärt sich aus dem ungünstigen Fahrwasser des Frischen Haffs, durch welches der Weg nach Königsberg in einer schmalen, nur mäßig tiefen und für größere Fahrzeuge daher nicht ganz ohne Gefahr zu befahrenden Rinne führt****). Diese Verschiebung wird allerdings schon in den nächsten Jahren aufgehoben oder gar in das Gegenteil verkehrt werden, nachdem jetzt der Königsberger Seekanal vollendet ist, der Schiffen von 6,5 m Tiefgang*****) das Anlaufen Königsbergs gestattet.

Im allgemeinen werden unter einer schlechten Verbindung mit dem Meere vor allem die Städte der Nordsee zu leiden haben, weil infolge ihrer Lage der weitaus größte Teil ihres Verkehrs ein solcher mit dem Auslande und fast die Hälfte ein solcher mit nichteuropäischen Ländern ist, also auf Schiffen großen und größten Tiefgangs geschehen muss, während ein großer Teil des Ostseeverkehrs infolge seiner geringen Entfernungen kleinere Fahrzeuge benützen kann, die ein weniger tiefes Fahrwasser erfordern. Andererseits sind die Vorhäfen für die Ostseestädte, besonders für die am weitesten östlich gelegenen, deshalb von großer Bedeutung, weil diese in jedem Jahre mit einer mehrwöchentlichen Schließung der Fahrrinne durch Eis zu rechnen haben.

*) Buchenau, Bremen S. 31.
**) D. R. St. 1897, II S. 97.
***) D. R. St. 1900, II S. 42.
****) D. R. St. 1900, II S. 47.
*****) Schwabe, Deutsche Binnenschifffahrt S. 100.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die wichtigsten deutschen Seehandelsstädte