Häfen und Fahrrinnen nach dem Meere

Durch die letzten Betrachtungen haben wir den Eindruck gewonnen, dass der Bauplatz der hier behandelten Städte im ganzen ein recht mangelhafter ist, und dass ihnen schon bei geringen Erweiterungen in dem sumpfigen fluvialen Schwemmland nicht unbedeutende Hindernisse entstehen mussten, dass ihre Ortslage also eine ungünstige ist und in großem Gegensatze steht zu den Vorzügen ihrer Verkehrslage*).

Dieser Eindruck wird noch erhöht, wenn wir bedenken, dass auch ihre Häfen und die Zugänge zu denselben vom Meere her von Natur im allgemeinen wenig günstige Beschaffenheit aufwiesen und erst durch bedeutende künstliche Verbesserungen auf ihren jetzigen Zustand gebracht werden konnten, der zum Teil noch nicht einmal den angestrebten Idealen völlig entspricht.


Häfen sind vor allem dazu bestimmt, dass der Umschlag zwischen Land- und Seeverkehr in ihnen stattfindet. Demnach ist ein Hafen dann gut, wenn er diesen Verkehrsumschlag möglichst erleichtert, das heißt, wenn in ihm die Bedingungen für die vollkommensten Seeverkehrsmittel mit denen für die vollkommensten Landfahrzeuge so nahe aneinander liegen, dass die Umladung der Waren eine direkte sein kann und nicht vermittelnder Fahrzeuge bedarf, mit anderen Worten, wenn das Wasser in einer Tiefe, die für große Seeschiffe fahrbar ist, an eine Strecke Landes heranreicht, die fest genug ist, schwer belastete Eisenbahnzüge zu tragen**).

*) Vgl. F. Ratzel, Anthropogeographie II S. 489.
**) Andererseits darf ein guter Hafen auch nicht zu tief sein, damit er überhaupt einen Ankergrund bietet; außerdem müssen in ihm die Schiffe vor Stürmen Schutz finden (vgl. O. Krümmel, Die Haupttypen der natürlichen Seehäfen, Globus Bd. 60 S. 542). Das Vorhandensein beider Erfordernisse versteht sich aber für unsere deutschen Häfen, die in den Flussmündungen weit landeinwärts liegen, vollständig von selbst.


Unsere deutsche Küste nun erfreut sich solch günstiger Umstände auf dem größten Teile ihrer Erstreckung nicht. Vielmehr bilden ihre Watten und Sandbänke, ihre Deltas, Haffe und Strandseen einen verkehrsfeindlichen Damm zwischen der See und dem festen Lande, der selbst in den großen Strommündungen nicht völlig unterbrochen ist. Wenn auch in diesen meist eine größere Annäherung von Land- und Seeverkehr möglich ist, so entsprechen doch auch hier die Verhältnisse durchaus noch nicht den oben erwähnten notwendigen Bedingungen. Gute Naturhäfen hat nur die Ostküste von Schleswig Holstein in ihren tiefen geschützten Förden, die von sanft ansteigenden Diluvialhöhen, also grundfestem Boden eingefasst werden. Wenn trotzdem dort nur eine Hafenstadt von Bedeutung entstanden ist, während die eigentlichen großen Handelsemporien alle an dem südlichen Teile der Nord- und Ostseeküsten liegen, der so gut wie keine natürlichen Häfen besitzt, so erhellt daraus, dass von den Faktoren, die den geographischen Wert einer Küste ausmachen, die Lage zum Weltverkehr und der Besitz eines geeigneten Hinterlandes von weit größerer Bedeutung sind, als das Vorhandensein guter natürlicher Häfen. Trotzdem ist dies letztere Erfordernis für eine Handelsstadt noch wichtig genug, um unentbehrlich zu sein, und es spielt nur deshalb eine untergeordnete Rolle, weil es, wo nicht vorhanden, leichter und vollkommener als jene beiden ersten Faktoren durch Menschenhand künstlich geschaffen werden kann.

Wohl kann eine Küste mit ihrem Hinterland durch Land- und Wasserwege besser verbunden werden, aber ihr ein Hinterland zu geben, wo es die Natur ihr überhaupt versagte, ist dem Menschen unmöglich. Wohl kann die Lage einer Küste zum Weltverkehr auf künstliche Weise verbessert werden; der oben besprochene Nord-Ostseekanal, der Suezkanal, die projektierten mittelamerikanischen Durchstiche sind klare Beispiele dafür. Aber gewisse große Gegebenheiten in der Lage der kontinentalen Küsten werden auch hier stets als günstige oder ungünstige Grundbedingungen für den Verkehrswert einer Küste bestehen bleiben. Dagegen ist es der heutigen Technik gelungen, an Stätten, die von Natur zum Verkehrsumschlag durchaus nicht geeignet waren, Häfen zu schaffen, die auch den weitgehendsten Anforderungen genügen.

Als erste Bedingung für gute Seehäfen haben wir oben die gehörige Tiefe bezeichnet. Diese Bedingung hat im Laufe der Zeiten insofern eine Änderung erfahren, als der Tiefgang der Seeschiffe allmählich bedeutend zugenommen hat. Besonders gilt dies auch für die Schifffahrt an der deutschen Küste. So lange der deutsche Verkehr sich nur auf das Ostseegebiet und die Küstenländer der Nordsee erstreckte, geschah derselbe in Schiffen von kleineren Dimensionen, als aber Deutschland begann, sich am Weltverkehr zu beteiligen, erforderten die größeren Entfernungen zwecks Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit und Verminderung der Gefahr den Bau von größeren Fahrzeugen, die dann natürlich auch einen entsprechend größeren Tiefgang haben. Derselbe wuchs mit der Zunahme der Schiffsabmessungen immer mehr und beträgt jetzt bei den größten Ozeandampfern 8 — 10 m. Jedoch ist die Zahl dieser Riesenfahrzeuge noch verhältnismäßig gering, und die bei weitem große Mehrzahl auch der den Ozean querenden Schiffe hat einen Tiefgang von 6 — 8 m. Aber selbst dies ist eine Tiefe, die von unseren deutschen Strömen — wenn an ihnen keine künstlichen Verbesserungen vorgenommen worden wären — höchstens Elbe und Weser am äußersten Teil ihrer Mündung aufweisen würden, da, wo das eindringende Meerwasser und vor allem die Gezeitenwirkung die Flussrinne vertieft haben. Jedoch würden diese Tiefen bei beiden Strömen nicht bis an die an ihnen liegenden Handelsstädte heranreichen. Es machten sich vielmehr in allen deutschen Strommündungen bedeutende Vertiefungsarbeiten nötig, die meist nicht nur auf Betreiben, sondern auch auf Kosten der betreffenden Seestädte ausgeführt wurden. Die Verringerung des Gefälles und die durch das Zusammentreffen des Flusswassers mit dem Meerwasser bewirkte Aufhebung der Transportfähigkeit veranlassten die Ströme zur Bildung von Deltas, Haffe und Strandseen. Ein eigentliches Delta haben Memel und Weichsel, Vordeltas die Elbe bei Hamburg und die Oder bei Stettin, auch die Weser hatte früher ein solches in der Nähe Bremens. Haffe bildeten sich in der fast gezeitenlosen Ostsee. In solche enden Oder, Weichsel, Pregel und Memel. Diese Bildungen sind natürlich der Schifffahrt ungünstig, sofern sie eine bedeutende Verringerung der Wassertiefe veranlassen. Deshalb mussten die an ihnen liegenden Städte sie entweder beseitigen oder doch wenigstens für ihre Zwecke umbilden.

In der Tat können wir feststellen, dass die Mündungen aller hier in Betracht kommenden Ströme im Laufe der Jahrhunderte starke künstliche Veränderungen erfahren haben, die hauptsächlich der Besserung des Fahrwassers dienten. Die Weser fließt jetzt als geschlossener Stromschlauch an Bremen vorüber, aber zahlreiche, am oberen Ende kupierte Wasserläufe, die jetzt als Sicherheits- oder Holzhäfen oder auch als Schifffahrtskanäle dienen, sind die Überreste einstiger Seitenarme der Weser. Buchenau berichtet von sieben bestimmt festgelegten und einigen nicht mehr genau bestimmbaren alten Armen auf der rechten Seite und vier solchen auf der linken Seite, die die Weser teils oberhalb der Stadt, teils in dieser, teils gleich unterhalb derselben verließen und sich nach kurzem Lauf entweder wieder mit dem Hauptstrom vereinigten oder sich in der Niederung verliefen (sogen. Torfkanäle bildend) oder endlich die unterhalb Bremens in die Weser mündende Wümme verstärkten*). Alle diese Arme wurden im Laufe der Jahrhunderte durch Kupierung oder Ausfüllung teilweise oder ganz beseitigt. Aber heute noch bildet die als Holzhafen für Bremen wichtige „kleine Weser“ einen toten Arm, der bei einem Wasserstand von über 3 m noch Strom erhält; und in den am rechten Weserufer liegenden Stadtteilen finden wir in den Straßenzügen der Balge und des Dobben alte Wasserläufe wieder**)

Bedeutend größer ist der Unterschied von früher und jetzt in der Wasserführung der Elbe in der Nähe Hamburgs. Begeben wir uns auf eine der Geesthöhen am rechten Elbufer unterhalb Hamburgs, so sehen wir, wie auch jetzt noch die Elbe ihre Fluten in mehreren Armen an der Stadt vorüberführt. Vergleichen wir aber mit dieser Ansicht eine ältere Karte der Umgebung Hamburgs, so bemerken wir, dass die Zahl dieser Flussläufe jetzt bedeutend kleiner ist als vordem. Dieser Unterschied muss uns noch größer erscheinen, wenn wir bedenken, dass der tiefste Stromarm ehemals keineswegs, wie jetzt, der der Stadt nächste, sondern der von ihr entfernteste, die Süderelbe, war***).

*) Buchenau, Bremen S. 33— 37.
**) Ebenda, S. 34 u. 36.
***) Hindrichson, Zur Lage des ältesten Hamburg.


Es sind also gewaltige Umwandlungen geschehen, die das Werk vieler Jahrhunderte sind und ein klassisches Beispiel großer Flussveränderungen infolge kulturellen Eingriffes bilden.

Nachdem am Anfang des 15. Jahrhunderts durch eine Eisstopfung und dadurch veranlasste hohe Fluten die Elbinseln bei Hamburg noch mehr als sie es vorher schon gewesen, zerrissen und zerschlitzt worden waren, stellte die Elbe ein Gewirr schier unzähliger Flussarme dar, die infolge der dadurch bewirkten Verteilung des Wassers so seicht waren, dass bei wenig hohen Wasserständen „die Wellen kaum den Sand überrieselten“. Die Aufgabe der Hamburger bestand nun darin, diese komplizierten Stromverhältnisse zu vereinfachen. Und diese Aufgabe haben sie durch Kupierung zahlreicher Arme, durch große Durchstiche*) und durch Anlegung von Teilungswerken**) so glänzend gelöst, dass die Elbe jetzt bei Hamburg nur zwei Hauptarme, die Norder- und Süderelbe hat, die durch zwei große Querarme, den Reiherstieg und die Sandau mit dem Köhlbrand miteinander verbunden sind***). Dabei ist der für Hamburg wichtigsten Norderelbe nicht nur die größte Wasserführung, sondern auch eine solche Richtung gegeben worden, dass sie jetzt direkt an der Stadt vorbeifließt.

Das Vordelta der Oder bei Stettin gab zu keinen Stromverlegungen Anlass, da der Hauptarm derselben dicht an Stettin vorüberführt und ihm durch den oberhalb Garz abzweigenden Nebenarm verhältnismäßig wenig Wasser entführt wird. Dennoch wurde letzterer zeitweise von der Schifffahrt benutzt, sodass die Stadt im Mittelalter ein Gesetz erließ, nach dem alle Kaufleute die „rechte Fahrt“, d. h. den an Stettin vorüberführenden Stromarm benutzen sollten****).

Dagegen hat das Weichseldelta seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bedeutendere Veränderungen erlitten. Durch Strombauten an der Montaner Spitze wurde die Wasserführung der Weichsel auf Kosten der Nogat stark vermehrt, so dass jetzt zwei Teile des Wassers dem ersteren und nur einer dem zweiten Arm zufließen. Der kurz vor der Küste nach Westen umbiegenden Weichsel wurde durch den Durchstich bei Siedlersfähr eine gerade Ausmündung gegeben, wodurch die Gefahren des Eisganges für die untere Weichselniederung stark vermindert worden sind. Der nach Westen führende Teil der Weichsel wurde mittels Kupierung zu einem toten Arm gemacht, dafür aber Danzig durch einen Kanal mit der Weichsel verbunden, der bei Siedlersfähr in die letztere mündet. Durch diesen Kanal ist Danzig der Endpunkt für die Flussschifffahrt, durch den toten Arm der Weichsel und die in diesen mündende Mottlau steht es in Verbindung mit der offenen See*****).

*) Durchstich des Grandeswärder 1550; Durchstich im Spadenländer Busch 1570; Durchstich des „neuen Grabens“ durch den Grasbrook um 1600; Durchstich der „kalten Hofe“ 1879.
**) Teilungswerke sind Verlängerungen der durch eine Stromteilung entstandenen Landspitze. Je nach der Richtung dieser Verlängerung wird dem einen oder dem anderen Stromarm mehr Wasser zugeführt.
***) W. Melhop , Historische Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg. Hamburg 1895 S. 114 — 115. Hamburg und seine Bauten; herausgegeben vom Architekten- und Ingenieurverein zu Hamburg 1890 S. 9 — 12. Nels und Bubendey, Die Elbe, Hamburgs Lebensader S. 18 — 20.
****) H. Meyer, Stettin in alter und neuer Zeit S. 42.
*****) Schwabe, Deutsche Binnenschifffahrt S. 101.


Die geschilderten Vereinfachungen der Stromverhältnisse haben vielfach von selbst eine Vertiefung des Fahrwassers durch Geradlegung bewirkt, so besonders die großen Bauten in Weser- und Elbemündung. Jedoch erreichte diese Tiefe nie den für die Seeschifffahrt nötigen Grad. Dieser musste vielmehr durch weitere Bauten bewirkt werden. Bei der Ausführung derselben waren die Nordseestädte stets im Vorteil vor denen der Ostsee, indem ihnen eine mächtige Unterstützung durch die Gezeiten zu teil wird. Der Nutzen der letzteren besteht hauptsächlich darin, dass sie durch kräftige Spülung für Erhaltung der einmal erzielten Tiefen sorgen. Ein außerordentlich klares Beispiel für diese Wirkung von Ebbe und Flut bietet die Emsmündung. Seeschiffe konnten unmittelbar bis vor die Tore Emdens gelangen, solange die Flut ihren Weg an der Stadt vorüber nahm. Als aber die Ems durch eine Sturmflut außer dem in einem Bogen nach Norden an der Stadt vorbeifließenden Arm einen zweiten geraden Lauf erhielt, suchte die Flut natürlich diesen auf, und von dem Augenblicke an begann eine schnelle Aufschlickung des alten Armes, sodass Emden jetzt 3/4 Stunden von der Emsmündung entfernt liegt und nur durch einen bis in die neueste Zeit wenig leistungsfähigen Kanal mit derselben in Verbindung steht*), ein Übelstand, der für den Handel Emdens außerordentlich schädigend war, und den man erst in der Gegenwart zu beseitigen begonnen hat. Heute ist die Stadt wieder für Schiffe von 6 — 6,5 m Tiefgang erreichbar.

So gilt denn von allen in gezeitenreiche Meere fallenden Flüssen: je gründlicher die vertikalen und horizontalen Hindernisse der Schifffahrt, die Untiefen, Barren und Sande, die Krümmungen und Einschnürungen des Flussschlauches beseitigt werden, desto größer ist die Gewähr für die dauernde Erhaltung der hergestellten Verbesserungen, denn desto mächtiger ist die Flutentwicklung und ihre spülende Kraft.

In Elbe- und Wesermündung suchte man die Beseitigung jener Hindernisse anfangs nur durch Baggerung zu erreichen; es hat sich aber bald herausgestellt, dass man auf diese Weise der immer von neuem durch den Strom herbeigeführten Sandanhäufungen nicht Herr werden konnte. Darum griff man zu anderen Mitteln. Man legte an seichten Stellen große Dämme in den Strom, sogen. Leitdämme oder Parallelwerke. Diese setzen sich mit einer trichterartigen Erweiterung an tiefere Stellen an. Durch die von ihnen in eine schmale Rinne gefasste große Wassermenge wird eine Erhöhung der Stromgeschwindigkeit erzielt, und diese hat wieder eine Erhöhung der Spülkraft und eine Verhinderung der Sedimentation zur Folge. Gleichzeitig tragen diese Dämme zur Beseitigung horizontaler Hemmnisse bei, indem sie ganz glatte nur flach gekrümmte Ufer bilden. Wo aber der Strom den Gezeiten durch starke Biegungen noch wesentliche Hindernisse bot, wurden dieselben beseitigt. Die Durchstiche der „langen Bucht“ bei Seehausen in der Weser**), der „kalten Hofe“***), einer Elbinsel bei Hamburg, sind Bauten, die in erster Linie eine Erhöhung der Flutenentwicklung, nicht eine Verkürzung der Schifffahrt bezweckten.

*) Oskar Krümmel, Die Haupttypen der natürlichen Seehäfen. Globus, Bd. 60 S. 542.
**) Buchenau, Bremen S. 31.
***) Vgl. oben S. 34.


Ähnliche Arbeiten haben die Ostseestädte in ihren Strömen ausgeführt. Da sie aber nicht durch die spülenden Gezeiten unterstützt werden, können sie trotz Parallelwerken und Begradigungen die gewonnenen Fahrtiefen nur durch anhaltende energische Baggerung erhalten, weshalb zahlreiche Baggermaschinen ein nie fehlendes Merkmal in der Landschaft der ostdeutschen Flussmündungen sind. Besonders schwierig ist die Offenhaltung einer genügend tiefen Fahrrinne in den seichten und verhältnismäßig immer stark bewegten Haffs. Infolge Fehlens der Gezeiten machen sich auch lange, weit in das Meer hinausgreifende Molen nötig, wie wir sie bei Swinemünde, Neufahrwasser und Pillau sehen, um die Flussmündung vor Versandung durch die vorbeistreichende Küstenströmung zu schützen.

Die Erfolge aller dieser Arbeiten, die die norddeutschen Seestädte im Wettstreit mit einander ausführten, haben meist den gehegten Erwartungen entsprochen, oft sie noch übertroffen. Bremen, zu dem noch vor zwanzig Jahren nur Schiffe von höchstens 2,5 m Tiefgang gelangen konnten, wird jetzt bei Flut von 6 m tief gehenden Fahrzeugen erreicht. — In dem Fahrwasser der Unterelbe sind nur die bekannten Blankeneser Barren noch störend, die ihre Entstehung dem Umstand verdanken, dass die Elbe unterhalb der Insel Finkenwärder ihre Breite plötzlich verdoppelt, was natürlich eine bedeutende Verlangsamung der Stromgeschwindigkeit und damit eine dementsprechende Erhöhung der Sedimentation zur Folge hat. Nachdem jene Sandanhäufungen lange Zeit der Schifffahrt außerordentlich hinderlich waren, sind sie jetzt so weit unter den Wasserspiegel gebracht, dass sie bei Flut von Schiffen mit 7,2 m Tiefgang passiert werden können*); ihre gänzliche Unschädlichmachung für den Verkehr ist wohl nur noch eine Frage kurzer Zeit. Die Trave ist zwischen Lübeck und der Ostsee infolge der im Jahre 1882 vollendeten Korrektion für Schiffe von 5 m Tiefgang passierbar**). Das Stettiner Fahrwasser ist seit 1840 von 4 m auf 6 m vertieft worden, und gegenwärtig ist man im Begriff, eine Tiefe von 7 m, im Haff sogar von 8 m herzustellen. Außerdem ist die Entfernung nach dem Meere durch zwei Durchstiche, die „Kaiserfahrt“ und die „Königsfahrt“ von denen die erste die Oder mit dem Dammschen See verbindet, die andere den östlichen Zipfel der Insel Usedom abschneidet, um 12 km verkürzt worden***). —

*) Melhop, Historische Topographie Hamburgs S. 27.
**) Geographische Gesellschaft, Die Freie und Hansestadt Lübeck S. 139.
***) W. H. Meyer, Stettin etc. S. 65 und Krause, Über die Hafenanlagen Stettins etc. S. 9.


Weichsel und Mottlau bilden bis Danzig eine Fahrstraße von reichlich 7 m Tiefe*); der erst im vorigen Jahre vollendete Königsberger Seekanal lässt Schiffe bis 6,5 m Tiefgang nach Königsberg gelangen**). — Alle deutschen Seehäfen aber werden in nächster Zeit überflügelt werden durch Lübeck, welches im Anschluss an den Elbtravekanal die Mittel bewilligte zu einer nochmaligen Regulierung der Trave und zur Vertiefung des Fahrwassers auf 8,5 m***).

[i9*) Schwabe, Deutsche Binnenschifffahrt S. 106.
**) Ebenda, S. 110.
***) Ebenda, S. 139.[/i]

Die geschilderten Stromvertiefungen waren meist weder nötig noch möglich in der ganzen Breite des Stromes, sondern beschränkten sich auf eine Breite von 75—150 m. Deshalb bedurfte es, um die Fahrrinne sicher benutzen zu können, einer genauen Bezeichnung derselben. Diese Markierung, mit der man schon im frühen Mittelalter begann — der Neuwerker Leuchtturm wurde bereits im 13. Jahrhundert gesetzt*) — ist jetzt durch Reichsgesetz geregelt, auf allen deutschen Strömen einheitlich und so vollkommen, dass die Ein- und Ausfahrt großer Ozeandampfer zu jeder Zeit des Tages und der Nacht und, abgesehen von ganz schweren Stürmen und Nebeln, bei jeder Witterung geschehen kann.

*) Gaedechens, Topographie Hamburgs S. 80.

Markiert wird durch Leuchtschiffe, Leuchttürme, Leuchtbaaken, Kugelbaaken und Tonnen. Die Leuchtschiffe und Leuchttürme liegen an der äußersten Mündung der Ströme. Die Baaken, Holzgerüste, an denen entweder gewisse Zeichen für die Tagfahrt oder bestimmte Feuer für die Nacht angebracht sind, stehen nahe der Mündung auf Watten oder Sandbänken, weiter oberhalb am Ufer des Stromes. Die Tonnen sind in kurzen Zwischenräumen auf der ganzen Länge der Fahrrinne verankert. Tonnen und Kugelbaaken unterscheiden sich nach bestimmten Farben und Zahlen, die Lichter zerfallen in unveränderliche und solche, die entweder ihre Farben regelmäßig wechseln oder in bestimmten mehr oder weniger großen Zwischenräumen regelmäßig auftauchen und wieder verschwinden, so dass der diese Zeichen genau kennende Lotse stets weiß, auf welchem Abschnitt des Stromes er sich befindet.

Alle besprochenen Verbesserungen der Fahrrinne aber sind natürlich nur dann für die betreffenden Städte von Vorteil, wenn sich damit der politische Besitz des Stromes verbindet. Darum gingen die Bemühungen der Hansestädte vor allem dahin, ihre Machtsphäre über den Strom möglichst bis an die offene See hin auszudehnen und die Flussufer frei zu halten von lästigen Nachbarn, die die Schifffahrt stören könnten. Mit aller Energie wehrten sie sich gegen das Strandrecht, das jedem erlaubte, gestrandetes Gut sich anzueignen. Manche Raubritterburg wurde im Mittelalter von ihnen gebrochen, mancher Fürst oder Bischof durch friedliche Verträge oder Waffengewalt dahin gebracht, sein Schloss und — was die Hauptsache war — seine Zollhebestation am Ufer aufzugeben*). Das Bremer Gebiet reichte zur Blütezeit dieser Stadt bis an das Meer**); bei Lübeck ist das heute noch der Fall. Hamburg setzte noch im 19. Jahrhundert durch, dass Hannover, Lauenburg und Mecklenburg ihre Ansprüche auf Elbzölle aufgaben. Travemünde und Weichselmünde wurden schon im Mittelalter zum Schutze der weiter binnenwärts liegenden Handelsplätze gegründet und sind oft die Objekte heißer Kämpfe gewesen. Bremerhaven ist lange vor der eigentlichen Gründung durch Bremen von Feinden Bremens geplant und oft als Festung begonnen***), aber immer wieder von den Bremern gebrochen worden. — Ebenso verhasst waren den Städten die zahlreichen binnenländischen Zollhebestationen an den deutschen Flüssen, deren Menge in den politischen Verhältnissen Deutschlands begründet war und auf die Schifffahrt durch Verteuerung der Fracht außerordentlich hemmend einwirkte. Obgleich Napoleon I. durch Aufhebung der Rheinzölle die Deutschen die Segnungen der Zollfreiheit gelehrt hatte, hatte die Weser im Jahre 1867 noch sieben selbständige Uferstaaten, die alle ihre Strommaut beanspruchten, und deren Grenzen so durcheinander lagen, dass sie auf der schiffbaren Strecke jenes Stromes 35 mal überschritten werden mussten. An der Elbe bestanden bis zum Ende des 18, Jahrhunderts auf einer Strecke von 725 km 35 Zollämter, d. h. ein Zollamt nach je 20 km****). Diese Übelstände sind seit der Einigung Deutschlands beseitigt, und durch die Anlagen von Freihafengebieten in Hamburg, Bremen, Stettin und Danzig sind in dieser Beziehung die denkbar günstigsten Zustände für jene Handelsstädte geschaffen worden.

*) Vgl. E. Erythropel, Beiträge zur Geschichte der Weserpolitik Bremens. Geestemünde 1892 S. 3.
**) W. V. Bippen, Geschichte der Stadt Bremen Bd. II S. 4.
***) Buchenau, Bremen 255 — 257.
****) Schwabe, Deutsche Binnenschifffahrt S. 42 u. 50.


Die bedeutenden künstlichen Vertiefungen der Zugänge vom Meere her haben es ermöglicht, dass Ozeandampfer bis zu den großen Handelsemporien gelangen können. Der eine Teil der Bedingungen für gute Häfen war damit erfüllt. Nun musste aber andererseits auch der Landverkehr möglichst nahe an das Wasser gebracht werden. Das einzige Mittel dazu war, das die Strommündung auf beiden Seiten einsäumende, bei Sturmfluten Überschwemmungen ausgesetzte sumpfige Land aufzuhöhen, festzumachen. Wie wir erwähnten, ruhen in der Tat die am Strome liegenden Stadtteile unserer Seestädte fast ausnahmslos auf aufgeschüttetem Boden; und diese Aufhöhungen sind ursprünglich immer durch das Bedürfnis entstanden, eine feste Verbindung mit dem tiefen Strom zu haben. Am klarsten lassen das wieder die Hamburger Verhältnisse erkennen. Der Hamburger Hafen hat nämlich im Laufe der Jahrhunderte interessante Ortsveränderungen erfahren, die in jedem Stadium den jeweiligen Stand der Aufhöhungsarbeiten entsprachen. Er wanderte in dem Suchen nach tieferem Fahrwasser von seinem ursprünglichen Ort in der Alster allmählich durch das sogen. Alstertief nach der Alstermündung und in die Elbe. Dort dehnte er sich eine Strecke stromabwärts und dann über den Strom hinweg bis an das jenseitige linke Ufer aus. Dies war natürlich nur möglich, wenn der Landverkehr ihm Schritt für Schritt folgte und immer näher an das Wasser herankam, wenn immer mehr des am Strom liegenden Landes durch Aufhöhung der Überschwemmung entzogen und mit Straßen belegt wurde. Die letzten Glieder aber in dem Zusammenschluss von Land- und Seeverkehr konnten erst in der Gegenwart mit Hilfe der vervollkommneten Technik eingefügt werden. Noch im Jahre 1866 war in Hamburg die Verbindung mit den im Hafen liegenden Schiffen nur auf dem Wasserwege möglich. Alle Waren mussten durch Vermittlung von Schuten (kleinen Frachtfahrzeugen) an die Seeschiffe gebracht und von denselben geholt werden. Denn die großen Seeschiffe konnten natürlich nicht bis an die am Fleet liegenden Warenhäuser gelangen. So war immer noch eine dreimalige Umladung nötig, vom Seeschiff in die Schuten, von diesen in die Warenhäuser und von diesen wieder auf die Landverkehrsmittel*).

Da beschloss man, nach dem Vorbilde vieler englischer Häfen Einrichtungen zu treffen, die einen direkten Umschlag vom Seeschiff auf das Landfahrzeug gestatten. Diese bestehen in Bauwerken, die wir jetzt Kais zu nennen gewohnt sind, mächtigen Ufermauern, die auf Pfahlrosten ruhen. Sie erheben sich senkrecht aus dem für Ozeanschiffe fahrbaren Wasser und haben eine Höhe von 6 bis 8 m, so dass sie ungefähr mit den Bordrändern großer Seeschiffe in einem Niveau liegen. Diese Kais sind mit Schienensträngen belegt, von denen der dem Wasser nächste kaum 1 bis 1 1/2 m von demselben entfernt ist. Damit sind die Bedingungen für das vollkommenste Landverkehrsmittel, für die Eisenbahn, fast bis an Bord der Seeschiffe gebracht, und somit ist auch das zweite Erfordernis guter Häfen erreicht. Jetzt können die vom Meere herkommenden Güter durch nur einmalige Umladung an ihren oft tief im Binnenland liegenden Bestimmungsort gelangen.

Mit der Steigerung des Seeverkehrs musste diese Berührungslinie, auf der ein bequemer Warenübergang stattfinden kann, entsprechend verlängert werden. Da es aber natürlich im Interesse der Handeltreibenden liegt, den Verkehr auf einen möglichst engen Raum zu konzentrieren, so legte man diese Mauerwerke nicht in einer Ausdehnung längs des Ufers an, sondern mehrere derselben nebeneinander in der Richtung des Stromes, und so entstanden nach und nach zehn gewaltige Becken, die wir unter dem Namen „Hamburger Hafen“ zusammenfassen.

Die Hamburger Einrichtungen wurden Vorbild für ähnliche Anlagen in Bremen, Bremerhaven, Kiel**) und Stettin. In Lübeck, Danzig und Königsberg genügte dem geringeren Verkehr bisher die Herstellung von Ufermauern längs des Stromes.

*) Nels u. Bubendey, Die Elbe, Hamburgs Lebensader S. 20.
**) Für Kiel ist ein solches Becken geschaffen durch die Einmauerung des innersten Fördenwinkels. Außerdem hat Kiel am Gaardener Ufer noch kleinere Becken für Kriegsschiffe.


Diese Becken, die zugleich den Schiffen vollständigen Schutz gegen Stürme und Eisgänge bieten, konnten in der fast gezeitenlosen Ostsee immer, in Weser- und Elbmündung in den meisten Fällen als offene Tieden- oder Gezeitenhäfen gebaut werden, da der Unterschied zwischen Ebbe- und Flutwasserstand nicht so groß ist, dass er, wie z. B. in den Hafenorten an der Westküste Englands, die mit einem Gezeitenunterschied von 6 bis 10 m zu rechnen haben, sogen. Dockhäfen, d. h. durch Schleusen verschließbare Hafenbassins erforderte. Nur für die Anlagen in Bremerhaven machten sich solche geschlossene Becken nötig, weil sonst eine baldige Verschlickung des Beckens nicht zu verhindern gewesen wäre.

Aber es genügte dem Menschen noch nicht, die Berührungsgrenze Zwischen Wasser und Land auf große Strecken zu einer fast linearen gemacht zu haben. Er suchte Mittel, den Übergang vom Wasser- zum Landverkehr noch mehr zu erleichtern, und fand diese in den Kränen, die, auf dem festen Lande ruhend, ihre eisernen Arme weit über das Wasser hinüberstrecken und so mächtige Klammern darstellen, durch die Land- und Seeverkehr in der vielleicht sinnenfälligsten Weise zusammengeheftet sind*).

[i9*) Ähnliche Funktionen wie die Kräne verrichten die großen Getreide- und Petroleumheber.[/i]

Ja, man ging noch weiter in der künstlichen Annäherung von Land- und Seeverkehr: wenn die großen Dampfer und besonders die lange noch nicht veralteten, ja in den letzten Jahren zu gewissen Transporten wieder häufiger gebauten großen Segler die weit vom Meere entfernten Handelsstädte ungehindert erreichen können, so verdanken sie das neben der tiefen Fahrrinne dem Umstände, dass die untersten von ihnen benutzten Flussabschnitte prinzipiell von jeder Überbrückung freigehalten sind. Direkt hinter den Städten aber beginnt die Herrschaft des Landverkehrs, und diese macht sich vor allem darin geltend, dass große Brücken, deren vor allem die Eisenbahnen bedürfen, den Strom überschreiten. Dennoch hat man Mittel gefunden, Seeschiffen, denen das Fahrwasser oberhalb der Brücken noch eine Strecke lang genügt, die aber der Takelung wegen die Brücken nicht passieren können, das Weiterfahren zu ermöglichen, und so dem Seeverkehr noch Bahnen zu schaffen, wo derselbe sozusagen keine Berechtigung mehr hat. Diese Mittel sind die beweglichen Brücken, die Dreh-, Zug- und Hubbrücken, die zu dem Hafenbilde eines jeden unserer Seeorte gehören. Das schönste Beispiel für den Nutzen der beweglichen Brücken bietet wieder Hamburg in seinem Zollkanal; dieser umgeht in einem Bogen nach Nordosten die beiden großen Elbbrücken, und die ihn übersetzenden 4 Brücken sind sämtlich beweglich, so dass ein Segelschiff durch ihn in die Elbe oberhalb der Brücken gelangen kann. Damit ist — geographisch gesprochen — eine künstliche Übereinanderschiebung von See- und Landverkehr vollzogen.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass auch die zur Sortierung und längeren oder kürzeren Aufbewahrung von Waren dienenden Ladeschuppen und Speicher das Doppelgesicht des Land- und Seeverkehrs tragen, indem sie an der einen Seite durch eine Laufbrücke direkt vom Schiff erreichbar sind, auf der anderen Tore haben, die direkt in die Eisenbahnwaggons münden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die wichtigsten deutschen Seehandelsstädte