Die 95 Thesen vom 31. Oktober 1517

Sie sind das erste Wort Luthers in die Christenheit hinein, der Funke, an dem sich die Reformation entzündete, unvollkommenes Menschenwort, noch in Schwachheit geredet, und doch durch Gottes Geist und Kraft das erste Gnaden- und Schöpferwort Gottes an die durch Jahrhunderte verwüstete und verfinsterte Kirche: „es werde Licht“! Sie sind von Luther gegen die seelenverderbliche Predigt des Ablasskrämers Tetzel gerichtet. Dieser hatte, wie in der Einleitung bemerkt wurde, zu Anpreisung seiner Ware überall laut ausgeschrieen: durch den Ablasskauf können beide, Lebende und Tote, aller, auch der Höllenstrafen loswerden, und zwar ohne Reue und Buße. Dagegen lehrt Luther in den folgenden Sätzen: durch den Ablass des Pabstes könne man nur der Strafen los werden, welche vom Pabst selbst, also von Menschen aufgelegt sind, d. h. nur der Kirchen-, nicht der von Gott ausgesprochenen ewigen Strafen, nur der von der Kirche aufgelegten Genugtunng, nicht der Schuld selbst (Th. 5, 20. 21. 34.). Die Schuld selbst könne der Pabst nicht vergeben, sondern nur ihre Vergebung erklären (Th. 6.). Da die Satzungen der Kirche nur die Lebenden , nicht die Toten angehen, welche durch den Tod ihnen abgestorben und entbunden seien (Th. 8—11. 13.), so ist folgerichtig der Ablass auch nur für die Lebenden. (Letzteres spricht Luther nicht aus, da es ihm noch nicht völlig entschieden ist.) Ablasskaufen sei nicht, wie Tetzel predigte, den Liebeswerken vorzugehen, sondern nachzusetzen, und ein frei Ding, nicht geboten (Th. 41—47). Unchristlich sei das Vorgeben, dass die Ablasskäufer keiner Reue noch Leid bedürfen (Th. 35.) — Das Köstlichste in diesen Sätzen aber ist das, was Luther von der Buße und dem Schatz der Kirche lehrt. Die Buße wurde als ein ganz äußerliches Werk (als „Sakrament“, aber nach katholischer Weise als einzelne, vorübergehende, äußerliche Handlung) angesehen, bestehend in Reue (d. i. selbstgemachten Gedanken über etliche einzelne böse Werke, nicht über sich selbst und seine ganze Person), Beichte (derselben vor dem Priester) und Genugtuung (d. i. kirchlich auferlegten Büßungen). Dagegen lehrt Luther Th. 1 — 3.: die von Christo geforderte Buße sei innerlich, durch das ganze Leben fortgehend und das Fleisch tötend. Und von dem Schatz der Kirche lehrt er: Die Schätze, davon der Pabst den Ablass austeile, lassen sich nicht sicher angeben (Th. 56—58.); der rechte wahre Schatz der Kirche sei das allerheiligste Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes (Th. 62.). Jeder wahrhaftige Christ hat völlige Vergebung von Pein und Schuld, und ist teilhaftig aller Güter Christi und der Kirche, aus Gottes Geschenk, auch ohne Ablassbriefe (Th. 36. 37.).

Mit diesen Sätzen, welchen er einen ernsten Brief an den Absender Tetzels, den Erzbischof von Mainz, und einen dentschen Sermon „Vom Ablass und Gnade“ anfügte, beabsichtigte Luther keine Trennung von der römischen Kirche; sie galten der Predigt Tetzels (Th. 72.), nicht dem Pabst, den er vielmehr als guter Katholik noch höchlich verehrte (Th. 6. 7. 38. 49. 69—71. 73.), in der Meinnng, „so der Ablass nach des Pabstes Willen und Meinung gepredigt würde, wären die Einreden (der Leute gegen den Ablasskram) leichtlich zu verantworten, ja nie vorgefallen“ (Th. 91.), denn die päpstliche Ablassbulle folgte der Ablasspredigt nach und war erst unter dem 14. September abgefasst. Luther urteilte später bei wiederholter Ausgabe dieser Sätze also über sie: „Ich lass geschehen und gut sein, dass meine Disputationen und Piopositionen, die ich im Anfang meiner Sache wider den Ablass gehandelt habe, an Tag kommen und ausgehen, vornemlich darum, dass die Größe und der glückliche Fortgang dieser Sachen, so mit der Zeit daraus erfolget, mir von Gott dazu gegeben, mich nicht erhebe und stolz rnache. Denn durch dieselben Propositionen wird öffentlich angezeiget meine Schande, d. i. meine große Schwachheit und Unwissenheit, welche mich im Anfang drungen, diese Sache mit großer Furcht und Zittern anzufahen. Ich war allein, und aus Unvorsichtigkeit in diesen Handel geraten, und weil ich nicht konnte zurückweichen, räumte ich dem Pabst in vielen und hohen Artikeln nicht allein viel ein, sondern betete ihn auch mit rechtem Ernst williglich an, denn wer war ich elender, verachteter Bruder, der dazumal mehr einer Leich denn einem Menschen ähnlich, der sich sollte wider des Pabstes Majestät setzen, vor welchem nicht allein die Könige auf Erden und der ganze Erdboden, sondern auch Himmel und Hölle (dass ich so rede) sich entsetzten und allein nach seinen Winken sich alle richten mussten. Was und auf welche Weise mein Herz dasselbe erste und andere Jahr erlitten und ausgestanden hat, da wissen die sicheren Geister wenig von, die hernach des Pabsts Majestät mit großem Stolz und Vermessenheit angegriffen. Ich aber, der ich allein in der Fahrsteckte, war nicht so fröhlich, getrost und der Sache gewiss. Denn ich wusste viel nicht, welches ich, Gott Lob, nun weiß. Ich disputierte nur und war begierig mich belehren zu lassen. — Zuletzt habe ich dieß eine, dass man die Kirche (des Pabsts) hören sollte, mit großer Angst, Mühe und Arbeit durch Christus Gnade kaum überwunden.“ Die wichtigsten dieser Thesen sind folgende:


1. Da unser Meister und Herr Jesus Christus spricht: Tut Buße etc., will er, dass das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine stete oder unaufhörliche Buße soll sein.

2. Und kann und mag solch Wort nicht vom Sakrament der Buße, das ist von der Beicht und Genugtunng, so durch der Priester Amt geübet wird, verstanden werden.

3. Jedoch will er nicht allein verstanden haben die innerliche Buße; ja, die innerliche Buße ist nichtig und keine Buße, wo sie nicht äußerlich allerlei Tötung des Fleisches wirket.

4. Währet derhalben Reu und Leid, das ist, wahre Buße, so lange einer Missfallen an ihm selber hat, nämlich bis zum Eingang aus diesem in das ewige Leben.

5. Der Pabst will noch kann nicht einige andere Pein erlassen, außerhalb der, die er seines Gefallens, oder laut der Canonum, das ist päbstlicher Satzungen, ausgelegt hat.

6. Der Pabst kann keine Schuld vergeben, denn allein so fern, dass er erkläre und bestätige, was von Gott vergeben sei, oder aber, dass er es tue in den Fällen, die er ihm vorbehalten hat. Welche Fälle, so sie verachtet würden, bliebe die Schuld ganz und gar unaufgehoben oder verlassen.

7. Gott vergibt keinem die Schuld, den er nicht zugleich durchaus wohl gedemütigt dem Priester, seinem Statthalter, unterwerfe.

8. Canones poenitentiales, das ist, die Satzungen, wie man beichten und büßen soll, sind allein den Lebendigen aufgelegt, und sollen, nach Laut derselbigen Satzungen, den jetzt Sterbenden nicht auferlegt werden.

9. Daher tut uns der heilige Geist wohl am Pabst, dass der Pabst allewege in seinen Dekreten oder Rechten ausnimmt den Artikel des Todes und die äußerste Not.

10. Die Priester handeln unverständig und übel, die den sterbenden Menschen Poenitentias Canonicas, das ist auferlegte Buße, ins Fegfeuer, daselbst denselben genug zu tun, sparen und behalten.

11. Dieses Unkraut, dass man die Buße oder Genugtunng, so durch die Canones oder Satzungen auferlegt ist, in des Fegfeuers Buße oder Pein sollte verwandeln, ist gesäet worden, da die Bischöfe geschlafen haben.

12. Vorzeiten wurden Canonicae poenae, das ist Buße oder Genugtuung für begangene Sünden, nicht nach, sondern vor der Absolution auferlegt, dabei zu prüfen, ob die Reue und Leid rechtschaffen wäre.

13. Die Sterbenden tun für alles genug durch ihren Tod oder Absterben, und sind dem Recht der Canonum oder Satzungen abgestorben und also billig von derselben Auflage entbunden.

20. Derhalben meinet noch verstehet der Pabst nicht durch diese Worte (vollkommene Vergebung aller Pein), dass insgemein allerlei Pein vergeben werde, sondern meinet die Pein allein, die er selbst hat aufgelegt.

21. Daher irren die Ablassprediger, die da sagen, dass durch des Pabstes Ablass der Mensch von aller Pein los und ledig werde.

24. Darum muss der größere Teil unter den Leuten betrogen werden durch die prächtige Verheißung, ohne alle Unterschiede, dem gemeinen Mann eingebildet, von bezahlter Pein.

25. Gleiche Gewalt, wie der Pabst hat über das Fegfeuer durchaus und insgemein, so haben auch ein jeder Bischof und Seelsorger in seinem Bistum und Pfarr insonderheit oder bei den Seinen.

26. Der Pabst tut sehr wohl daran, dass er nicht aus Gewalt des Schlüssels (den er nicht hat), sondern durch Hilfe oder fürbittweise den Seelen Vergebung schenket.

27. Die predigen Menschentand, die da vorgeben, dass, sobald der Groschen in den Kasten geworfen klinget, von Stund an die Seele aus dem Fegfeuer fahre.

28. Das ist gewiss, alsbald der Groschen im Kasten klinget, dass Gewinn und Geiz kommen, zunehmen und größer werden; die Hilfe aber oder die Fürbitte der Kirche stehet allein in Gottes Willen und Wohlgefallen.

30. Niemand ist dess gewiss, dass er wahre Reue und Leid genug habe, viel weniger kann er gewiss sein, ob er vollkommene Vergebung der Sünden bekommen habe.

31. Wie selten einer ist, der wahrhaftige Reue und Leid habe, so selten ist auch der, der wahrhaftig Ablass löset, das ist, es ist gar selten einer zu finden.

32. Die werden samt ihren Meistern zum Teufel fahren, die vermeinen, durch Ablassbriefe ihrer Seligkeit gewiss zu sein.

33. Vor denen soll man sich sehr wohl hüten und vorsehen, die da sagen: des Pabstes Ablass sei die höchste und werteste Gottes Gnade oder Geschenk, dadurch der Mensch mit Gott versöhnet wird.

34. Denn die Ablass-Gnade stehet allein auf die Pein der Genugtung, welche von Menschen ausgesetzt ist worden.

35. Die lehren unchristlich, die vorgeben, dass die, so da Seelen aus dem Fegfeuer, oder Beichtbriefe wollen lösen, keiner Reue noch Leides bedürfen.

36. Ein jeder Christ, so wahre Reue und Leid hat über seine Sünden, der hat völlige Vergebung von Pein und Schuld, die ihm auch ohne Ablassbriefe gehört.

37. Ein jeder wahrhaftige Christ, er sei lebendig oder tot, ist teilhaftig aller Güter Christi und der Kirche, aus Gottes Geschenk, auch ohne Ablassbriefe.

38. Doch ist des Pabstes Vergebung und Austeilung mit nichten zu verachten; denn, wie ich gesagt habe, ist seine Vergebung eine Erklärung göttlicher Vergebung.

39. Es ist aus der Maßen schwer, auch den allergelehrtesten Theologen, zugleich den großen Reichtum des Ablasses und dagegen die wahre Reue und Leid vor dem Volke zu rühmen.

40. Wahre Reue und Leid sucht und liebet die Strafe, aber die Mildigkeit des Ablasses entbindet von der Strafe und dass man ihr gram wird, zum wenigsten, wenn dazu Gelegenheit vorfällt.

41. Vorsichtiglich soll man von dem päbstlichen Ablass predigen, dass der gemeine Mann nicht fälschlich dafür halte, dass er den andern Werken der Liebe werde vorgezogen oder besser geachtet.

42. Man soll die Christen lehren, dass es des Pabstes Gemüt und Meinung nicht sei, dass Ablasslösen irgend einem Werk der Barmherzigkeit irgend sollte zu vergleichen sein.

43. Man soll die Christen lehren, dass, der dem Armen gibt oder leihet dem Dürftigen, besser tut, denn dass er Ablass löset.

44. Denn durch das Werk der Liebe wächst die Liebe und der Mensch wird frömmer; durch den Ablass aber wird er nicht besser, sondern allein sicherer und freier von der Pein oder Strafe.

45. Man soll die Christen lehren, dass der, so seinen Nächsten siehet darben und desungeachtet Ablass löset, der löset nicht des Pabstes Ablass, sondern ladet auf sich Gottes Ungnade.

46. Man soll die Christen lehren, dass sie, wo sie nicht übrig reich sind, schuldig sind, was zur Notdurft gehöret, für ihr Haus zu behalten und mit nichten für Ablass zu verschwenden.

47. Man soll die Christen lehren, dass das Ablasslösen ein frei Ding sei und nicht geboten.

48. Man soll die Christen lehren, dass der Pabst, wie mehr er eines andächtigen Gebets bedarf, also desselben mehr begehre, denn des Geldes, wenn er Ablass austeilet.

49. Man soll die Christen lehren, dass des Pabstes Ablass gut sei, sofern man sein Vertrauen nicht darauf setzet; dagegen aber nichts Schädlicheres, denn so man dadurch Gottesfurcht verliert.

50. Man soll die Christen lehren, dass der Pabst, so er wüsste der Ablassprediger Schinderei, lieber wollte, dass St. Peters Münster zu Pulver verbrannt würde, denn dass es sollte mit Haut, Fleisch und Bein seiner Schafe erbauet werden.

52. Durch Ablassbriefe vertrauen selig zu werden, ist nichtig und erlogen Ding, obgleich der Commissarius (oder Ablassvogt), ja der Pabst selbst, seine Seele dafür wollte zu Pfande setzen.

53. Das sind Feinde Christi und des Pabstes, die von wegen der Ablasspredigt das Wort Gottes in andern Kirchen zu predigen ganz und gar verbieten.

56. Die Schätze der Kirche, davon der Pabst den Ablass austeilet, sind weder genugsam genannt, noch bekannt bei der Gemeine Christi.

57. Denn dass es nicht leibliche, zeitliche Güter sind, ist daher offenbar, dass viel Prediger dieselben nicht so leicht hingeben, sondern allein aufsammeln.

58. Es sind auch nicht die Verdienste Christi und der Heiligen; denn diese wirken allezeit, ohne Zutun des Pabstes, Gnade des innerlichen Menschen und das Kreuz, Tod und Hölle des äußerlichen Menschen.

60. Wir sagen aus gutem Grunde, ohne Frevel oder Leichtfertigkeit, dass dieser Schatz sein die Schlüssel der Kirche, durch das Verdienst Christi der Kirche geschenkt.

61. Denn es ist klar, dass zur Vergebung der Pein und vorbehaltener Fälle allein des Pabstes Gewalt genug ist.

62. Der rechte, wahre Schatz der Kirche ist das heilige Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes.

63. Dieser Schatz ist billig der allerfeindseligste und verhassetste. Denn er macht, dass die Ersten die Letzten werden.

64. Aber der Ablassschatz ist billig der allerangenehmste, denn er macht aus den Letzten die Ersten.

65. Derhalben sind die Schätze des Evangelii Netze, da man vorzeiten die reichen wohlhabenden Leute mit gefischt hat.

66. Die Schätze aber des Ablass sind die Netze, damit man jetziger Zeit die Reichtümer der Menschen fischet.

67. Der Ablass, den die Prediger für die größeste Gnade ausrufen, ist freilich für große Gnade zu halten, denn er großen Gewinn und Genieß träget.

68. Und ist doch solcher Ablass wahrhaftig die allergeringste Gnade, wenn man ihn gegen die Gnade Gottes und des Kreuzes Gottseligkeit hält oder vergleichet.

69. Es sind die Bischöfe und Seelsorger schuldig, des apostolischen Ablass Commissarien mit aller Ehrerbietung zuzulassen.

70. Aber vielmehr sind sie schuldig, mit Augen und Ohren aufzusehen, dass dieselben Commissarien nicht anstatt päbstlichen Befehls ihre eigenen Träume predigen.

71. Wer wider die Wahrheit des päbstlichen Ablasses redet, der sei ein Fluch und vermaledeiet.

72. Wer aber wider des Ablasspredigers mutwillige und freche Worte Sorge trägt oder sich bekümmert, der sei gebenedeiet.

73. Wie der Pabst diejenigen billig mit Ungnade und dem Bann schlägt, die zu Nachteil dem Ablass irgend auf einigem Weg handeln:

74. So viel mehr trachtet er, auf die Leute Ungnade und Bann zu schütten, die unter dem Scheine des Ablasses zu Nachteil der heiligen Liebe und Wahrheit handeln.

75. Des Pabstes Ablass so groß halten, dass er einen absolvieren oder von Sünden los machen könne, wenn er gleich (unmöglicher Weise zu reden) die Mutter Gottes geschwächt hätte, ist rasend und unsinnig sein.

76. Dagegen sagen wir, dass des Pabstes Ablass nicht die allergeringste tägliche Sünde könne hinwegnehmen, so viel die Schuld derselben belanget.

77. Dass man saget, St. Peter, wenn er jetzt Pabst wäre, vermöchte nicht größern Ablass zu geben, ist eine Lästerung wider St. Peter und den Pabst.

78. Dawider sagen wir, dass auch dieser und ein jeder Pabst größern Ablass hat, nämlich das Evangelium, Kräfte, Gaben, gesund zu machen u. s. w. 1 Cor. 12, 6. 9.

79. Sagen, dass das Kreuz, mit des Pabstes Wappen herrlich ausgerichtet, vermöge so viel als das Kreuz Christi, ist eine Gotteslästerung.

80. Die Bischöfe, Seelsorger und Theologen, die da gestatten, dass man solche Worte vor den Gemeinen reden darf, werden Rechenschaft dafür geben müssen.

81. Solche freche und unverschämte Predigt und Ruhm vom Ablass macht, dass es auch den Gelehrten schwer wird, des Pabstes Ehre und Würde zu verteidigen vor derselben Verläumdung, oder ja vor den scharfen listigen des gemeinen Mannes Fragen.

82. Als nämlich: Warum entledigt der Pabst nicht alle Seelen zugleich aus dem Fegfeuer um der allerheiligsten Liebe willen und von wegen der höchsten Not der Seelen, als der allerbilligsten Ursachen, so er doch um des allervergänglichsten Geldes willen, zum Bau St. Peters Münster, unzählig viel Seelen erlöset, als von wegen der losesten Ursachen?

86. Item: Warum bauet jetzt der Pabst nicht lieber St. Peters Münster von seinem eigenen Gelde, denn von der armen Christen Geld, weil doch sein Vermögen sich höher erstreckt, denn keines reichen Crassi Güter?

87. Item: Was erlöset oder teilet der Pabst sein Ablass denen mit, die schon durch vollkommene Reue einer vollkommenen Vergebung und Ablass berechtigt sind?

90. Die sehr spitzigen Argumente der Laien allein mit Gewalt dämpfen und nicht durch angezeigten Grund und Ursach auflösen, heißt die Kirche und den Pabst den Feinden zum Spott und die Christen unselig machen.

91. Derhalben, so der Ablass nach des Pabstes Geist und Meinung gepredigt würde, wären diese Einreden leicht sich zu verantworten, ja sie wären nie vorgefallen.

92. Mögen derhalben alle die Prediger hinfahren, die da sagen zu der Gemeinde Christi: Friede, Friede! und ist kein Friede (Ezech. 13,10.16.).

93. Den Predigern aber müsse es wohl gehen, die da sagen zur Gemeinde Christi: Kreuz, Kreuz, und ist kein Kreuz.

94. Man soll die Christen vermahnen, dass sie ihrem Haupte Christo durch Kreuz, Tod und Hölle nachzufolgen sich befleißigen.

95. Und also mehr durch viel Trübsal ins Himmelreich zu gehen, Apostelgesch. 14, 22., denn dass sie durch Vertröstung des Friedens sicher werden.

Allerheiligen Abend 1517.