Drittes Kapitel
Es mussten noch andere Gründe hinzukommen, um den Bau der Bahn aus staatswirtschaftlichen Gründen dringend zu empfehlen. Dahin gehört 1. die rasche Zunahme der russischen Bevölkerung in Europa, deren jährlichen Zuwachs man auf anderthalb Millionen Seelen schätzt. Russland ist heute noch ganz vorwiegend ein Ackerbau treibender Staat, und in diesem hat die Verdichtung der Bevölkerung eher eine Grenze als in einem Industriestaat. Dazu kommen aber sehr bedenkliche wirtschaftliche Missstände. Der Boden ist in vielen Gegenden bereits ausgesogen. Hungersnöte haben das Landvolk an den Bettelstab und zur Verzweiflung gebracht.
Der Staat kann helfen, und er muss um seiner selbst willen helfen, indem er die Auswanderung nach Sibirien regelt.
Neben Ackerbau und Viehzucht kann auch der ungeheure Fischreichtum der sibirischen Gewässer mehr ausgebeutet werden; ebenso ist der mannigfache Reichtum an Metallen und edlen Steinen noch lange nicht genug verwertet. Und da auch an manchen Stellen nutzbare Kohlenlager sich finden, so ist damit nicht nur ein sehr wichtiges Förderungsmittel für Eisenbahn betrieb nachgewiesen, sondern zugleich in Zukunft die Möglichkeit einer einheimischen Industrie geboten, die wenigstens den Bedarf des Landes deckt. Alle diese Gründe betreffen nur innere Fragen Russlands, man kann sie als nationale bezeichnen. Daneben tritt aber noch die internationale Bedeutung einer Bahn hervor, die nach ihrer Vollendung die ganze Breite der alten Welt durchschneidet. Durch diese Bahn wird Russland ein pazifischer Staat, d. h. sein Einfluss auf alle Ereignisse im Bereich des Großen Ozeans steht plötzlich neben den Staaten Japan, China und nordamerikanische Union, sowie, nach seiner maritimen und merkantilen Stellung, England. Russland hat hier das einzige offene Meer gewonnen, das die Küsten seines weiten Reiches bespült. Da es aber, Japan gegenüber, in China selbst Fuß gefasst hat, so bietet die Bahn eine schnellere Verbindung mit den produktenreichen Gebieten des Ostens und tritt für Personen und Warenverkehr in Wettbewerb mit den Weltstraßen durch den Suezkanal oder den transversalen Bahnen in Nordamerika.
Es sind also, wenn die Vollendung der sibirischen Bahn gesichert ist, mächtige Faktoren vorhanden, das großartige Werk in Angriff zu nehmen.
So wurde denn der Bahnbau im Mai 1891 begonnen und im Dezember 1892 ein besonderes Komitee dafür errichtet, das als die Oberbehörde für den Bau unter dem Präsidium des Kaisers steht. Die Mitglieder dieses Komitees sind die Minister des Innern, der Landwirtschaft und der Domänen, der Finanzen, der Verkehrswege, des Kriegs und der Marine, ferner der Reichskontrolleur und mehrere Staatssekretäre. Für die unmittelbare Leitung des Baues wurde beim Ministerium der Verkehrswege eine besondere Verwaltung eingesetzt und ebenso beim Ministerium des Innern eine Behörde für die Überwachung der nach Sibirien übersiedelnden Russen.
Für den Anfang am Großen Ozean nahm man Wladiwostok, obwohl der von da aus vollendete Strang nach Chabarowsk später nur als eine Zweiglinie angesehen werden kann.
Von europäischer Seite boten sich zwar zwei Eisenbahnlinien an, die schon bis an die asiatische Grenze reichten, nämlich im Norden die Linie von Perm nach Tjumen, im Süden die von Samara an der Wolga nach Orenburg. Allein nach sorglicher Erwägung eignete sich keine derselben zur Anknüpfung der sibirischen Bahn. Denn die nördliche hätte weiterhin durch unbewohntes Waldgebiet führen müssen und die südliche neben einem bedeutenden Umweg auch als Gebirgsbahn durch den Ural erheblich höhere Kosten verursacht. Man entschloss sich also zu einer dritten neuen Linie, die sich von Samara aus über Slatoust nach Tscheljabinsk hineinschob.
Tscheljabinsk wurde aus sibirischer Seite der Anfangspunkt; der Ort liegt in 238 m Höhe zwar östlich vom Uralgebirge, aber nach der politischen Einteilung im Gouvernement Orenburg, das zu Europa gerechnet wird.
Von Tscheljabinsk sollte nach dem ursprünglichen Plane die Bahn in 6 Abteilungen zerlegt werden:
1. Westsibirische Bahn von Tscheljabinsk bis Tomsk am Ob: 1.655 km
2. Mittelsibirische Bahn von Tomsk bis Irkutsk: 1.793 km
3. Baikalbahn von Irkutsk bis Myssowskaja (Myssowaja). 312 km
4. Transbaikalbahn von Myssowskaja bis Strjetensk: 1.127 km
5. Amurbahn von Strjetensk bis Chabarowsk: 2.147 km
6. Ussuribahn von Chabarowsk bis Wladiwostok: 768 km
7.802 km
Die Bahn war also noch bedeutend länger als die kanadische Bahn von Halifax bis Vanconver mit rund 6.000 km, und die erste pazifische Bahn Nordamerikas von New York nach San Franzisko mit 5.400 km.
Aber dieser erste Entwurf wurde später für die östliche Hälfte jenseits des Baikals wesentlich abgeändert. Die Amurbahn wurde ganz aufgegeben, teils weil sie die Linie wesentlich verlängerte, teils wegen bedeutender Schwierigkeiten im Gelände, teils weil für die Entwickelung des Amurlandes zunächst eine regelmäßige Schifffahrt auf dem Strom vollkommen genügte. Doch wurde der Amur von Chabarowsk aus mit dem Hafen von Wladiwostok in Verbindung gesetzt, da die Mündung des Stromes jährlich zu lange Zeit vom Eise versperrt ist, wodurch der Handel gehemmt wird.
Die wichtigste Änderung lag nun darin, dass man zwar die Transbaikalbahn bis Strjetensk fortführte, wo die Schifffahrt auf der Schilka bis zum Amur ungehemmt ist, dass man aber die Strecke von Tschita bis Strjetensk als eine Zweigbahn behandelte und von Tschita oder genauer von Kaidalowo unter halb Tschita die Hauptlinie nach Südosten durch die Mandschurei geradeswegs aus Wladiwostok leitete.
Das hatte den großen Vorzug einer Abkürzung des Weges und ging durch bewohntere Landstriche.
Aber diese Linie führte durch chinesisches Gebiet und bedurfte daher der Genehmigung des Kaisers von China.
Für die Gewinnung einer solchen Genehmigung waren die Zeitumstände günstig, oder — vielleicht treffender gesagt — die Russen warteten auf eine günstige Gelegenheit.
Und diese bot sich nach dem für China unglücklichen Kriege mit Japan. Zwar wurde der Frieden am 17. April 1895 dahin geschlossen, dass China die wichtige Halbinsel Liautung, an deren Südende Port Arthur liegt, an Japan abtreten sollte. Allein da Deutschland, Russland und Frankreich dagegen Einsprache erhoben, weil keine dieser Mächte wünschte, dass sich die Japaner am Gelben Meere festsetzten, so gab Japan am 5. Mai gegen eine Erhöhung der Kriegskosten das Land wieder heraus.
Russland hatte dem Nachbarstaate China damit einen bedeutenden Dienst erwiesen; also musste China auch wieder erkenntlich sein. Die Gelegenheit bot sich bei dem beabsichtigten Bahnbau. Die Bahn selbst schien zunächst für China keinerlei Gefahr oder Bedenken zu haben, denn sie lief in einer Entfernung von 1.000 km Luftlinie an Peking vorbei. Im Herbst 1896 kam nun der Vertrag zwischen Russland und China bezüglich der Bahn zustande. Für die „chinesische Ostbahn“, wie sie genannt wurde, und deren Länge zu 1.000—2.000 km berechnet wurde, wurde auch eine russisch-chinesische Bank gegründet, nominell mit einem Aktienkapital von 5 Mill. Rubel, während die Kosten des Baues auf 190 Mill. Rubel veranschlagt wurden. Nur Russen und Chinesen durften Aktionäre sein. Die Leitung des Baues lag ganz in russischen Händen und dass der russische Staat im Hintergrunde der Bank stand, versteht sich von selbst.
Vom Tage der Betriebseröffnung an sollte die Konzession 80 Jahre dauern. Dann fiel die Bahn mit allem Zubehör an China; aber schon nach 36 Jahren sollte China das Recht haben, sie anzukaufen.
Von einer südlichen Abzweigung nach dem Gelben Meere war zunächst noch nicht die Rede.
Diese Bahn tauchte 1898 auf. Es ist dasselbe Jahr, in dem es, nachdem Deutschland sich bereits vorher (14. Nov. 1897) in Kiautschou festgesetzt hatte, auch den anderen Mächten: Russland, England und Frankreich, deren Interessen in Ostasien besonders stark sind, gelang, sogenannte „Pachtgebiete“ zu erwerben. Russland erwarb am 7. März 1898 Port Arthur, also denselben Hafen, den drei Jahre vorher Japan hatte wieder ausliefern müssen. Europäische Ingenieure hatten mit chinesischem Gelde den Hafen zu einer starken Festung umgeschaffen, er war also vorzüglich geeignet, den Ausgang einer großen Bahnlinie ans Meer zu decken, der man den unschuldigen Namen südmandschurische Zweigbahn gab, ob wohl es in Wirklichkeit das Ende des Hauptstranges werden sollte und werden muss.
Verfolgen wir nun kurz die Entwickelung des Bahnbaues, wobei ich technische Erörterungen bei Seite lasse, weil sie mir fremd sind, und wobei ich mich auf die geographische Seite beschränke.
Die erste, die westsibirische Linie führt immer durch ebenes, meist schon angebautes Land und bietet keine Terrainschwierigkeiten. Daher wurde sie schon im Oktober 1896 vollendet.
Die mittelsibirische Bahn vom Ob bis Irkutsk führt anfänglich auch noch durch flaches oder welliges Land, tritt aber schon, ehe der Jenissei erreicht ist, in die nördlichen Ausläufer der südlichen Grenzgebirge und bleibt, von einem Fluss zum andern die Wasserscheiden überschneidend, bis Irkutsk im Berglande. Bei größerer Terrainschwierigkeit und Erfordernis von großen Brücken (z. B. über den Jenissei von 960 m Länge) wurde bei dieser Strecke der Kostenanschlag um l00 Mill. Mark überschritten, aber trotzdem war sie schon im Herbst 1898 vollendet. Somit war der für die Kolonisation Sibiriens wichtigste Teil der Bahn fertiggestellt und konnte erprobt werden, ob sich die an den Bau geknüpften Hoffnungen mit der Zeit verwirklichen würden.
Der Staat kann helfen, und er muss um seiner selbst willen helfen, indem er die Auswanderung nach Sibirien regelt.
Neben Ackerbau und Viehzucht kann auch der ungeheure Fischreichtum der sibirischen Gewässer mehr ausgebeutet werden; ebenso ist der mannigfache Reichtum an Metallen und edlen Steinen noch lange nicht genug verwertet. Und da auch an manchen Stellen nutzbare Kohlenlager sich finden, so ist damit nicht nur ein sehr wichtiges Förderungsmittel für Eisenbahn betrieb nachgewiesen, sondern zugleich in Zukunft die Möglichkeit einer einheimischen Industrie geboten, die wenigstens den Bedarf des Landes deckt. Alle diese Gründe betreffen nur innere Fragen Russlands, man kann sie als nationale bezeichnen. Daneben tritt aber noch die internationale Bedeutung einer Bahn hervor, die nach ihrer Vollendung die ganze Breite der alten Welt durchschneidet. Durch diese Bahn wird Russland ein pazifischer Staat, d. h. sein Einfluss auf alle Ereignisse im Bereich des Großen Ozeans steht plötzlich neben den Staaten Japan, China und nordamerikanische Union, sowie, nach seiner maritimen und merkantilen Stellung, England. Russland hat hier das einzige offene Meer gewonnen, das die Küsten seines weiten Reiches bespült. Da es aber, Japan gegenüber, in China selbst Fuß gefasst hat, so bietet die Bahn eine schnellere Verbindung mit den produktenreichen Gebieten des Ostens und tritt für Personen und Warenverkehr in Wettbewerb mit den Weltstraßen durch den Suezkanal oder den transversalen Bahnen in Nordamerika.
Es sind also, wenn die Vollendung der sibirischen Bahn gesichert ist, mächtige Faktoren vorhanden, das großartige Werk in Angriff zu nehmen.
So wurde denn der Bahnbau im Mai 1891 begonnen und im Dezember 1892 ein besonderes Komitee dafür errichtet, das als die Oberbehörde für den Bau unter dem Präsidium des Kaisers steht. Die Mitglieder dieses Komitees sind die Minister des Innern, der Landwirtschaft und der Domänen, der Finanzen, der Verkehrswege, des Kriegs und der Marine, ferner der Reichskontrolleur und mehrere Staatssekretäre. Für die unmittelbare Leitung des Baues wurde beim Ministerium der Verkehrswege eine besondere Verwaltung eingesetzt und ebenso beim Ministerium des Innern eine Behörde für die Überwachung der nach Sibirien übersiedelnden Russen.
Für den Anfang am Großen Ozean nahm man Wladiwostok, obwohl der von da aus vollendete Strang nach Chabarowsk später nur als eine Zweiglinie angesehen werden kann.
Von europäischer Seite boten sich zwar zwei Eisenbahnlinien an, die schon bis an die asiatische Grenze reichten, nämlich im Norden die Linie von Perm nach Tjumen, im Süden die von Samara an der Wolga nach Orenburg. Allein nach sorglicher Erwägung eignete sich keine derselben zur Anknüpfung der sibirischen Bahn. Denn die nördliche hätte weiterhin durch unbewohntes Waldgebiet führen müssen und die südliche neben einem bedeutenden Umweg auch als Gebirgsbahn durch den Ural erheblich höhere Kosten verursacht. Man entschloss sich also zu einer dritten neuen Linie, die sich von Samara aus über Slatoust nach Tscheljabinsk hineinschob.
Tscheljabinsk wurde aus sibirischer Seite der Anfangspunkt; der Ort liegt in 238 m Höhe zwar östlich vom Uralgebirge, aber nach der politischen Einteilung im Gouvernement Orenburg, das zu Europa gerechnet wird.
Von Tscheljabinsk sollte nach dem ursprünglichen Plane die Bahn in 6 Abteilungen zerlegt werden:
1. Westsibirische Bahn von Tscheljabinsk bis Tomsk am Ob: 1.655 km
2. Mittelsibirische Bahn von Tomsk bis Irkutsk: 1.793 km
3. Baikalbahn von Irkutsk bis Myssowskaja (Myssowaja). 312 km
4. Transbaikalbahn von Myssowskaja bis Strjetensk: 1.127 km
5. Amurbahn von Strjetensk bis Chabarowsk: 2.147 km
6. Ussuribahn von Chabarowsk bis Wladiwostok: 768 km
7.802 km
Die Bahn war also noch bedeutend länger als die kanadische Bahn von Halifax bis Vanconver mit rund 6.000 km, und die erste pazifische Bahn Nordamerikas von New York nach San Franzisko mit 5.400 km.
Aber dieser erste Entwurf wurde später für die östliche Hälfte jenseits des Baikals wesentlich abgeändert. Die Amurbahn wurde ganz aufgegeben, teils weil sie die Linie wesentlich verlängerte, teils wegen bedeutender Schwierigkeiten im Gelände, teils weil für die Entwickelung des Amurlandes zunächst eine regelmäßige Schifffahrt auf dem Strom vollkommen genügte. Doch wurde der Amur von Chabarowsk aus mit dem Hafen von Wladiwostok in Verbindung gesetzt, da die Mündung des Stromes jährlich zu lange Zeit vom Eise versperrt ist, wodurch der Handel gehemmt wird.
Die wichtigste Änderung lag nun darin, dass man zwar die Transbaikalbahn bis Strjetensk fortführte, wo die Schifffahrt auf der Schilka bis zum Amur ungehemmt ist, dass man aber die Strecke von Tschita bis Strjetensk als eine Zweigbahn behandelte und von Tschita oder genauer von Kaidalowo unter halb Tschita die Hauptlinie nach Südosten durch die Mandschurei geradeswegs aus Wladiwostok leitete.
Das hatte den großen Vorzug einer Abkürzung des Weges und ging durch bewohntere Landstriche.
Aber diese Linie führte durch chinesisches Gebiet und bedurfte daher der Genehmigung des Kaisers von China.
Für die Gewinnung einer solchen Genehmigung waren die Zeitumstände günstig, oder — vielleicht treffender gesagt — die Russen warteten auf eine günstige Gelegenheit.
Und diese bot sich nach dem für China unglücklichen Kriege mit Japan. Zwar wurde der Frieden am 17. April 1895 dahin geschlossen, dass China die wichtige Halbinsel Liautung, an deren Südende Port Arthur liegt, an Japan abtreten sollte. Allein da Deutschland, Russland und Frankreich dagegen Einsprache erhoben, weil keine dieser Mächte wünschte, dass sich die Japaner am Gelben Meere festsetzten, so gab Japan am 5. Mai gegen eine Erhöhung der Kriegskosten das Land wieder heraus.
Russland hatte dem Nachbarstaate China damit einen bedeutenden Dienst erwiesen; also musste China auch wieder erkenntlich sein. Die Gelegenheit bot sich bei dem beabsichtigten Bahnbau. Die Bahn selbst schien zunächst für China keinerlei Gefahr oder Bedenken zu haben, denn sie lief in einer Entfernung von 1.000 km Luftlinie an Peking vorbei. Im Herbst 1896 kam nun der Vertrag zwischen Russland und China bezüglich der Bahn zustande. Für die „chinesische Ostbahn“, wie sie genannt wurde, und deren Länge zu 1.000—2.000 km berechnet wurde, wurde auch eine russisch-chinesische Bank gegründet, nominell mit einem Aktienkapital von 5 Mill. Rubel, während die Kosten des Baues auf 190 Mill. Rubel veranschlagt wurden. Nur Russen und Chinesen durften Aktionäre sein. Die Leitung des Baues lag ganz in russischen Händen und dass der russische Staat im Hintergrunde der Bank stand, versteht sich von selbst.
Vom Tage der Betriebseröffnung an sollte die Konzession 80 Jahre dauern. Dann fiel die Bahn mit allem Zubehör an China; aber schon nach 36 Jahren sollte China das Recht haben, sie anzukaufen.
Von einer südlichen Abzweigung nach dem Gelben Meere war zunächst noch nicht die Rede.
Diese Bahn tauchte 1898 auf. Es ist dasselbe Jahr, in dem es, nachdem Deutschland sich bereits vorher (14. Nov. 1897) in Kiautschou festgesetzt hatte, auch den anderen Mächten: Russland, England und Frankreich, deren Interessen in Ostasien besonders stark sind, gelang, sogenannte „Pachtgebiete“ zu erwerben. Russland erwarb am 7. März 1898 Port Arthur, also denselben Hafen, den drei Jahre vorher Japan hatte wieder ausliefern müssen. Europäische Ingenieure hatten mit chinesischem Gelde den Hafen zu einer starken Festung umgeschaffen, er war also vorzüglich geeignet, den Ausgang einer großen Bahnlinie ans Meer zu decken, der man den unschuldigen Namen südmandschurische Zweigbahn gab, ob wohl es in Wirklichkeit das Ende des Hauptstranges werden sollte und werden muss.
Verfolgen wir nun kurz die Entwickelung des Bahnbaues, wobei ich technische Erörterungen bei Seite lasse, weil sie mir fremd sind, und wobei ich mich auf die geographische Seite beschränke.
Die erste, die westsibirische Linie führt immer durch ebenes, meist schon angebautes Land und bietet keine Terrainschwierigkeiten. Daher wurde sie schon im Oktober 1896 vollendet.
Die mittelsibirische Bahn vom Ob bis Irkutsk führt anfänglich auch noch durch flaches oder welliges Land, tritt aber schon, ehe der Jenissei erreicht ist, in die nördlichen Ausläufer der südlichen Grenzgebirge und bleibt, von einem Fluss zum andern die Wasserscheiden überschneidend, bis Irkutsk im Berglande. Bei größerer Terrainschwierigkeit und Erfordernis von großen Brücken (z. B. über den Jenissei von 960 m Länge) wurde bei dieser Strecke der Kostenanschlag um l00 Mill. Mark überschritten, aber trotzdem war sie schon im Herbst 1898 vollendet. Somit war der für die Kolonisation Sibiriens wichtigste Teil der Bahn fertiggestellt und konnte erprobt werden, ob sich die an den Bau geknüpften Hoffnungen mit der Zeit verwirklichen würden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die sibirische Eisenbahn