Dritte Fortsetzung

Wenn man als Fremder Madeira besucht, ist ein Ritt in die Berge, nach der erwähnten Kirche Nossa Signora da Monte und nach der Schlucht des Großen Curral der gewöhnliche Ausflug. In einem Morgen kann man diese Tour ohne Anstrengung machen, und sie genügt vollständig, um Madeira, sofern man nicht Tourist par excellence ist, kennen zu lernen, da das Leben auf der Insel sich hauptsächlich in Funchal und dem Tale, in dem diese Stadt liegt, konzentriert. Kleine Ortschaften und einzelne Hütten liegen zwar überall auf der Insel zerstreut, aber außer Funchal existiert weiter keine Stadt, und jedenfalls hat auch die Natur diesen Punkt vor allen andern verschwenderisch begünstigt. Himmelanstrebende Gebirge mit all' den erhabenen romantischen Schönheiten, die der Mensch an ihnen bewundert, gähnende Schlünde, schroffe Felsenwände, einzelne Klippen in seltsamer Form, wilde Sturzbäche, dunkle Waldungen und hellleuchtende Matten - alles findet man hier vereint. Dazu das himmlische Klima, der blaue Äther, eine tropische Vegetation in den mannigfachsten Formen und endlich das Meer, das ruhelos wallende Meer mit den schwimmenden Segeln darauf, die wie silberne Wölkchen am ferne verschwimmenden Horizonte dahinschweben - wahrlich das ist ein Panorama, welches das Auge erfreut, das Herz erhebt und eine unauslöschliche Erinnerung in unserer Seele hinterlassen muss. Die Bevölkerung der in zehn Distrikte zerfallenden Insel beträgt 120.000 Seelen, von denen 25.000 auf Funchal kommen. Die übrigen Ortschaften liegen sämtlich an der Küste zerstreut, sie sind jedoch kaum des Nennens wert und fast in allem der gerade Gegensatz der Hauptstadt, klein, ärmlich, schmutzig. Die Häuser bestehen aus vier kahlen Wänden mit Strohdach; sie sind kaum fünf Fuß hoch und gleichen eher Ställen als menschlichen Wohnungen. Der sie bewohnende Menschenschlag ist abstoßend hässlich, namentlich die Frauen, während den Männern die stupiden Gesichtszüge, die über die Stirn herabhängenden schwarzen struppigen Haare, der plumpe Körperbau und der gänzliche Mangel an geistigem Ausdruck einen tierischen Anstrich verleihen. Wo ein gutgekleideter Fremder unter sie tritt, wird er mit verdammten Blicken angeglotzt, aber alsbald strecken sich ihm hundert Arme entgegen, die um ein Almosen bitten. Alles bettelt hier, und die Unverschämtheit, mit der dies betrieben wird, verkümmert einem zum Teil den Genuss des schönen Landes. Es scheint fast, als ob dieses Almosenfordern mehr Gewohnheit als Notwendigkeit sei. Haus- und obdachlose Menschen gibt es eigentlich gar nicht, und man würde der Bevölkerung unrecht tun. wollte man sie träge nennen. Im Gegenteil, die Leute sind ungemein tätig, und man erstaunt über die Ausdauer und den Fleiß, mit der sie den spärlichen Boden in den Gebirgen kultivieren und ihm eine Ernte abringen. Die steilsten Berge sind von ihnen terrassiert, und wo nur ein Streifchen Ackerkrume von wenigen Fuß Breite an einem Abhange zu finden war, ist es gewiss mit Mais, Yams oder Weizen, je nach seiner niederen oder höheren Lage. Bebaut, und jede noch so ärmliche Hütte liegt zwischen lachenden Feldern. Von eigentlichem Mangel kann daher nicht die Rede sein, und das zudringliche Betteln ist darum um so auffallender. Freilich in den letzten Jahren, seit der Weinkrankheit, ist viel Notstand auf der Insel gewesen. Seit 1856 gibt es keinen Wein mehr, und nicht einmal Trauben zum Essen kommen zur Reife. Unter 2 Thalern ist auf der Insel keine Flasche Wein mehr zu haben, und bald wird der echte Madeira nur noch in der Erinnerung leben. Wenn man bedenkt, dass im Jahre 1836 der Weinertrag sich auf 8.435 Pipen im Wert von 1 1/2 Million spanischen Thalern belief, so wird man leicht ermessen können, welchen harten Schlag die Insel durch die Weinkrankheit erlitten hat.*)

An Bodenprodukten erzeugt Madeira eigentlich alles, was die tropischen und gemäßigten Zonen hervorbringen. Früher war der Kornertrag gering und reichte nur für zwei Monate. Seitdem jedoch die Winzer gezwungen sind, sich auf diesen Zweig der Bodenkultur zu werfen, wird fast das ganze Jahresbedürfnis erzeugt.


Die Einkünfte der Insel betragen 210.000 spanische Thaler jährlich, deren Hälfte die Zölle abwerfen, während die andere Hälfte aus den direkten Steuern fließt. Die Ausgaben für die Insel, inklusive der Garnison, belaufen sich auf zirka 150.000 spanische Thaler, sodass dem Mutterlande 50-60.000 spanische Thaler übrigbleiben. Die Industrie beschränkt sich auf feine Holzwaren, Stickereien und Häkeleien und auf die Fabrikation von Federblumen. In allen drei Produktionen haben es die Madeirenser zur hohen Fertigkeit gebracht. und wenn man nur nicht nach Art der Engländer, die überall die Preise verderben, sogleich die geforderte Summe gibt, sondern bis auf die Hälfte herunterhandelt, bekommt man auf billige Art die reizendsten Sachen in diesem Genre. Exportiert wird von jenen Gegenständen nichts, wenigstens nichts in der eigentlichen Bedeutung des Wortes, obwohl fast alle in das Ausland gehen. Die vielen Schiffe, welche die Insel besuchen, nehmen sämtlich dergleichen Andenken mit, und namentlich wurden die Federblumen von unseren drei Schiffen vollständig ausgekauft. Diese reizenden Blumen werden aus den Federn schön gefärbter Vögel, namentlich tropischer, zusammengesetzt. Sie werden in Nonnenklöstern gefertigt und zeichnen sich nicht allein durch das prachtvolle natürliche Kolorit ihres Materials, sondern auch durch die feine saubere Arbeit, die kunstvolle Nachahmung der Natur und das höchst geschmackvolle Arrangement der Bouquets für Hut- und Haargarnierungen aus. Wie sehnsüchtig wohl die armen Nonnen hinter ihren engen tristen Mauern nach jener großen fröhlichen Welt blicken mögen. wo der aus ihren fleißigen Händen und vielleicht unter schweren Seufzern und versteckten Tränen hervorgegangene Schmuck getragen und bewundert wird! Wie traurig sie der Kontrast stimmen muss, wenn sie im Geiste ihren groben schwarzen, alle Reize verhüllenden Anzug mit der Toilette vergleichen, zu der dieser Strauß oder jener Haarschmuck passt!

*) Die Weinkrankheit hat sich inzwischen wieder verloren und somit ist die damals auf der Insel allgemein gehegte Befürchtung glücklicherweise nicht eingetroffen. Seit 1868 wächst wieder so viel Wein, dass davon exportiert werden kann, und man hofft, dass bald die früheren Verhältnisse hergestellt werden.