Vorgeschichte

Der Rückzug der französischen Armee von Moskau bis an die Elbe, hatte die russischen Armeen in die Preußischen Staaten geführt, Preußen hatte sich an Rußland angeschlossen, hatte Maaßregeln ergriffen, um eine große Armee zu stellen, und setzte die disponiblen Kräfte unter dem General v. Blücher aus Schlesien und unter den Generalen v. York, v. Bülow und v. Borstel aus Preußen und Pommern in der Mitte März in Marsch.

Der Feind hatte bereits die Ober-Elbe verlassen, am 22sten März die Dresdner Brücke gesprengt, die Meißner abgebrannt, und sich bis Erfurth, Hof und Magdeburg zurückgezogen.


General v. Blücher ging den 10ten April über die Elbe und bezog Cantonirungen zwischen der Mulde und Elster.

Graf Wittgenstein, unter dessen Befehle General v. York gesetzt war, rückte gegen Wittenberg, General v. Borstel gegen Magdeburg vor. Die Generale v. Czernitschew, v. Benkendorff und v. Dörnberg nebst dem Obrist v. Tettenborn marschierten mit leichten Corps an die Niederelbe, vertrieben den Feind vom rechten Ufer, nahmen Hamburg, und organisirten den Krieg im nördlichen Deutschland. General Dörnberg war über die Elbe gegangen, wurde am 2ten April in Lüneburg von einem überlegnen Feind angegriffen, schlug ihn jedoch, und nahm einen Divisions-General, circa 2500 Gefangne nebst 12 Canonen.

Der Vice-König von Italien ging mit seiner Armee bey Magdeburg über die Elbe, um Lebensmittel in die Festung Magdeburg zu bringen. Der Graf Wittgenstein ging ihm entgegen, vereinigte sich mit dem General v. Borstell und schlug ihn in einem Gefecht bey Kloster Leizkau. Die französische nach eignen Angaben über 40,000 Mann starte Armee verlor bey dieser Affaire, bey welcher nur 8,000 Mann von der combinirten Armee zum Gefecht kamen, über 1000 Gefangne, 1 Canone und 3 Munitionswagen.

Bis hieher hatte die combinirte preußisch-russische Armee nur die Trümmer der aus Rußland zurückgekommenen französischen Armee, verstärkt durch die Division Grenler und etwa 30,000 Mann von der Conscription von 1813, welche die Cadres vom 2ten und 3ten Corps zum Theil ausfüllte, gegen sich. Von allen Seiten ging jedoch die Nachricht ein, daß die durch den französischen Kaiser neu formirten Truppen in voller Bewegung wären, den Rhein paßirt hätten und der combinirten Armee ein Angriff bevorstände.

Es ist nöthig hier die Lage der preußisch-russischen Armee näher zu beleuchten, damit ihre nachfolgenden Operationen beurtheilt werden können.

Die Kaiserl. russische Armee hattte den Feind von Moskau her, mit ganz kurzen Intervallen von Ruhe unabläßig verfolgt, hatte keine Ergänzungs-Mannschaften an sich ziehen können, sondern Einschließungs-Corps vor Danzig, Thoren, Modlin, Zamosk, Czenstochau und Cüstrin, ein Beobachtungs-Corps gegen General Fürst Poniatowsky und ein Besatzungs-Corps in Polen zurücklassen müssen.

Daß diese Armee, welche 1812 einen so bedeutenden Verlust erlitten hatte, nicht anders als höchst schwach an der Elbe ankommen konnte, ist begreiflich. Die einzige Verstärkung der russischen Armee bestand in dem Preußischen Beytritt, allein Preußen konnte in dem Augenblick keine bedeutende Macht bieten. Alles war da erst im werden, und die Anschaffung des Geldes und der Kriegsbedürfnisse führte noch manche Verzögerung herbey. Man war berechtigt zu glauben, daß die Rhein-Conföderation, eines Zustands müde seyn würde, in welchem die glücklichsten Kriege ihres Protektors nur dazu dienten, ihre Länder zu verwüsten, ihre waffenfähige Jugend zu vernichten, ohne Ersatz, ja ohne Dank; man durfte hoffen, daß diese Conföderation die nächste Gelegenheit benutzen würde um auf eine Verfaßung zu dringen, durch welche jeder Souverain in den Stand gesetzt würde seinen Unterthanen Sicherheit des Eigenthums zu geben, so wie sich selbst die Freyheit nach eigner Einsicht zum Wohl der Unterthanen zu handeln, und diese Forderung machte sie zu den engsten Alliirten Rußlands und Preußens, denn der fortgesetzte Krieg hatte ja keine andre Tendenz als die verlornen Rechte freyer Völker zu erkämpfen. Die ehemals englischen, und preußischen jenseits der Elbe gelegenen Provinzen durfte man für geneigt halten, ihre Kräfte zur Erkämpfung der Unabhängigkeit mit zu verwenden.
Um die Erklärung der conföderirten Staaten zu erleichtern und herbey zuführen, mußten die preußisch-russischen Armeen in einer Stellung auftreten, in welcher die Fürsten sich an sie anschliessen, in welcher sie sie beschützen konnten, sie mußten über die Elbe gehen; mußten die vorausgeschickten Proclamationen mit Armeen unterstützen.

Das forderte die politische Lage und die Organisation des neuen Krieges, aber leider stand dieß mit der militairischen im völligen Widerspruch.

Die ganze, noch disponible russische Macht, konnte am 1sten May die Elbe erreichen, allein mit Blücher, York, Borstell und Bülow betrug sie kaum 100,000 Mann.

Es entstand also billig die Fragen: soll man mit dieser Armee, in einer Ausdehnung von der böhmischen Grenze bis Hamburg die Elbe überschreiten, an der der Feind die Festungen Magdeburg, Wittenberg, Torgau und Königstein besetzt hat und außerdem mit einer Armee von mehr als 40,000 Mann hinter Magdeburg steht? Die combinirte preußisch-russische Armee konnte nach allen Kriegs-Regeln nur als eine Observations-Armee zur Deckung der Bloquade und Belagerung von neun Festungen (Danzig, Thorn, Modlin, Zamosk, Stettin, Cüstrin, Glogau, Spandau und Czenstochau) welche in zwey Treffen an den wichtigsten Ueberzügen der beyden großen Ströme, die Oder und die Weichsel lagen, angesehn werden.

Sollte man noch 4 Festungen mehr hinten sich nehmen? sich noch um 4 Bloquaden schwächen?

Es war keinem Zweifel unterworfen, daß die russisch-preußische Armee bis an die Ufer der Saale vordringen konnte, aber es war voraus zu sehen, daß die französischen Armeen nach erhaltener Verstärkung vorrücken, und die combinirte Armee zur Schlacht zwingen würden, in welchem Fall es höchst bedenklich blieb mit geringern Kräften, und alle die Festungen im Rücken, eine Schlacht anzunehmen.

Indeß die Ankunft der französischen Verstärkungen war noch nicht so nahe, und die Erklärung von Sachsen, so wichtig für Deutschland, daß das Vorrücke zwischen die Mulde und Saale beschlossen wurde. Die Zeit bis zur Annäherung der französischen Verstärkungen verstrich, ohne daß in Sachsen ein Schritt zum Vortheil der verbündeten Heere geschehen wäre. Die Monarchen waren mit ihren Heeren in Dresden eingetroffen, sie wogten die Rechte des Fürsten nicht verletzen, und auf dem Wege der Milde durch freye Wahl und Ueberzeugung bewürken, was vielleicht nur durch strenge Maasregeln zu erlangen gewesen wäre.

Der König von Sachsen war in einem fremden neutralen Lande und beharrte dort standhaft in seinem System, auf die Großmuth der Eroberer seines Staats sich stützend. Der Schritt über die Elbe war gethan, fruchtlos für den Gewinn an Kräften durch Sachsen, fruchtlos in Hinsicht auf die Konföderation. Nach allen Nachrichten mußte man die französische Armee auf 160,000 bis 170,000 Mann annehmen, denen die combinirte Macht nicht mehr als die große Hälfte entgegen setzen konnte, da sie in der Defensive war.

Der ritterliche Sinn der Monarchen, der große Zweck, die Proclamationen, ja die innre Würde einer treflichen Armee, die sich zu schlagen wünschte, um zu zeigen was Vaterlandsliebe vermag, erforderten den Entschluß eine Schlacht anzunehmen. Es war dabey zu berücksichtigen, daß der Feind keine Cavallerie hatte, man folglich jederzeit die Schlacht abzubrechen im Standen war, und daß der Feind ebenfalls eine Menge Recruten gegen uns führte, die den Krieg noch nicht gemacht hatten.

Kehren wir nach dieser Auseinandersetzung zur Geschichte zurück.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die preußisch-russische Campagne im Jahre 1813