20. bis 23sten May 1813.

Am 20sten gegen Mittag griff der Feind die Avantgarde in und bey Bautzen an. Nach der Disposition sollte diese sich in kein zu ernsthaftes Gefecht einlassen, sondern ihre Kräfte zur entscheidenden Schlacht aufsparen. General Miloradowiz verließ dem gemäß, und da der Feind die Attaque entwickelte, die Stadt Bautzen und seine Stellung.
General v. Kleist, der die Vortheile des Terrains für sich hatte, auch nicht so weit von der Haupt-Stellung der Armee abstand als General Miloradowiz, engagirte sich in eine heftige Canonade und Tiralleur-Feuer längst der Spree. Der Feind rückte während dem von den Höhen von Groß-Melka mit einer bedeutenden Infanterie-Maße gegen die Spree, canonirte unsre jenseits aufgestellte Cavallerie bis sie sich durch das Defilee von Nied-Gurig zurückzog, und rückte mit Infanterie durch Nied-Gurig.
Jetzt mußte der General v. Kleist seine Position verlassen oder darin unterstützt werden. Es war gegen 5 Uhr Abend, das Gefecht als eine Einleitung zum folgenden Tage anzusehen, also auch nicht rathsam, dem Feinde zu früh die Position der Avantgarde einzuräumen, um so mehr als wir den Vortheil des Terrains hatten. General v. Blücher schickte daher dem General v. Kleist 3000 Mann Infanterie zur Verstärkung, und ließ das Defilee von Nied-Guriz dergestalt mit Artillerie und Infanterie umstellen, daß es dem Feind unmöglich wurde zu debouchiren. Indeß etablirte er eine Batterie und machte einen Versuch, wurde aber zurückgewiesen. Der General v. Kleist hielt sich auf den Höhen bis es anfing dunkel zu werden und er von den Truppen, welche durch Bautzen defilirt waren, in die linke Flanque genommen wurde.
Er zog sich hierauf in Ordnung zurück. Die feindliche Infanterie machte Miene schnell zu folgen, als aber General v. Kleist mit einem Theil seiner Cavallerie, dem Regiment Grodno Husaren, sie anzugreifen bedrohte, zog sie sich schnell aus den Höhen zurück und stand vom Verfolgen ab.
Das Resultat des Tages war also: daß dem Feind die Höhen eingeräumt worden waren, welche die Avantgarde der combinirten Armee besetzt hatte und nach der Disposition verlassen werden sollten, sobald der Feind ernstlich Miene machte sie zu nehmen.
Gegen Einbruch der Nacht hatte sich der Feind bey Klix gezeigt, und ein Tiralleur-Feuer angefangen, welches jedoch keinen Erfolg hatte. Zu gleicher Zeit hatte er auf dem äußersten linken Flügel den Gebirgs-Rücken erstiegen, wurde aber mit dem Dunkelwerden von da zurückgeworfen.
In der Nacht vom 20. zum 21sten May gaben o Majestät der Kaiser in Klein-Purschwitz die Disposition auf den folgenden Tag, nach welcher die Position gehalten werden sollte. Der General v. York wurde noch nebst dem General v. Kleist ins Centrum bey Litten gezogen.
Bald nach Anbruch des Tages machte der Feind Miene durch das Defilee von Nied-Gurig zu gehen.
Die Vertheidigung dieses Defilees war nicht dieselbe des vorigen Abends, da unter dem Schutz der Position des Generals v. Kleist das Defilee mit Artillerie umstellt werden konnte; indeß da der Feind nur leicht angriff, so wurde er durch Canonen-Feuer abgewiesen.
Während dem formirte sich eine Attaque gegen den linken Flügel der combinirten Armee.
Die Artillerie derselben stand hinter Brustwehren, und erhielt den allerhöchsten Befehl nur durch einzelne Schüße zu antworten, sich aber durchaus in keine Canonaden einzulassen. Dieß geschah. Der Feind rückte mit Infanterie vor, wurde aber mit Cartätschen empfangen und stand gleich ab. Auf dem Gebirgsrücken, den der Feind den Abend zuvor erstiegen hatte, war eine russische Batterie gebracht, und so die Anlehnung des linken Flügels völlig gesichert worden.
Beynah zu gleicher Zeit wurde die Avantgarde des Generals Barclay de Tolly aus Klix gedrängt, und mußte sich nach Gottamende zurückziehen. Dadurch wurde die Position des Generals Barclay auf dem Windmühlenberg von Gleina demasquirt, und der Feind formirte seine Colonnen bey Dreßa, das beym Rückzug der Avantgarde in Brand gerathen war. Der Feind war dem Barclayschen Corps so sehr an Infanterie überlegen, daß es unmöglich wurde, auf die Dauer zu widerstehen. Um 9 Uhr Morgens wurde der Windmühlenberg angegriffen und mußte verlassen werden, da General Barclay keine Verstärkung an Infanterie erhalten konnte. Er zog sich, der Disposition gemäß, gegen Baruth. Der Feind folgte lebhaft und drang in Preititz ein.
Durch diesen Ort sollte sich General v. Blücher im Fall eines Abzuges, laut Disposition, gegen Weißenburg zurückziehen. Die Nothwendigkeit erforderte also ihn schnell wieder zu nehmen, oder die Stellung auf den Kreckwitzer Höhen zu verlassen.
So lange General v. Blücher nicht selbst ernsthaft engagirt war, konnte er seine Reserve unter General v. Röder entbehren. Er gab ihr daher den Auftrag, den General Barclay zu unterstützen und Preititz wieder zu nehmen, dann aber die weitere Vertheidigung des Dorfs der russischen Infanterie zu überlassen und ihren Platz wieder einzunehmen.
General v. Kleist marschirte mit demselben Auftrag aus dem Centro ab. General Barclay wurde unterstützt, der Feind geworfen und die preussischen Garden nahmen Preititz wieder, was aber bey dieser Gelegenheit in Brand gerieth. Hierüber war es etwa 1 Uhr Mittags geworden.
Als im Centro der französischen Armee bemerkt wurde, daß ihr linker Flügel wieder Terrain verlor, so brach sie aus dem Defilee von Nied-Gurig vor und fuhr Batterien gegen die Höhen von Kreckwitz auf. Zu gleicher Zeit wurden die mit Infanterie besetzten Dörfer Pliskowiz und Doberschüz lebhaft angegriffen, und das v. Blüchersche Corps durch Batterien, welche sich hinter den Teichen zwischen Preititz und Malschwiz etablirten, in die rechte, durch eine Batterie, welche sich bey Basankwitz aufstellte, in die linke Flanque genommen. 24 russische 12pfündige Canonen feuerten mit außerordentlicher Wirksamkeit, aber so heftig, daß sie aus Mangel an Munition bald abfahren mußten. Die feindliche Infanterie kam aus dem Defilee von Nied-Gurig en Colonne an.
Die Brigade v. Klüx ging ihr entgegen und engagirte ein lebhaftes kleines Gewehr-Feuer, was sie aber auf die Dauer nicht gegen den viel stärkern Feind aushalten konnte. Die Dörfer Kliskowitz und Kreckwitz wurden um eben diese Zeit vom Feinde genommen.
Es wurde jetzt nöthig die ganze Reserve-Brigade v. Röder zum Gefecht heran zu ziehen, oder wenn man sich nicht in einen zu ungleichen Kampf einlassen wollte, die Position zu verlassen, denn von Bautzen her rückten 16 Bataillon in mehreren Treffen gegen Kreckwitz an.

Die Reserve -Brigade v. Röber war noch in der Gegend von Preititz engagirt, und konnte folglich nicht ganz heran gezogen werden. - General v. Blücher mußte sich also entschliessen die Kreckwitzer Höhen zu verlassen, und anstatt nach der Disposition durch Preititz zu gehen, durch Groß-Purschwiz abzumarschiren. Die Truppen zogen sich nach dazu erhaltenem Befehl in der größten Ordnung zurück, ohne einen Verlust zu erleiden. Als General v. Blücher Groß-Purschwiz paßirt hatte, erhielt er die Nachricht, daß der General v. York den Auftrag erhalten zu seiner Unterstützung vorzurücken, und der linke Flügel der combinirten Armee alsdann in die Offensive übergehen sollte. General v. York hatte in dieser Absicht Kreckwitz bereits wieder erobert und ein Bataillon Würtemberger darinn zu Gefangenen gemacht.
Kam diese Nachricht ½ Stunde früher, so konnten die Höhen v. Kreckwitz gehalten werden, jetzt aber hatte der Feind sie bereits mit Geschütz besetzt und ihre Wiedereroberung konnte nur durch Infanterie geschehen, welche Gefechte nach dem allgemeinen Grundsatz vermieden werden mußten. Dieß bewog die combinirte Armee zum allgemeinen Rückzug, der um 3 Uhr Nachmittag mit aller Ordnung angetreten wurden General Barclay zog sich von Baruth über Grödiz nach Weißenberg. Der rechte Flügel, aus der preussischen Armee bestehend, nahm die Weissenberger Straße, der linke Flügel, die Strasse über Hochkirch und Löbau.
Als der Feind beide Colonnen bis Würschen und gegen Hochkirch verfolgt, und die Arriergarden in der Attitüde gefunden hatte allen Angriffen zu begegnen, stand er von allen weitern versuchen ab.
Der rechte Flügel bivuaquirte hinter Weissenberg der linke bey Löbau.
Am folgenden Tage, den 22sten May, wurde der Marsch in zwey Colonnen fortgesetzt, der rechte Flügel marschirte auf der großen Strasse bis vor Reichelbach, bog dann links über Menzelsdorff, Königshayn, Ebersbach und Lubwigsdorff, wo er die Neisse passirte und ins Bivuaq rückte.
Der linke Flügel marschirte auf der grossen Strasse über Reichenbach ins Bivuaq hinter Görlitz.
Bey Reichenbach engagirte sich ein ziemlich lebhaftes, nichts entscheidendes Arriergarden-Gefecht, bey welchem, wie man später erfuhr, der Kaiser Napoleon selbst gewesen, und sein Grand-Marschall Duroc geblieben war. An diesem Tage zeigte sich zum erstenmal französische Cavallerie, welche sogleich von der russischen angefallen wurde. Diese war jedoch zu hitzig gewesen, mußte der Uebermacht weichen, und wurde von der Reserve-Cavallerie aufgenommen.
Den 23sten May wurden die Brücken über die Neisse zerstört und der Marsch fortgesetzt. Der rechte Flügel stellte sich bey Waldau, der linke bey Lauban auf.
Der Feind stellte die Brücken bald wieder her, und ging durch die zahlreichen Furthen der Neiße. Bey der Arriergarde des linken Flügels entstand am Morgen eine lebhafte Canonade, gegen Abend wurde- jedoch die Arriergarde des rechten Flügels bis Taubentränke zurückgedrängt.
Die preussische Armee fand hier eine Verstärkung von 3,200 Mann Infanterie und 500 Mann Cavallerie.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die preußisch-russische Campagne im Jahre 1813